Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.07.2020, Az.: 5 LC 133/18

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.07.2020
Aktenzeichen
5 LC 133/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71782
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 10.07.2018 - AZ: 7 A 878/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Unionsrechtswidrigkeit des Ausschlusses der Berücksichtigung von zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten Ausbildungszeiten (hier: zum Postjungboten) bei der Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit

Die in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der bis zum 10. Januar 2017 gültigen Fassung vom 15. März 2012 normierte Grenze "nach Vollendung des 17. Lebensjahres" verstößt gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und ist daher nicht anwendbar (Anschluss OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020 - 1 A 135/18 -, juris; vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 12.3.2019 - 5 LC 68/17 -, juris).

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer - vom 10. Juli 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Satz 1 des Tenors wie folgt gefasst wird:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem 31. Dezember 2016 Versorgungsbezüge in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung einer weiteren ruhegehaltfähigen Dienstzeit von einem Jahr und 43 Tagen für die zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierte Ausbildungszeit als Postjungbote im Zeitraum vom 1. September 1977 bis zum 13. Oktober 1978 zu gewähren; der Bescheid der C. vom 27. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2017 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Berücksichtigung seiner zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegten Ausbildungszeit bei der Festsetzung seiner ruhegehaltfähigen Dienstzeit.

Der am … 1961 geborene Kläger ist ehemaliger Bundesbeamter; er war zuletzt im Statusamt eines Postbetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9 + Amtszulage) bei der Deutschen Post AG beschäftigt und von dort gemäß § 13 der Sonderurlaubsverordnung ohne Bezüge zur Wahrnehmung einer Tätigkeit bei der G.. beurlaubt worden.

Der Kläger absolvierte ab dem … 1977 - zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt - bis zum … 1980 eine Ausbildung als Postjungbote bei der ehemaligen Deutschen Post. Im unmittelbaren Anschluss wurde er mit Wirkung zum … 1980 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Postschaffner z. A. (Besoldungsgruppe A 2) ernannt; seine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte mit Wirkung vom … 1988. Mit Ablauf des … 2016 wurde der Kläger auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und den Postnachfolgeunternehmen auf seinen Antrag hin vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

Bereits am 5. Dezember 2016 hatte der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2015 (- 4 S 1211/14 -, juris) beantragt, bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge auch seine zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegte Ausbildungszeit als Postjungbote zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 setzte die C. die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem 31. Dezember 2016 fest. Hierbei erkannte sie unter Verweis auf § 12 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) lediglich die zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres vom Kläger absolvierte Ausbildungszeit als Postjungbote (… 1978 bis … 1980) als ruhegehaltfähige Dienstzeit an; die zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegte Ausbildungszeit (… 1977 bis … 1978) fand hingegen keine Berücksichtigung.

In seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 19. Januar 2017 machte der Kläger geltend, mit Wirkung vom 11. Januar 2017 sei das Beamtenversorgungsgesetz dahingehend geändert worden, dass nunmehr auch zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegte Ausbildungszeiten berücksichtigt werden könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2017 wies die C. den Widerspruch zurück. Im Versorgungsfall des Klägers sei Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung von Ausbildungszeiten die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der alten - bis zum 10. Januar 2017 geltenden - Fassung. Danach könne (nur) die zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außerhalb der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen praktischen Ausbildung berücksichtigt werden. Diese (alte) Gesetzesfassung sei zugrunde zu legen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich das bei Eintritt des Versorgungsfalls geltende Recht maßgeblich sei. Dementsprechend habe der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 69k BeamtVG festgelegt, dass die neue Rechtslage nur für Versorgungsfälle gelte, bei denen die Versetzung in den Ruhestand ab dem 11. Januar 2017 erfolgt sei.

Der Kläger hat sein Anerkennungsbegehren mittels - am 24. Juli 2017 - erhobener Klage weiterverfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die in § 12 Abs. 1 BeamtVG a. F. enthaltene Beschränkung auf zeitlich nach dem 17. Lebensjahr absolvierte Ausbildungszeiten unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden sei. Der Ausschluss jener Ausbildungszeiten, die zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolviert worden seien, verstoße als Diskriminierung wegen des Alters gegen die Richtlinie 2000/78 des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78/EG). Diese Diskriminierung sei auch nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 oder Abs. 2 RL 2000/78/EG gerechtfertigt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung einer weiteren ruhegehaltfähigen Dienstzeit von einem Jahr und 42 Tagen für die vor Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachten Ausbildungszeiten vom … 1977 bis zum … 1978 in gesetzlicher Höhe ab dem 31. Dezember 2016 zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2017 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, es könne dahinstehen, ob der Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG eröffnet sei und eine Diskriminierung wegen des Alters vorliege. Denn jedenfalls sei eine etwaige Diskriminierung gemäß Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung könnten die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente keine Diskriminierung wegen des Alters darstelle. Ein solches „betriebliches System der sozialen Sicherheit“ stelle auch das beamtenrechtliche Versorgungssystem nach dem Beamtenversorgungsgesetz dar. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 17. Dezember 2015 (a. a. O.) festgestellt, dass unter Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG nur Vorschriften fielen, die den unmittelbaren Zugang zu den beamtenrechtlichen Versorgungssystemen regelten. Diese Sichtweise teile die Beklagte jedoch nicht; sie vertrete vielmehr unter Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2016 (- 23 K 1448/15 -, juris), welcher sich wiederum auf die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 16.6.2016 - C-159/15 [Lesar] -, juris) stütze, die Auffassung, dass die Vorschrift des § 12 Abs. 1 BeamtVG a. F., soweit sie die Berücksichtigung von Ausbildungszeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres ausschließe, den „Bezug von Altersrente“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG betreffe. Auch das Verwaltungsgericht Aachen habe die in Rede stehende Regelung in § 12 Abs. 1 BeamtVG a. F. zwischenzeitlich als unionsrechtskonform anerkannt (Urteil vom 30.3.2017 - 1 K 1905/15 -, juris).

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 18. Juli 2018 verpflichtet, „dem Kläger Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung einer weiteren ruhegehaltfähigen Dienstzeit von einem Jahr und 42 Tagen für die vor Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachten Ausbildungszeiten vom … 1977 bis zum … 1978 in gesetzlicher Höhe ab dem 31. Dezember 2016 zu gewähren, und den Bescheid [der C. ] vom 27. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2017 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht“. Der Kläger könne beanspruchen, dass seine praktische Ausbildungszeit als Postjungbote, die er zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolviert habe, als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werde. Dem stehe § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG (in der hier maßgeblichen, bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung) nicht entgegen. Zwar könne danach nur die zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres erbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung als ruhegehaltfähige Dienstzeit Berücksichtigung finden. Zutreffend sei auch, dass diese (frühere) Gesetzesfassung im Streitfall einschlägig sei. Die Beschränkung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a. F. auf zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierte Ausbildungszeiten sei jedoch nicht anwendbar, weil diese Beschränkung mit dem unionsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung nicht vereinbar sei. Die Kammer schließe sich insoweit nach eigener Prüfung dem - nicht rechtskräftigen - Urteil des Verwaltungsgerichts Saarbrücken vom 8. März 2018 (- 2 K 455/17 -, juris) an, welches im Ergebnis dem vom Kläger in Bezug genommenen rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg folge. Eine unionsrechtswidrige nationale Regelung dürfe nach dem Vorrang des Unionsrechts nicht angewendet werden.

Das der Beklagten bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten gemäß § 12 Abs. 1 BeamtVG a. F. zustehende Ermessen sei auf Null reduziert, weil davon auszugehen sei, dass der Kläger eine vorgeschriebene Ausbildungszeit absolviert habe, die er nicht im Beamtenverhältnis habe absolvieren können. Dementsprechend stehe ihm der begehrte Anspruch zu.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 7. August 2018 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) zugelassene Berufung eingelegt.

Die Beklagte hält an ihrer Ansicht fest, dass die Nichtberücksichtigung der zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegten Ausbildungszeit nicht gegen Unionsrecht verstoße, und trägt hierzu ergänzend vor, bei der mit Wirkung vom 11. Januar 2017 vorgenommenen Streichung der Altersgrenze von 17 Jahren in § 12 BeamtVG n. F. sei die Erfüllung der unionsrechtlichen Vorgaben nicht das zentrale gesetzgeberische Motiv gewesen. Im Vordergrund habe vielmehr die - in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9532 S. 38) ausführlich dargestellte - Überlegung des Gesetzgebers gestanden, dass die bisherige Auffassung eines Mindestalters als einheitlicher „Startpunkt“ aufgegeben und nunmehr das einzelne Beamtenverhältnis aus dem Blickwinkel der einzelnen Betroffenen behandelt werde; ein Mindestalter erscheine auch aufgrund der nicht mehr ausschließlich in Vollzeit ausgeübten Beamtentätigkeit nicht mehr sachgerecht, weil aufgrund dieser gebrochenen Erwerbsbiographien die Erreichung des Höchstruhegehaltssatzes nicht mehr den Regelfall darstelle. Zum Europarecht finde sich in der Gesetzesbegründung lediglich die Aussage, dass die Änderungen im Übrigen der Rechtssicherheit dienten, da sie geeignet seien, den Vorgaben des Unionsrechts hinsichtlich der Vermeidung einer Altersdiskriminierung zu entsprechen. Eine Änderung könne nur dann der Rechtssicherheit dienen, wenn die Rechtslage unklar sei. Dies spreche nicht dafür, dass der Gesetzgeber von der Unionsrechtswidrigkeit der vormaligen Altersgrenze überzeugt gewesen sei. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er die Übergangsregelung des § 69k BeamtVG nicht getroffen.

Die Beklagte bleibt auch bei ihrer Ansicht, dass sich die Ausführungen des EuGH in dessen Urteil vom 16. Juni 2016 („Lesar“) auf den Streitfall übertragen ließen mit der Folge, dass auch im Streitfall eine etwaige Diskriminierung wegen des Alters gemäß Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG gerechtfertigt sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht darauf abgehoben, dass sich die den Gegenstand des Vorlageverfahrens „Lesar“ bildenden österreichischen Regelungen über den Ausschluss von „Ruhegenussvordienstzeiten“ von der Anrechnung auf die Bundesdienstzeit, soweit sie vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt worden seien, wesentlich von der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a. F. unterschieden. Beide Regelungen beträfen Fallkonstellationen, die zeitlich vor der Verbeamtung gelegen hätten und seien insoweit durchaus vergleichbar.

Der Rechtfertigungstatbestand des Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG setze seinem Wortlaut nach nicht voraus, dass der Bezug der Altersrente in ihrer Gesamtheit vom Alter abhängig sei, die entsprechende nationale Vorschrift also den unmittelbaren Zugang zu dem beamtenrechtlichen Versorgungssystem im Sinne eines „Alles-oder-Nichts-Prinzips“ regle; vielmehr fielen hierunter auch Vorschriften, welche innerhalb des Systems Regelungen aufstellten, die auf das Alter abhüben. Auch insoweit richte sich der Bezug der Altersversorgung - nämlich der Höhe nach - am Lebensalter aus. Soweit das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Urteil vom 17.4.2020 - 1 A 135/18 -, juris) in Bezug auf die Frage, ob in Fällen wie dem Streitfall der Rechtfertigungsgrund des Art. 6 Abs. 2 RL 2000/88/EG greife, damit argumentiere, dass das deutsche Beamtenversorgungssystem nicht an eine „Mitgliedschaft“ anknüpfe, das österreichische hingegen schon, verkenne es, dass es die insoweit behaupteten Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem deutschen Beamtenrecht nicht gebe. Ein Unterschied bestehe zwar insoweit, als die österreichischen Regelungen in doppelter Weise sowohl für die Mitgliedschaft als auch für den Bezug von Altersrente eine Altersgrenze anordneten, die deutschen Regelungen hingegen nur für den Bezug von Altersrente. Letzteres reiche jedoch aus, um die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG zu erfüllen.

Nach alledem habe das Verwaltungsgericht die zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres liegende Ausbildungszeit des Klägers zum Postjungboten - bei der es sich im Übrigen nicht, wie von der Vorinstanz festgestellt, um 1 Jahr und 42 Tage, sondern um 1 Jahr und 43 Tage handle - zu Unrecht als weitere, zu berücksichtigende ruhegehaltfähige Dienstzeit angesehen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die vorinstanzliche Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Verpflichtungsklage des Klägers zu Recht stattgegeben. Der Kläger kann beanspruchen, dass seine zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres - also im Zeitraum vom … 1977 bis … 1978 - absolvierte Ausbildungszeit als Postjungbote bei der Versorgungsfestsetzung als weitere ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt wird. Weil der verwaltungsgerichtliche Tenor den genannten Zeitraum fälschlicherweise mit einem Jahr und 42 Tagen - statt mit einem Jahr und 43 Tagen - bezeichnet und das Verwaltungsgericht in ihm die angegriffenen Bescheide nicht selbst aufgehoben hat, hat der erkennende Senat Satz 1 des vorinstanzlichen Tenors im Sinne einer entsprechenden Klarstellung neu gefasst.

I. Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren auf Anerkennung weiterer Zeiten seiner Ausbildung zum Postjungboten als ruhegehaltfähig ist § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung maßgeblichen und bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung vom 15. März 2012 (BGBl. I S. 462; im Folgenden: § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012) in Verbindung mit den Bestimmungen der RL 2000/78/EG.

1. Im Beamtenversorgungsrecht ist grundsätzlich das bei Eintritt des Versorgungsfalles geltende Recht maßgeblich, es sei denn, dass gesetzlich etwas anderes bestimmt ist (BVerwG, Urteil vom 17.3.2016 - BVerwG 2 C 2.15 -, juris Rn. 10; Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 13.16 -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 11.3.2019 - 5 LA 86/19 -). Danach ist für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens des Klägers, der mit Ablauf des 30. Dezember 2016 in den Ruhestand versetzt worden ist, § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 einschlägig, wonach die (zeitlich) nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit) als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden kann.

Keine Anwendung findet daher § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG in der - am 11. Januar 2017 in Kraft getretenen - Fassung vom 5. Januar 2017 (BGBl. I S. 17), in der die Beschränkung der Anrechenbarkeit ruhegehaltfähiger Zeiten auf Zeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres nicht mehr enthalten ist. Insofern stellt die Übergangsregelung des § 69k BeamtVG (in der Fassung vom 8. Juni 2017, BGBl. I S. 1570) ausdrücklich klar, dass für Versorgungsfälle, welche zeitlich vor dem 11. Januar 2017 eingetreten sind, u. a. § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung - also § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 - anzuwenden ist.

2. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 ist ruhegehaltfähig grundsätzlich die Dienstzeit, die der Beamte vom Tage seiner ersten Berufung in das Beamtenverhältnis an im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Beamtenverhältnis zurückgelegt hat. Abweichend von diesem Grundsatz können gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 bestimmte, nicht im Beamtenverhältnis verbrachte Ausbildungszeiten als ruhege-haltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Diese Vorschrift will die Benachteiligung derjenigen Beamten, bei denen über die allgemeine Schulbildung hinaus eine zusätzliche Vorbildung oder praktische Tätigkeit als Eingangsvoraussetzung gefordert ist, gegenüber den Beamten ausgleichen, die unmittelbar nach dem Schulabschluss in das Beamtenverhältnis eintreten und damit bereits von einem früheren Zeitpunkt an ruhegehaltfähige Dienstzeiten erwerben können (BVerwG, Urteil vom 1.9.2005 - BVerwG 2 C 28.04 -, juris Rn. 14).

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 kann (u. a.) die zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen praktischen Ausbildung als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Die vom Kläger im Gesamtzeitraum vom … 1977 bis zum … 1980 absolvierte Ausbildung als Postjungbote erfüllt zwar die in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 bestimmten sachlichen Anforderungen, weil sie für die Übernahme in den einfachen Postdienst vorgeschrieben war; dementsprechend ist der zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres liegende Zeitraum dieser Ausbildungszeit im Versorgungsfestsetzungsbescheid der C. vom 27. Dezember 2016 als ruhegehaltfähig anerkannt worden. Die vom Kläger begehrte Anerkennung auch des ersten - zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierten - Ausbildungszeitraums (… 1977 bis … 1978) kommt indes bei (isolierter) Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 nicht in Betracht, weil insoweit dessen zeitliche Anforderungen (Absolvierung „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“) nicht erfüllt sind.

3. Dieser Umstand steht dem Erfolg der Klage jedoch nicht entgegen, weil die in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 normierte Beschränkung der Anerkennbarkeit ruhegehaltfähiger Ausbildungszeiten auf Zeiten nach Vollendung des 17. Lebensjahres mit dem unionsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung nicht vereinbar ist. Hieraus folgt, dass § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 wegen des Grundsatzes, dass dem verbindlichen Unionsrecht zu praktischer Wirksamkeit („effet utile“) zu verhelfen ist, in unionsrechtskonformer Weise nur noch ohne diese Beschränkung anzuwenden ist (ebenso: VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 26ff.; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 28ff.; VG Bremen, Urteil vom 17.2.2014 - 2 K 1907/10 -, juris Rn. 16ff. [zur Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG a. F.]; VG Saarland, Urteil vom 8.3.2018, a. a. O., Rn. 24ff.; anderer Auffassung: VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 12.7.2016, a. a. O., Rn. 19ff.; VG Aachen, Urteil vom 30.3.2017, a. a. O., Rn. 19ff.; VG Ansbach, Urteil vom 12.9.2019 - AN 16 K 17.027720 -, juris Rn. 26ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6.3.2020 - 3 K 5019/16 -, juris Rn. 18ff. [zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBeamtVG NRW a. F.]).

Dass Verwaltungsgericht hat zutreffend dahin erkannt, dass die Nichtberücksichtigung der zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierte Ausbildungszeit, wie sie § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVGMärz 2012 vorsieht, gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstößt.

Das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert und als ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen (Nds. OVG, Urteil vom 12.3.2019 - 5 LC 68/17 -, juris Rn. 42). Die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert das allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters im Bereich von Beschäftigung und Beruf.

a) Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG ist eröffnet. Ein Ruhestandsbeamter ist bei einem Streit mit seinem Dienstherrn um Leistungen, die in seinem aktiven Beamtenverhältnis wurzeln, eine „Person im öffentlichen Bereich“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 RL 2000/78/EG (VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 29).

b) Auch der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ist eröffnet.

Nach Art. 3 Abs. 1 lit. c) RL 2000/78/EG gilt diese im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgeltes. Bei den zwischen den Beteiligten streitigen Versorgungsbezügen des Klägers handelt es sich um einen Bestandteil des „Arbeitsentgelts“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. c) RL 2000/78/EG. Unter Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift sind u. a. Gehälter und alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Dienstherr aufgrund des Dienstverhältnisses dem Beamten unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zuwendet; dazu zählen auch Leistungen, die erst nach dem Ende der aktiven Dienstzeit gewährt werden (BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - BVerwG 2 C 47.09 -, juris Rn. 12 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des EuGH). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Leistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz in Form der Gewährung von Hinterbliebenenversorgung Bestandteil des Arbeitsentgelts im Sinne der Richtlinie (BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - BVerwG 2 C 47.09 -, a. a. O., Rn. 12f.). Dann sind (nach Ende der aktiven Dienstzeit gewährte) Versorgungsbezüge des Ruhestandsbeamten erst recht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst, denn diese stehen in einem noch engeren Bezug zu dem (während der aktiven Dienstzeit erhaltenen) „Arbeitsentgelt“ als die Bezüge der Hinterbliebenen (OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 30; den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG auf Versorgungsbezüge bejahend auch VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 30 bis 32; VG Bremen, Urteil vom 17.2.2014, a. a. O., Rn. 17).

c) Die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 enthaltene Beschränkung der Anerkennbarkeit von Ausbildungszeiten auf solche, die zeitlich nach Vollendung des 17. Lebensjahres absolviert wurden, stellt eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. a) RL 2000/78/EG dar.

Eine unmittelbare Diskriminierung liegt nach dieser Bestimmung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 RL 2000/78/EG genannten Gründe - hier: wegen des Alters - in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 führt dazu, dass Ruhestandsbeamte, die bereits zeitlich vor Vollendung ihres 17. Lebensjahres vorgeschriebene Ausbildungszeiten für das angestrebte Beamtenverhältnis durchlaufen haben, eine weniger günstige Behandlung erfahren als solche Ruhestandsbeamte, die - bei im Übrigen gleicher beruflicher Vita - eine solche Ausbildung zeitlich nach der in Rede stehenden Altersgrenze absolviert haben. Bei der ersten Personengruppe wird die im Vorfeld des Beamtenverhältnisses zurückgelegte Ausbildungszeit nicht vollständig berücksichtigt, bei der zweiten Gruppe hingegen schon. Dies hat zur Folge, dass die erstgenannte Gruppe in Bezug auf ihre Versorgungsbezüge schlechter behandelt wird, denn nach § 4 Abs. 3 BeamtVG (in der zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Klägers und bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung vom 24. Februar 2010) wird das Ruhegehalt eines Beamten auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet; das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit einen bestimmten Prozentsatz, insgesamt jedoch höchstens einen bestimmten Maximalprozentsatz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) in der bis zum 10. Januar 2017 geltenden Fassung vom 15. März 2012). Daraus resultiert, dass sich der Ruhegehaltssatz im Grundsatz erhöht, je mehr Zeiten als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen sind. Weil die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 enthaltene Anerkennungsregelung unmittelbar an das Kriterium des Alters anknüpft, liegt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters vor (ebenso: VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 39 bis 41; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 31; VG Bremen, Urteil vom 17.2.2014, a. a. O., Rn. 19 [zur Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG a. F.]; VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 12.7.2016, a. a. O., Rn. 24; VG Aachen, Urteil vom 30.3.2017, a. a. O., Rn. 19; VG Saarland, Urteil vom 8.3.2018, a. a. O., Rn. 25; VG Ansbach, Urteil vom 12.9.2019, a. a. O., Rn. 28; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6.3.2020, a. a. O., Rn. 21 [zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBeamtVG NRW a. F.]).

d) Die Ungleichbehandlung ist weder nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 noch nach Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78 EG gerechtfertigt.

aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 2000/78 EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Ungleichbehandlungen können gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 lit. b) RL 2000/78/EG insbesondere die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Nach diesen Bestimmungen ist die in Rede stehende Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt.

Mit der für die Berechnung aller ruhegehaltfähigen Zeiten eingeführten Altersvorgabe „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ hat der Gesetzgeber zwei Ziele verfolgt: zum einen sollte die Höhe der Versorgung an der „typischen“ Dienstzeit eines Beamten ausgerichtet und für diese ein „einheitlicher Startpunkt“ bestimmt werden; zum anderen sollten dabei Beamte des einfachen und mittleren Dienstes annähernd mit solchen des gehobenen und höheren Dienstes gleich - insbesondere nicht wesentlich besser als diese - behandelt werden, denn bei den Beamten des gehobenen und höheren Dienstes fällt der Zeitraum vor Vollendung des 17. Lebensjahres regelmäßig noch in die Schulzeit (VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 50 bis 52; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 34; VG Bremen, Urteil vom 17.2.2014, a. a. O., Rn. 21; vgl. auch Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ der Bundesregierung vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9532, S. 2, 38 [zur bis dato geltenden Rechtslage]).

Zwar stellten beide mit der Altersgrenze verfolgte gesetzgeberische Anliegen - also einerseits die Höhe der Versorgung an der „typischen“ Dienstzeit auszurichten, mithin die vom Beamten erworbene Berufserfahrung zu honorieren, und andererseits die Beamten der verschiedenen Laufbahngruppen versorgungsrechtlich annähernd gleich zu behandeln - legitime Ziele im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dar (VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 53f.; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 35).

Allerdings ist das Mittel, welches der Gesetzgeber zur Erreichung der als rechtmäßig in Betracht kommenden Ziele gewählt hat, nicht „angemessen und erforderlich“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat insoweit in seinem Urteil vom 17. April 2020 zum ersten Ziel ausgeführt (a. a. O., Rn. 36):

„Soweit der Gesetzgeber mit der Altersgrenze das Ziel verfolgt, die Höhe der Versorgung an der typischen Dienstzeit eines Beamten auszurichten, also die im Dienst oder in gleichgestellten Zeiten erworbene Berufserfahrung zu berücksichtigen, ist das Kriterium der Vollendung des 17. Lebensjahres jedenfalls in den Fallgestaltungen zur Abbildung der Berufserfahrung ungeeignet, die sich - wie vorliegend - dadurch auszeichnen, dass der Beamte einerseits seine Ausbildung bereits vor der Vollendung des 17. Lebensjahres begann, andererseits aber vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand getreten ist. In diesen Konstellationen spiegeln allein die vom Beamten - tatsächlich - zurückgelegten Dienst- und Erfahrungszeiten die seinerseits erworbene Berufserfahrung wider. Eine auf das Lebensalter bezogene starre Grenze sagt demgegenüber nichts darüber aus, in welchem zeitlichen Umfang der Betroffene tatsächlich Berufserfahrung gewonnen hat.“

Dem schließt sich der erkennende Senat aus eigener Überzeugung an (ebenso: VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 58).

Was das zweite gesetzgeberische Ziel anbelangt, eine Benachteiligung von Beamten des gehobenen und höheren Dienstes gegenüber denen des einfachen und mittleren Dienstes zu vermeiden, so ist die in Rede stehende Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ ebenfalls nicht „angemessen und erforderlich“. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 17. April 2020 ausgeführt (a. a. O., Rn. 36):

„Im Weiteren kann die Altersgrenze zu einer Ungleichbehandlung von Beamten innerhalb derselben Laufbahngruppe führen, und zwar ausschließlich aufgrund des Kriteriums des Alters, in dem die Berufserfahrung erworben wurde. So werden - wie der vorliegende Fall zeigt - Beamte des einfachen und mittleren Dienstes, die Ausbildungszeiten vor und nach der Altersgrenze, insgesamt aber jeweils die gleiche Ausbildungszeit zurückgelegt haben, im Verhältnis zueinander ungleich behandelt, ohne dass dafür der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit der Gruppe der Beamten des gehobenen und höheren Dienstes als tragfähiger Grund herangezogen werden kann.“

Auch diese Argumentation überzeugt den erkennenden Senat (ebenso: VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 59; VG Bremen, Urteil vom 17.2.2014, a. a. O., Rn. 24).

bb) Eine Rechtfertigung der vorliegenden altersbedingten unmittelbaren Diskriminierung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78 EG.

Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Da diese Vorschrift den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Altersdiskriminierung vorzunehmen, ist sie eng auszulegen (EuGH, Urteil vom 26.9.2013 - C-476/11 - [HK Danmark], juris Rn. 46; Urteil vom 16.6.2016 [Lesar], a. a. O., Rn. 24; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 65; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 38).

(1) Zwar handelt es sich bei dem beamtenrechtlichen Versorgungssystem der Beklagten um ein betriebliches System der sozialen Sicherheit im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG. Die zur Erläuterung dieses Tatbestandsmerkmals heranzuziehende Regelung in Art. 2 Abs. 1 lit. f) der Richtlinie 2006/54 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) definiert „betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit“ als Systeme, die nicht durch die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit geregelt werden und deren Zweck darin besteht, den abhängig Beschäftigten und Selbständigen in einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe, in einem Wirtschaftszweig oder den Angehörigen eines Berufes oder einer Berufsgruppe Leistungen zu gewähren, die als Zusatzleistungen oder Ersatzleistungen die gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit ergänzen oder an ihre Stelle treten, unabhängig davon, ob der Beitritt zu diesen Systemen Pflicht ist oder nicht (EuGH, Urteil vom 16.6.2016 [Lesar], a. a. O., Rn. 27). Das Beamtenversorgungsgesetz erfüllt diese Voraussetzungen, denn es tritt aufgrund der Befreiung der Beamten von der gesetzlichen Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung und deckt darüber hinaus die Risiken von Alter etwa durch die Regelung zur Gewährung eines Ruhegehaltes ab (OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 39; ebenso bereits Nds. OVG, Urteil vom 12.3.2019, a. a. O., Rn. 51).

(2) Die in § 12 BeamtVGMärz 2012 vorgesehene Altersgrenze regelt allerdings keine „Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem System der betrieblichen Altersvorsorge oder für den Bezug von Altersrente“ im Sinne der eng auszulegenden Ausnahmeregelung in Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78.

Das Oberwaltungsgericht des Saarlandes hat hierzu ausgeführt (a. a. O., Rn. 40 bis 41):

„Die Altersgrenze in § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. legt allein die zeitliche Grenze fest, ab der bestimmte, vor einer Verbeamtung zurückgelegte Ausbildungszeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt werden können. Die Regelung gibt weder eine Altersgrenze als Voraussetzung für den Zugang zum System der Beamtenversorgung noch für den Bezug von Altersrente vor. Die Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs, also für den Bezug von Altersrente, waren im maßgeblichen Zeitpunkt in § 4 BeamtVG a.F. bestimmt. Sie standen in keinem Zusammenhang mit der in § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. vorgesehenen Altersgrenze, die sich allein auf die Höhe eines nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften entstandenen Versorgungsanspruchs auswirken kann. Im Weiteren knüpft die Beamtenversorgung auch nicht an eine „mitgliedschaftliche Stellung“ des Beamten an, sondern alimentiert den Beamten unter Berücksichtigung seines zuletzt innegehabten Amtes und der abgeleisteten Dienstzeit (so im Ergebnis auch VGH Baden-Württemberg, wie vor, Rdnr. 63 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 26.9.2013, wie vor, Rdnr. 50).

Das Normverständnis des Verwaltungsgerichts Ansbach im Urteil vom 12.9.2019, (VG Ansbach, Urteil vom 12.9.2019 – AN 16 K 17.027720 -, juris Rdnr. 33, 34), wonach sich aus den alternativen Voraussetzungen 'Mitgliedschaft oder Bezug von Altersrente' ergebe, dass der 'Bezug von Altersrente' im Sinne des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sei, dass dieser Tatbestand auch die Höhe des Bezugs der Altersrente umfasse, überzeugt nicht. Gerade das deutsche Beamtenversorgungssystem belegt die Sinnhaftigkeit dieser Differenzierung, da es die Entstehung eines Versorgungsanspruchs - anders als das deutsche Rentenversicherungssystem - nicht an eine 'Mitgliedschaft' anknüpft, das Tatbestandsmerkmal der Mitgliedschaft damit von vorneherein ausscheidet.“

Auch diesen Ausführungen folgt der erkennende Senat. Sie entsprechen seiner Rechtsprechung, wie sie in seinem Urteil vom 12. März 2019 (a. a. O.) zum Ausdruck gekommen ist. Dort ist in Bezug auf die Frage, ob die eine Altersgrenze beinhaltende Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes (NBeamtVG) gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, das Folgende ausgeführt worden (a. a. O., Rn. 54; Hervorhebung durch den erkennenden Senat):

„Es heißt sowohl in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG als auch in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG 'Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für … den Bezug von Altersrente'. Nach diesem klaren Wortlaut ist eine sachliche Rechtfertigung der jeweiligen Altersgrenze nur gegeben, wenn sie Voraussetzung für den 'Bezug' von Altersrente bzw. Ruhegehalt ist. Die in § 16 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 NBeamtVG geregelte Altersgrenze 'Vollendung des 65. Lebensjahres zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand' stellt keine Voraussetzung für den Bezug einer Altersrente bzw. von Ruhegehalt dar. Denn sie regelt nur den Verzicht auf die grundsätzlich nach § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG vorgesehene Festsetzung eines Versorgungsabschlags und betrifft damit die Höhe des Ruhegehalts. Unabhängig von § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 NBeamtVG bzw. § 16 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 NBeamtVG kann ein Beamter einen Anspruch auf Versorgungsleistungen gegen seinen Dienstherrn erwerben. Die Altersgrenze, die im Falle des Klägers den Eintritt in den Ruhestand und damit den Anspruch auf Bezug von Ruhegehalt regelt, findet sich in § 37 Abs. 1 NBG und wird vom Kläger erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat die Festsetzung von Altersgrenzen, die Voraussetzung für den Bezug der ('ungekürzten') Höchstaltersrente bzw. der ('abschlagsfreien') höchstmöglichen Pension sind, als nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG bzw. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zulässig erachtet und ist damit über den Wortlaut der Regelungen hinausgegangen.“

Der Rechtfertigungstatbestand des Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG setzt also auch nach Auffassung des erkennenden Senats voraus, dass der Bezug von „Altersrente“ in seiner Gesamtheit vom Alter abhängig sein muss, dass die nationale Regelung also den „Bezug“ im Sinne eines „Alles-Oder-Nichts-Prinzips“, also das „Ob“, regeln muss; eine das „Wie“ bzw. die Höhe des Bezugs regelnde nationale Vorschrift unterfällt dem Rechtfertigungstatbestand des Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG nicht. Dem kann nach Auffassung des Senats die gegenteilige Rechtsprechung nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Rechtfertigungstatbestand des Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG unterscheide seinem klaren Wortlaut nach deutlich zwischen „Mitgliedschaft“ und „Bezug“; wenn unter „Bezug“ auch das „Ob“ der Leistung gemeint sei, wäre die Beschränkung auf die erste Tatbestandsalternative („Mitgliedschaft“) ausreichend gewesen und es hätte der Normierung der zweiten Tatbestandsalternative („Bezug“) nicht bedurft (so VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 12.6.2016, a. a. O., Rn. 28 bis 34; VG Ansbach, Urteil vom 12.9.2019, a. a. O., Rn. 32 bis 34; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 6.3.2020, a. a. O., Rn. 26 bis 28). Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG erfasst mit den Tatbestandsmerkmalen „Mitgliedschaft“ und „Bezug“ in der auch vom erkennenden Senat vorgenommenen Auslegung dahingehend, dass nur das „Ob“ betroffen ist, durchaus unterschiedliche Sachverhalte. Denn es können Altersgrenzen in Rede stehen, die den unmittelbaren Zugang zu dem betreffenden betrieblichen System der sozialen Sicherheit regeln („Mitgliedschaft“), oder solche, die innerhalb dieses Systems Voraussetzung für den Bezug von Altersrente aufstellen (Nds. OVG, Urteil vom 12.3.2019, a. a. O., Rn. 53). Gerade der vorliegende - den Bereich des Beamtenversorgungsrechts betreffende - Streitfall zeigt, dass dem zweiten Tatbestandsmerkmal „Voraussetzung für den Bezug von Altersrente“ eine eigenständige Bedeutung zukommt, weil das deutsche Beamtenversorgungssystem die Entstehung eines Versorgungsanspruchs - anders, als das deutsche Rentenversicherungssystem - nicht an eine „Mitgliedschaft“ im System knüpft und daher die erste Tatbestandsvariante „Voraussetzung für die Mitgliedschaft von Altersrente“ von vornherein nicht in Betracht kommt (s. o.).

(3) Die vorgenommene Auslegung des Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78 wird auch nicht durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juni 2016 ([Lesar], a. a. O.) zum Ausschluss von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres absolvierten Lehr- und Beschäftigungszeiten im österreichischen Beamtenpensionssystem in Frage gestellt.

Nach dieser Entscheidung sind Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 lit. a) und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im dortigen Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die die Anrechnung von Lehr- und Beschäftigungszeiten, die ein Beamter zeitlich vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt hat, für die Gewährung eines Ruhegehaltsanspruchs und die Berechnung der Höhe seines Ruhegehalts ausschließt, nicht entgegenstehen, sofern diese Regelung bei einem Pensionssystem für Beamte die einheitliche Festsetzung einer Altersrente für die Mitgliedschaft und einer Altersgrenze für den Bezug von Altersrente im Rahmen dieses Systems gewährleisten soll. Diese Entscheidung kann indes nicht auf das deutsche Versorgungssystem für Beamte übertragen werden, weil sich dieses in die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs tragenden Punkten von dem österreichischen Beamtenpensionssystem unterscheidet. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat hierzu ausgeführt (a. a. O., Rn. 44 bis 47):

Zwar handelt es sich auch bei dem deutschen Versorgungssystem für Beamte um ein System, das im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. f der Richtlinie 2006/54 den Angehörigen einer Berufsgruppe Leistungen gewährt, die als Ersatzleistungen an die Stelle der Leistungen eines gesetzlichen Sozialversicherungssystems treten. Denn das Beamtenversorgungsgesetz tritt aufgrund der Befreiung der Beamten von der gesetzlichen Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI an die Stelle der gesetzlichen Rentenversicherung und deckt darüber hinaus die Risiken von Alter, etwa durch die Gewährung eines Ruhegehaltes, ab (vgl. §§ 2 Nr. 1, 4 Abs. 2 BeamtVG).

Das österreichische Beamtenpensionssystem ist aber - nach dem vom Europäischen Gerichtshof ausdrücklich in Bezug genommenen Vortrag der österreichischen Regierung im Verfahren C-159/15 - dadurch gekennzeichnet, dass ein Alter festgesetzt wird, ab dem die an das Rentensystem der Bundesbeamten angeschlossenen Personen beginnen, Beiträge zu zahlen, und einen Anspruch auf den Erhalt der Höchstpension erwerben, um u.a. insoweit eine Gleichbehandlung der Beamten zu gewährleisten. Das bedeutet, dass durch die Gleichstellung der ab Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Lehr- und Beschäftigungszeiten mit anzurechnenden Ruhegenussvordienstzeiten (§§ 53 Abs. 2 lit. a, 54 lit. a Pensionsgesetz 1965) der Betreffende hinsichtlich dieses Zeitraums in das österreichische Beamtenversorgungssystem einbezogen, also dessen „Mitglied“ wird. Soweit ein Beamter bereits Beiträge an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten entrichtet hatte, erhält der österreichische Staat von der Versicherungsanstalt Ausgleichszahlungen für die gleichgestellten Zeiten. Hierauf weist auch die Beklagte der Sache nach hin, wenn sie ausführt, dass die Vordienstzeiten 'rückwirkend' ab dem 18. Lebensjahr anerkannt würden mit der Folge, dass der Betreffende rückwirkend 'Mitglied des Systems' werde und einen Anspruch auf Erhalt der Höchstpension erhalte, wobei rückwirkend Beiträge entweder vom Sozialversicherungsträger oder vom Beamten geleistet würden. Diese rechtliche Konstellation war nach den Entscheidungsgründen des Europäischen Gerichtshofs maßgeblich ('unter diesen Umständen') für seine Feststellung, dass die österreichische Regelung zum Ausschluss der Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Ruhegenussvordienstzeiten Ausdruck der den Mitgliedstaaten in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 zuerkannten Freiheit ist, bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem Beamtenpensionssystem oder den Bezug von Altersrente im Rahmen dieses Systems festzusetzen.

Von diesem österreichischen Versorgungssystem unterscheidet sich das deutsche Beamtenversorgungssystem in wesentlichen Punkten. Dieses ist maßgeblich dadurch geprägt, dass der Betreffende, soweit er vor seiner Verbeamtung über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung geleistet hat, im gesetzlichen Rentenversicherungssystem verbleibt und gemäß den §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1, 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI einen Anspruch auf Altersrente erhält, die allerdings gemäß § 55 Abs. 1 BeamtVG (a.F.) grundsätzlich zu seinem Nachteil auf die Versorgungsbezüge angerechnet (wurde und) wird (siehe hierzu auch VG Aachen, Urteil vom 30.3.2017 - 1 K 1905/15 -, Juris, Rdnr. 22). Dementsprechend hätte ein Betroffener, der - wie in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall des Herrn Lesar - vor seinem Eintritt in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis über einen Zeitraum vom 9.9.1963 bis zum 30.6.1972 in Lehr- und Beschäftigungsverhältnissen stand und Beiträge an die Versicherungsanstalt bezahlte, im Rahmen des deutschen Versorgungssystems einen eigenständigen Rentenanspruch gegen den Versicherungsträger erworben, bliebe also dessen 'Mitglied', wenngleich er sich diesen Rentenanspruch auf seine Beamtenpension anrechnen lassen müsste. Dabei vermag allein der Umstand, dass es im deutschen Recht eine zweite Fallgruppe derer gibt, die - wie der Kläger - wegen Nichterreichung der Mindestbeitragszeit von fünf Jahren keinen eigenen Rentenanspruch erwerben, sondern nur einen Beitragserstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger geltend machen können, nichts daran zu ändern, dass sich das deutsche und das österreichische Beamtenversorgungssystem sowohl in Bezug auf die Beiträge als auch hinsichtlich der Harmonisierung zwischen der Beamtenversorgung und dem gesetzlichen Rentenrecht grundlegend unterscheiden und daher die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16.6.2016 nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann.

Der Ansicht der Beklagten, dass die Zahlung der Beiträge bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs keine Rolle gespielt habe, dieser Entscheidung sogar jeder Bezug zur Beitragszahlung fehle, vermag sich der Senat aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.“

Auch diesen Erwägungen folgt der erkennende Senat aus eigener Überzeugung. Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vom 30. August 2018 enthalten keine Argumente, mit denen sich das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 17. April 2020 nicht bereits - mit überzeugendem Ergebnis - auseinandergesetzt hätte. Insbesondere das Vorbringen der Beklagten (S. 8f. [Bl. 106f./GA]),

in Deutschland und Österreich werde „lediglich die Harmonisierung zwischen der Beamtenversorgung und dem gesetzlichen Rentenrecht unterschiedlich vorgenommen“, nämlich dergestalt, dass in Österreich „eine organisatorische Zusammenführung in der Beamtenversorgung“ erfolge, in Deutschland hingegen „eine solche organisatorische Zusammenführung fehlt“; diesem Unterschied komme aber hinsichtlich der Zulässigkeit von Altersgrenzen keine Bedeutung zu“,

verkennt, dass gerade diese „organisatorische Zusammenführung der Beamtenversorgung“ in Österreich der Grund dafür ist, dass sich die Systeme beider Länder grundlegend unterscheiden und dementsprechend die in Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG normierte Tatbestandsvoraussetzung „Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ in Bezug auf das eine System vorliegt, in Bezug auf das andere jedoch nicht. Auch die weitere Berufungsbegründung der Beklagten vom 5. Juni 2020 wiederholt der Sache nach lediglich die bisher von der Beklagten zur Frage der Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 2 RL 2000/78/EG vertretene Position, ohne eine neue bzw. weiterführende Argumentationslinie aufzuzeigen.

(4) Für die Würdigung der Unvereinbarkeit der Altersgrenze in § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz2012 mit der Richtlinie 2000/78/EG spricht auch die Begründung der am 11. Januar 2017 in Kraft getretenen Neuregelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG. Darin hat der Gesetzgeber unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Dezember 2015 (a. a. O.) den Wegfall der Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ - auch - mit dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit begründet, weil die Änderung „geeignet ist, den Vorgaben des Unionsrechts hinsichtlich der Vermeidung einer Altersdiskriminierung zu entsprechen“ (Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ der Bundesregierung vom 5. September 2016, BT-Drs. 18/9532 S. 38). Damit hat der Gesetzgeber zumindest Zweifel an der Unionsrechtswidrigkeit der bisherigen gesetzlichen Regelung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht (OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 48).

Dieser Erwägung gegenüber kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten (so Berufungsbegründung vom 30.8.2018, S. 5 [Bl. 103/GA]),

die Schaffung der Übergangsregelung des § 69k BeamtVG verdeutliche, dass der Gesetzgeber nicht „von der Europarechtswidrigkeit [der Altersgrenze nach Vollendung des] 17. Lebensjahres überzeugt“ gewesen sei.

Dass der Gesetzgeber keine anderslautende Übergangsregelung im Sinne einer rückwirkenden Streichung der Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ normiert, sondern die Beantwortung der Frage, ob diese Altersgrenze in „Altfällen“ - also in Fällen des Ruhestandseintritts bis zum Ablauf des 10. Januar 2017 - noch Anwendung findet, der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung überlassen hat, belegt zwar in der Tat, dass er von der Unionsrechtswidrigkeit nicht überzeugt war. Eine entsprechende „Überzeugung“ hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes dem Gesetzgeber aber gar nicht zugeschrieben, sondern damit argumentiert, dass dieser bestehende Zweifel hinsichtlich der Unionsrechtskonformität der in Rede stehenden Grenze in der Gesetzesbegründung ausdrücklich manifestiert habe.

e) Der festgestellte Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht hat zur Folge, dass die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 enthaltene Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf. Dies bedeutet, dass Personen, die - wie der Kläger - ihre Ausbildungszeit teilweise zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres absolviert haben, mit solchen Beamten gleichbehandelt werden, welche diese Zeit insgesamt jenseits der Altersgrenze durchlaufen haben.

Steht eine Vorschrift des nationalen Rechts mit Unionsrecht - hier: mit der Richtlinie 2000/78/EG - nicht im Einklang, verlangt zunächst die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem Ziel der Richtlinie im Einklang steht (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12 u. a. [Specht u. a.], juris Rn. Rn. 88 m. w. Nw.; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 71). Ist indes eine mit den Anforderungen der RL 2000/78/EG übereinstimmende Auslegung und Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 nicht möglich, muss eine unionsrechtswidrige nationale Regelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, der auch dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters zukommt, unangewendet gelassen werden (EuGH, Urteil vom 19.6.2014, a. a. O., Rn. 89; BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - BVerwG 2 C 52.09 -, juris Rn. 22; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 72; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 50; VG Bremen, Urteil vom 17.2.2014, a. a. O., Rn. 27 [zu § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG a. F.]). Dass dies bedeutet, einen vom Normgeber geregelten Anspruch einer von ihm bewusst nicht erfassten Gruppe von Begünstigten zu gewähren, ist nicht zu beanstanden. Denn anders lässt sich in Konstellationen wie dem Streitfall die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2000/78/EG nicht herstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2010, a. a. O., Rn. 22; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 74).

4. Das der Beklagten nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVGMärz 2012 bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten grundsätzlich zustehende Ermessen („kann“) ist auf Null reduziert.

Handelt es sich - wie hier - um vorgeschriebene Ausbildungszeiten, die der Beamte nicht im Beamtenverhältnis absolvieren kann, reduziert sich das Ermessen der Versorgungsbehörde aufgrund des Zwecks dieser Vorschrift, durch die Anrechnung von Ausbildungszeiten Versorgungslücken zu schließen. Sie darf die Berücksichtigung vorgeschriebener Ausbildungszeiten in einem solchen Fall nur dann ablehnen, wenn der Beamte aufgrund dieser Zeiten andere Versorgungsansprüche erworben hat. Ist dies nicht der Fall, ist das Ermessen auf Null reduziert (BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - BVerwG 2 C 9.08 -, juris Rn. 15; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 17.12.2015, a. a. O., Rn. 81; VG Saarland, Urteil vom 8. 3 2018, a. a. O., Rn. 41). So liegt der Fall auch hier.

5. Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem Tenor allerdings die Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen, die angegriffenen Bescheide teilweise aufzuheben, statt diese Aufhebung selbst vorzunehmen (vgl. hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 113 Rn. 179). Außerdem ist der verwaltungsgerichtliche Tenor widersprüchlich, soweit er einerseits die Verpflichtung der Beklagten festschreibt, die zeitlich vor Vollendung des 17. Lebensjahres vom … 1977 bis zum … 1978 verbrachte Ausbildungszeit des Klägers als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen, diesen Zeitraum aber zusätzlich fälschlicherweise mit einem Jahr und 42 Tagen beschreibt, denn die Zeitspanne vom … 1977 bis zum … 1978 umfasst ein Jahr und 43 Tage. Deshalb war die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor - wie erfolgt - klarstellend neu gefasst wird; da der Kläger in seinem erstinstanzlichen Antrag den entsprechenden Zeitraum eindeutig bezeichnet hat, liegt insoweit ein Hinausgehen über das Klagebegehren nicht vor.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes (BRRG) in Verbindung mit § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie ausgelaufenes Recht betrifft, für das regelmäßig kein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung anzuerkennen ist. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision (BVerwG, Beschluss vom 23.7.2019 - BVerwG 2 B 4.19 -, juris Rn. 6 m. w. Nw.). Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn sich die aufgeworfenen Fragen zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (BVerwG, Beschluss vom 23.7.2019, a. a. O., Rn. 6 m. w. Nw.; OVG Saarl., Urteil vom 17.4.2020, a. a. O., Rn. 53). Die erstgenannte Fallgruppe liegt hier nicht vor, weil in der - seit dem 11. Januar 2017 in Kraft befindlichen - Neuregelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG die Altersgrenze „nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ aufgegeben wurde. Hinsichtlich der zweiten Ausnahmekonstellation liegen dem erkennenden Senat - ebenso wie dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (a. a. O., Rn. 53) - keine Erkenntnisse vor. Insbesondere hat die Beklagte, der die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes zur fehlenden Grundsatzbedeutung in dessen Urteil vom 17. April 2020 bekannt sein müssen (vgl. Berufungsbegründung vom 5.6.2020, S. 3 [Bl. 140/GA], in der diese Entscheidung ausdrücklich in Bezug genommen wird), im vorliegenden Berufungsverfahren insoweit nicht ergänzend vorgetragen.