Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.2012, Az.: 10 LB 184/09

Anspruch eines Landwirts auf Zuweisung höherwertiger Zahlungsansprüche i.R.d. einheitlichen Betriebsprämienregelung und Erhalt des Hofes durch vorweggenommene Erbfolge

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.03.2012
Aktenzeichen
10 LB 184/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 12664
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0313.10LB184.09.0A

Fundstellen

  • NordÖR 2012, 261
  • ZEV 2012, 11

Amtlicher Leitsatz

Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 erfasst auch den Fall, in dem der Betriebsinhaber den Betrieb durch vorweggenommene Erbfolge von dem künftigen Erblasser erhalten hat, vorheriger Betriebsinhaber aber ein anderes Familienmitglied war, mit dem der Betriebsinhaber in einer Generationenfolge steht (hier: Eigentümerin des Betriebs war die Mutter des Klägers, Betriebsinhaber der Vater des Klägers)

Tatbestand

1

Der Kläger ist Landwirt und begehrt im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung die Zuweisung höherwertiger Zahlungsansprüche.

2

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb, der Hof im Sinne der Höfeordnung ist und im Eigentum seiner Mutter steht. Diese übernahm den Hof durch Hofübergabevertrag vom 1. Juli 1983 von ihrem Vater, führte danach den Betrieb aber nicht selbst. Bewirtschafter im Zeitraum vom 1. Juli 1983 bis zum 30. Juni 2004 war vielmehr ihr Ehemann, der Vater des Klägers. Der Kläger pachtete von seiner Mutter mit Vertrag über die Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes vom 20. Juni 2004 mit Wirkung zum 1. Juli 2004 den Hof für die Dauer von 12 Jahren.

3

Der Vater des Klägers hatte für das Jahr 2000 die Sonderprämie für sechs Ochsen der 1. und 2. Altersklasse, für das Jahr 2001 für 13 Ochsen der 1. und 2. Altersklasse sowie für das Jahr 2002 für 3,4 Ochsen der 1. und 2. Altersklasse erhalten.

4

Noch vor Stellung des Antrags auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen stellte der Kläger am 22. März 2005 bei der Landwirtschaftskammer Hannover, der Funktionsvorgängerin der Beklagten, unter Nutzung des vorgesehenen Formularvordrucks einen "Antrag auf Überlassung der betriebsindividuellen Beträge (BIB)/Einheiten gemäß Art. 33 der VO 1782/2003 (Betriebsveränderungen)". Als überlassender Betriebsinhaber wurde der Vater des Klägers eingetragen, als übernehmender Betriebsinhaber der Kläger. Der überlassende und der übernehmende Betriebsinhaber gaben durch Setzen der entsprechenden Kreuze in dem Formularvordruck an, die Übertragung der betriebsindividuellen Beträge/Einheiten auf Grund der Betriebsveränderung zwischen dem 1. Januar 2000 und 17. Mai 2005 zu beantragen, und zwar wegen Übertragung auf Grund Vererbung/vorweg-genommener Erbfolge gemäß Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO 1782/2003 in Verbindung mit Art. 13 VO 795/2004, wobei die BIB/Einheiten nicht geteilt werden sollten. Die Betriebsveränderung sei am 1. Juli 2004 erfolgt, als Nachweis sei der Pachtvertrag beigefügt. Als überlassende Betriebsinhaber unterzeichneten sowohl der Vater als auch die Mutter des Klägers, als übernehmender Betriebsinhaber der Kläger. Dem Antrag legte der Kläger das Mitteilungsschreiben der Landwirtschaftskammer Hannover vom 11. Januar 2005 über als zuteilungsfähig ermittelte betriebsindividuelle Beträge sowie den Bescheid über die "Abschlusszahlung der Sonderprämie für männliche Rinder, der Extensivierungsprämie und der Schlachtprämie 2000" vom 21. November 2001, den Pachtvertrag vom 20. Juni 2004 und eine formularmäßige "Gemeinsame Erklärung des Erblassers und Erben" bei. Mit letzterer erklärten der Vater und die Mutter des Klägers als (künftige) Erblasser und der Kläger als (künftiger) Erbe, der beigefügte Pachtvertrag vom 20. Juni 2004 sei zum Zwecke der Vorwegnahme der Erbfolge geschlossen worden.

5

Am 17. Mai 2005 stellte der Kläger bei der Landwirtschaftskammer Hannover den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005. Unter I.2 ("Ergänzende Angaben zum Betrieb") erklärte der Kläger, den Betrieb im Rahmen des Generationswechsels seit der letzten Antragstellung übernommen zu haben, und verwies auf den Pachtvertrag. Unter II. ("Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen in 2005"), Ziff. 4.2 ("Zusätzliche Angaben") erklärte er, im Bezugszeitraum 2000 bis 2002 sei eine andere Person Inhaber des Betriebes gewesen, für den er als Pächter Zahlungsansprüche beantrage. Er verwies erneut auf den vorgelegten Pachtvertrag. Unter Ziffer II.4.5, unter der der Kläger die Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen wegen Vererbung oder vorweggenommener Erbfolge im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 17. Mai 2005 hätte beantragen können, setzte er kein Kreuz. Stattdessen setzte der Kläger unter Ziffer II.4.6 (Zahlungsansprüche bzw. betriebsindividuelle Beträge aus der nationalen Reserve (Härtefälle/besondere Lage)) ein Kreuz bei dem "Antrag auf Zuweisung auf Zahlungsansprüchen bzw. betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve wegen Übernahme (kostenlos oder zu einem symbolischen Preis) von Flächen oder Unternehmen bzw. Unternehmensteilen bis zum Zeitpunkt der Antragstellung, die im Bezugszeitraum an einen Dritten verpachtet waren (Art. 20)". Dem Antrag legte der Kläger den ausgefüllten Vordruck I sowie den Pachtvertrag vom 20. Juni 2004 und Betriebsunterlagen bei.

6

Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte für den Kläger 71,64 normale Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 287,22 € pro Hektar, 21,68 normale Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 131,85 € pro Hektar sowie 5,68 Stilllegungszahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 255,12 € pro Hektar fest. Ausweislich Anlage 2 zum Bescheid berücksichtigte sie bei der Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages die dem Kläger am 31. März 2005 zur Verfügung stehende Milchreferenzmenge, aber keine im Bezugszeitraum 2000 bis 2002 von seinem Vater bezogenen Rindersonderprämien.

7

Der Kläger hat am 26. Mai 2006 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe einen Anspruch auf weitere betriebsindividuelle Beträge für die seinem Vater gewährten Tierprämien. Er sei zum Hoferben berufen, und es sei unverständlich, dass zwar die Milchreferenzmenge, nicht aber die Tierprämien bei der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages Berücksichtigung gefunden hätten. Zwar sei es nicht zu einem unmittelbaren Übergang des Betriebs auf ihn von dem ehemaligen Betriebsinhaber, seinem Vater, gekommen, weil beide den Betrieb von seiner Mutter gepachtet hätten. Diese nicht seltene Konstellation könne indes nicht zu einem Verlust des Wertes der Tierprämien führen, ohne die Willkürgrenze zu verletzen. Einen nachvollziehbaren Grund dafür, dass er die Prämien in die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages nicht habe einbringen können, während dies im Fall der direkten Pacht von seinem Vater möglich gewesen wäre, sei nicht zu erkennen.

8

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm weitere betriebsindividuelle Beträge in Höhe von 2.217,60 € nach Abzug der Zuführung zur nationalen Reserve zuzuweisen und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 aufzu-heben, soweit er dem entgegensteht.

9

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat erwidert, eine Übertragung der vom Vater des Klägers erwirtschafteten betriebs-individuellen Beträge auf den Kläger sei ausgeschlossen, weil der Vater des Klägers nicht Betriebsinhaber gewesen sei. Dies sei seine Mutter gewesen, die den Betrieb nur an den Vater bzw. ihren Sohn verpachtet habe und selbst keine Tierprämien erhalten habe.

11

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. Mai 2008 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger weitere betriebsindividuelle Beträge in Höhe von 2.217,60 € nach Abzug der Zuführung zur nationalen Reserve zuzuweisen, und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

12

Dem Kläger, der in eigenem Namen die Berechnung der Zahlungsansprüche beantragt habe, sei auf der Grundlage von Art. 33 Abs. 1 Buchst. a und b VO (EG) Nr. 782/2003 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 ein zusätzlicher betriebsindividueller Betrag nach Maßgabe der seinem Vater im Zeitraum 2000 bis 2002 gewährten Sonderprämie für männliche Rinder abzüglich 1 % für die nationale Reserve zuzuweisen. Der Kläger habe die Zuweisung von Zahlungsansprüchen und betriebsindividuellen Beträgen unter II.4.1 auf dem geltenden Formblatt innerhalb der dafür geltenden Frist beantragt. Eines gesonderten Antrags auf Übertragung der betriebsindividuellen Beträge von dem Betrieb seines Vaters auf ihn unter II.4.5 des Antragsformulars habe es nicht bedurft. Für diesen Antrag gebe es weder im Gemeinschaftsrecht noch in den nationalen Umsetzungsnormen eine Rechtsgrundlage. Gemäß Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 könne jeder Betriebsinhaber, der den Betrieb durch vorweggenommene Erbfolge von einem Betriebsführer erhalten habe, der die Voraussetzungen des Buchstaben a erfülle, die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen. Der Vater erfülle diese Voraussetzungen. Anders als die Beklagte vorgetragen habe, sei dieser und nicht die Mutter des Klägers Betriebsinhaber gewesen. Der Kläger habe den Betrieb ausweislich des Pachtvertrages im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhalten. Dies hätten die Mutter als Verpächterin und der Vater als abgebender Betriebsinhaber in der gemeinsamen Erklärung vom 20. März 2005 ausdrücklich erklärt. Allerdings decke sich die hier vorliegende Konstellation nicht eindeutig mit dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003. Die Bestimmung betreffe nur die Konstellation der Hofübergabe unmittelbar vom Betriebsinhaber auf den späteren Erben. Die Besonderheit, dass auch der hofübergebende Betriebsinhaber den Betrieb von seiner Ehefrau und Miterblasserin gepachtet habe, sei ausdrücklich nicht geregelt. Diese Lücke könne hier jedoch durch einen Analogieschluss geschlossen werden. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Norm lägen vor. Die Bestimmung enthalte eine Regelungslücke, die mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren sei. Auf Grund der Identität der tatsächlichen Konstellation des Klägers mit der in der Verordnung geregelten würde der hier sonst eintretende Rechtsverlust den Kläger willkürlich treffen und damit gegen das auch im Gemeinschaftsrecht geltende Willkürverbot verstoßen. Der Kläger habe ebenso wie im ausdrücklich geregelten Fall den Betrieb faktisch von seinem Vater als Betriebsinhaber übernommen. Der Vater habe dies durch die gemeinsame Erklärung mit seiner Ehefrau und Verpächterin unmissverständlich bekundet. Dass für den Betrieb die vertragliche Ausge-staltung der Pacht von Ehefrau an Ehemann bzw. Mutter an Sohn gewählt worden sei, ändere nichts daran, dass der Vater Betriebsinhaber gewesen sei und der Sohn im Wege der vorweggenommenen Erbfolge diesen Betrieb fortführe. Die Situation, der Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 Rechnung trage, decke sich daher mit der Situation des Klägers sowohl hinsichtlich der Identität des übernommenen Betriebes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als auch hinsichtlich der Übernahme von betriebsindividuellen Beträgen von dem bisherigen Betriebsinhaber auf diesem Wege, wenn hier auch ein juristischer Zwischenschritt durch den Wechsel des Pachtvertrages einer unmittelbaren Anwendung entgegenstehe. Sei die Lücke in der Regelung von Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 durch seine analoge Anwendung geschlossen, trete der Kläger bei der Anwendung der Vorschrift ohne Rechtsverlust in die Rechtsposition seines Vaters hinsichtlich der betriebsindividuellen Beträge ein, die ihm daher, ohne dass er weitere Voraussetzungen habe erfüllen müssen, gekürzt nur um den Abzug für die nationale Reserve zuzuweisen seien.

13

Der Senat hat mit Beschluss vom 27. November 2009 - 10 LA 240/08 - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2008 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zugelassen.

14

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte geltend, die Klage sei wegen Verfristung unzulässig. Bei der Versendung der Bescheide vom 7. April 2006 habe sie sich eines Dienstleisters, der Firma A., bedient, der mitgeteilt habe, dass die Bescheide am 20. April 2006 versandt worden seien. Bei Klageerhebung am 26. Mai 2006 sei die Monatsfrist nach § 74 VwGO bereits abgelaufen gewesen. Zur Sache wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren:

15

Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer analogen Anwendung des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 ausgegangen. Die Vorschrift stelle aus gutem Grund darauf ab, dass der Betrieb durch vorweggenommene Erbfolge von einem Betriebsinhaber erhalten werde, da nur dieser den Betrieb im Referenzzeitraum bewirtschaftet und die entsprechenden Anträge gestellt habe. Insofern liege keine Regelungslücke vor, die es zu schließen gelte. Das Verwaltungsgericht habe vielmehr die Vorschrift gegen ihren ausdrücklichen Wortlaut erweiternd ausgelegt. Selbst wenn man Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 analog anwenden wolle, komme es für die Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen auf die Angaben in Ziffer 4.5 des Sammelantrags 2005 sowie insbesondere auf die Angaben im Vordruck A (vorweggenommene Erbfolge) des Sammelantrags 2005 an. Die betriebsindividuellen Beträge seien ebenso wie die Zahlungsansprüche personengebunden. Es bedürfe daher eines gesonderten Überlassungsantrags der betriebsindividuellen Beträge. Nur so könne gewährleistet werden, dass die Zahlungsansprüche und damit die betriebsindividuellen Beträge auch vom berechtigten Anspruchs-inhaber genutzt würden. Eine automatische Überlassung der Zahlungsansprüche finde gerade nicht statt. Die personenbezogene Zuteilung der betriebsindividuellen Beträge habe das Verwaltungsgericht erkannt. Die Verantwortlichkeit für eine erfolgreiche Antragstellung liege allein auf Seiten der Antragsteller. Der Kläger habe einen Antrag nicht gestellt, eine Antragstellung auf Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen sei somit nicht erfolgt. Ein offensichtlicher Irrtum liege nicht vor; die Antragsangaben seien für sich genommen widerspruchsfrei. Auch seien höhere Gewalt und außergewöhnliche Umstände vorliegend nicht ersichtlich.

16

Auch die Voraussetzungen des Härtefallantrags wegen einer kostenlosen oder zu einem symbolischen Preis erfolgten Übernahme von im Bezugszeitraum verpachteten Flächen gemäß Art. 20 VO (EG) Nr. 795/2004 lägen nicht vor. Der Antrag habe ebenfalls abgelehnt werden müssen, da laut Pachtvertrag vom 20. Juni 2004 eine Pachtzahlung von 14.400,-- € jährlich vereinbart worden sei und es sich dabei nicht um einen symbolischen Preis handele.

17

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. Mai 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

18

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

19

Er bezieht sich auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung und trägt ergänzend vor: Ein mit Bleistift eingetragenes handschriftliches Fragezeichen im Antragsformular bei Ziffer 4.5 zeuge von seiner Unsicherheit, an welcher Stelle des Formularantrags er seine Ansprüche habe geltend machen müssen. Er habe ein Kreuz in dem Abschnitt 4.6 gesetzt, weil er nach seinem Verständnis die Übernahme zu einem symbolischen Preis habe darlegen sollen. Der Pachtvertrag zwischen seiner Mutter und ihm vom 20. Juni 2004 enthalte aus seiner Sicht in § 3 einen mehr symbolisch verstandenen Pachtpreis, der nicht zwingend bzw. in vollem Umfang habe gezahlt werden müssen. Es sei die "Gemeinsame Erklärung" vom 20. März 2005 hinzuzudenken, in welcher der aus dem Pachtvertrag nicht direkt zu entnehmende Zweck der vorweggenommenen Erbfolge ausdrücklich zwischen den Vertragsparteien festgehalten sei. Dass er den Anspruch auf die Betriebsprämie bekundet habe und dies auch geltend gemacht habe, sei auch ohne das von der Beklagten vermisste Kreuz unter 4.5 aus dem Gesamtinhalt des Antrags sicher abzulesen. Missbrauch habe die Beklagte in jedem Fall verhindern können, weil sie über die Gesamtumstände der vertraglichen und betrieblichen Verhältnisse voll aufgeklärt worden sei. Wenn sie gleichwohl das Kreuz für zwingend habe halten wollen, hätte sie ihm Gelegenheit geben müssen, das Kreuz nachträglich anzubringen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

22

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger um einen weiteren betriebsindividuellen Betrag von 2.217,60 EUR erhöhte Zahlungsansprüche zuzuweisen. Die Klage ist zulässig (1.). Sie ist auch begründet. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Gewährung höherwertiger Zahlungsansprüche auf Grundlage der seinem Vater im Bezugszeitraum 2000 bis 2002 gewährten Sonderprämien für Ochsen der 1. und 2. Altersklasse; der Bescheid vom 7. April 2006 ist insoweit rechtswidrig (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) (2.).

23

1.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie fristgemäß erhoben worden.

24

Die Verpflichtungsklage muss nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Nach § 41 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Dies gilt nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

25

Die Beklagte hat sich für den Zeitpunkt der Aufgabe des Bescheides vom 7. April 2006 zur Post darauf berufen, dass nach Auskunft eines Mitarbeiters der Firma A., die sie mit der Versendung der Bescheide beauftragt hatte, der Bescheid am 20. April 2006 versandt worden sei. Hiervon ausgehend hätte die Klagefrist am Sonntag, dem 23. April 2006, begonnen und wäre am Dienstag, dem 23. Mai 2006, abgelaufen (zum Fristbeginn vgl. Nds. OVG, Beschl. v. Beschluß vom 26.10.2006 - 7 PA 184/06 -, NVwZ 2007, 78 [VerfG Sachsen-Anhalt 13.06.2006 - LVG 7/05]).

26

Belegt hat die Beklagte den Zeitpunkt der Versendung nicht; deren Vertreterin hat in der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2012 auf eine E-mail verwiesen und die Vermutung geäußert, eine Dokumentation der chargenweise erfolgten Versendung der Zuteilungsbescheide vom 7. April 2006 sei bei der Firma A. noch vorhanden. Eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung war indes nicht erforderlich, weil der Kläger den Zugang des Bescheides vom 7. April 2006 bis zum 23. April 2006 in der mündlichen Verhandlung qualifiziert bestritten hat.

27

Bestehen berechtigte Zweifel daran, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende und der Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zugrunde liegende Vermutung zutrifft, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, greift die gesetzliche Bekanntgabevermutung nicht ein mit der Folge, dass die Behörde das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs trägt. Das schlichte Bestreiten des Betroffenen, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reicht regelmäßig nicht aus, um die Zugangsvermutung des § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zu entkräften. Vielmehr muss der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalls derart substantiieren, dass zumindest ernsthaft Zweifel am Zugang begründet werden (Nds. OVG, Beschl. v. 15.03.2007 - 5 LA 136/06 -, NVwZ-RR 2007, 365, 366, m.w.N.).

28

Vorliegend bestehen ernstliche Zweifel daran, dass die Bekanntgabe des Bescheides vom 7. April 2006 bis zum 23. April 2006 erfolgte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat anhand seines Terminkalenders 2006, seiner Handakte sowie zweier weiterer Belege substantiiert darlegt, dass der Bescheid dem Kläger erst am 26. April 2006 zugegangen und damit bekannt gegeben worden ist. Unter Vorlage seiner Handakte hat er erklärt: Er habe am 23. Mai 2006 einen Anruf der Mutter des Klägers erhalten, die um einen kurzfristigen Termin gebeten habe. Am 24. Mai 2006 habe er ein Schreiben der Mutter sowie den Bescheid vom 7. April 2006 in seiner Post vorgefunden und mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage begonnen. Aufgrund des Bescheiddatums habe er auch Überlegungen zur Zulässigkeit einer Klage angestellt und die Punkte "Zugang?" und "Wiedereinsetzung" notiert. Er habe dann mit der Mutter des Klägers telefoniert und neben dem Punkt "Zugang?" handschriftlich vermerkt, dass sich diese an den Zugang am 26. April 2006 erinnert habe, weil ihr der späte Zugang des auf den 7. April 2006 datierten Bescheids aufgefallen sei und weil nur einen Tag nach Zugang des Bescheides, nämlich am 27. April 2006, eine vom "Grünen Ring" organisierte Annahme der Anträge Agrarförderung 2006 in einem Gasthaus stattgefunden habe. Eine Ablichtung des Informationsschreibens des "Grünen Rings" über die Beratungstermine 2006 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgelegt. Die Richtigkeit seiner Angaben hat er außerdem anwaltlich versichert.

29

Die Beklagte trägt damit das Risiko der Nichterweislichkeit der Bekanntgabe des Bescheides vom 7. April 2006 bis zum 23. April 2003. Auszugehen ist mithin davon, dass der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheid dem Kläger erst am 26. April 2006 bekannt gegeben wurde mit der Folge, dass die Klagefrist gemäß §§ 74 Abs. 2, 57 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 26. Mai 2006 endete und die Klage fristgerecht erhoben worden ist.

30

2.

Die Klage ist begründet; der Kläger hat einen Anspruch auf höherwertige Zahlungsansprüche.

31

Der Entscheidung des Rechtsstreits sind die Vorschriften zugrunde zu legen, die sich für das Antragsjahr 2005 Geltung beilegten. Hiernach sind Art. 33 Abs. 1 Buchst. b und 59 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für die Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 118/2005 der Kommission vom 26. Januar 2005 (ABl. Nr. L 24 S. 15) sowie Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung (ABl. Nr. L 141 S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 394/2005 der Kommission vom 8. März 2005 (ABl. Nr. L 63 S. 17) maßgeblich. Weiter finden das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie - BetrPrämDurchfG - vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) und die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie - BetrPrämDurchfV - vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204) sowie die Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der VO (EG) Nr. 1782/2003 im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems - InVeKoSV - vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3194) Anwendung.

32

Der Wert der Zahlungsansprüche errechnet sich aus dem betriebsindividuellen und dem flächenbezogenen Betrag (§ 5 Abs. 1 BetrPrämDurchfG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 und 3 VO (EG) Nr. 1782/2003). Der betriebsindividuelle Betrag entspricht nach Art. 59 Abs. 3 UAbs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 dem Referenzbetrag, geteilt durch die Anzahl der Zahlungsansprüche nach Absatz 4 der Bestimmung. Der Referenzbetrag für das Jahr 2005 wird gemäß Art. 37 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 - 3 BetrPrämDurchfG berechnet, indem zunächst der Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der Zahlungen ermittelt wird, die ein Betriebsinhaber im Rahmen der Stützungsregelungen nach Anhang VI der Verordnung in jedem Kalenderjahr des Bezugszeitraumes bezogen hat und der gemäß Anhang VII der Verordnung berechnet und angepasst wurde. Anhang VI führt diejenigen (sektoralen) Direktzahlungen auf, die von der Betriebsprämienregelung erfasst und abgelöst werden sollen. Hierzu zählen auch verschiedene Prämien nach der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. EG Nr. L 160 S. 21). Von der Summe dieser Beträge wird gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrPrämDurchfG 1 v. H. für die nationale Reserve abgezogen.

33

Nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 1782/2003 können Betriebsinhaber die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen, wenn ihnen in einem bestimmten Bezugszeitraum - dieser umfasst nach Art. 38 VO (EG) Nr. 1782/2003 die Kalenderjahre 2000, 2001 und 2002 - im Rahmen von mindestens einer der Direktzahlungen gemäß Anhang VI der Verordnung eine Zahlung gewährt wurde. Die Betriebsprämienregelung kann auch in Anspruch nehmen, wer den Betrieb oder einen Teil des Betriebes durch Vererbung oder durch vorweggenommene Erbfolge von einem Betriebsinhaber erhalten hat, der die Bedingungen nach Buchstabe a erfüllte (Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003). In diesen Fällen beantragt der Betriebsinhaber, der den Betrieb oder einen Betriebsteil erhalten hat, in eigenem Namen die Berechnung der Zahlungsansprüche für den erhaltenen Betrieb oder Betriebsteil. Anzahl und Wert der Zahlungsansprüche werden auf Basis des Referenzbetrags und der Hektarzahl der geerbten Produktionseinheiten festgestellt (Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004; Art. 43 Abs. 1 und Art. 37 VO (EG) Nr. 1782/2003).

34

Die erstmalige Zuweisung von Zahlungsansprüchen erfolgt gemäß Art. 12 Abs. 4 VO (EG) Nr. 795/2004 auf der Basis des Antrages auf Teilnahme an der Betriebsprämienregelung gemäß Art. 34 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003. Nach rt. 34 Abs.2 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 InVeKoSV ist die Festsetzung der Zahlungsansprüche für die einheitliche Betriebsprämie bis zum 15. Mai 2005 schriftlich bei der Landesstelle zu beantragen.

35

Die Voraussetzungen für die Gewährung höherwertiger Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung der vom Vater des Klägers im Referenzzeitraum 2000 bis 2002 bezogenen Sonderprämien für männliche Rinder liegen vor (a.). Der Kläger hat fristgemäß einen Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen einschließlich des betriebsindividuellen Betrages gestellt und damit seiner Antragspflicht genügt (b.). Der Kläger hat den Betriebsübergang im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schließlich fristgemäß nachgewiesen (c.).

36

a.

Die Voraussetzungen von Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 liegen vor.

37

aa.

Der Vater des Klägers erfüllte die Bedingungen nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 1782/2003. Er - und nicht die Mutter des Klägers - war im Bezugszeitraum Betriebsinhaber. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er den landwirtschaftlichen Betrieb nicht eigenverantwortlich und auf eigenes Risiko bewirtschaftet hat. Solche Anhaltspunkte hat auch die Beklagte, die auf dem Standpunkt steht, die Mutter des Klägers sei Betriebsinhaberin gewesen, nicht vorgetragen.

38

Der Umstand, dass der Betrieb nicht in seinem Eigentum stand, sondern von ihm gepachtet war, spricht nicht gegen die Betriebsinhabereigenschaft des Vaters des Klägers. Die Eigenschaft kommt einer Person nicht nur dann zu, wenn sie Eigentümerin der Anlagen ist, die sie für ihre Produktion nutzt (EuGH, Urt. v. 15.01.1991 - Rs. C-341/89 -, Ballmann, Slg. 1991, I-25, Rz. 12; Urt. v. 09.10.1997 - Rs. C-152/95 -, Michel Macon, Slg. 1997, I-5429, Rn. 22 zu Art. 12 Buchst. c) VO (EWG) Nr. 857/84). Bei gepachteten Betrieben ist der landwirtschaftliche Betriebsleiter, der die Gesamtheit von Produktionseinheiten in eigener Verantwortung bewirtschaftet, vielmehr nur der Pächter, der das Recht zur Nutzung des Betriebs hat (vgl. EuGH, Urt. v. 09.07.1992 - Rs. C-236/10 -, Maier, Slg. 1992, I-4483, Rn. 11 und, v. 27.01.1994 - Rs. C-98/91 -, Herbrink, Slg. 1994, I-223, Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 13.11.1997 - 3 C 33.96 -, BVerwGE 105, 354 = Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 4 = RdL 1998, 102 = AgrarR 1998, 326 = DÖV 1998, 510 [BVerwG 13.11.1997 - 3 C 33/96]).

39

Der Vater des Klägers stellte Anträge auf Agrarförderung und wurde im Antragsverfahren von den Landwirtschaftsbehörden als Erzeuger behandelt. Im Bezugszeitraum 2000 bis 2002 bezog er Sonderprämien für männliche Rinder nach Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1254/1999 in der Fassung vor der Aufhebung von Kapitel 1 durch die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003. Die Sonderprämie zählt zu den Direktzahlungen nach Anhang VI der letztgenannten Verordnung (vgl. auch § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) aa) BetrPrämDurchfG).

40

bb.

Der Kläger hat den Betrieb mit Wirkung zum 1. Juli 2004 durch vorweggenommene Erbfolge im Sinne des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 übernommen.

41

Nach Art. 13 Abs. 5 VO (EG) Nr. 795/2004 werden für die Anwendung von Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 und für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Begriffsbestimmungen für "Vererbung" und "vorweggenommene Erbfolge" zugrunde gelegt. Im deutschen Recht gibt es keine gesetzliche Begriffsbestimmung für die "vorweggenommene Erbfolge". Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 17. Januar 2012 - 10 LB 58/10 -, [...]) ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile v. 30.01.1991 - IV ZR 299/89 -, BGHZ 113, 310, 313; v. 01.02.1995 - IV ZR 36/94 -, NJW 1995, 1349, 1350 [BGH 01.02.1995 - IV ZR 36/94]) unter einer Vorwegnahme der Erbfolge die Übertragung des Vermögens (oder eines wesentlichen Teils davon) durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als Erben in Aussicht genommene Empfänger zu verstehen. Dies zugrunde gelegt fallen nicht allein Übergabeverträge nach §§ 7 Abs. 1 Alt. 2, 17 HöfeO in den Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003, sondern auch die in der landwirtschaftlichen Praxis weit verbreiteten Pachtverträge, die im Rahmen einer sogenannten "gleitenden Hofübergabe" die Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebes vom künftigen Erblasser auf den vorgesehenen Erben bei gleichzeitiger Absicherung des Pächters durch einen Erbvertrag oder einen auf den Todesfall hinausgeschobenen Vollzug der Übereignung vorsehen.

42

Da nach diesem Rechtsverständnis auch ein Pachtvertrag der vorweggenommenen Erbfolge dienen kann, steht der Umstand, dass die Verordnung (EG) Nr. 795/2004 besondere Regelungen für den Betriebsübergang im Wege der Pacht enthält und damit zwischen einem Betriebsübergang im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und der Pacht unterscheidet (vgl. Art. 13 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 22), der Anerkennung einer "gleitenden Hofübergabe" durch Landpacht als Betriebsübergang im Wege der vorweggenommenen Erbfolge im Sinn des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 nicht entgegen. Die in der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 angelegte Unterscheidung zwischen "normalen" Pachtverträgen und Pachtverträgen, die zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge geschlossen werden, hat (lediglich) Folgen für die Reichweite der Nachweispflichten des Betriebsinhabers bei der Antragstellung auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen.

43

Einen Hofübergabevertrag im Sinne des § 7 Abs. 1 Alt. 2 HöfeO haben der Kläger und seine Mutter nicht geschlossen. Daraus folgt aber nach den vorstehenden Darlegungen nicht ohne Weiteres, dass ein Fall der vorweggenommenen Erbfolge im Sinne des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 nicht vorläge. Der zwischen dem Kläger und seiner Mutter geschlossene Landpachtvertrag vom 20. Juni 2004 erfüllt zwar nicht für sich genommen, aber in Verbindung mit der ergänzenden "Gemeinsamen Erklärung des Erblassers und Erben" die Voraussetzungen für eine Betriebsübergabe durch vorweggenommene Erbfolge. Der Pachtvertrag vom 20. Juni 2004 hat die Verpachtung des gesamten Betriebs der Mutter des Klägers, der künftigen Erblasserin, an den Kläger, den künftigen Erben, zum Gegenstand. Dass der Vertrag der Regelung der vorweggenommenen Erbfolge dient, ergibt sich aus der "Gemeinsamen Erklärung", die als Motiv für den Abschluss des Pachtvertrags vom 20. Juni 2004 die Regelung der vorweggenommenen Erbfolge nennt. Da aus zivilrechtlicher Sicht für die - nicht der Höfeordnung folgende - Regelung der vorweggenommenen Erbfolge kein Formenzwang besteht, ist die Vereinbarung zwischen der Mutter des Klägers und dem Kläger als einer derartigen Betriebsübergabe auch für die Anwendung der Betriebsprämienregelung anzuerkennen.

44

cc.

Der Kläger hat zwar nicht unmittelbar durch vorweggenommene Erbfolge den Betrieb von dem früheren Betriebsinhaber - seinem Vater - übernommen. Ein Betriebsübergang im Sinne des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 liegt aber gleichwohl vor.

45

Der Wortlaut der Bestimmung spricht zwar dafür, dass sie den Fall des Betriebsübergangs vom (künftigen) Erblasser auf den (künftigen) Erben durch Vererbung oder durch vorweggenommene Erbfolge regelt. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Zu berücksichtigen ist indes auch der Sinn und Zweck der Regelung, einen reibungslosen Generationenwechsel bei der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Betriebe zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgrund 16 zur Verordnung (EG) Nr. 795/2004). Um einen Fall des Generationenwechsels handelt es sich in einer Konstellation wie der vorliegenden. Der Kläger hat den Betrieb, wie ausgeführt, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seiner Mutter, der Hofeigentümerin, erhalten und von seinem Vater, dem vormaligen Bewirtschafter, tatsächlich übernommen.

46

Im Übrigen verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. EuGH, Urteile vom 07.07.2009 - Rs. C-558/07 -, S.P.C.M. u. a., Slg. 2009, I-5783, Rz. 74, m.w.N., v. 08.07.2010 - Rs. C-343/09 -, Afton Chemical, Slg. 2010, I-7023, Rz. 74 = ZUR 2010, 592 [EuGH 08.07.2010 - Rs. C-343/09]; Urt. v. 11.11.2010 - Rs.

47

C-152/09 -, Grootes, [...] Rz. 66). Der Wortlaut von Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 erfasst den Fall, in dem der Betriebsinhaber als künftiger Erbe durch vorweggenommene Erbfolge den Betrieb von einem Betriebsinhaber, der zugleich der künftige Erblasser ist, erhalten hat. Bei Beantragung der einheitlichen Betriebsprämie in einer vergleichbaren Situation befindet sich derjenige Betriebsinhaber, der den Betrieb - aus rechtlicher Sicht - als künftiger Erbe durch vorweggenommene Erbfolge von dem künftigen Erblasser erhalten hat, der aber nicht Betriebsinhaber ist, und zugleich - aus tatsächlicher Sicht - in der Bewirtschaftung dem Betriebsinhaber (und Nichteigentümer) nachgefolgt ist, mit dem er in einer Generationenfolge steht. Unter diesen Umständen liefe es dem Grundsatz der Gleichbehandlung offenkundig zuwider, wenn sie unterschiedlich behandelt würden und sich nur der Betriebsinhaber, der als künftiger Erbe durch vorweggenommene Erbfolge den Betrieb von einem Betriebsinhaber erhalten hat, auf Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 berufen könnte. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und ihre Durchführungsverordnungen keine andere Möglichkeit regeln, als Erblasser in einer Konstellation wie der beschriebenen den Referenzbetrag auf Grundlage der Direktzahlungen zu erhalten, die der Betriebsvorgänger im Referenzzeitraum bezogen hat. Insbesondere fällt die Konstellation nicht in den Anwendungsbereich von Art. 20 VO (EG) Nr. 795/2004 in Verbindung mit § 14 BetrPrämDurchfV, nach dem ein betriebsindividueller Betrag aus der nationalen Reserve in solchen Fällen zugewiesen wird, in denen ein Betriebsinhaber vor dem 17. Mai 2005 von einem Betriebsinhaber, der die landwirtschaftliche Tätigkeit eingestellt hat oder verstorben ist, durch Vererbung bzw. vorweggenommene Erbfolge einen im Bezugszeitraum an einen Dritten verpachteten Betrieb oder Betriebsteils erhalten hat. Ebenso wie Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 dient auch diese Vorschrift dazu, einen reibungslosen Generationenwechsel zuzulassen. In Erwägungsgrund 16 zur Verordnung (EG) Nr. 795/2004 heißt es hierzu:

"Für den Fall, dass sich ein Betriebsinhaber zur Ruhe setzt oder stirbt und seinen Betrieb ganz oder teilweise auf ein Familienmitglied überträgt, der die landwirtschaftliche Tätigkeit in diesem Bereich fortsetzen will, sollte sichergestellt sein, dass die Übertragung des Betriebs oder Betriebsteils innerhalb der Familie reibungslos erfolgen kann, insbesondere, wenn die übertragene Fläche während des Bezugszeitraums an einen Dritten verpachtet war, ohne die Möglichkeit vorzugreifen, dass der Erbe die landwirtschaftliche Tätigkeit fortsetzen kann."

48

Schon nach dem Wortlaut des Art. 20 VO (EG) Nr. 795/2004 steht der "Dritte" jedenfalls nicht in der Generationenfolge mit dem übernehmenden Betriebsinhaber. Auch der Erwägungsgrund 16 deutet darauf hin, dass mit dem "Dritten" ein Betriebsinhaber außerhalb der Familie gemeint ist, innerhalb derer der Betrieb auf den Erben übertragen werden soll. Der Anwendungsbereich von Art. 20 VO (EG) Nr. 1782/2003 unterscheidet sich damit von dem des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 insoweit, als der Generationenwechsel nicht unmittelbar stattfindet, sondern der Betrieb - typischerweise, weil der künf-tige Erbe zu jung für die Betriebsübernahme ist und der künftige Erblasser zu alt, um den Betrieb bis zum Generationenwechsel fortzuführen - vorübergehend an einen Dritten verpachtet wird. Die Unterbrechung des Generationenwechsels durch Pacht an einen Dritten rechtfertigt es auch, den übernehmenden Betriebsinhaber als einen "Betriebsinhaber in besonderer Lage" (Art. 18 VO (EG) Nr. 795/2004) zu behandeln und ihm den betriebsindividuellen Betrag aus der nationalen Reserve zuzuweisen. Denn der Pächter wird u.U. einen eigenen Stammbetrieb haben und auf Grundlage der im Bezugszeitraum erhaltenen Direktzahlungen die Festsetzung von Zahlungsansprüchen selbst beantragen. Demgegenüber beantragt der übernehmende Betriebsinhaber im Fall des Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 in eigenem Namen die Zahlungsansprüche, die auf der Basis des Referenzbetrages und der Hektarzahl der geerbten Produktionseinheiten festgestellt wird.

49

Nach alledem ist Art. 33 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 1782/2003 dahingehend auszulegen, dass er Fälle wie den vorliegenden jedenfalls in der Konstellation der Einstellung der der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch den bisherigen Betriebsinhaber erfasst. Dass der Vater des Klägers die landwirtschaftliche Tätigkeit zum 1. Juli 2004 eingestellt und keine Zahlungsansprüche für sich beansprucht hat, ergibt sich aus dem Antrag des Klägers vom 22. März 2005.

50

b.

Der Kläger hat fristgerecht einen Antrag auf Zuweisung eines betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve wegen vorweggenommener Erbfolge gestellt. Der Antrag vom 22. März 2005 ist Bestandteil des Antragsverfahrens auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen. Die Landwirtschaftskammer Hannover hatte den Betriebsinhabern die Möglichkeit eingeräumt, bezüglich der betriebsindividuellen Beträge vorab Anträge zu stellen und damit das Antragsverfahren "abzuschichten". Von dieser Möglichkeit hat der Kläger Gebrauch gemacht. Der Nutzung des Vordrucks A bedurfte es unter diesen Umständen nicht mehr.

51

Dass der Kläger im Antrag vom 17. Mai 2005 außerdem von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, unter Ziff. II.4.6 des Antragsformulars die Zuweisung eines betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve wegen der kostenlosen oder zu einem symbolischen Preis übernommenen Flächen oder Unternehmen bzw. Unternehmensteilen zu beantragen, ist unerheblich. Es ist nicht ersichtlich, dass er hiermit seinen früheren Antrag vom 22. März 2005 zurücknehmen wollte.

52

c.

Der Kläger hat schließlich unter Nutzung der von der Beklagten bereitgestellten Formulare hinreichend nachgewiesen, dass er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (von seiner Mutter) den von seinem Vater bewirtschafteten Betrieb übernommen hat.

53

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile v. 17.01.2012 - 10 LB 58/10 - und - 10 LB 88/10 -, beide [...]) muss der Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen alle erforderlichen Informationen und Nachweise enthalten, die für die abschließende Entscheidung der zuständigen Landesstelle erforderlich sind; der Antragsteller muss dafür die von der Behörde bereitgestellten Formulare nutzen. Die Vollständigkeit der Antragsunterlagen und entsprechenden Nachweise erlangt in Fällen wie dem vorliegenden besondere Bedeutung, weil für die Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen im Fall der Betriebsübernahme im Wege der vorweggenommenen Erbfolge andere Regelungen gelten als für die (schlichte) Pacht eines Betriebes oder Betriebsteils.

54

Der Kläger hat das korrekt ausgefüllte und unterschriebene Antragsformular "Betriebsprämie/Agrarförderung 2005 - Antrag auf Überlassung der betriebsindividuellen Beträge (BIB)/Einheiten gem. Art. 33 der VO 1782/2003 (Betriebsveränderungen)", den Korrekturbogen über die im Referenzzeitraum 2000 bis 2002 bezogenen Prämien, den Bescheid des Amts für Agrarstruktur Sulingen vom 21. November 2001 über die Abschlusszahlung der Sonderprämie für männliche Rinder, der Extensivierungsprämie und der Schlachtprämie 2000 nebst Anlage, den Vertrag über die Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes vom 20. Juni 2004 sowie das ausgefüllte und unterschriebene Formular "Gemeinsame Erklärung des Erblassers und Erben" vom 20. März 2005 bei der Landwirtschaftskammer Hannover eingereicht. Er hat außerdem fristgemäß den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umwelt-maßnahmen 2005 gestellt. Mehr musste er nicht tun, um den formalen Anforderungen an einen vollständigen Antrag genüge zu tun.