Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.11.2012, Az.: 1 B 191/12
Abberufung und Neubestellung eines Aufsichtsratsmitglieds einer kommunalen Eigengesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.11.2012
- Aktenzeichen
- 1 B 191/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 39762
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2012:1129.1B191.12.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DVP 2013, 530
- FStNds 2013, 129-131
- GK 2013, 123-127
- MuA 2013, 101
- NVwZ-RR 2013, 6
- NVwZ-RR 2013, 331
Amtlicher Leitsatz
Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag einer kommunalen Eigengesellschaft, dass die Amtsdauer des Aufsichtsrates hinsichtlich der vom Rat entsandten Mitglieder mit Ablauf der Wahlperiode des Rates endet, steht einer jederzeitigen Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aufgrund kommunalrechtlicher Vorschriften nicht entgegen.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Abberufung und Neubestellung eines Mitgliedes in den Aufsichtsrat der F. Gesellschaft mbH (G.).
Die G. wurde durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 19.12.1985 errichtet. Nach § 2 Abs. 1 dieses Vertrages in der Fassung vom 12.12.2011 besteht der Gegenstand des Unternehmens in der Zusammenfassung der wirtschaftlichen Betätigungen der Stadt und des Landkreises in der Strom- und Wasserversorgung, die von der I. Energie- und Wasserversorgungs-GmbH betrieben wird, dem Betreiben eines Blockheizkraftwerkes, eines Hallen- und Freibades durch die I. Blockheizkraftwerk- und Bädergesellschaft mbH, die Planung, Errichtung, der Betrieb und die Überwachung in der Abwasser-, Klärschlamm- und Abfallentsorgung und in der Energie- und Wasserversorgung. Die Organe der Gesellschaft sind nach § 5 des Gesellschaftsvertrages der Geschäftsführer, der Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung. § 7 des Gesellschaftsvertrages, der die Bildung, Zusammensetzung und Amtsdauer des Aufsichtsrates regelt, hat folgenden Wortlaut:
1. | Die Gesellschaft hat einen fakultativen Aufsichtsrat, auf den die Bestimmungen des Aktiengesetzes nicht entsprechend anzuwenden sind. |
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2. | Der Aufsichtsrat besteht aus 16 Mitgliedern. |
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Er setzt sich wie folgt zusammen:
a) | aus den kraft Amtes berufenen Mitgliedern |
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der/die Bürgermeister/Bürgermeisterin der Stadt J.
der/die Bürgermeister/Bürgermeisterin der Samtgemeinde K.
der/die Bürgermeister/Bürgermeisterin der Samtgemeinde L.
b) | aus 10 von dem Rat der Stadt J. entsandten Mitgliedern |
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c) | aus 2 von dem Rat der Samtgemeinde K. entsandten Mitgliedern |
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d) | aus einem von dem Betriebsrat der F. GmbH entsandten Mitglied. |
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3. | Die Amtsdauer des Aufsichtsrates endet hinsichtlich der vom Rat der Stadt J. sowie vom Rat der Samtgemeinde K. entsandten Mitglieder mit Ablauf der jeweiligen allgemeinen Wahlperiode der Räte der Gemeinden (§ 47 des Nieders. Kommunalverfassungsgesetzes, NKomVG). Die Mitglieder des Aufsichtsrates führen die Geschäfte bis zur Wahl der neuen Aufsichtsratsmitglieder weiter. Für die Bürgermeister/die Bürgermeisterinnen der Stadt J. sowie der Samtgemeinden K. und L. gilt deren Amtsdauer entsprechend. Scheidet ein Mitglied des Aufsichtsrates aus dem Aufsichtsrat aus, so ist für die Restdauer der allgemeinen Amtsperiode von dem jeweiligen Gremium gemäß vorstehendem Abs. 2 b) und c) ein Ersatzmitglied zu bestellen. |
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4. | Jedes Mitglied des Aufsichtsrates kann sein Amt unter Einhaltung einer vierwöchigen Frist durch schriftliche Erklärung gegenüber der Geschäftsführung niederlegen. |
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5. | War für die Entsendung eines Aufsichtsratsmitgliedes seine Zugehörigkeit zum Rat oder zur Verwaltung einer Gebietskörperschaft bestimmend, so endet sein Amt mit dem Ausscheiden aus dem Rat oder der Verwaltung der Gebietskörperschaft. Ändern sich die Geschäftsanteile bzw. erwirbt ein neuer Gesellschafter Geschäftsanteile, so ändert sich die Befugnis zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern nach Ablauf von 3 Monaten nach wirksamer Änderung des Umfangs des Geschäftsanteils und/oder der Aufnahme eines neuen Gesellschafters. Verringert sich in dieser Folge die Anzahl der zu entsendenden Vertreter, so sind die jeweiligen Gesellschafter verpflichtet, die neue Zusammensetzung nach Maßgabe der dann zu entsendenden Anzahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder innerhalb dieser Zeit der Gesellschaft mitzuteilen. Abweichende Regelungen bedürfen des einstimmigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung. |
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Die Antragstellerin ist eine Fraktion im Rat der Stadt J., die zu Beginn der neuen Legislaturperiode am 01.11.2011 aus sechs Mitgliedern bestand. In der konstituierenden Sitzung des Rates der Stadt J. am 03.11.2011 stellte der Rat fest, dass der Antragstellerin zwei Sitze im Aufsichtsrat der G. zustanden und benannte die von ihr vorgeschlagenen Kandidaten, den Beigeladenen und den Ratsherrn M., als Mitglieder des Aufsichtsrates. Im Folgenden verließen drei Ratsmitglieder die Antragstellerin und gründeten die neue Fraktion "N.". Dieser neuen Fraktion gehörten unter anderem der Beigeladene und der Ratsherr M. an. Die Antragstellerin hatte damit noch drei Mitglieder. Die neuen Mitgliedszahlen der Fraktionen und Gruppen stellte der Rat in der Sitzung am 05.07.2012 fest. Den am 18.06.2012 gestellten Antrag der Antragstellerin an den Antragsgegner, den Aufsichtsrat der G. entsprechend den neuen Stärkeverhältnissen im Rat umzubesetzen, lehnte der Antragsgegner mehrheitlich ab.
Am 17.07.2011 hat die Antragstellerin Klage erhoben und einen Antrag nach § 123 VwGO mit dem Ziel der Neubesetzung des Aufsichtsrates der G. gestellt. Zur Begründung trug sie vor, die Zusammensetzung des derzeitigen Aufsichtsrates entspreche nicht mehr dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen im Rat. Der Antragstellerin und der Fraktion der "N." würden jeweils ein Aufsichtsratsposten zustehen. Der Antragsgegner sei verpflichtet, den Aufsichtsrat der G. entsprechend neu zu besetzen, denn die Antragstellerin sei im Aufsichtsrat gar nicht und die Fraktion der "N." mit zwei Mitgliedern, nämlich dem Beigeladenen und dem Ratsherrn M., vertreten. Der Gesellschaftsvertrag stehe einer derartigen Neubesetzung nicht im Wege.
Der Antragsgegner erwiderte, dass die Regelungen im Gesellschaftsvertrag einer vorzeitigen Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern entgegenstehen würden. Danach ende die Amtsdauer des Aufsichtsrates hinsichtlich der vom Antragsgegner entsandten Mitglieder mit Ablauf der jeweiligen allgemeinen Wahlperiode der Räte der Gemeinden. Eine vorzeitige Abberufung sehe der Gesellschaftsvertrag nicht vor.
Nach einem richterlichen Hinweis beschloss die Antragstellerin, den Beigeladenen als Aufsichtsratsmitglied abzuberufen und für ihn die Ratsfrau H. zu benennen. Die Antragstellerin beantragte eine entsprechende Beschlussfassung des Antragsgegners. Dieser lehnte die Anträge in seiner Sitzung am 18.10.2012 mehrheitlich ab.
Daraufhin änderte die Antragstellerin ihren ursprünglichen Antrag auf die Feststellung der Abberufung des Beigeladenen und der Neubenennung der Ratsfrau H.. Zur Begründung trägt sie vor, der Antragsgegner habe bei der Beschlussfassung über die Abberufung und Benennung der Aufsichtsratsmitglieder keine inhaltliche Prüfungskompetenz. Er sei an die Beschlussfassung der Fraktionen über die Stellenbesetzung rechtlich gebunden. Es gebe weder öffentlich-rechtliche, noch gesellschaftsrechtliche Hinderungsgründe an der beantragten Feststellung. Die Koppelung der Amtsdauer des Aufsichtsrates an die allgemeine Wahlperiode im Gesellschaftsvertrag stelle kein Verbot zur vorzeitigen Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern dar. Vielmehr sehe der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt niederlegen. Der Antragsgegner könne durch einen Feststellungsbeschluss das entsandte Aufsichtsratsmitglied anweisen, von dieser Möglichkeit der Mandatsniederlegung Gebrauch zu machen. Eine kommunalrechtliche Abberufung habe zur Folge, dass das nominierte Aufsichtsratsmitglied von der Möglichkeit der Mandatsniederlegung Gebrauch machen müsse. Diese kommunalrechtliche Rechtsfolge könne nicht durch den Gesellschaftsvertrag der G. ausgeschlossen werden.
Die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Feststellung zu treffen, dass - vorbehaltlich des Ergebnisses der gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren 1 A 190/12 - Herr O. aus dem Aufsichtsrat der G. GmbH abberufen ist und nunmehr an Stelle des Herrn O. Frau H. bestimmt wird, die Rechte der Stadt J. im Aufsichtsrat der G. GmbH wahrzunehmen.
Der Antragsteller beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass ein feststellender Beschluss über die Abberufung des Beigeladenen und die Neubesetzung der Aufsichtsratsstelle mit der Ratsfrau H. rechtswidrig wäre, weil er gegen gesellschaftsvertragliche Regelungen verstoßen würde. Der Gesellschaftsvertrag der G. sehe eine vorzeitige Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ausdrücklich nicht vor.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Stadt J. verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin macht im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreits und des auch hier zulässigen Anordnungsverfahrens nach § 123 VwGO (vgl. Wefelmeier in KVR Nds./NKomVG, § 54 Rn. 36) als eine nach § 57 Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) mit eigenen organschaftlichen Rechten ausgestattete Fraktion geltend, dass ein ihr zustehendes Recht - die Beteiligung an der Besetzung des Aufsichtsrates der G. - durch den ablehnenden Beschluss des Antragsgegners vom 18.10.2012 beeinträchtigt sei.
Die Zulässigkeit des Antrages hinsichtlich der Feststellung der Abberufung des Beigeladenen scheitert auch nicht daran, dass der Eilantrag insoweit an den nicht zuständigen Antragsgegner gerichtet sein könnte. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass eine Abberufung bereits durch Erklärung der Fraktion gegenüber dem Vorsitzenden des Rates sofort wirksam werde und es eines Feststellungsbeschlusses nicht bedürfe (Menzel in KVR Nds./NKomVG, § 71 Rn. 138). Folge dieser Auffassung wäre, dass ein Antrag gegen den Rat mit dem Ziel der Feststellung der Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes ins Leere ginge und damit unzulässig wäre, weil der Rat zu einer entsprechenden Feststellung nicht berufen ist. Aber dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Es bedarf auch für die Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes eines Beschlusses des Rates. Dies ergibt sich aus § 71 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 und Satz 4 i.V.m. Abs. 6, 9 Satz 3 Halbs. 2 und Abs. 5 NKomVG. Danach wird die Ausschussbesetzung durch einen feststellenden Beschluss abgeschlossen. Der 2. Halbsatz des § 71 Abs. 9 Satz 3 NKomVG bezieht sich sowohl vom Wortlaut als auch nach der Satzstruktur nach dem Semikolon auf beide Nummern des Satzes 3. Darüber hinaus bedarf es für die Berufung eines Ratsbeschlusses, um das Besetzungsverfahren zu beenden und die Mitgliedschaft verbindlich festzustellen (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 09.03.2010 - 1 A 2992/09 -; Nds. OVG, Urteil vom 15.02.2011 - 10 LB 79/10 -, NdsVwBl. 2011, 165 ff.; Menzel, a.a.O., § 71 Rn. 70). Die Abberufung eines Mitgliedes ändert die ursprüngliche Beschlussfassung und bedarf deshalb als actus contrarius ebenfalls eines feststellenden Ratsbeschlusses. Erst damit wird die Abberufung abgeschlossen und verbindlich festgestellt (so auch Schwind in Blum/Häusler/Meyer, NKomVG § 71 Rn. 27; Thiele, NKomVG, § 71 Anm. 11; Wilkens in Ipsen, NKomVG, § 71 Rn. 53). Der Antrag der Antragstellerin ist deshalb zu Recht gegen den Antragsgegner gerichtet und damit zulässig.
Der Antrag hat Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht, wenn im Sinne der §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Da die Hauptsacheentscheidung noch innerhalb der bis zum 31.10.2016 dauernden Wahlperiode getroffen und die Abberufung des Beigeladenen sowie die Benennung der Ratsfrau Glahn durch einen erneuten Beschluss des Antragsgegners wieder rückgängig gemacht werden kann, liegt keine Vorwegnahme der Hauptsache vor.
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die begehrte Feststellung hinsichtlich der Abberufung des Beigeladenen als Aufsichtsratsmitglied in der G. glaubhaft gemacht. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 138 Abs. 3 Satz 2, 71 Abs. 9 Satz 4 i.V.m. Abs. 6, 9 Satz 3 Nr. 1, 5 und 2 Satz 7 NKomVG. Über die Entsendung von Personen in den Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft, an der die Kommune beteiligt ist, entscheidet die Vertretung (§ 138 Abs. 3 Satz 2 NKomVG). Regelungen über das Verfahren enthält § 138 NKomVG nicht. Da es sich bei Aufsichtsräten um "unbesoldete Stellen gleicher Art" i. S. d. § 71 Abs. 6 NKomVG handelt (s. Menzel, a.a.O., § 71 Rn. 157; Schwind, a.a.O., § 71 Rn. 26; Thiele, a.a.O., § 71 Anm. 8), erfolgt die Besetzung grundsätzlich nach § 71 Abs. 5 und Abs. 9 Satz 4 NKomVG (vgl. Thiele, a.a.O., § 138 Anm. 5; Wilkens, a.a.O., § 71 Rn. 60; Wefelmeier in KVR Nds/NGO, zu dem insoweit wortgleichen § 111 Rn. 38). Das Abberufungsverfahren für die Mitglieder der Ausschüsse der Vertretung gilt danach grundsätzlich auch für die Besetzung bzw. Abberufung von Aufsichtsräten der G.. Nach § 71 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 NKomVG kann eine Fraktion ein von ihr benanntes Ausschussmitglied jederzeit aus dem Ausschuss abberufen. Einer Begründung bedarf es nach dem Gesetz nicht (vgl. Menzel, a.a.O., § 71 Rn. 135; Schwind, a.a.O., § 71 Rn. 26). Gerade der Wechsel der Fraktionszugehörigkeit stellt einen Anlass für eine derartige Abberufung dar (s. Schwind, a.a.O.). Formelle Voraussetzung ist lediglich, dass das abzuberufende Ausschussmitglied von der jeweiligen Fraktion berufen wurde. Der Beigeladene ist von der Antragstellerin als Aufsichtsratsmitglied der G. berufen worden, so dass die Antragstellerin den Beigeladenen auch wieder abberufen kann. Einem Antrag einer Fraktion oder Gruppe auf Feststellung der Abberufung eines von ihr benannten Mitgliedes hat der Rat grundsätzlich zu folgen. Er ist nicht berechtigt, Einfluss auf die Entscheidung der Fraktionen oder Gruppen zu Benennung und Abberufung von Personen zu nehmen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 15.02.2011, a.a.O.; VG Oldenburg, Urteil vom 09.03.2010 - 1 A 2992/09 - ; Menzel, a.a.O., § 71 Rn. 135). Der Antragsgegner wäre deshalb grundsätzlich verpflichtet gewesen, auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass der Beigeladene aus dem Aufsichtsrat der G. abberufen ist.
Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn der Beschluss des Antragsgegners rechtswidrig wäre, denn mit dem Beschluss wird auch bestätigt, dass das Abberufungsverfahren korrekt durchgeführt worden ist (Nds. OVG, a.a.O.; VG Oldenburg, a.a.O.). Hält der Rat die Abberufung für rechtswidrig, kann er den Feststellungsbeschluss zu Recht verweigern (so auch ausdrücklich Wilkens in Ipsen, a.a.O., § 71 Rn. 35; Thiele, a.a.O., § 73 Anm. 2; Nds. OVG, a.a.O., das in seiner Entscheidung davon ohne besondere Begründung ausgeht).
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners wäre der Feststellungsbeschluss über die Abberufung des Beigeladenen aber nicht rechtswidrig.
Der Gesellschaftsvertrag der G. enthält keine Regelungen über das Verfahren zur Abberufung und Ersetzung von Aufsichtsratsmitgliedern. § 7 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages schließt für den Aufsichtsrat die Bestimmungen des Aktiengesetzes aus, so dass die in § 103 Abs. 2 Aktiengesetz vorgesehene jederzeitige Abberufung eines Aufsichtsratsmitgliedes nicht besteht. Dies schließt allerdings die Anwendung des § 71 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 NKomVG nicht aus. § 7 Nr. 2 b und Nr. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages enthalten die Formulierung: "die von dem Rat der Stadt J. entsandten Mitglieder". Mit dem Wort "entsandten" wird der gleiche Begriff wie in § 138 Abs. 3 Satz 2 NKomVG verwendet. Damit wird die kommunalrechtliche Regelung umgesetzt. Das Wort "entsandten" geht dabei zwingend von einer vorherigen Entscheidung des Rates über die Bestimmung der Mitglieder aus. Das Entsendeverfahren regelt sich, wie oben dargelegt, nach § 71 Abs. 6 und 9 Satz 4 NKomVG und folgt damit den gleichen Regeln wie die Besetzung der Ausschüsse des Rates. Eine Differenzierung nach der erstmaligen Besetzung und einer späteren Abberufung und Neubenennung eines Aufsichtsratsmitgliedes sieht § 138 Abs. 3 Satz 2 NKomVG nicht vor. Unter das Entsendeverfahren fällt deshalb auch die Abberufung und Ersetzung von Aufsichtsratsmitgliedern. Die Bestimmungen zur Besetzung der Ausschüsse und damit auch des Aufsichtsrates sichern den Minderheitenschutz sowie das Demokratieprinzip und sind deshalb bindend und nicht abdingbar (Meyer, KommJur 2005, 121 ff. unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 10.12.2003 - 8 C 18/03 -, Nds. VBl 2004, 229; Wefelmeier in KVR Nds./NGO, § 111 Rn. 38). Die Mehrheit könnte sonst mit einer entsprechenden Gestaltung des Gesellschaftsvertrages die Rechte kleinerer Fraktionen und Gruppen bei der Besetzung von Aufsichtsräten, die § 71 NKomVG sichern soll, beschneiden. § 7 Nr. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages beschränkt deshalb nicht das kommunalrechtlich geregelte Entsendeverfahren der Aufsichtsratsmitgliedern, sondern setzt es voraus. Insoweit ist die Vorschrift einschränkend auszulegen. Für entsandte Mitglieder gilt dann grundsätzlich die Amtsdauer bis zum Ablauf der jeweiligen allgemeinen Wahlperiode des Rates.
Ein Feststellungsbeschluss des Antragsgegners wäre deshalb nicht rechtswidrig gewesen. Vielmehr ist die Ablehnung des Abberufungsantrags der Antragstellerin durch den Antragsgegner selbst rechtswidrig.
Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werden sollte, hätte ein Beschluss zur Abberufung des Beigeladenen einen Sinn. Das Verwaltungsgericht Göttingen hat in seinem Beschluss vom 20.04.1999 (- 1 B 1018/99 -, Nds. VBl 1999, 218 ff.) ausgeführt:
"Obwohl nicht mehr entscheidungserheblich weist die Kammer darauf hin, dass auch dann, wenn man entgegen den bisherigen Darlegungen davon ausgehen wollte, dass ein Beschluss des Antragsgegners zur Neubildung des Aufsichtsrates der G. nach dem Gesellschaftsvertrag nicht umsetzbar wäre, die Verpflichtung des Antragsgegners zu einem derartigen Beschluss gleichwohl ihren Sinn behielte. Die Antragstellerin macht zu Recht geltend, dass in einem solchen Fall die derzeitigen Aufsichtsratsmitglieder kommunalrechtlich gleichwohl verpflichtet wären, ihre Stellen durch Niederlegung gemäß § 8 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages freizumachen (in diesem Sinne: Menzel, aaO, Rn. 174). Es besteht insoweit eine Vergleichbarkeit mit der Konstellation, dass ein Zulassungsanspruch zur Benutzung einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde im Sinne des § 22 NGO gegen die Gemeinde geltend gemacht wird, obwohl dessen Realisierung wegen einer privatrechtlichen Organisationsform der öffentlichen Einrichtung schwierig ist. Auch hier muss die verpflichtete Gemeinde alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um dem Anspruchsberechtigten den Zugang zu der Einrichtung zu verschaffen (vgl. Wefelmeier, in: Bluhm/Beckhof/Behrens/Göke/Häusler/Menzel/Smollich/ Wefelmeier/Winkelmann, Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen - Niedersächsische Gemeindeordnung -, Loseblattsammlung, Stand: Februar 1999, § 22, Rn. 9 m.w.N.)."
Die Kammer hat keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzuweichen (siehe auch Mentzel, a.a.O., § 71 Rn. 178; a. A. Thiele, KommP N 2000, 196, 198).
Für die Ersetzung des Beigeladenen durch die Ratsfrau H. gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Abberufung des Beigeladenen, so dass die Antragstellerin auch hinsichtlich der (Neu-)Benennung der Ratsfrau H. einen Anspruch zu der entsprechenden Feststellung gegen den Antragsgegner glaubhaft gemacht hat.
Die Antragstellerin kann sich auch auf einen Anordnungsgrund berufen, da vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Aufsichtsratssitzungen anstehen. Der Nichterlass einer einstweiligen Anordnung würde dazu führen, dass das der Antragstellerin zustehende Mitbestimmungsrecht bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates der G. für längere Zeit vereitelt würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden für nicht erstattungsfähig erklärt, weil dieser keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Danach sind bei einem Kommunalverfassungsstreit im Hauptsacheverfahren 10.000,00 Euro zugrunde zu legen. Dieser Wert wird in Anwendung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs halbiert, weil das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache nicht vorweg nimmt.