Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.07.2020, Az.: 10 ME 137/20

abweichende Regelung; Aufsichtsrat; Besetzung; Fraktionen; Gesellschaftsvertrag; Gruppen; Kapitalgesellschaft; kommunale Eigengesellschaft; Neubesetzung; Stärkeverhältnis

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.07.2020
Aktenzeichen
10 ME 137/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71766
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.06.2020 - AZ: 1 B 47/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1 .Die Besetzung sowie die Neubesetzung des Aufsichtsrats einer Kapitalgesellschaft durch Mitglieder der Vertretung richtet sich nach § 71 Abs. 6 i.V.m. Absätze 2, 3 und 5 NKomVG, also nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen der Vertretung.

2. Für eine davon abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist kein Raum.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 3. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, die ihm bzw. den ehemals selbstständigen Gemeinden Altenau, Clausthal-Zellerfeld, Schulenberg und Wildemann als Rechtsvorgänger der Berg- und Universitätsstadt Clausthal-Zellerfeld im Aufsichtsrat der Kurbetriebsgesellschaft “D.“ mbH nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden 8 Sitze nach dem bestehenden Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen des Antragsgegners neu zu besetzen, hat keinen Erfolg.

Die Kurbetriebsgesellschaft “ D.“ mbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 5. März 2013 von den damals selbstständigen Kommunen Altenau, Clausthal-Zellerfeld, Schulenberg und Wildemann zusammen mit der Samtgemeinde Oberharz gegründet. Nach § 9 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags besteht der Aufsichtsrat aus 11 Mitgliedern, von denen jeweils 2 Sitze auf die Kommunen Altenau, Clausthal-Zellerfeld, Schulenberg und Wildemann, 1 Sitz auf den Bürgermeister der Samtgemeinde Oberharz und 2 Sitze auf den „E.“ e. V. entfallen. Mit Gebietsänderungsvertrag vom 26. März 2014 bildeten diese Gemeinden zusammen mit der Samtgemeinde Oberharz mit Wirkung zum 1. Januar 2015 eine neue Einheitsgemeinde mit der Bezeichnung Berg- und Universitätsstadt A-Stadt. In § 6 Abs. 2 Unterabsatz 2 des Gebietsänderungsvertrags ist geregelt, dass die Einheitsgemeinde auch die vertraglichen Regelungen in den Gesellschaften, an denen die bisherigen Mitgliedsgemeinden beteiligt sind, weiter beachten und einhalten wird. In einer Protokollnotiz, auf die in § 6 Abs. 2 Unterabsatz 2 Bezug genommen wird, ist ferner festgehalten, dass der Aufsichtsrat der Kurbetriebsgesellschaft paritätisch mit der gleichen Anzahl von Mitgliedern aus Altenau, Clausthal-Zellerfeld, Schulenberg und Wildemann besetzt ist und das Vorschlagsrecht der Einheitsgemeinde zur Besetzung der Sitze im Aufsichtsrat bezogen auf Altenau, Schulenberg und Wildemann durch den jeweiligen Ortsrat ausgeübt wird.

Die Antragstellerin - eine dem Rat der Berg- und Universitätsstadt Clausthal-Zellerfeld (= Antragsgegner) zugehörige Gruppe, in der sich 3 der insgesamt 33 Ratsmitglieder zusammengeschlossen haben - beantragte erstmals im Jahr 2017 und erneut mit Schreiben vom 12. Mai 2019 erfolglos die Neubesetzung des (u. a.) mit jeweils 2 Vertretern aus den ehemaligen Gemeinden Clausthal-Zellerfeld, Altenau, Schulenberg und Wildemann besetzten Aufsichtsrats der Kurbetriebsgesellschaft “ D.“ mbH. Das Verwaltungsgericht hat dem am 4. Februar 2020 gestellten Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben und seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass nach den hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 138 Abs. 3 und 71 Abs. 6 NKomVG kein Raum für eine von diesen Vorschriften abweichende Regelung der Besetzung des Aufsichtsrats einer kommunalen Eigengesellschaft durch Gesellschaftsvertrag sei.

Die dagegen erhobene Beschwerde hat der Antragsgegner im Wesentlichen damit begründet, dass das Verwaltungsgericht diese Vorschriften unzutreffend ausgelegt habe. § 138 Abs. 3 NKomVG begründe lediglich die Organzuständigkeit des Rates für die Entscheidung über die Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft und lasse Raum für Regelungen im Gesellschaftsvertrag, wie das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 12. Oktober 1988 (2 OVG A 202/87) erkannt habe. Gegen die übrigen Entscheidungsgründe und auch gegen die Berechnung der Sitzverteilung durch das Verwaltungsgericht, nach der 1 Sitz im Aufsichtsrat auf die Antragstellerin entfällt (Seiten 16 bis 18 des Beschlussabdrucks), hat der Antragsgegner keine Einwendungen erhoben.

Die vom Antragsgegner zur Begründung seiner Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, stellen die Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Aufsichtsrat hier gemäß § 138 Abs. 3 NKomVG i.V.m. § 71 Abs. 9 Sätze 2 und 4 i.V.m. Abs. 6 i.V.m. Absätze 2, 3 und 5 NKomVG nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen des Antragsgegners auf den Antrag der Antragstellerin neu zu besetzen ist.

Nach § 138 Abs. 3 Satz 1 NKomVG ist die Kommune verpflichtet, bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags einer Kapitalgesellschaft darauf hinzuwirken, dass ihr das Recht eingeräumt wird, Mitglieder in einen Aufsichtsrat, der hier zwar gesellschaftsrechtlich nicht zwingend gewesen (vgl. § 52 GmbHG), aber im Gesellschaftsvertrag vom 5. März 2013 als Organ der Gesellschaft vorgesehen ist (vgl. §§ 7, 9 bis 11 des Vertrags), zu entsenden. Damit konkretisiert diese Vorschrift für diesen Bereich § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG, wonach eine Kommune Unternehmen im Sinne von § 136 NKomVG in einer Rechtsform des privaten Rechts nur führen und sich daran beteiligen darf, wenn sie einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat (sofern dieser - wie hier - eingerichtet worden ist), erhält und dieser (u. a.) durch den Gesellschaftsvertrag gesichert wird.

Zur Auslegung des § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG hat der Senat in seinem Beschluss vom 8. April 2020 (- 10 ME 61/20 -, juris Rn. 22 und 23) grundlegend ausgeführt:

„Die Kommune soll dauerhaft die Möglichkeit erhalten, die Unternehmenspolitik mitzubestimmen und an der Kontrolle ihrer Umsetzung mitzuwirken (Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 137 Rn. 9). In erster Linie verschafft sich die Kommune den nötigen Einfluss durch die Besetzung der Gesellschaftsorgane mit kommunalen Vertretern, die von ihr entsandt werden und über die die Kommune dann die Entscheidungen der Gesellschaft beeinflussen und deren Handeln kontrollieren kann, insbesondere durch Weisungen und Unterrichtungspflichten (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 30; Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 28a; zu einer GmbH vgl. auch Senatsurteil vom 04.12.2019 – 10 LC 154/18 –, juris Rn. 52). Das Erfordernis hinreichender Einwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten einer Kommune folgt auch aus dem in Art. 20 Abs. 2 GG verankerten Demokratieprinzip (BVerwG, Urteil vom 31.08.2011 – 8 C 16.10 –, juris Rn. 29 (GmbH); BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 –, juris Rn. 221 f. (Deutsche Bahn AG); Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 3; Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 10; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 3).

Die Angemessenheit der Einflussnahmemöglichkeit im Sinne des 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG hängt unter anderem auch von der gewählten Rechtsform, der Beteiligungsverhältnisse und der Größe des Unternehmens ab (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 31 f.; Klaß in BeckOK KommunalR, Stand: 01.01.2020, NKomVG § 137 Rn. 29; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 13). Dabei ist jedoch zu beachten, dass staatliches Handeln auch in den Formen des Privatrechts staatliche Gewalt und demokratisch legitimationsbedürftig ist (Grzeszick in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Oktober 2019, Art. 20 Rn. 96, 100; Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20 Rn. 132; BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 –, juris Rn. 217 ff., 264, 268, und Beschluss vom 05.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 –, juris Rn. 132 ff.). Die Entscheidungen des kommunalen Unternehmens müssen sich durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf die gewählte Volksvertretung zurückführen lassen (Senatsurteil vom 04.12.2019 – 10 LC 154/18 –, juris Rn. 52). Diese notwendige demokratische Legitimation des unternehmerischen Handelns der Kommune setzt bei verfassungskonformer Auslegung des Begriffs „angemessen“ (und von § 137 Abs. 1 Nr. 7 NKomVG, Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 57; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 21) jedenfalls grundsätzlich voraus, dass sie in der Lage ist, auf die grundlegenden Entscheidungen des Unternehmens entscheidenden Einfluss auszuüben (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 33; Ipsen, NKomVG, 2011, § 137 Rn. 3; vgl. auch Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20 Rn. 133 f.). Ist ihr dies bei Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der Regelungen des Privatrechts bzw. Gesellschaftsrechts (vgl. dazu auch Hessischer VGH, Urteil vom 09.02.2012 – 8 A 2043/10 –, juris Rn. 79, 82 f.) nicht möglich, so muss die Kommune auf eine andere Rechtsform zurückgreifen oder auf das Unternehmen bzw. die Beteiligung daran verzichten (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, NKomVG § 137 Rn. 33, 11, 15; vgl. dazu auch BVerfG, Urteil vom 07.11.2017 – 2 BvE 2/11 –, juris Rn. 225; Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2015, Art. 20 Rn. 133 f.; Dünchheim/Gräler, Verfassungsrechtliche Implikationen der paritätischen Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen, NVwZ 2019, 1225, 1230).“

Erforderlich ist danach u. a., dass die Entscheidungen des kommunalen Unternehmens sich durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf die gewählte Volksvertretung zurückführen lassen. In Übereinstimmung damit bestimmt § 138 Abs. 3 Satz 2 NKomVG, dass die Vertretung über die Entsendung ihrer Mitglieder in den Aufsichtsrat entscheidet. Die inhaltlichen Vorgaben für diese Entscheidung ergeben sich aus § 71 Abs. 6 i.V.m. Absätzen 2, 3 und 5 NKomVG, sofern die Vertretung nicht gemäß § 71 Abs. 10 NKomVG einstimmig ein von den Regelungen der Absätze 2, 3 und 6 abweichendes Verfahren beschließt. Diese Vorschriften kommen auch bei der hier verfahrensgegenständlichen Neubesetzung eines Aufsichtsrats gemäß § 71 Abs. 9 Satz 2, wonach ein Ausschuss neu besetzt werden muss, wenn seine Zusammensetzung nicht mehr dem Verhältnis der Stärke der Fraktionen und Gruppen der Vertretung entspricht und - wie hier - ein Antrag auf Neubesetzung gestellt wird, und Satz 4 NKomVG, wonach Satz 2 entsprechend gilt für die Besetzung der in § 71 Abs. 6 NKomVG genannten Stellen, zur Anwendung.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bedurfte es in § 138 Abs. 3 NKomVG keiner ausdrücklichen Verweisung auf § 71 Abs. 6 NKomVG, da die Anwendbarkeit letzterer Vorschrift sich unmittelbar aus deren Inhalt ergibt. Danach sind die Absätze 2, 3 und 5 entsprechend anzuwenden, wenn die Vertretung in anderen Fällen mehrere unbesoldete Stellen gleicher Art zu besetzen oder ihre Besetzung vorzuschlagen hat. Die Regelung in § 71 Abs. 6 NKomVG dient dem Minderheitenschutz, auch wenn sie nicht auch auf die Regelung des sogenannten Grundmandats in § 71 Abs. 4 NKomVG verweist. Denn durch die Bezugnahme auf die Absätze 2, 3 und 5 ist sichergestellt, dass sich in der Besetzung der Stellen das Verhältnis der Stärke der Fraktionen und Gruppen der Vertretung widerspiegelt. Sie ist deshalb weit auszulegen und erfasst auch die hier vorzunehmende Besetzung von Stellen im Aufsichtsrat einer kommunalen Eigengesellschaft in Form einer Kapitalgesellschaft (Thiele, NKomVG, 2. Aufl. 2017, § 71 Rn. 16; Menzel in KVR Nds., Stand: Juni 2019, § 71 NKomVG Rn. 148; Wilkens in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2011, § 71 Rn. 58 bis 60).

Dagegen ergeben sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzessystematik Anhaltspunkte für die vom Antragsgegner vertretene Ansicht, dass § 138 Abs. 3 NKomVG lediglich die Organzuständigkeit der Vertretung begründe, es dann jedoch den Regelungen des Gesellschaftsvertrags überlassen sei, wie die Vertretung ihr Entsendungsrecht wahrnehme. Vielmehr ordnet § 71 Abs. 6 NKomVG nach seinem klaren Wortlaut auch für diese “anderen Fälle“ unmissverständlich die entsprechende Anwendung der Absätze 2, 3 und 5 an. Nach dem danach u. a. geltenden § 71 Abs. 2 Satz 2 NKomVG sind die Sitze entsprechend dem Verhältnis der Mitgliederzahl der einzelnen Fraktionen oder Gruppen zur Mitgliederzahl aller Fraktionen und Gruppen zu verteilen. Für eine von diesen Vorschriften abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist folglich kein Raum (ebenso VG Göttingen, Beschluss vom 29.11.2012 - 1 B 191/12 -, juris Rn. 35; Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, § 138 NKomVG Rn. 42; Wilkens in Ipsen, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2011, § 71 Rn. 60), wie das Verwaltungsgericht hier zutreffend festgestellt hat. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass § 71 Abs. 6 NKomVG nur darauf ausgerichtet sei, die Vertretung für den Fall des Fehlens von Vorgaben aus dem Rechtskreis der Gesellschaft zu binden und in diesem Sinne lediglich subsidiär gegenüber abweichenden gesellschaftsvertraglichen Detailbestimmungen sei (so aber Menzel in KVR Nds., Stand: Juni 2019, § 71 NKomVG Rn. 165, und Niedersächsisches OVG, Urteil vom 12.10.1988 - 2 OVG A 202/87 -, zu § 51 Abs. 6 NGO in der damaligen Fassung, wobei dieses Urteil davon ausgegangen war, dass die damalige Niedersächsische Gemeindeordnung gerade keine Regelungen über die Entsendung von Mitgliedern des Rates in den Aufsichtsrat einer kommunalen Eigengesellschaft enthielt, Seiten 11 und 12 des Urteilsabdrucks, was durch die nunmehr geltende Vorschrift des § 138 Abs. 3 NKomVG überholt ist).

Eine andere Auslegung würde auch dem oben genannten Grundsatz, dass die Entscheidungen des kommunalen Unternehmens durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf die gewählte Volksvertretung zurückführbar sein müssen, widersprechen. Die Mehrheit im Rat könnte in diesem Falle durch eine entsprechende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages das mit § 71 Abs. 2, 3, 5 und 6 NKomVG verfolgte Ziel, die Repräsentation kleinerer Fraktionen und Gruppen auch bei der Besetzung von Stellen in den in § 71 Abs. 6 NKomVG genannten anderen Fällen zu sichern, unterlaufen (Wefelmeier in KVR Nds., Stand: Juni 2019, 138 NKomVG Rn. 42; VG Göttingen, Beschluss vom 29.11.2012 - 1 B 191/12 -, juris Rn. 35). Aus diesen Gründen kann auch nicht allein aus dem Umstand, dass das Kommunalrecht kommunale Eigengesellschaften zulässt, geschlussfolgert werden, dass es von der vorrangigen Anwendbarkeit des für sie geltenden Organisationsrechts ausgeht (so das Niedersächsische OVG, Urteil vom 12.10.1988 - 2 OVG A 202/87 -, zu der damaligen, inzwischen maßgeblich geänderten Rechtslage, Seite 10 des Urteilsabdrucks). Vielmehr hat eine Kommune, wenn sie sich an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, nach dem oben Gesagten sicherzustellen, dass die demokratische Legitimation dieses Engagements gewahrt ist. Anderenfalls muss sie auf eine andere Rechtsform zurückgreifen oder auf das Unternehmen bzw. die Beteiligung daran verzichten (Senatsbeschluss vom 08.04.2020 - 10 ME 61/20 -, juris Rn. 23).

Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die in § 9 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene und gemäß den Ausführungen des Antragsgegners dem Bedürfnis einer Berücksichtigung aller Mitglieder der ehemaligen Samtgemeinde Oberharz Rechnung tragenden Sitzverteilung allein nach einem lokalen Proporz (2 Sitze je Ortschaft bzw. Stadtteil) ohne Rücksichtnahme auf das Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen des Antragsgegners der notwendigen demokratischen Legitimation und dem Minderheitenschutz keineswegs gerecht würde. Denn die Zusammensetzung des Aufsichtsrates spiegelt lediglich die ehemals selbstständigen Gemeinden und heutigen Ortschaften bzw. Stadtteile der Berg- und Universitätsstadt A-Stadt und die damit verbundenen lokalen Bezüge, nicht jedoch die Stärkeverhältnisse im Rat der mit dem Gebietsänderungsvertrag vom 26. März 2014 neu gegründeten Berg- und Universitätsstadt A-Stadt wider. Zwar soll nach der Protokollerklärung zum Gebietsänderungsvertrag das Vorschlagsrecht der Einheitsgemeinde zur Besetzung der Sitze im Aufsichtsrat durch den jeweiligen Ortsrat ausgeübt werden. Die Besetzung von Aufsichtsräten gehört jedoch gerade nicht zu den Zuständigkeiten des Ortsrates nach § 93 NKomVG. Die Mitglieder des Ortsrats sind dementsprechend von den Wahlberechtigten der Ortschaft auch nicht für diese Aufgabe gewählt worden (vgl. § 91 Abs. 2 Satz 1 NKomVG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und entspricht den Nummern 1.5 Satz 2 (Vorwegnahme der Hauptsache) und 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).