Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.12.2015, Az.: 10 LC 4/15

Anspruchsnormenkonkurrenz; Prozesszinsen; Streitgegenstand; Verzugszinsen; Zinsen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.12.2015
Aktenzeichen
10 LC 4/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45182
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.11.2014 - AZ: 4 A 105/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein vom Bürger gegen einen Hoheitsträger wegen der verspäteten Gewährung einer öffentlich rechtlichen Geldleistung verwaltungsgerichtlich geltend gemachtes Zinsbegehren stellt regelmäßig einen Streitgegenstand i. S. d. § 121 VwGO dar und umfasst sowohl Verzugs- als auch Prozesszinsen.

2. Dies gilt auch für einen Zinsanspruch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein Kartoffelstärke produzierendes Unternehmen. Sie begehrt die Gewährung von (Prozess)Zinsen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO auf eine ihr für die Kampagne 2004/2005 nachträglich erhöht bewilligte Prämie; in der Sache streiten sich die Beteiligten dabei im Wesentlichen um die Frage, ob ein solcher Anspruch durch die rechtskräftige Abweisung der Klage auf „Verzugszinsen“ prozessual ausgeschlossen ist.

Die Landwirtschaftskammer Hannover verfügte als Funktionsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 14. September 2005 gegenüber der Klägerin hinsichtlich der Prämie für die Kampagne 2004/2005:

„Ihr Antrag vom 17.03.2009 (= 9. Antrag) auf Gewährung einer Prämie für die Herstellung von Kartoffelstärke gem. Art. 10 der Verordnung (EG) 2236/2003 von insgesamt 1.317.495,31 € für 59.213,241 t Kartoffelstärke wird unter Festsetzung einer Sanktion i. H .v. 1.173.832,45 € teilweise abgelehnt, so dass nur 143.662,86 € gewährt werden.“

Die Klägerin erhob hiergegen am 14. Oktober 2005 Klage vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück (- 1 A 461/05 -). Eine Zinsforderung wurde nicht schriftlich angekündigt  oder begründet. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1. April 2008 wurde aufgenommen, dass die Klägerin ständig Bankkredit mit mindestens 8 % verzinslich in Anspruch nehme.

Die Klägerin beantragte,

„1. den Bescheid der Landwirtschaftskammer Hannover vom 14.09.2005 insoweit aufzuheben, als damit eine Sanktion in Höhe von 1.173.832,45 € festgesetzt worden ist,

2. die Beklagte zu verpflichten, ihr gemäß ihrem Antrag vom 17.03.2005 eine Prämie für die Herstellung von Kartoffelstärke in Höhe von 1.317.495,31 € bzw. eine weitere Prämie für die Herstellung von Kartoffelstärke in Höhe von 1.173.832,45 € nebst 8 % Zinsen p.a. seit dem 14.09.2005 zu gewähren und den Bescheid der Landwirtschaftskammer Hannover vom 14.09.2005 insoweit aufzuheben, als er dem entgegensteht.“

Das Verwaltungsgericht gab der Klage durch Urteil vom 1. April 2008 teilweise statt und wies sie im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Zinsen, ab. Der Tenor des Urteils lautete insoweit wie folgt:

„Der Bescheid der Landwirtschaftskammer Hannover vom 14.09.2005 wird insoweit aufgehoben, als damit eine Sanktion in Höhe von 1.173.832,45 € festgesetzt worden ist.

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin gemäß ihrem Antrag vom 17.03.2005 eine weitere Prämie für die Herstellung von Kartoffelstärke in Höhe von 1.173.832,45 € zu gewähren. Der Bescheid der Landwirtschaftskammer Hannover vom 14.09.2005 wird insoweit aufgehoben, als er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

Die Klageabweisung hinsichtlich des Zinsanspruches wurde wie folgt begründet:

„ 2. Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs war die Klage abzuweisen, weil der Klägerin kein Anspruch auf Verzugszinsen für die Zeit ab Erlass des die Sanktion in Höhe von 1.173.832,45 € festsetzenden und die Prämie in dieser Höhe kürzenden Bescheides zusteht. Für diese Rechtsfolge besteht keine Rechtsgrundlage, deren Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten.“

Die Klägerin legte gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel ein. Die von der Beklagten eingelegte Berufung wurde durch den Senat mit Urteil vom 17. Mai 2011 (- 10 LC 287/08 -) in der Sache zurückgewiesen. Der Tenor dieses rechtskräftigen Senatsurteils lautete wie folgt:

„Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Os-nabrück - 1. Kammer - vom 1. April 2008 aufgehoben, soweit der Bescheid der Landwirtschaftskammer Hannover vom 14. September 2005 aufgehoben wird, als damit eine Sanktion in Höhe von 1.173.832,45 EUR festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.“

Die Änderung des erstinstanzlichen Urteils beruhte auf der Annahme des Senats, dass es hinsichtlich der Sanktion in Höhe von 1.173.832,45 EUR an einer eigenständigen Regelung mangelte.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 2. September 2011 eine weitere Prämie in Höhe von 1.173.832,45 EUR und zahlte diesen Betrag am gleichen Tage aus.

Mit zwei Schreiben vom Oktober und November 2011 beantragte die Klägerin ergänzend die Zahlung von Prozesszinsen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. §§ 236, 238 AO in Höhe von 410.830 EUR (auf die nachgezahlte Prämie). Die Beklagte kündigte dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst mit einer E-Mail vom 1. Dezember 2011 an, dass nunmehr die geltend gemachte Summe auf das Kanzleikonto bei der Commerzbank überwiesen werde. Bereits am Folgetag wies die Beklagte jedoch gleichfalls per E-Mail darauf hin, dass entgegen der vorigen Ankündigung der geltend gemachte Zinsanspruch nach Rücksprache mit dem Landwirtschaftsministerium doch nicht anerkannt und somit keine Zahlung erbracht werden könne. Zur näheren Begründung berief sich die Beklagte mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 auf das o.a. Urteil des VG Osnabrück; darin sei ein Zinsanspruch rechtskräftig verneint worden.

Nach weiterem Schriftwechsel hat die Klägerin am 23. Dezember 2011 Klage erhoben. Sie habe gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. §§ 236, 238 und 239 AO einen Anspruch auf die geltend gemachten Prozesszinsen.

Dem Anspruch auf Prozesszinsen stehe nicht die rechtskräftige Abweisung des Zinsanspruches aus dem Vorprozess entgegen. Das Urteil sei zu einem anderen Streitgegenstand ergangen. Der Streitgegenstand richte sich - ausgehend vom Tenor des Urteils - nach dem vom Kläger geltend gemachten prozessualen Anspruch, also dem aufgrund eines bestimmten Sachverhalts vorgebrachten Begehren um Rechtsschutz, über das durch das Urteil entschieden worden sei. Über Prozesszinsen habe das Verwaltungsgericht Osnabrück im erstinstanzlichen Prozess jedoch nicht entschieden. Vielmehr habe sie, die Klägerin, durch die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene nähere Begründung zur Höhe und zum Beginn des Zinsanspruches deutlich gemacht, nur Verzugszinsen geltend zu machen. Nur hierüber habe das Verwaltungsgericht - zu Recht abschlägig - entschieden. Bei den nunmehr geltend gemachten Prozesszinsen handele es sich hingegen im Verhältnis zu Verzugszinsen um ein „aliud“. Prozesszinsen seien also kein „Minus“ im Verhältnis zu etwaigen Verzugszinsen. Zumindest müsse dies für Ansprüche auf Verzugszinsen einerseits und für Prozesszinsen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AO andererseits gelten. Denn es entspreche dem gesetzlichen Normalfall, dass danach über die Gewährung von Prozesszinsen für besondere Vergünstigungen erst nach rechtskräftiger Entscheidung über den Prämienanspruch gesondert entschieden werde.

Ausführungen zu dem Vorliegen eines Teilurteils nach § 110 VwGO oder zu einer Urteilsergänzung nach § 120 VwGO erübrigten sich deshalb.

Auch materiell seien die Voraussetzungen des bezeichneten fachgesetzlichen Anspruches auf Prozesszinsen gegeben. Bei der von der Beklagten zusätzlich bewilligten Prämie in Höhe von 1.173.832,45 EUR handele es sich um eine „besondere Vergünstigung“ i. S. d. § 14 Abs. 2 MOG. Die Beklagte sei ferner durch das o.a. Urteil vom 1. April 2008 rechtskräftig zur Bewilligung dieser zusätzlichen Prämie durch einen gesonderten Bescheid verpflichtet worden. Dieser Verpflichtung sei sie durch ihren gesonderten Bewilligungsbescheid vom 2. September 2011 nachgekommen.

Auf der Grundlage der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 7. Dezember 2011 um einen Verwaltungsakt gehandelt habe,

hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Dezember 2011 zu verpflichten, ihr Prozesszinsen in Höhe von 410.830,00 EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei nach § 121 VwGO unzulässig, weil hierüber bereits rechtskräftig - zu Lasten der Klägerin - durch das o.a. Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück entschieden worden sei. Denn die Klägerin habe bereits im Vorprozess vergeblich Zinsen geltend gemacht. Von diesem abgewiesenen Zinsanspruch sei prozessual auch ein solcher nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG mitumfasst. Es handele sich nämlich um den gleichen Streitgegenstand. Der Streitgegenstand im Verwaltungsprozess sei entsprechend der auch im Zivilprozess herrschenden Auffassung der prozessuale Anspruch, d.h. das vom Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren um Rechtsschutz durch Erlass eines Urteils mit einem bestimmten Inhalt (sogenannter zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff). Die Klägerin habe in ihrem Antrag vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück Zinsen in Höhe eines bestimmten Zinssatzes (8 %) ab einem bestimmten Zeitpunkt (14.9.2005) eingeklagt. Das Verwaltungsgericht hätte den geltend gemachten Anspruch unter Anwendung aller in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen prüfen müssen und nicht auf die von einem der Beteiligten vorgetragene beschränken dürfen. Hierbei seien auch solche Anspruchsgrundlagen heranzuziehen, die dem Kläger zumindest einen Teil des begehrten Anspruchs gewähren würden. Auch wenn nach § 14 Abs. 2 MOG ein Zinsanspruch erst ab einem späteren Zeitpunkt (15.10.2005) und zu einem niedrigeren Zinssatz (6 % pro Jahr bzw. 0,5 % pro Monat) bestanden hätte, wäre das Gericht danach also verpflichtet gewesen, einen solchen zu prüfen und der Klägerin zuzusprechen. Dass es dies nicht getan, sondern den Anspruch vollumfänglich abgewiesen habe, ändere nichts am Umfang der insoweit rechtskräftig gewordenen Klageabweisung. Gegen diese Bestimmung des Streitgegenstandes könne die Klägerin auch nicht erfolgreich einwenden, dass der Zinsanspruch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO erst entstehe, wenn die Steuervergütung bzw. die besondere Vergünstigung durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung gewährt würde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (und des Bundesfinanzhofes) sei aus prozessökonomischen Erwägungen nach § 113 Abs. 4 VwGO eine Verknüpfung der Klage gegen den Steuerbescheid bzw. den Beihilfebescheid mit der nachfolgenden Verpflichtungsklage auf Zahlung von Prozesszinsen möglich.

Im Übrigen seien auch die materiellen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AO nicht gegeben. Dazu bedürfe es einer gerichtlichen Verpflichtung zum Erlass eines begünstigenden Bescheides, an der es hier fehle. Sie habe allein aufgrund einer Leistungsklage einen weiteren Prämienbetrag nachgezahlt.

Das Verwaltungsgericht Osnabrück - 4. Kammer - hat der Klage durch Urteil vom 27. November 2014 stattgegeben. Es handele sich um eine Verpflichtungsklage in Form der sog. Versagungsgegenklage. Sie sei zulässig. Die Rechtskraft des o.a. Urteils vom 1. April 2008 stehe dem nicht entgegen. Mit diesem Urteil sei lediglich abschlägig über Verzugszinsen entschieden worden, nicht aber bereits über die nunmehr von der Klägerin geltend gemachten Prozesszinsen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG. Prozesszinsen stellten entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 27.2.2014 - 5 C 1/13 D -, juris -) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 8.7.2014 - 5 LB 10/14 -) einen eigenständigen Streitgegenstand, d.h. ein „aliud“ dar; sie knüpften anders als Verzugszinsen nicht an eine schuldhafte Verletzung, sondern allein an die Rechtshängigkeit an. Jedenfalls müsse dies für die hier in Rede stehenden besonderen Prozesszinsen nach § 14 Abs. 2 MOG gelten. Denn ihre Gewährung setze anders als die von normalen Zinsen einen zunächst durch rechtskräftige Verpflichtung zu erstreitenden weiteren Bewilligungsbescheid voraus. Dass auch diese Verpflichtung im Wege der Stufenklage nach § 113 Abs. 4 VwGO mit der Klage auf eine höhere Prämie verbunden werden könne (BVerwG, Urt. v. 17.2.2000 - 3 C 11/99 -), stelle eine Abweichung vom Normalfall dar und sei deshalb unerheblich, soweit ein solches Verlangen nicht ausdrücklich geltend gemacht werde. Die demnach zulässige Klage sei auch begründet. Insbesondere sei die erforderliche gerichtliche Verpflichtung zur Gewährung der höheren Prämie gegeben.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen Abweichung von den o.a. Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (vom 27. Februar 2014) und des erkennenden Gerichts (vom 8. Juli 2014) zugelassen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 18. Dezember 2014 zugestellte Urteil am 16. Januar 2015 die Berufung eingelegt und diese am 18. Februar 2015 begründet. Sie vertieft ihre Ansicht, dass der im Vorprozess jedenfalls geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen und der hier geltend gemachten Anspruch auf Prozesszinsen nach § 14 Abs. 2 MOG einen einheitlichen prozessualen Streitgegenstand und kein „aliud“ bildeten; dies gelte wegen der nach § 113 Abs. 4 VwGO möglichen Verbindung ungeachtet der für den hier streitigen Zinsanspruch notwendigen rechtskräftigen Verpflichtung zur Bewilligung der Prämie. Dabei sei der Streitgegenstand objektiv und nicht nach dem subjektiven Verständnis des Klägers oder des entscheidenden Gerichts - etwa einschränkend auf eine bestimmte Rechtsgrundlage - zu verstehen. Es sei deshalb unerheblich, ob die Klägerin nur Verzugszinsen habe geltend machen wollen und dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht nur Ausführungen zu Verzugszinsen gemacht habe. Hilfsweise sei der Anspruch nach § 14 Abs. 2 MOG auch materiell nicht gegeben. Die Klägerin habe im Vorprozess nur einen dazu nicht ausreichenden „reinen“ Zahlungsanspruch geltend gemacht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 4. Kammer - vom 27. November 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertieft ebenfalls ihr Vorbringen, dass es sich bei dem ihrer nach Ansicht im Vorprozess nur geltend gemachten Anspruch auf Verzugszinsen und jedenfalls dem Zinsanspruch nach § 14 Abs. 2 MOG um unterschiedliche prozessuale Streitgegenstände handele. Sie unterschieden sich im Zeitraum, im Zinssatz, hinsichtlich der Art ihrer Durchsetzung und hinsichtlich weiterer Tatbestandsvoraussetzungen. Entgegen der Berufungsbegründung habe das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. April 2008 die Beklagte zur Gewährung der höheren Prämie verpflichtet und nicht unmittelbar zur Zahlung verurteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung der Beklagten nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a VwGO durch Beschluss, weil er die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung der Beklagten gegen das der Verpflichtungsklage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für notwendig erachtet. Denn die Beteiligten streiten über Rechtsfragen, die schriftsätzlich ausführlich und abschließend erörtert worden sind. Der Entscheidung des Senats, über die Berufung nach pflichtgemäßem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden, stehen entgegen der Auffassung der Klägerin weder außergewöhnliche Schwierigkeiten noch eine besondere Bedeutung entgegen. Die Rechtsache weist keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten auf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.6.2008 - 3 B 107/07 -, juris, Rn. 3 f., m. w. N.). Im Kern ist vielmehr nur die Rechtsfrage nach der Bestimmung des Streitgegenstandes einer auf Gewährung von Zinsen gerichteten verwaltungsgerichtlichen Klage zu beantworten. Zu dieser Frage liegt die bereits vom Verwaltungsgericht o.a. angeführte aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Dass das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf ältere Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes dieser Rechtsprechung nicht gefolgt ist, vermittelt der Rechtssache noch keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten. Angesichts der Wirtschaftskraft der Klägerin führt auch der streitige Betrag von 410.830 EUR zu keiner besonderen - etwa existentiellen - Bedeutung der Rechtssache für die Klägerin persönlich (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011 - 3 B 63/10 -, juris, Rn. 8), zumal ein Unterliegen in diesem Verfahren für sie nicht zu einem endgültigen Verlust dieses Betrages führen muss.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, denn die auf die Gewährung von Prozesszinsen gerichtete Verpflichtungsklage ist unzulässig. Ihr steht nach § 121 VwGO die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 1. April 2008 (1 A 461/05) entgegen. Da sich seitdem die Sach- und Rechtslage nicht entscheidend verändert hat, ist die weitere Klage ohne erneute Sachprüfung wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.2.1988 - 6 C 49/86 -, BVerwGE 79, 33 ff.; juris, Rn. 9, m. w. N.).

Nach § 121 Nr. 1 Alt. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge sowie durch den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (vgl. zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 25.2.2015 - 8 B 36/14 -, juris, Rn. 8, m. w. N.). Die gerichtliche Entscheidung ist demgemäß die im Entscheidungssatz ("Tenor") des Urteils sich verkörpernde Rechtsfolge als Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz, also der konkrete Rechtsschluss vom Klagegrund auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der begehrten Rechtsfolge anhand des die Entscheidung unmittelbar tragenden Rechtssatzes. Der prozessuale Anspruch ist somit von der materiellen Anspruchsgrundlage zu unterscheiden, auf die der Kläger sein Begehren stützt (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 121, Rn. 24). Lässt sich ein Begehren, das aus einem einheitlichen Klagegrund abgeleitet wird, rechtlich auf mehrere materielle Anspruchsgrundlagen stützen, so liegt gleichwohl ein einheitlicher Streitgegenstand mit einer sog. Anspruchsnormenkonkurrenz vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.11.2012 - 10 C 11/12 -, juris, Rn. 11; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, § 121, Rn. 66). Auch unterschiedlich weit gehende Anspruchsgrundlagen für ein und dasselbe Begehren bilden demnach (noch) einen einheitlichen Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30/93 -, juris, Rn. 30). Dementsprechend muss der Kläger bei einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage gemäß § 88 VwGO nur das Klagebegehren einschließlich der Rechtsfolge bezeichnen, die er durchsetzen will; er braucht nicht vorzutragen, auf welche materiellen subjektiven Rechte er sich stützt. Vielmehr hat das Gericht unter jedem denkbaren Gesichtspunkt zu prüfen, ob es dem Antrag stattgeben kann. Da der Streitgegenstand vor der Entscheidung des Gerichts feststehen muss, ist er aus dieser zeitlichen Perspektive und nicht rückwirkend nach Erlass der Entscheidung zu bestimmen. Verschiedene Streitgegenstände liegen erst vor, wenn ein Begehren auf verschiedene tatsächliche Klagegründe gestützt wird. Typische, bei natürlicher Betrachtungsweise zusammengehörende Lebenssachverhalte bilden dabei grundsätzlich einen einheitlichen Klagegrund und damit einen Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.3.2011 - 6 P 15/10 -, juris, Rn. 8), es sei denn, dass die einzelnen Sachverhalte nach der materiell-rechtliche Regelung erkennbar unterschiedlich ausgestaltet und dadurch verselbstständigt sind, wie etwa durch ein Wahlrecht oder unterschiedliche Verfahrensgestaltungen (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., Einl. Rn. 70, m. w. N).

Hieran gemessen bildet ein vom Bürger gegen einen Hoheitsträger wegen der verspäteten Gewährung einer öffentlich-rechtlichen Geldleistung verwaltungsgerichtlich geltend gemachtes Zinsbegehren regelmäßig einen einheitlichen Lebenssachverhalt und damit einen Streitgegenstand i. S. d. § 121 VwGO. Denn es geht unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe sowie aus welchem Rechtsgrund genau eine Zinspflicht besteht, um die bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlich zu beantwortende Frage, ob und in welcher Höhe „rückständige Staatsleistungen“ (BFH, Urt. v. 6.5.2008 - VII R 10/07 -, juris, Rn. 15) zu verzinsen sind. Bei Geltendmachung eines solchen Zinsbegehrens kommt es also für den Streitgegenstand grundsätzlich nicht entscheidend darauf an, ob das Begehren auf die Gewährung von Verzugs- oder Prozesszinsen gestützt wird. Ausgehend von dem aus § 88 VwGO folgenden Grundsatz, dass das Gericht an das erkennbare Ziel der Klage, nicht aber an die vom Kläger für sein Begehren bezeichneten rechtlichen Gesichtspunkte gebunden ist (vgl. jüngst etwa BVerfG, Beschl. v. 29.10.2015 - 2 BvR 1493/11 -, juris, Rn. 37, m. w. N.), ist ein o.a. Zinsbegehren also grundsätzlich einheitlich zu verstehen und nicht etwa als ein gesondertes, nur auf die Gewährung von Verzugszinsen beschränktes. Dass sich die Regelungen über Verzugs- und Prozesszinsen hinsichtlich der Zinshöhe, des Entstehungszeitpunktes für den Zinsanspruch und hinsichtlich des Rechtsgrundes unterscheiden, ist dabei nach den vorherigen Ausführungen unerheblich; ein solcher Unterschied führt lediglich zur Anspruchsnormenkonkurrenz (vgl. dazu Senatsurt. v. 2.9.2015 - 10 LB 33/13 -, juris, Rn. 110, m. w. N.). Dies verkennt die vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsprechung insbesondere des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Beschl. v. 27.6.2013 - 16a DZ 12.558 -, juris, und v. 21.2.2007 - 3 B 03.192 -, juris, m. w. N.), die dementsprechend auch keine konkretisierten Obersätze zum Begriff des Streitgegenstandes enthält. In dem letztgenannten Beschluss wird deshalb auch zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug genommen (vgl. Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34/00 -, BVerwGE 114, 61, 66 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht unterscheidet darin nur materiell-rechtlich zwischen Verzugs- und Prozesszinsen (vgl. ebenso Nds. OVG, Urt. v. 13.2.2006 - 12 LC 12/05 -, juris, Rn. 45; Beschl. v. 2.2.2012 - 4 LA 75/11 -, juris, Rn. 13), nimmt aber nicht an, beide Zinsarten stellten grundsätzlich unterschiedliche Streitgegenstände dar. Andernfalls hätte sich der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27. Februar 2014 (5 C 1/13 D - juris, Rn. 44 ff.) mit seiner eigenen, dann abweichenden älteren Rechtsprechung auseinandersetzen müssen. Dies ist aber nicht geschehen.

Vielmehr wird in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (neben dem Urt. v. 27.2.2014 ergänzend: BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - 3 C 21/11 -, BVerwGE 142, 219 ff.; juris, Rn. 47 ff.; Urt. v. 30.6.2011 - 3 C 30/10 -, juris, Rn. 19 ff.) und des erkennenden Gerichts (v. 8.7.2014 - 5 LB 10/14 -, ergänzend: Urt. v. 23.3.2006 - 11 LB 55/05 -, juris, Rn. 66) zu Recht ohne weiteres davon ausgegangen, dass ein vom Kläger etwa nach der Berechnung des Zinssatzes auf die Annahme, ihm stünden Verzugszinsen zu, gestütztes Begehren prozessual auch die Gewährung von Prozesszinsen mitumfasst bzw. in einem auf die Gewährung von Prozesszinsen gestützten Verfahren auch ein etwaiger Anspruch auf Verzugszinsen mit zu prüfen ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 29.9.2004 - 8 LB 172/02 -, juris, Rn. 30).

Hierfür spricht grundsätzlich auch die materielle Rechtslage. So gibt es keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet; solche können bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen vielmehr grundsätzlich nur auf Grund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage verlangt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.9.2001 - 5 C 5/00 -, BVerwGE 115, 139 ff.). Eine Gewährung von Verzugszinsen kommt in analoger Anwendung des § 288 BGB nur ausnahmsweise in Betracht, und zwar dann, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine vertragliche Leistungspflicht handelt, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht (vgl. BVerwG, BVerwG, Urt. v. 27.2.2014, .a.aO., juris, Rn. 42 ff., m. w. N.; Urt. v. 15.3.1989 - 7 C 42/87 -, BVerwGE 81, 312 ff.). Prozesszinsen gemäß § 90 VwGO i. V. m. §§ 291 und 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind hingegen grundsätzlich zu gewähren, soweit das materielle Recht nichts Spezielleres regelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.11.1976 - 3 C 56/75 -, BVerwGE 51, 287 ff.). Materiell-rechtlich ist also ein o.a. Zinsbegehren des jeweiligen Klägers im Verwaltungsprozess regelmäßig vorrangig nach den speziellen Zinsregelungen im materiellen öffentlichen Recht und nur hilfsweise in entsprechender Anwendung der allgemeinen Regeln des BGB über Prozesszinsen zu prüfen; ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht hingegen ohne spezielle Ermächtigung grundsätzlich nicht. Diese materielle Rechtslage streitet demnach ebenfalls für die Annahme eines einheitlichen, auf die Gewährung von Zinsen für „rückständige Staatsleistungen“ gerichteten Streitgegenstandes.

Schließlich stellt auch der hier in Rede stehende, fachgesetzlich geregelte Prozesszinsanspruch nach materiellem Recht, d.h. gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO, im Verhältnis zu dem allgemeinen Prozess- und Verzugszinsanspruch analog §§ 288 ff. BGB keinen eigenständigen Streitgegenstand dar. Dafür könnte ungeachtet des o.a. materiell-rechtlichen Verhältnisses allenfalls sprechen, dass der Anspruch nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO insoweit verfahrensrechtlich gegenüber den Zinsansprüchen nach dem BGB unterschiedlich ausgestaltet ist, als er grundsätzlich die Rechtskraft der vorhergehenden Verpflichtung voraussetzt und durch Verwaltungsakt festzusetzen ist.

In der Festsetzung durch Verwaltungsakt kann jedoch schon deshalb kein maßgebender Unterschied gesehen werden, weil diese Handlungsform für die Gewährung allgemeiner Zinsen zwar nicht vorgeschrieben, aber zu Gunsten des Antragstellers auch nicht ausgeschlossen ist (vgl. zur „VA-Befugnis“ in diesen Fällen: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 35, Rn. 21) und die Festsetzung von Zinsen nach § 236 AO außerdem von Amts wegen zu erfolgen hat (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 236, Rn. 28).

Ergänzend ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 17.2.2000 - 3 C 11/99 -, juris) zu Recht anerkannt, dass nach § 113 Abs. 4 VwGO der Prozesszinsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i. V. m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO in einem Verfahren gemeinsam mit dem auf die Gewährung des zu verzinsenden Anspruches gerichteten Begehren durchgesetzt werden kann; damit besteht auch insoweit kein nennenswerter Unterschied zur Klage auf allgemeine Prozesszinsen, die analog §§ 288, 291 BGB gemeinsam mit der zu verzinsenden Hauptleistung zugesprochen werden.

Es widerspräche vielmehr im Gegenteil der Prozessökonomie - mit dem Verwaltungsgericht - anzunehmen, ein Kläger, dem ein Zinsanspruch nach § 14 Abs. 2 MOG auf die Gewährung einer besonderen (höheren) Vergünstigung zusteht und der zugleich mit der auf eine solche Vergünstigung gerichteten Verpflichtungsklage Zinsen einklagt, wolle (nur) Zinsen in entsprechender Anwendung von §§ 288 ff. BGB geltend machen. In dieser Konstellation steht dem Kläger ein Wahlrecht dahingehend zu, ob er den Zinsanspruch nach § 14 Abs. 2 MOG bereits in dem auf die (Nach-)Bewilligung der besonderen Vergünstigung gerichteten Klageverfahren geltend macht oder - wie im gesetzlich geregelten Normalfall - die Rechtskraft dieses klagestattgebenden Urteils und die damit verbundene gesonderte Zinsfestsetzung durch die Behörde abwartet (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.2000, a.a.O., Rn. 9). Hingegen besteht kein weiteres „Wahlrecht“ zwischen der Klage auf einen ohnehin nicht gegebenen Zinsanspruch nach §§ 288 ff. BGB und auf einen solchen nach § 14 Abs. 2 MOG.

Demnach ist bereits mit dem zwischen den Beteiligten ergangenen, rechtskräftigen Urteil vom 1. April 2008 verbindlich über den Zinsanspruch der Klägerin einschließlich eines solchen nach § 14 Abs. 2 MOG entschieden worden. Dass das Verwaltungsgericht diese letztgenannte Anspruchsgrundlage übersehen oder den Streitgegenstand anders bestimmt hat, ist unerheblich; die Klägerin hätte insoweit Rechtsmittel einlegen können. Mangels Teilbarkeit des Streitgegenstandes liegt darin auch kein Teilurteil i. S. d. § 110 VwGO. Schließlich ist seitdem keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten. Insbesondere hat die Beklagte auch mit der in ihrer E-Mail vom 1. Dezember 2011 enthaltenen Ankündigung an den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht das Verfahren unter Durchbrechung der Rechtskraft nach bzw. analog § 51 VwVfG wiederaufgenommen.