Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.12.2015, Az.: 2 LB 245/14
Abschlusszeugnis; Beweisvereitelung; Neubewertung; Schulabschluss; Sekundarabschluss; Zeitablauf; Zeugnisnote
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.12.2015
- Aktenzeichen
- 2 LB 245/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 45193
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.03.2013 - AZ: 6 A 4876/11
Rechtsgrundlagen
- SekBIAbschlV ND
- § 444 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Neubewertung der Leistungen eines Schülers, der sich gegen die Benotung seiner Leistungen im Zeugnis wehrt, kommt nicht in Betracht, wenn die im betreffenden Schuljahr zu erbringenden schriftlichen Arbeiten zwischenzeitlich vernichtet worden sind.
2. Jedenfalls nach einem Ablauf von 4 1/2 Jahren lassen sich die mündlichen Leistungen und das sonstige beurteilungsrelevante Verhalten eines Schülers im Unterricht aufgrund Zeitablaufs nicht mehr rekonstruieren.
3. Fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für eine Neubewertung von Prüfungsleistungen, darf grundsätzlich nicht auf den Leistungsnachweis verzichtet und das begehrte Prüfungsergebnis zuerkannt werden.
4. Liegen die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung vor (§ 444 ZPO), weil die Prüfungsbehörde schriftliche Arbeiten vernichtet hat, kann zu Gunsten des Prüflings unterstellt werden, dass die Benotungen der vernichteten Arbeiten beurteilungsfehlerhaft zustande gekommen sind. Auf die Zuerkennung des begehrten Prüfungsergebnisses, gleichsam als (weitere) Kompensation für das Verhalten der Prüfungsbehörde, besteht dagegen grundsätzlich kein Anspruch.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer - vom 27. März 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zur Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen sein Abschlusszeugnis vom 1. Juli 2011, das er im Anschluss an den Besuch der C. (Realschule) erhalten hat.
Der Kläger besuchte bis zum Ende des Schuljahres 2010/2011 den 10. Jahrgang der die C. (Realschule), die seit dem 1. August 2012 als die beklagte C. (Oberschule) fortgeführt wird. Mit Abschluss des Schulbesuchs wurde dem Kläger der Sekundarabschluss I - Realschulabschluss - erteilt. Das Abschlusszeugnis vom 1. Juli 2011 weist u.a. aus, dass seine Leistungen in den Pflichtfächern Deutsch mit ‘‘befriedigend“ und Englisch sowie Mathematik mit jeweils ‘‘ausreichend“ bewertet worden sind. Die Bewertungen aller Pflichtfächer und Wahlpflichtkurse ergeben einen rechnerischen Notendurchschnitt von 3,3.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 legte der Kläger Widerspruch „gegen die Leistungsbewertung in dem Abschlusszeugnis“ ein. Gegenstand der Überprüfung seien die Noten in den Fächern Deutsch (auch im Wahlpflichtkurs), Englisch, Kunst und Sport. Zur Begründung seines Widerspruchs machte er geltend, die Festsetzung dieser Noten sei fehlerhaft, so dass eine Neubewertung zu erfolgen habe. Im Vergleich zu Mitschülern sei er schlechter bewertet worden. Tatsächlich entspreche seine Leistung im Fach Deutsch der Note ‘‘gut’’, im Fach Englisch, im Wahlpflichtkurs Deutsch und im Fach Kunst jeweils der Note ‘‘befriedigend’’, seine Leistung im Fach Sport entspreche der Note ‘‘sehr gut’’. Er habe niemals unentschuldigt gefehlt. Der Kläger begehrte Akteneinsicht und kündigte eine umfassende Begründung nach Akteneinsicht an.
Auf der Grundlage der Stellungnahmen der Fachlehrkräfte, die den Kläger in diesen Fächern unterrichtet hatten, beschloss die Klassenkonferenz der vom Kläger zuletzt besuchten Klasse 10a der Realschule am 25. August 2011, dem Widerspruch nicht abzuhelfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2011 wies die Niedersächsische Landesschulbehörde den Widerspruch „gegen das Abschlusszeugnis (…) insbesondere die Benotung der Fächer Deutsch, Englisch, Kunst, Sport sowie Deutsch (WPK)“ zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Vergabe der nur zu einem Realschulabschluss führenden Noten in den Fächern Deutsch, Englisch, Kunst, Sport sowie im Wahlpflichtkurs Deutsch sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat am 10. November 2011 Klage erhoben.
Bereits am 27. September 2011 hatte er einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, um eine vorläufige Beschulung auf der Handelslehranstalt A-Stadt (Berufliches Gymnasium) zu erreichen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 30. September 2011 (6 B 3670/11) abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde, in deren Begründung der Antragssteller die Bewertung der Fächer Deutsch, Englisch, Kunst, Sport und Wahlpflichtkurs Deutsch gerügt und darauf hingewiesen hat, er habe nach wie vor keine hinreichende Akteneinsicht erhalten, um weitere substantiierte Einwände gegen die Bewertung dieser Fächer geltend machen zu können, hat der Senat mit Beschluss vom 29. November 2011 (2 ME 288/11) zurückgewiesen. Gleiches gilt für die gegen diese Entscheidung gerichtete Anhörungsrüge (Beschluss vom 16. Januar 2012 - 2 ME 428/11 -).
Am 1. März 2012 hat der Antragsteller im Wege des Eilrechtsschutzes beantragt, die C. (Realschule) zu verpflichten, ihn bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zum Unterricht der 11. Klasse eines beruflichen Gymnasiums zuzulassen, hilfsweise, ihn so zu stellen, als habe er den Erweiterten Sekundarabschluss I erreicht. Er hat erneut die Bewertung der Fächer Deutsch, Englisch, Kunst, Sport und Wahlpflichtkurs Deutsch gerügt und darauf hingewiesen, er habe nach wie vor keine hinreichende Akteneinsicht erhalten, um weitere substantiierte Einwände gegen die Bewertung dieser Fächer zu erheben. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Mai 2012 (6 B 2720/12) abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und in seiner Begründungsschrift erneut auf die immer noch fehlende Akteneinsicht hingewiesen. Der Senat hat die Beschwerde mit Beschluss vom 25. September 2012 zurückgewiesen (2 ME 325/12). Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 26. Oktober 2012 zurückgewiesen (2 ME 361/12).
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger mit in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2013 übergebenen Schriftsatz gerügt, er könne keine vollständige Klagebegründung vorliegen, weil ihm die Kenntnis nahezu sämtlicher Verwaltungsvorgänge der Beklagten fehle. Zu diesen zähle sämtliches Schriftgut im Sinne des Runderlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 2. Januar 2012 (Nds. MBl. Nr.3/2012 S. 81; SVBl. 3/2012 S.162), insbesondere Klassenarbeiten, Prüfungsarbeiten und Dokumentationen der individuellen Lernentwicklung, welches mit seiner Person im Zusammenhang stehe und zwar hinsichtlich aller Fächer des 1. und 2. Halbjahres des Schuljahres 2010/2011.
Die Realschule und die Landesschulbehörde hätten ihm im Vorverfahren verfahrensfehlerhaft nicht die ausdrücklich beantragte Akteneinsicht gewährt. Demzufolge sei die Abhilfekonferenz davon ausgegangen, dass nur die Fächer Deutsch, Englisch, Wahlpflichtkurs Deutsch, Kunst und Sport Gegenstand des Widerspruchsverfahrens seien. Das sei aber falsch, denn der Widerspruch habe sich nicht auf bestimmte Fächer beschränkt, sondern gegen die Leistungsbewertungen insgesamt gerichtet. Es seien alle vergebenen Noten rechtlich zu beanstanden, denn alle Lehrkräfte hätten sachwidrig seine entschuldigten Fehlzeiten bei der Leistungsbewertung berücksichtigt. Die ihm in den Fächern Deutsch, Englisch, Deutsch Wahlpflichtkurs, Kunst und Sport erteilten Noten seien wegen des Fehlens ordnungsgemäßer Begründungen und des Fehlens nachvollziehbarer Aufzeichnungen schon formell rechtswidrig. Die Benotungen seien außerdem beurteilungsfehlerhaft. Insoweit wird wegen der Einzelheiten der Ausführungen des Klägers auf die Klagebegründung vom 27. März 2013 verwiesen (Gerichtsakte, Bl. 45 ff.).
Nachdem in der vorgenannten schriftlichen Klagebegründung der Antrag auf eine Neubewertung sämtlicher im Anschlusszeugnis mit Noten ausgewiesener Fächer und des Arbeits- und Sozialverhaltens gerichtet war, ist dieser Antrag in der mündlichen Verhandlung nachträglich durchgestrichen und der Vermerk „Antrag aus mündlicher Verhandlung“ hinzugefügt worden.
Der Kläger hat beantragt,
die mit dem Abschlusszeugnis vom 1. Juli 2011 bekannt gegebene Entscheidung der C. A-Stadt - Realschule -, dass er den Sekundarabschluss I - Realschulabschluss - erworben hat, und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine erneute Entscheidung darüber zu treffen, dass er mit Ablauf des Schuljahres 2010/2011 den erweiterten Sekundarabschluss I an der C. A-Stadt - Realschule - erworben hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entscheidung der C.-Realschule, dem Kläger nicht den Erweiterten Sekundarabschluss I zu erteilen, sei nur dann rechtswidrig, wenn die von ihm angegriffenen fünf Zeugnisnoten in mindestens vier Fällen der Pflichtfächer und Wahlpflichtkurse (§ 7 Nr. 1 AVO-Sek I) rechtsfehlerhaft vergeben worden und der Rechtsauffassung des Klägers entsprechend jeweils um mindestens eine Notenstufe anzuheben wären. Erst in diesem Fall sei für alle 15 Pflichtfächer und Wahlpflichtkurse ein Notendurchschnittswert von höchstens 3,0 (45 : 15 = 3,0) gegeben. Dies vorausgesetzt könne die Klage keinen Erfolg haben, denn schon eine gerichtliche Überprüfung der Notenvergabe in den Pflichtfächern Kunst und Sport führe dazu, dass die in diesen Fächern erteilten Noten ‘‘ausreichend‘‘ bzw. ‘‘befriedigend‘‘ rechtlich nicht zu beanstanden seien. Das Verwaltungsgericht hat weiter angenommen, eine Anhebung der Noten in den Fächern Deutsch, Englisch und Wahlpflichtkurs Deutsch um mehr als eine Notenstufe sei angesichts des Ergebnisses der schriftlichen Leistungen des Klägers und des Ergebnisses seiner Abschlussprüfung im Fach Englisch auf der Grundlage der Fachkonferenzbeschlüsse für beide Fächer, denen zufolge schriftliche Leistungen im Fach Deutsch mit 45 vom Hundert und im Fach Englisch mit 50 vom Hundert in die Gesamtnote einfließen, ausgeschlossen.
Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 20. Juni 2014 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte im Oktober 2014 auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass ihr nur noch die schriftlichen Arbeiten der Abschlussprüfungen (d.h. in den Fächern Deutsch und Englisch; in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte nachfolgend klargestellt, auch die Abschlussarbeit im Fach Mathematik sei noch vorhanden) vorlägen und alle übrigen - während des Schuljahres zu erbringenden - schriftlichen Arbeiten vernichtet worden seien.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, eine Notenverbesserung in den Fächern Deutsch, Englisch und Wahlpflichtkurs Deutsch scheide aus, weil er mit seiner Klage auch die Bewertung der dort schriftlich erbrachten Leistungen angefochten habe. Wegen der Begründung der Neubewertungsansprüche in diesen Fächern werde auf die Klagebegründung vom 27. März 2014 (Anm. d. Senats: richtig ist 2013) und die Begründung des Zulassungsantrags verwiesen. Im Übrigen seien auch die Noten in den Fächern Mathematik, Geschichte, Politik, Erdkunde, Werte und Normen, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft und Wahlpflichtkurs Geschichte zu überprüfen. Auch eine Verbesserung in diesen Fächern könne zum Erreichen des für den erweiterten Sekundarabschlusses I geforderten Notendurchschnitts führen. Sein Widerspruch habe sowohl die Einzelnoten als auch die Abschlussentscheidung als Ganzes betroffen. Aus dem Widerspruchsbescheid gehe hervor, dass die Behörde das Begehren dementsprechend ausgelegt habe. Auch der zunächst angekündigte Klageantrag habe keine Einschränkung auf die Überprüfung der Bewertung bestimmter Fächer vorgesehen.
Er habe einen Anspruch darauf, die Aufzeichnungen der Lehrkräfte einzusehen, aus denen diese die Benotung hergeleitet hätten. Das gelte insbesondere für die Sportlehrerin E..
Im Fach Kunst sei u.a. zu beanstanden, dass die Beklagte die beiden beurteilungsrelevanten Bilder nicht vorgelegt habe. Diese Bilder befänden sich nicht in seinem Besitz. Die Kunstlehrerin sei vom Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht als Zeugin vernommen worden, da er verschiedene ihrer Behauptungen, vor allem aber ihre Fähigkeit, die „verschwundenen“ Bilder aus der Erinnerung heraus noch so genau zu beschreiben, in Abrede gestellt habe.
In der Vernichtung der schriftlichen Arbeiten liege eine vorsätzliche Beweisvereitelung der Beklagten. Habe die Prüfungsbehörde das Abhandenkommen von Prüfungsunterlagen verschuldet, liege ein Prüfungsmangel vor. Ein Verschulden der Beklagten sei hier anzunehmen, weil sie nach eigenen Angaben im Sommer 2013 - während des laufenden Rechtsstreits - die prüfungsrelevanten Unterlagen vernichtet habe. Insoweit liege sogar Vorsatz der Beklagten vor, da dieser bekannt gewesen sei, dass er, der Kläger, umfassende Akteneinsicht u.a. in seine schriftlichen Arbeiten beantragt habe. Die nicht gewährte Akteneinsicht habe gerade einen Schwerpunkt des Verwaltungsrechtsstreits gebildet. Soweit sich die Beklagte auf durch Erlass vorgegebene Löschungsfristen berufe, seien diese nicht einschlägig, da diese nur Geltung entfalteten, wenn die Akten nicht mehr zur Aufgabenerfüllung benötigt würden. Das sei hier evident nicht der Fall gewesen. Aus diesem Grund seien seine Leistungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Wahlpflichtkurs Deutsch mit mindestens der Note „gut“ zu bewerten.
Dieser Fehler im Prüfungsverfahren führe auch nicht lediglich - wie in den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Konstellationen - zu einem Wiederholungsanspruch, sondern rechtfertige die begehrte Neubewertung. Hier liege nämlich - im Unterschied zu den bislang entschiedenen Fällen - kein schlichter Fehler im Prüfungsverfahren, sondern eine vorsätzliche Beweisvereitelung im laufenden Verwaltungsrechtsstreit vor. Abgesehen davon habe er keine Möglichkeit einer zeitnahen Wiederholungsprüfung (gehabt), da erst im Berufungsverfahren bekannt geworden sei, dass relevante schriftliche Klassenarbeiten vernichtet worden seien. Der Grundsatz der Chancengleichheit müsse hier zurücktreten und ihm der erweiterte Sekundarabschluss I zuerkannt werden. Jedenfalls dürften aber die Bewertungen der Klassenarbeiten und der mündlichen Leistungen bei der Notenbildung keine Berücksichtigung finden; in den Fächern Deutsch und Englisch könnten der Bewertung allenfalls die Noten der Prüfungsarbeiten zugrunde gelegt werden.
Zur Benotung im Einzelnen weise er im Übrigen darauf hin, dass die zweite Klassenarbeit im Fach Deutsch mit „gut“ und nicht - wie die Beklagte meine - mit „ausreichend“ bewertet worden sei. Die Prüfungsarbeiten in den Fächern Deutsch und Englisch sowie die mündliche Prüfung im Fach Englisch seien beurteilungsfehlerhaft bewertet worden. Gleiches gelte für die Bewertung seiner mündlichen Leistungen in beiden Fächern. Insoweit und wegen der weiteren Rügen betreffend die Beurteilung im Wahlpflichtkurs Deutsch und im Fach Chemie wird wegen der näheren Einzelheiten auf den Schriftsatz vom 19. November 2015 (S. 12 ff.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern, die mit dem Abschlusszeugnis vom 1. Juli 2011 bekanntgegebene Entscheidung der C. A-Stadt - Realschule -, dass er den Sekundarabschluss I - Realschulabschluss - erworben hat, und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine erneute Entscheidung darüber zu treffen, dass er mit dem Ablauf des Schuljahres 2010/2011 den erweiterten Sekundarabschluss I an der C. A-Stadt - Realschule - erworben hat,
hilfsweise,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Abschlusszeugnis vom 1. Juli 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Leistungen in den Fächern Deutsch, Englisch, Wahlpflichtkurs Deutsch, Kunst, Sport, Geschichte, Politik, Erdkunde, Werte und Normen, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft, Wahlpflichtkurs Geschichte und das Arbeits- und Sozialverhalten neu zu bewerten, insoweit als keine besseren Bewertungen erreicht worden sind, und erneut darüber zu entscheiden, ob er den erweiterten Sekundarabschluss I mit Ablauf des Schuljahres 2010/2011 an der C. A-Stadt - Realschule - erworben hat.
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass die Vernichtung der Klassenarbeiten und sonstiger Unterlagen während des laufenden Verwaltungsrechtsstreits Prüfungsmängel darstellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und trägt vor, es bestehe nach Nr. 3.1.6 des Erlasses des Nds. Kultusministeriums über Aufbewahrung von Schriftgut in öffentlichen Schulen vom 2. Januar 2012 die Vorgabe, schriftliche Klassenarbeiten zwei Jahre nach Ablauf des Schuljahres, in dem das Schriftgut entstanden sei, zu vernichten. Das betreffe sämtliche Fächer, in denen schriftlich Leistungen zu erbringen gewesen seien. Nur in den Fächern Sport, Kunst und Musik seien schriftliche Leistungen nicht gefordert gewesen.
Die Noten der Fächer Mathematik, Geschichte, Politik, Erdkunde, Werte und Normen, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft und Wahlpflichtkurs Geschichte habe der Kläger nicht innerhalb der Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO angefochten. Sie seien daher bestandskräftig. Der Kläger habe in seinem Widerspruchsschreiben seinen Widerspruch auf die Fächer Deutsch, Englisch, Kunst und Sport (und Wahlpflichtkurs Deutsch) beschränkt. Die Benotungen in diesen Fächern seien nicht zu beanstanden. Wegen der weiteren Ausführungen der Beklagten zu den Benotungen der vorgenannten Fächer wird auf die Berufungserwiderung vom 16. Oktober 2014 (Gerichtsakte, Bl. 296 ff.) und den Schriftsatz vom 2. Dezember 2015 (Gerichtsakte, Bl. 364 ff.) Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2015 hat der Kläger eine Reihe von Hilfsbeweisanträgen gestellt, die im Wesentlichen auf die Vernehmung verschiedener Lehrkräfte als Zeugen wegen einzelner beurteilungsrelevanter Aspekte zielten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten 6 A 4876/11, 6 B 3670/11 und 6 B 2730/11 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakten Hefte A und B) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem ersten Hilfsantrag unbegründet; der zweite Hilfsantrag ist unzulässig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrte Verpflichtung der Beklagten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Erwerb des erweiterten Sekundarabschlusses I zu entscheiden (dazu unter I.). Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, seine Leistungen in den Fächern Deutsch, Englisch, Wahlpflichtkurs Deutsch, Kunst, Sport, Geschichte, Politik, Erdkunde, Werte und Normen, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft, Wahlpflichtkurs Geschichte und das Arbeits- und Sozialverhalten neu zu bewerten, insoweit als keine besseren Bewertungen erreicht worden sind, und erneut darüber zu entscheiden, ob er den erweiterten Sekundarabschluss I erworben hat (erster Hilfsantrag, dazu unter II.). Der zweite Hilfsantrag, festzustellen, dass die Vernichtung der Klassenarbeiten und sonstiger Unterlagen während des laufenden Verwaltungsrechtsstreits Prüfungsmängel darstellen, ist unzulässig (dazu unter III.).
I. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte, die als Nachfolgerin der C. (Realschule) gegenüber den aktiven und ehemaligen Schülern in bestehende Rechte und Pflichten eintritt, erneut über den Erwerb des erweiterten Sekundarabschlusses I entscheidet (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Die Voraussetzungen für die Erteilung des erweiterten Sekundarabschlusses I liegen nach dem insoweit allein maßgeblichen Abschlusszeugnis vom 1. Juli 2011 nicht vor.
Die Voraussetzungen für die Erteilung des Erweiterten Sekundarabschlusses I ergeben sich aus § 7 der gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 6 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) erlassenen Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I der allgemein bildenden Schulen einschließlich der Freien Waldorfschulen (AVO-Sek I) in der für den Zeitpunkt des Schulabschlusses des Klägers noch maßgeblichen Fassung vom 7. April 1994 (Nds. GVBl. S. 197), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Mai 2010 (Nds. GVBl. S. 226). Danach setzt der Erweiterte Sekundarabschluss I voraus, dass - über die Anforderungen des Sekundarabschlusses (Realschulabschluss) hinaus -
1. in allen Pflichtfächern und Wahlpflichtkursen und
2. in den Pflichtfächern Deutsch, erste Fremdsprache und Mathematik
im Durchschnitt jeweils befriedigende Leistungen erbracht worden sind. Im Durchschnitt befriedigende Leistungen liegen gemäß § 22 Abs. 2 AVO-Sek I erst vor, wenn der Durchschnittswert der abschlussrelevanten Leistungen 3,0 oder weniger beträgt.
Ausgehend von dem ihm erteilten Abschlusszeugnis hat der Kläger diesen Notendurchschnitt weder als Durchschnitt der Noten aller Pflichtfächer und Wahlpflichtkurse noch als Durchschnitt der Noten der Pflichtfächer Deutsch, Englisch und Mathematik erreicht. Aus den Noten für die Leistungen in allen Pflichtfächern und den beiden Wahlpflichtkursen Deutsch und Geschichte errechnet sich bei entsprechender Rundung der ersten Dezimalstelle ein Durchschnittswert von 3,3, aus denen für die Pflichtfächer Deutsch, Englisch als erste Fremdsprache und Mathematik errechnet sich ein Durchschnittswert von 3,7. Diese Bewertungen seiner Leistungen muss sich der Kläger - unbeschadet der nach den Angaben der Beklagten immer noch bestehenden Möglichkeit, das letzte Schuljahr mit dem Ziel zu wiederholen, die Voraussetzungen für den Erweiterten Sekundarabschluss I zu erreichen, vgl. § 26 Abs. 1 AVO - Sek I (in der vom 01.08.2010 bis 31.01.2012 geltenden Fassung) - verbindlich entgegenhalten lassen. Er hat weder einen Anspruch auf Neubewertung der in dem Abschlusszeugnis benoteten Pflicht- und Wahlpflichtfächer (dazu unter 1.), noch steht ihm ein Anspruch auf Zuerkennung des Erweiterten Sekundarabschlusses I unabhängig von einem solchen Neubewertungsanspruch - etwa unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung - zu (dazu unter 2.).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubewertung der in dem Abschlusszeugnis benoteten Pflicht- und Wahlpflichtfächer.
a) Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass die Benotungen in den Fächern Mathematik, Geschichte, Politik, Erdkunde, Werte und Normen, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft und Wahlpflichtkurs Geschichte entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bestandskräftig sind. Zwar hatte der Kläger mit seinem Widerspruch als „Gegenstand der Überprüfung“ ausdrücklich nur die Fächer Deutsch, Englisch, Sport und Kunst genannt, wobei sich aus den weiteren Ausführungen im Widerspruchsschreiben ergibt, dass auch die Bewertung des Wahlpflichtunterrichts Deutsch angefochten werden sollte. Unabhängig davon, dass es zumindest zweifelhaft ist, ob die nicht ausdrücklich erwähnten weiteren Zeugnisnoten überhaupt der Bestandskraft fähig sind (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage, § 35 Rdnr. 100 f., Windoffer in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 1 Auflage, § 35 Rdnr. 85 ff., vgl. auch jeweils allg. zum Prüfungsrecht Morgenroth, NVwZ 2014, 32, BVerwG, Urt. v. 23.5.2012 - 6 C 8.11 -, juris), hat die Widerspruchsbehörde den Widerspruch als „gegen das Abschlusszeugnis der C.“ gerichtet verstanden, ihn umfassend beschieden und jedenfalls damit eine auf alle Fächer bezogene verwaltungsgerichtliche Sachprüfung ermöglicht. Eine dementsprechend umfassende Klage hat der Kläger auch erhoben, wobei er mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 2013 gestellten Klageantrag eine Neubewertung der einzelnen Fächer nur noch insoweit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, als ihre Benotungen für die Erteilung des Erweiterten Sekundarabschlusses I relevant sind. Der Senat hat bereits in seinem Zulassungsbeschluss vom 20. Juni 2014 - 2 LA 229/13 - hervorgehoben und näher begründet, dass und warum er nicht zu erkennen vermag, dass das Verwaltungsgericht sein Begehren falsch ausgelegt und dem Kläger zu einem nicht sachgerechten Klageantrag geraten hat. Mit diesem Klageantrag war allerdings - worauf der Kläger zu Recht hinweist - die gerichtliche Prüfung nicht auf die Fächer Deutsch, Englisch, Kunst, Sport und Wahlpflichtkurs Deutsch beschränkt, sondern es war zumindest potentiell die Benotung aller Pflichtfächer und Wahlpflichtkurse - soweit für die Erreichung des Erweiterten Sekundarabschlusses I von Relevanz - zu überprüfen.
b) Einem Anspruch auf Neubewertung der in dem Abschlusszeugnis benoteten Pflicht- und Wahlpflichtfächer steht entgegen, dass es für eine Neubewertung der in diesen Fächern durch den Kläger erbrachten Leistungen an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage fehlt.
Eine Neubewertung von Prüfungsleistungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 18.2.2003 - 6 B 10.03 -, juris, m.w.N., u. v. 11.4.1996 - 6 B 13.96 - , NVwZ 1997, 502) mit Blick auf den das Prüfungsrecht beherrschenden und verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 und ggf. in Art. 12 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Chancengleichheit nur möglich, wenn eine hinreichende Grundlage für die Neubewertung vorhanden ist, die Leistungen des Prüflings also in einem ausreichenden Maße dokumentiert oder rekonstruierbar sind. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass für vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die in dem Abschlusszeugnis des Klägers festgehaltenen Beurteilungen beruhen auf Beobachtungen im Unterricht sowie mündlichen, schriftlichen und anderen fachspezifischen Lernkontrollen (vgl. Nr. 3.1 d. RdErl. d. MK v. 5.12.2011 - 33-83203 -, SVBl. 2012 Nr. 1, S. 6, zuletzt geändert durch RdErl. d. MK v. 11.8.2014, SVBl. 2014 Nr. 9, S. 453). Sie setzen sich auf dieser Grundlage in prozentualen Anteilen vor allem aus der Bewertung mündlicher und schriftlicher Leistungen (dabei ggf. auch unter Berücksichtigung der in der Abschlussprüfung erbrachten Leistungen) sowie fachspezifischer Lernkontrollen zusammen. Eine erneute Entscheidung der Lehrkräfte über die Berechtigung der erteilten Zeugnisnote kommt nur in Betracht, wenn die danach erforderliche breite Basis für eine Leistungsbewertung im Zeitpunkt der Neubewertung noch besteht. Das ist hier nicht der Fall; sie fehlt vielmehr beinahe gänzlich. Denn die schriftlichen Leistungen des Klägers sind (mit Ausnahme der Prüfungsarbeiten) von der Beklagten vernichtet worden, und darüber hinaus lassen sich die mündlichen Leistungen und das sonstige beurteilungsrelevante Verhalten des Klägers im Unterricht aufgrund Zeitablaufs nicht mehr rekonstruieren.
Nach Auskunft der Beklagten sind sämtliche schriftlichen Arbeiten des Klägers mit Ausnahme der Prüfungsarbeiten vernichtet worden. Es liegen auch keine sonstigen Stellungnahmen der Lehrkräfte oder Aufzeichnungen zur Bewertung dieser Arbeiten vor. Bei einem gänzlichen Verlust von Prüfungsarbeiten scheidet deren Neubewertung in der Regel - so auch hier - aus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.2.2003 - 6 B 10.03 -, juris).
Gleiches gilt, soweit die Beteiligten um eine Neubewertung der Leistungen des Klägers im Fach Kunst streiten. Denn die beiden vom Kläger angefertigten Bilder, deren Bewertung einen Hauptbestandteil der Zeugnisnote ausmacht, sind nicht mehr auffindbar. Eine Grundlage für eine nachträgliche erneute Bewertung der Leistungen des Klägers im Fach Kunst bietet auch nicht die von der Kunstlehrerin unter dem 12. September 2012 erstellte detaillierte Stellungnahme über die Bewertung dieser Bilder. Es ist schon unklar, warum die Kunstlehrerin nach gut 1 1/2 Jahren noch eine derart detailreiche Stellungnahme abgeben konnte, ohne die Bilder noch einmal gesehen zu haben. Überdies bestreitet der Kläger die von der Kunstlehrerin genannten Kritikpunkte. Hierzu lassen sich aber schon im gerichtlichen Verfahren ohne Begutachtung der Bilder keine verbindlichen Feststellungen treffen, erst recht ist keine Grundlage für eine Neubewertung der Leistungen des Klägers vorhanden.
Ein Neubewertungsanspruch scheidet aber darüber hinaus - d.h. auch in den Fächern, in denen keine schriftlichen Leistungen zu erbringen waren - deshalb aus, weil die mündlichen und sonstigen praktischen Leistungen des Klägers nicht mehr rekonstruierbar sind. Voraussetzung für die Neubewertung mündlicher oder sonstiger unterrichtspraktischer Leistungen eines Schülers ist, dass den Fachlehrern diese Leistungen im Zeitpunkt der Neubewertung noch präsent sind. Es reicht dagegen nicht aus, dass die Lehrer die mündlichen Leistungen des Klägers noch in groben Zügen in Erinnerung haben. Bewertungen schulischer Leistungen erfordern ebenso wie andere Prüfungsentscheidungen komplexe Erwägungen der Lehrer, die nicht nur eine wertende Auseinandersetzung mit den zu bewertenden Leistungen des Schülers im Vergleich zu den Leistungen seiner Mitschüler, sondern auch eine differenzierte Zuordnung der Leistungen des Schülers zu den rechtlich vorgegebenen Noten erfordern. Maßgeblich für die Beurteilung sind nicht nur die Häufigkeit der Wortbeiträge und deren Qualität, sondern auch das sonstige Verhalten im Unterricht. Die geforderte wertende Betrachtung ist vor diesem Hintergrund nur möglich, wenn dem Lehrer die zu bewertenden Leistungen des Schülers noch in allen Einzelheiten präsent sind (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 17.2.2000 - 19 A 3459/99 -, NVwZ-RR 2000, 432, sowie zum allgemeinen Prüfungsrecht Urt. v. 27.10.1995 - 19 A 4947/94 - PflR 1997, 26).
Hier sind seit dem Abschluss des Schuljahres 2010/2011 inzwischen rund 4 1/2 Jahre vergangen. Nach Ablauf eines derart langen Zeitraums ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Fachlehrer bereits während des streitgegenständlichen Schuljahres 1999/2000 und in den nachfolgenden Schuljahren eine Vielzahl anderer Schüler in unterschiedlichen Klassen unterrichtet haben bzw. unterrichten, nach allgemeiner Lebenserfahrung prinzipiell nicht mehr hinreichend gewährleistet, dass sich die Fachlehrer noch an sämtliche für die Bewertung der mündlichen Leistungen des Klägers maßgeblichen Einzelheiten erinnern können (vgl. OVG NRW, Urt. v. 27.10.1995 - 19 A 4947/94 - PflR 1997, 26, Beschl. v. 17.2.2000 - 19 A 3459/99 -, NVwZ-RR 2000, 432, v. 7.10.2010 - 19 E 985/10 -, juris, VG Arnsberg, Urt. v. 23.2.2011 - 10 K 610/10 -, juris [die beiden letzteren für einen Zeitraum von „mehr als einem Jahr“], OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 3.9.1992 - 3 L 380/91 -, juris [Neubewertung der Leistungen in einer mündlichen Abiturprüfung nach mehr als 2 Jahren in der Regel unmöglich], vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 11.4.1996 - 6 B 13.96 -, NVwZ 1997, 502, wonach zur Darlegung, dass eine äußerste Grenze des Erinnerungsvermögens der Prüfer eindeutig überschritten ist, Erfahrungssätze verwendet werden dürfen). Diese rechtliche Konsequenz einer Unmöglichkeit der Neubewertung bedeutet nicht, dass der Prüfling, soweit es um die Kontrolle mündlicher oder praktischer Prüfungsleistungen geht, rechtsschutzlos gestellt wäre. Ist eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht rechtzeitig zu erwarten, verlagert sich der nach Art. 19 Abs. 4 GG zu gewährende Rechtsschutz in diesen Fällen vielmehr in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem der Prüfling auch den Anspruch auf (vorläufige) Neubewertung verfolgen kann.
Anhaltspunkte dafür, dass die Fachlehrer ausnahmsweise in der Lage wären, die mündlichen Leistungen des Klägers auch heute noch genau und differenziert bewerten zu können, sind nicht ersichtlich. Das gilt ohne weiteres in den Fächern, in denen die Fachlehrer nicht im Verwaltungsverfahren und/oder im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich schriftlich Stellung zur Ermittlung der Zeugnisnote genommen haben, also in allen Fächern mit Ausnahme der Fächer Deutsch, Englisch, Sport, Kunst, Wahlpflichtkurs Deutsch. Das gilt aber ebenso für die zuletzt genannten Fächer, da trotz der schriftlichen Stellungnahmen der Lehrkräfte, die sich nur mit bestimmten Teilaspekten der Leistungsbeurteilung befassen, eine verlässliche Rekonstruktion der weiteren Leistungen des Klägers nicht möglich wäre, da es hierfür an jeglichen Anhaltspunkten fehlt.
Für die von dem Kläger offenbar angestrebte Neubewertung etwaiger in einzelnen Fächern noch vorhandener Leistungsfragmente fehlt es angesichts der aufgezeigten rechtlichen Vorgaben an jeglicher Grundlage.
Da mithin eine Neubewertung der Leistungen des Klägers durch die Fachlehrer insgesamt aus Rechtsgründen ausscheidet, musste der Senat den Hilfsbeweisbeweisanträgen des Klägers zu 1. bis 28. nicht nachgehen. Auf die mit ihnen unter Beweis gestellten Behauptungen kommt es für die Entscheidung nicht an; sie können als wahr unterstellt werden (vgl. § 244 Abs. 3 StPO). Denn diese Hilfsbeweisanträge hat der Kläger sämtlich zu dem Zweck gestellt, der Beklagten Beurteilungsfehler nachzuweisen und eine Neubewertung seiner Leistungen durch die jeweiligen Fachlehrer zu erreichen. Soweit der Kläger darüber hinaus die Vorlage aller noch nicht vorgelegten Unterlagen zu diesem Verfahren einschließlich der Korrespondenz zwischen den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten und dieser selbst beantragt hat, handelt es sich schon nicht um einen formell ordnungsgemäßen (Hilfs-)Beweisantrag, da keine Tatsache unter Beweis gestellt wird, sondern die Unterlagen lediglich zur Ausforschung des Sachverhalts begehrt werden. Abgesehen davon erstrebt der Kläger die Vorlage dieser Unterlagen ebenfalls allein zu dem Zweck, etwaige Beurteilungsfehler nachzuweisen und einen - hier bereits aus Rechtsgründen ausscheidenden - Neubewertungsanspruch durchzusetzen.
2. Die Besonderheiten des vorliegenden Falles rechtfertigen es nicht, dem Kläger den Erweiterten Sekundarabschluss I unabhängig von einem Anspruch auf Neubewertung seiner Leistungen durch die Fachlehrer zuzuerkennen.
Ist keine hinreichende tatsächliche Grundlage für eine Neubewertung durch die Prüfer mehr vorhanden, darf grundsätzlich nicht etwa auf den Leistungsnachweis verzichtet und das begehrte Prüfungsergebnis zuerkannt werden. Das wäre eine überschießende Kompensation und auch der Sache nach mit dem Sinn und Zweck einer am Grundsatz der Chancengleichheit zu messenden Prüfung nicht zu vereinbaren. Vielmehr ist dem Prüfling grundsätzlich als geringstmöglicher Nachteil die Möglichkeit zu gewähren, eine Korrektur der Bewertungsfehler durch Wiederholung des betreffenden Prüfungsteils zu erreichen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.4.1996 - 6 B 13.96 -, NVwZ 1997, 502, u. v. 18.2.2003 - 6 B 10.03 -, juris, Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Auflage, Rdnr. 690).
Eine ausnahmsweise abweichende Entscheidung ist auch nicht mit Blick darauf gerechtfertigt, dass die Beklagte sämtliche schriftlichen Arbeiten des Klägers (mit Ausnahme der Prüfungsarbeiten) während des gerichtlichen Verfahrens im Sommer 2013 vernichtet hat.
a) Allerdings weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass dieses Verhalten der Beklagten den Tatbestand der Beweisvereitelung (vgl. § 444 ZPO) erfüllt. Nach § 444 ZPO können die Behauptungen einer Partei über die Beschaffenheit und den Inhalt einer Urkunde als bewiesen angesehen werden, wenn die Urkunde von dem Prozessgegner in der Absicht, ihre Benutzung der Partei zu entziehen, beseitigt oder zur Benutzung untauglich gemacht wird. Eine dieser Regelung entsprechende Beweisvereitelung liegt aufgrund der Vernichtung der schriftlichen Arbeiten durch die Beklagte vor.
aa) Es ist zwar nicht naheliegend, aber gleichwohl nicht auszuschließen, dass dem Kläger durch die Vernichtung der Arbeiten die Möglichkeit genommen wurde, im gerichtlichen Verfahren nachzuweisen, dass diese Arbeiten beurteilungsfehlerhaft bewertet worden sind. Dabei kann dem Kläger vor allem nicht entgegengehalten werden, dass er gegen die Bewertung der schriftlichen Arbeiten zu keinem Zeitpunkt konkrete Beanstandungen vorgebracht hat. Denn der Kläger hatte sich während des behördlichen und gerichtlichen Verfahrens immer wieder vergeblich u.a. um Vorlage dieser schriftlichen Arbeiten im Wege der Akteneinsicht bemüht. Es kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn er ohne die Möglichkeit zur Einsichtnahme keine konkreten Einwände gegen die Benotung erhoben hat.
bb) Die Beklagte hat die Beweisvereitelung fahrlässig begangen. Sie durfte insbesondere nicht davon ausgehen, sie sei nach dem Runderlass „Aufbewahrung von Schriftgut in öffentlichen Schulen; Löschung personenbezogener Daten nach § 17 Abs. 2 NDSG“, RdErl. d. MK v. 2.1.2012 - 11-02201/1, 05410/1.2 (Nds.MBl. Nr.3/2012 S.81; SVBl. 3/2012 S.162) - VORIS 22560 - zur Vernichtung der Akten berechtigt oder gar verpflichtet gewesen.
Zwar ist nach Nr. 3.1.6 des vorgenannten Runderlasses von Schülerinnen und Schülern selbst gefertigtes Schriftgut (Klassenarbeiten und Ähnliches, soweit nicht Nummer 3.1.4) nur bis zu zwei Jahre nach Ablauf des Schuljahres aufzubewahren, in dem es entstanden ist. Danach endete die Aufbewahrungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Schuljahres 2012/2013. Da der o.g. Runderlass die Vorgaben des § 17 Abs. 2 NDSG umsetzt, sind die dortigen Aufbewahrungs- und Löschungsfristen allerdings im Lichte dieser Vorschrift zu verstehen. Danach gilt aber, wie auch unter 1. des Runderlasses wiedergegeben, dass personenbezogene Daten (nur dann) zu löschen oder an das zuständige Archiv abzugeben sind, wenn ihre Kenntnis zur Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist.
Das war hier zum maßgeblichen Zeitpunkt am Ende des Schuljahres 2012/2013 erkennbar nicht der Fall. Denn zu diesem Zeitpunkt lag auf der Hand, dass die schriftlichen Arbeiten für den von dem Kläger geführten Rechtsstreit weiter vorzuhalten waren, weil sie dort ggf. noch benötigt und deshalb vom Gericht angefordert werden könnten. Aus dem Umstand, dass die schriftlichen Unterlagen bis zu jenem Zeitpunkt durch das Verwaltungsgericht bzw. den Senat (noch) nicht angefordert worden waren, durfte die Beklagte jedenfalls keine gegenteiligen Rückschlüsse ziehen. Bei einem auf ein Zeugnis bezogenen Rechtsstreit ist es stets angezeigt, sämtliche den Schüler betreffenden schriftlichen Aufzeichnungen, die sich auf den maßgeblichen Zeitraum beziehen, bis zur Beendigung des Prozesses aufzubewahren, damit sie auf Verlangen des Gerichts vorgelegt werden können. Dies gilt schon vor dem Hintergrund, dass es - wie oben erwähnt - streitig ist, ob einzelne Zeugnisnoten der Bestandskraft fähig sind. Es liegt deshalb zumindest im Bereich des Möglichen, dass ein Rechtsstreit zu einem späteren Zeitpunkt auf Bewertungen erstreckt wird, die ursprünglich nicht ausdrücklich gerügt worden sind. Jedenfalls darf die Behörde - selbst wenn sie einen anderen Rechtsstandpunkt vertritt - nicht ausblenden, dass der von ihr eingenommene Rechtsstandpunkt umstritten ist, und vollendete Tatsachen schaffen. Darüber hinaus war hier spätestens aufgrund des Schriftsatzes des Klägers vom 12. März 2013, mit dem er (erneut) ein umfassendes Akteneinsichtsbegehren geltend gemacht hat, deutlich, dass es ihm um die Bewertung aller Fächer ging. Die Beklagte kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass das Verwaltungsgericht die Prüfung auf die Fächer Kunst und Sport beschränkt hatte, denn hiergegen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Mai 2013 die Zulassung der Berufung beantragt.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Vertreters der Beklagten und ihrer Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung geht der Senat allerdings nicht davon aus, dass es sich um eine vorsätzliche Beweisvereitelung handelte. Denn es ist dargelegt worden, dass die Vernichtung auf einem Kommunikationsdefizit zwischen der Beklagten und ihrer Prozessbevollmächtigten beruhte. Ein zielgerichtetes Verhalten der Beklagten kann der Senat danach ausschließen. Dem ist der Kläger, der schriftsätzlich noch eine vorsätzliche Beweisvereitelung der Beklagten angenommen hatte, in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr entgegen getreten.
Entgegen dem Wortlaut des § 444 ZPO reicht eine nur fahrlässige („schuldhafte“) Beweisvereitelung aus, um eine Ausnahme von dem Grundsatz zuzulassen, dass es zu Lasten des Prüflings geht, wenn sich Prüfungsfehler nicht nachweisen lassen. Dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO folgend, hat das Bundesverwaltungsgericht hervorgehoben, dass der in dieser Vorschrift enthaltene und auf die Vereitelung des Beweises mit Hilfe anderer Beweismittel übertragbare Rechtsgedanke dahin gehe, zu verhindern, dass eine Lücke in der Beweisführung, die die nicht beweispflichtige Partei verschuldet hat, ohne weiteres und in jedem Fall nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der beweispflichtigen Partei zur Last falle (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.2.2003 - 6 B 10.03 -, juris, u. Urt. v. 18.12.1987 - 7 C 49.87 -, BVerwGE 78, 367).
b) Das Vorliegen des Tatbestandes des § 444 ZPO hat zur Folge, dass zu Gunsten des Klägers im gerichtlichen Verfahren unterstellt werden kann, dass die Benotungen der vernichteten Arbeiten beurteilungsfehlerhaft zustande gekommen sind. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Beschl. v. 18.2.2003 - 6 B 10.03 -, juris) in diesem Zusammenhang verdeutlicht, dass ein solcher Schluss auch bei einer schuldhaften Vernichtung von Prüfungsunterlagen durch die Prüfungsbehörde nicht zwingend sei. Der Tatrichter habe zu prüfen, ob sich die Lücke in der Beweisführung unter Einbeziehung des schuldhaften Verhaltens einer Partei in die Beweiswürdigung durch den in § 444 ZPO vorgesehenen Schluss ausfüllen lasse, ohne dazu verpflichtet zu sein, einen solchen Schluss in jedem Fall zu ziehen. Ein solcher Schluss setze stets voraus, dass der Tatrichter im Rahmen der freien Beweiswürdigung die diesem Schluss entsprechende Überzeugung gewonnen habe. Ein solcher Schluss ist hier indessen schon angesichts des Umstandes gerechtfertigt, dass sämtliche schriftlichen Nachweise umfassend vernichtet worden sind, der Kläger mangels Vorlage der Arbeiten zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatte, sachliche Kritik an deren Bewertungen zu üben und weitere taugliche Beweismittel nicht zur Verfügung stehen (vgl. auch BGH. Urt. v. 11.6.2015 - I ZP 226/13 -, WRP 2016, 35 [BGH 11.06.2015 - I ZR 226/13]).
Die von dem Kläger darüber hinaus - gleichsam als (weitere) Kompensation für das Verhalten der Beklagten - begehrte Zuerkennung des Erweiterten Sekundarabschlusses I kommt dagegen nicht in Betracht. Das gilt selbst dann, wenn vorsätzliches Verhalten der Beklagten unterstellt wird. Hierfür fehlt es an einer rechtlichen Grundlage; auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist keine andere Beurteilung geboten.
§ 444 ZPO bzw. hier der ihm innewohnende auf das Prüfungsrechtsverhältnis übertragbare Rechtsgedanke bietet dem Prüfling, dessen Prüfungsarbeiten aufgrund eines verschuldeten Verhaltens der Prüfungsbehörde nicht mehr auffindbar sind, eine Beweiserleichterung dahin, dass Bewertungsfehler unterstellt werden. Auf diese Weise wird eine unverschuldete Schlechterstellung dieses Prüflings gegenüber seinen Mitprüflingen vermieten. Das ist aber zugleich die alleinige Konsequenz eines verschuldeten (auch vorsätzlichen) Verhaltens der Prüfungsbehörde, mit anderen Worten: ihr unkorrektes Verhalten ist damit „abgegolten“ und das daraus für den betroffenen Prüfling folgende Ungleichgewicht beseitigt. Es ist nicht nur nicht geboten, dem Prüfling über diese Kompensation hinaus außerdem im Vergleich zu seinen Mitprüflingen mit der Fiktion des erstrebten Prüfungsergebnisses einen echten Vorteil zukommen zu lassen, vielmehr steht dem der das Prüfungsrecht prägende Grundsatz der Chancengleichheit entgegen (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 18.2.2003 - 6 B 10.03 -, juris, Sächs. OVG, Beschl. v. 10.12.2009 - 4 A 204/08 -, NVwZ-RR 2010, 525, VG Karlsruhe, Urt. v. 20.5.2015 - 7 K 2232/13 -, GewArch 2015, 407, ferner OVG NRW, Urt. v. 27.10.1995 - 19 A 4947/94 -, PflR 1997, 26). Die Rechtslage ist insoweit keine andere als in den Fällen, in denen die Bewertung einer Prüfungsleistung von den Prüfern nicht oder nicht ausreichend begründet worden ist und sich eine substantielle, die effektive gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung ermöglichende Begründung wegen Zeitablaufs nicht nachholen lässt. Auch in derartigen Fällen ist nicht etwa - sozusagen auf der Grundlage fiktiv fehlerfreier Prüfungsleistungen - die Prüfung für bestanden zu erklären, sondern die negative Prüfungsentscheidung aufzuheben und dem Prüfling Gelegenheit zu geben, die Prüfung erneut abzulegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.2.2003 - 6 B 10/03 -, juris). Dass eine Wiederholung des Schuljahres als Folge einer Aufhebung der mit dem Zeugnis getroffenen Beurteilungsentscheidungen von dem Kläger gerade nicht gewollt ist, weil es ihm in diesem Verfahren um eine reine Notenverbesserung geht, ist dabei nicht entscheidend.
Es bedarf keiner Klärung, ob im Einzelfall eine Ausnahme von diesen Grundsätzen zu machen ist, wenn die danach dem Prüfling allein bleibende Möglichkeit der Wiederholung der Prüfung - die dem Kläger nach § 26 Abs. 1 AVO - Sek I (in der vom 01.08.2010 bis 31.01.2012 geltenden Fassung) als Verbesserungsversuch ohnehin offen gestanden hat und nach den Angaben der Beklagten auch weiterhin offensteht - vor allem mit Blick auf dessen Grundrechte für diesen eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Denn diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Hervorzuheben ist, dass eine „besondere Härte“, insbesondere aufgrund eines längeren Zeitablaufs, allein nicht ausreicht, um einen Ausnahmefall zu begründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.4.1996 - 6 B 13.96 -, NVwZ 1997, 502). Es müssen vielmehr weitere gewichtige Umstände hinzutreten. Daran fehlt es hier auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger gehalten wäre, nach einem Zeitraum von fünf Jahren das gesamte Schuljahr zu wiederholen und sich dieser Zeitraum auch dann nicht erheblich reduziert hätte, wenn er nach Bekanntwerden des Verlusts der schriftlichen Arbeiten das Schuljahr - gemäß der oben zitierten Regelung des § 26 Abs. 1 AVO - Sek I - vorsorglich wiederholt hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2003 - 6 B 10.03 -, juris). Denn der Kläger hat durch seine Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verdeutlichen lassen, dass es ihm nach wie vor um die Möglichkeit gehe, seine Schullaufbahn mit dem Ziel des Erwerbs der Hochschulreife fortzusetzen. Er ist also grundsätzlich dazu bereit, trotz des inzwischen vergangenen Zeitraums und trotz seines Alters erneut die Schule zu besuchen - sei es auch nach seinen Vorstellungen ein Besuch der Klasse 11 - und den sich damit verbundenen Schwierigkeiten zu stellen. Dementsprechend hat er bislang nach eigenem Vortrag weder eine Berufsausbildung abgeschlossen noch eine solche begonnen. Die mit einer Wiederholung des 10. Schuljahres verbundenen Härten reduzieren sich damit nach seinem eigenen Vortrag im Wesentlichen auf den damit einhergehenden zeitlichen Verlust eines (weiteren) Jahres. Das kann aber allein noch nicht als unzumutbare Härte angesehen werden, zumal er diesen Verlust durch eine vorsorgliche Wiederholung der 10. Klasse im Schuljahr 2015/2016 hätte auffangen können. Denn die Mitteilung der Beklagten, die schriftlichen Arbeiten lägen nicht mehr vor, datiert bereits vom 16. Oktober 2014.
Die Argumentation des Klägers, da es ihm nicht um die Zuerkennung eines beruflichen Abschlusses gehe, sondern lediglich um die Möglichkeit, den Schulbesuch mit dem Ziel des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife fortzusetzen, seien die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 18. Februar 2003 - 6 B 10.03 -, juris, auf seinen Fall nicht übertragbar, führt zu keiner anderen Beurteilung. Sie trifft zwar insoweit zu, als das Bundesverwaltungsgericht den „Schutz der Gemeinschaftsgüter, dem der Nachweis einer bestimmten beruflichen Qualifikation dient“ als Grund dafür angeführt hat, dass es nicht gerechtfertigt sei, „einem Prüfling den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten allein deshalb zu bestätigen, weil wegen eines Fehlers der Prüfungsbehörde nicht aufgeklärt werden kann, ob die (negative) Bewertung der Prüfungsarbeit auf rechtserheblichen Mängeln beruht.“ Der Kläger übersieht aber, dass das Bundesverwaltungsgericht außerdem darauf verwiesen hat, dass der „Grundsatz der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit“ ebenfalls gegen eine solche Zuerkennung des erstrebten Prüfungsergebnisses spricht. Diesem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz kommt allein bereits ein so erhebliches Gewicht zu, dass die Zuerkennung des erstrebten Prüfungsergebnisses und die damit verbundene Bevorzugung des betroffenen Prüflings gegenüber seinen Mitprüflingen allenfalls - wie oben dargelegt - bei Vorliegen einer unzumutbaren Härte als gerechtfertigt erscheinen kann.
II. Der erste Hilfsantrag des Klägers ist jedenfalls unbegründet. Aus den Ausführungen unter I. ergibt sich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die Leistungen des Klägers in den Fächern Deutsch, Englisch, Wahlpflichtkurs Deutsch, Kunst, Sport, Geschichte, Politik, Erdkunde, Werte und Normen, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft und Wahlpflichtkurs Geschichte neu zu bewerten, nicht besteht, da es für eine solche Neubewertung an einer hinreichenden Grundlage fehlt. Gleiches gilt, soweit der Kläger eine Neubewertung seines Arbeits- und Sozialverhaltens begehrt, da es auch hier - wie bei mündlichen oder unterrichtspraktischen Leistungen - nach Ablauf von rund 4 1/2 Jahren an einer tatsächlichen Grundlage für die Neubewertung fehlt.
III. Der zweite Hilfsantrag mit dem Ziel der Feststellung, dass die Vernichtung der Klassenarbeiten und der sonstigen Unterlagen während des laufenden Verwaltungsrechtsstreits Prüfungsmängel darstellen, ist bereits unzulässig.
Der Kläger kann die Qualifikation des von ihm beanstandeten behördlichen Verhaltens als Prüfungsmangel nicht zulässigerweise im Wege einer Feststellungsklage erreichen. Es handelt sich schon nicht um ein feststellungsfähiges „Rechtsverhältnis“ i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO, darüber hinaus steht der Zulässigkeit eines solchen Feststellungsbegehrens der Grundsatz der Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO entgegen. Schließlich lässt sich die Unzulässigkeit dieses Antrags auch aus § 44a VwGO herleiten, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können.
Der Kläger begehrt mit seiner Feststellungsklage die Klärung einer nicht feststellungsfähigen Vorfrage, die die rechtliche Qualifikation eines schlichten behördlichen Handelns zum Gegenstand hat. Er erstrebt damit schon nicht die Feststellung eines „Rechtsverhältnisses“ im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, § 43 Rdnr. 13, Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 43 Rdnr. 35 Bay. VGH, Urt. v. 9.4.2003 - 24 B 02.646 -, juris). Es handelt sich um eine Vorfrage zu der - von dem Kläger im Wege der Gestaltungsklage zu klärenden (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) - Frage, ob er einen Anspruch auf Neubewertung bzw. Wiederholung seiner im Schuljahr 2010/2011 erbrachten Prüfungsleistungen hat. Dementsprechend war diese Vorfrage - wenngleich nicht tragend - Gegenstand der Ausführungen unter I.; tragend wäre sie im Rahmen einer Klage auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger unter Aufhebung der in dem angefochtenen Zeugnis getroffenen Prüfungsentscheidungen eine Wiederholung des Schuljahres 2010/2011 zu ermöglichen, zu erörtern gewesen. Ein berechtigtes Interesse für die begehrte isolierte Feststellung, das über die mit diesen Gestaltungsanträgen verfolgbaren Klageziele hinausginge, hat der Kläger im Übrigen auch nicht dargetan. Dass die von dem Kläger aufgeworfene Frage einer selbständigen Klärung nicht zugänglich ist, entspricht schließlich auch dem Rechtsgedanken des § 44a VwGO, der verfahrensrechtliche Schritte einer Behörde einer selbständigen gerichtlichen Überprüfung entzieht und den Bürger auf den gegen die Sachentscheidung einzulegenden Rechtsbehelf verweist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.