Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.07.2020, Az.: 8 OB 58/20
Anhörung; Beschwerde; Erinnerung; Postulationsfähigkeit; Vertretungsbefugnis; Vollstreckungsanordnung; Vollstreckungsmaßnahme; Vollstreckungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.07.2020
- Aktenzeichen
- 8 OB 58/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71803
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 08.06.2020 - AZ: 1 D 2/20
Rechtsgrundlagen
- § 167 Abs 1 S 1 VwGO
- § 169 Abs 1 VwGO
- § 67 Abs 4 VwGO
- § 766 Abs 1 S 1 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Entscheidung der Einzelrichterin als Vorsitzende nach Anhörung der Vollstreckungsschuldner im Vollstreckungsverfahren nach § 169 Abs. 1 VwGO
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück – Einzelrichterin der 1. Kammer – vom 8. Juni 2020 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer zu 2. trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts, in dem es auf Antrag der Beklagten die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 6. März 2020 angeordnet hat, ist angesichts fehlender Vertretung der Beschwerdeführer (§ 67 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 i.V.m. § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 - 7 VwGO) und mangels eigener Postulationsfähigkeit (§ 67 Abs. 4 Satz 8 VwGO) als unzulässig zu verwerfen.
Die – mit „sofortige Beschwerde“ überschriebene – Rechtsmittelschrift des Beschwerdeführers zu 2. kann nicht als Erinnerung gegen die Entscheidung der – nach wohl überwiegender Meinung – für die Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO als funktionelle Vorsitzende zuständigen Einzelrichterin (grundlegend: Thüringer OVG, Beschl. v. 16.2.2010 – 1 VO 93/09 –, juris Rn. 19ff., 30; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.11.2016 – 3 K 65.15 –, juris, Rn. 2; VG Darmstadt, Beschl. v. 18.11.1999 - 2 M 1436/99 –, Beck online; VG Weimar, Beschl. v. 19.01.2009 - 1 V 512/08 We –, Beck online m.w.N.; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 169 Rn. 25; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 169 Rn. 23; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 169 Rn. 3; a.A. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 29.4.2019 – 2 O 4/18 –, juris Rn. 5ff. m.w.N.; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 6 Rn. 56; Schmidt-Kötters, in: BeckOK-VwGO, Stand 1. Juli 2018, § 169 Rn. 6; Bader, in: Bader u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 169 Rn. 3; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, Rn. 2) ausgelegt werden, über die zunächst erstinstanzlich das Verwaltungsgericht als Vollstreckungsgericht zu entscheiden hätte. Für die Abgrenzung zwischen Vollstreckungsmaßnahme bzw. Vollstreckungshandlung, gegen die mit der Vollstreckungserinnerung (§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vorgegangen werden kann, und richterlicher Entscheidung im Vollstreckungsverfahren, gegen die die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht nach § 146 VwGO gegeben ist, die im Verwaltungsprozessrecht an die Stelle der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO tritt (Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 169 Rn. 148), ist nach allgemeiner Auffassung darauf abzustellen, ob zuvor eine Anhörung des Vollstreckungsschuldners zu der getroffenen Maßnahme erfolgt ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4.3.2015 – 6 L 8.15 –, juris Rn. 5 m.w.N.; Thüringer OVG, Beschl. v. 22.8.2006 – 4 VO 601/06 –, juris Rn. 3 m.w.N.; Hessischer VGH, Beschl. v. 19.6.1997 – 5 T 1890/97 –, juris Rn. 4 m.w.N.; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 169 Rn. 146, 148; Schmidt-Kötters, in: BeckOK-VwGO, Stand 1. Juli 2018, § 169 Rn. 27; Bader, in: Bader u.a., VwGO, 7. Aufl. 2018, § 169 Rn. 6; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 167 Rn. 15). Eine solche Anhörung hat hier stattgefunden. Das Verwaltungsgericht hat den Vollstreckungsantrag der Beklagten vom 6. Mai 2020 am folgenden Tag an die Vollstreckungsschuldner übersandt. Von der damit gegebenen Möglichkeit, sich zu äußern, hat der Beschwerdeführer zu 2. mit Schreiben vom 18. Mai 2020 Gebrauch gemacht. Die im Beschlusswege gemäß § 169 Abs. 1 VwGO getroffene Vollstreckungsanordnung des Verwaltungsgerichts vom 8. Juni 2020 ist daher als Entscheidung zu qualifizieren, gegen die als Rechtsbehelf die Beschwerde eröffnet ist.
Die Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht können die Beschwerdeführer indes nicht selbst erheben. Nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestehen (BVerwG, Beschl. v. 4.7.2006 – 10 B 39/06 –, juris Rn. 1), müssen sich die Beteiligten vor dem Oberverwaltungsgericht, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen, sofern sie nicht nach § 67 Abs. 4 Satz 8 VwGO berechtigt sind, sich selbst zu vertreten. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird (§ 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO). Gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO sind als Bevollmächtigte nur die in § 67 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen zugelassen. Diese Vorschriften finden auch auf die Beschwerde gegen Vollstreckungsmaßnahmen nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO Anwendung (Bayerischer VGH, Beschl. v. 12.6.2014 – 10 C 14.372 –, juris Rn. 10 u. v. 19.4.2011 – 20 C 11.857 –, juris Rn. 2; Thüringer OVG, Beschl. v. 22.8.2006 – 4 VO 601/06 –, juris Rn. 4; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019, § 169 Rn. 149). Die vorliegende Beschwerde ist daher unzulässig, weil sie nicht durch einen nach den genannten Vorschriften vertretungsberechtigten Bevollmächtigten erhoben worden ist und die Beschwerdeführer auch nicht berechtigt sind, sich selbst zu vertreten.
Die Verfahrenskosten sind allein dem Beschwerdeführer zu 2. aufzuerlegen, da nur er die Beschwerdeschrift unterzeichnet und eine Vollmacht für die Beschwerdeführerin zu 1. nicht vorgelegt hat (§§ 154 Abs. 2; 173 VwGO, 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 179 BGB; BVerwG, Beschl. v. 25.9.2006 – 8 KSt 1/06 –, juris Rn. 1f.).
Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, da nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO).