Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.12.2015, Az.: 1 LA 183/14

Abbruch; Anhörung; Bauherr; Beseitigung; Brandmauer; Brandwand; Doppelhaus; Einzelrichterübertragung; Handlungsstörer; Heilung; Standsicherheit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.12.2015
Aktenzeichen
1 LA 183/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45183
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 07.11.2014 - AZ: 2 A 41/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Anhörungsmangel bei der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter ist dann nicht hinreichend i.S.d. § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO gerügt, wenn die übergangene Partei in einem nachfolgenden Schriftsatz lediglich erklärt, die materiellen Voraussetzungen der Übertragung lägen nicht vor. Vorgetragen werden muss das Fehlen der Anhörung.

Bei Abbruch einer Doppelhaushälfte ist nach niedersächsischem Recht neben dem abbrechenden Bauherrn der Eigentümer des Nachbarhauses für die Sicherung der verbleibenden Trennwand bauordnungsrechtlich verantwortlich; dies gilt unabhängig davon, ob die Sicherung während der Abbrucharbeiten oder danach erfolgt.

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 7. November 2014 zugelassen, soweit sich die Klage gegen Ziff. 1, 1. Spiegelstrich der bauaufsichtlichen Anordnung vom 8.10.2012 (Befestigung der Pfetten des Dachtragwerks) richtet. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 1 LB 192/15 geführt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks D. straße 6 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Das Grundstück ist mit einem vierstöckigen Mehrfamilienhaus bebaut, das am 14.11.1898 gemeinsam mit dem Nachbarhaus D. straße 5 als Doppelwohnhaus genehmigt und kurz nach diesem errichtet wurde. In den 2000er Jahren beeinträchtigten Bodensenkungen die Standsicherheit des Gebäudes D. straße 5 erheblich. Ein Gutachten des Ingenieurbüros E. vom 11.4.2012 kam zu dem Ergebnis, dass das Haus akut einsturzgefährdet sei. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 20.4.2012 gab die Beklagte dessen Eigentümer den Abbruch des Gebäudes bis zum 31.10.2012 auf. Unter anderem um sicherzugehen, dass das Haus des Klägers bei dem Abbruch nicht beschädigt würde, erstellte die ‚E. unter dem 19.9.2012 ein Abbruchkonzept, in dem es ab S. 11 heißt:

„3.4.2 Abbruch Dachtragwerk

Im Rahmen des Ortstermins vom 05.09.2012 wurde festgestellt, dass die Pfetten des Dachtragwerks im Bereich der Brandwand nicht gestoßen sind. Der Stoß (vermutlich ein stumpfer Stoß) liegt vielmehr rund 1 m weit von der Brandwand entfernt auf der Seite der D. straße 6. Vor dem Beginn der Abbrucharbeiten sind daher an den Pfetten im Bereich der Stöße folgende Sicherungen (konstruktiv gewählt) anzuordnen.

[Es folgt eine Skizze und die Beschreibung einer alternativen Konstruktionsweise.]

Zur Windsogsicherung ist an allen Pfetten – auch den Fußpfetten – folgende Verstärkung einzubauen. Dies betrifft voraussichtlich fünf Pfetten.

Die in der Abbildung dargestellte provisorische Fassade kann erst nach dem Abbruch der Dachkonstruktion angebracht werden. Diese muss vor Herstellung der endgültigen neuen Fassade entfernt werden.

[Es folgen eine Konstruktionsskizze und die Beschreibung des weiteren, nicht mit Maßnahmen am Gebäude D. straße 6 verbundenen, Vorgehens.]

3.4.3 Abbruch Trennschacht

Um die Tragsicherheit der Brandwand (insbesondere auf Knicken und Windsog) nach dem Abbruch zu gewährleisten, sind im Bereich der Holzbalkendecken neue Mauerwerksanker gemäß folgender Skizze einzubauen.

[Es folgen weitere Erläuterungen und Skizzen.]“

Mit Bescheid vom 8.10.2012 gab die Beklagte unter Verweis auf das Abbruchkonzept dem Kläger auf, bis zum 31.10.2012 folgende Maßnahmen durchzuführen:

- Befestigung der Pfetten des Dachtragwerks

- Herstellung von Verstärkungen zur Windsogsicherung und einer provisorischen Fassade an der gemeinsamen Brandwand der Grundstücke D. straße 6 und D. straße 5 auf der Seite des Grundstücks D. straße 5

- Herstellung der Mauerwerksanker für alle Holzbalkendecken des Gebäudes D. straße 6.

Vorsorglich und hilfsweise werde die Duldung der genannten Maßnahmen angeordnet. Ferner habe der Kläger den Abriss des Gebäudes auf dem Grundstück D. straße 5 zu dulden, auch ohne dass die nachbarrechtlichen Fristen der §§ 9, 8 NNachbG eingehalten würden. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte die Beklagte die Ersatzvornahme an; ferner ordnete sie die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnungen an.

Das Gebäude D. straße 5 wurde im Dezember 2012 / Januar 2013 im Wege der Ersatzvornahme – der Eigentümer war ins Ausland verzogen – bis zur Oberkante des Kellergeschosses abgebrochen. Der Kellerboden wurde perforiert, der Keller verfüllt. Bei den Vorarbeiten des Abbruchs stellte sich heraus, dass die Brandwand zwischen der D. straße 5 und 6, anders als zunächst angenommen, nicht massiv, sondern bis zum 2. Obergeschoss zweischalig und nur im Dachgeschoss massiv errichtet war. Ferner hielten die Beklagte (VV Bl. 817) sowie der Sachverständige der E. (VV Bl. 867) anlässlich von Ortsbesichtigungen fest, dass die Pfetten des Dachtragewerks entgegen der Annahme im Abbruchkonzept auf der Seite D. straße 6 durchgängig bis zur Brandmauer verliefen, d.h. ohne Stoß in 1 m Entfernung. Die Antragsgegnerin führte die angeordneten Sicherungsmaßnahmen (mit Ausnahme der Befestigung der Pfetten in Bereich der Stöße) im Wege der Ersatzvornahme durch.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger (1.) Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 8.10.2012 erhoben und gleichzeitig beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Trennwand beider Gebäude (2.) im Bereich des Kellergeschosses fachmännisch gegen eindringende Nässe und Feuchtigkeit abzudichten sowie (3.) mit einer provisorischen Wetterschutzwand gegen eindringende Nässe und Feuchtigkeit abzudichten. Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit ohne vorherige Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 6.2.2014 auf den Einzelrichter übertragen. Mit Schriftsatz vom 17.3.2014 hat der Kläger die Einzelrichterübertragung mit der Begründung gerügt, die Angelegenheit weise besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

Der Einzelrichter hat die Klage mit Urteil vom 7.11.2014 abgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei materiell rechtmäßig. Die Baugenehmigung von 1898 schütze den Kläger nicht vor bauaufsichtlichen Anordnungen, da abweichend von ihr gebaut worden sei. Die Trennwand zwischen den Häusern D. straße 5 und 6 sei in den Bauvorlagen massiv eingezeichnet, tatsächlich aber teilweise zweischalig mit dazwischenliegender Luftschicht gebaut. Das Gebäude habe zum Erlasszeitpunkt des Bescheides öffentlichem Baurecht widersprochen, da es sowohl beim Abriss wie beim – sonst zu erwartenden – unkontrollierten Einsturz des Hauses D. straße 5 nicht standsicher gewesen sei. Der Kläger als Eigentümer sei zu Recht nach § 56 NBauO in Anspruch genommen worden. Zwar sei, wenn durch den Abbruch eines Nachbarhauses eine bislang latente Einsturzgefahr zur aktuellen Gefahr werde, der Nachbar als Bauherr des Abbruchs für vorläufige Sicherungsmaßnahmen verantwortlich. Maßnahmen, die der dauernden Sicherung des verbleibenden Hauses dienten, fielen jedoch in den Verantwortungsbereich von dessen Eigentümer. Die hier angeordneten Maßnahmen dienten der dauernden Sicherung des klägerischen Hauses; das gelte auch für die eigentlich als provisorisch gedachte Fassade, die der Kläger seitdem unverändert gelassen habe. Die Leistungsklage sei ebenfalls unbegründet. Ein Folgenbeseitigungsanspruch bestehe nicht, da die Ersatzvornahme durch die Beklagte rechtmäßig gewesen sei. Ansprüche gegen die Beklagte kämen allenfalls in Betracht, wenn in die Substanz des klägerischen Hauses eingegriffen werde; daran fehle es. Einen Anspruch darauf, dass sein Haus erstmals so hergerichtet werde, als sei es freistehend, habe der Kläger nicht. Die dauerhafte Sicherung der Fassade gegen Witterungsschäden falle nicht in die Bauphase des Abbruchs.

Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Soweit das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage auch insoweit abgewiesen hat, als der Kläger verpflichtet wurde, die Pfetten des Dachtragewerks im Bereich der Stöße zu befestigen, bestehen vom Kläger dargelegte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies ist dann der Fall, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, zumindest einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage zu stellen, dass sich am Ergebnis der Entscheidung etwas ändert. Das ist dem Kläger gelungen. Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil sinngemäß auf die Annahme gestützt, die angeordnete Maßnahme diene der Herstellung der Standsicherheit des klägerischen Gebäudes. Diese Annahme hat der Kläger auf S. 6 der Zulassungsbegründung durch seinen Verweis auf die Vermerke der Beklagten und der E., wonach die Pfetten, anders als zunächst angenommen, in Bereich des klägerischen Gebäudes keinen verstärkungsbedürftigen Stoß aufwiesen, sondern bis zur Brandmauer durchliefen, schlüssig in Frage gestellt. Zwar ergibt sich aus den Vermerken nicht, ob dies auch für die Firstpfette zutraf; dieser Frage kann aber – sollte sich die Beklagte zu einer Abhilfe nicht bereitfinden – nur in einem Berufungsverfahren nachgegangen werden.

II.

Im Übrigen liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

1. Die Verfahrensrüge, das Verwaltungsgericht habe bei der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter das rechtliche Gehör des Klägers verletzt, greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 10.11.1999 - 6 C 30.98 -, BVerwGE 110, 40 [45] = juris Rn. 19; Beschl. v. 7.10.2004 - 3 B 62.04 -, juris Rn. 5) kann ein Anhörungsmangel bei der Einzelrichterübertragung gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO unbeachtlich werden; nach dieser Norm können Verfahrensfehler nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei den Mangel in der nächsten mündlichen Verhandlung, die auf Grund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat, nicht gerügt hat, obgleich sie erschienen und ihr der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 17.3.2014 nicht die fehlende Anhörung gerügt, sondern lediglich zu erkennen gegeben, mit der Einzelrichterübertragung in der Sache nicht einverstanden zu sein. Das genügt zur Wahrung seiner Rechte weder nach dem Wortlaut des § 295 Abs. 1 ZPO noch nach Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit. Es wird dem Rügeführer zugemutet, dem Gericht, das einen Verfahrensfehler übersehen hat, Gelegenheit zu geben, diesen frühestmöglich zu korrigieren, anstatt seinen Wissensvorsprung für das Rechtsmittelverfahren „aufzusparen“. Der bloße Hinweis, das Gericht habe die materiellen Voraussetzungen der Einzelrichterübertragung verkannt, ist hierfür nicht geeignet; denn grundsätzlich kann das Gericht einen Beschluss nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage revidieren (§ 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Erst die Erkenntnis, dass ein Anhörungsmangel vorlag, hätte dieses in den Stand versetzt, auch unabhängig hiervon nach Maßgabe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.11.1999 (a.a.O.) eine Rückübertragung auf die Kammer vorzunehmen.

Darüber hinaus genügt die schriftsätzliche Äußerung deshalb nicht der Rügeobliegenheit, weil der Kläger sie in der mündlichen Verhandlung vom 28.4.2014 nicht wiederholt bzw. auf sie Bezug genommen hat (so Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl. 2016, § 295 Rn. 8; OLG Köln v. 14.1.1970 – 2 U 83/69 -, MDR 1970, 596 (nur Ls.)).

2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Annahme des Verwaltungsgerichts, den angeordneten Sicherungsmaßnahmen stehe nicht die Baugenehmigung vom 14.11.1898 entgegen, begegne ernstlichen Richtigkeitszweifeln bzw. diese Frage weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Dabei kann dahinstehen, ob - dagegen richten sich die Rügen des Klägers - die Errichtung der Brandmauer zwischen den Gebäuden D. straße 5 und 6 in teilweise zweischaliger statt massiver Bauweise von der Baugenehmigung abweicht und ob diese Abweichung dazu führt, dass das Gebäude insgesamt von vornherein ein nicht genehmigtes „aliud“ gegenüber dem genehmigten Vorhaben war. Denn es kann bereits im Zulassungsverfahren mit Sicherheit festgestellt werden, dass sich die Annahme des Verwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig erweist. Die Schutzwirkung der Baugenehmigung entfällt nämlich auch dann, wenn ein Vorhaben nachträglich so wesentlich verändert wird, dass es dem Genehmigungsinhalt nicht mehr entspricht. Dies ist hier mit dem Abbruch des Gebäudes D. straße 5 - erst für diesen Zeitpunkt sind dem Kläger Pflichten auferlegt worden - geschehen. Der Kläger betont selbst (S. 2, 8 der Klagebegründung vom 19.6.2013, S. 4 des Schriftsatzes vom 24.4.2014), dass die Gebäude D. straße 5 und 6 nicht als zwei Einzelhäuser in geschlossener Bauweise, sondern als einheitliches Doppelwohnhaus genehmigt und - wenn auch in zwei dicht aufeinanderfolgenden Bauphasen - errichtet wurden, mit der Folge, dass die Baugenehmigung sich mit der Standsicherheit einer Gebäudehälfte unabhängig von der anderen nicht auseinandersetzen musste. Nur deshalb konnte bei Errichtung der D. straße 6 auch darauf verzichtet werden, die Pfetten und Innendeckenbalken des Hauses D. straße 6 so in der Brandwand zu verankern, dass diese im Falle eines Wegfalls der D. straße 5 gegen Windsog gesichert wäre. Daraus folgt allerdings auch, dass die Genehmigung den Bestand jeweils eines Hauses unabhängig vom Bestand des anderen nicht abdeckt.

3. Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht an der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger als Eigentümer des Grundstücks D. straße 6 habe anstelle der Beklagten als Bauherrin zu den angeordneten Sicherungsmaßnahmen herangezogen werden können. Nach § 56 Satz 1 NBauO sind die Eigentümer dafür verantwortlich, dass Anlagen und Grundstücke dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Diese Verantwortlichkeit besteht unabhängig davon, auf welche Ursache baurechtswidrige Zustände zurückzuführen sind und unabhängig davon, ob noch andere bauordnungsrechtlich Verantwortliche vorhanden sind. Einen allgemeinen Vorrang der Haftung des Bauherrn bzw. des Handlungsstörers vor dem Zustandsstörer gibt es nicht (Mann, in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Aufl. 2013, § 79 Rn. 87; vgl. auch Wiechert, in: Große-Suchsdorf a.a.O., § 52 Rn. 6). Dies gilt auch für die Verantwortlichkeit nach § 52 Abs. 1 NBauO. Für die vom Kläger unter Berufung auf das Verwaltungsgericht Koblenz (Urt. v. 1.7.2010 - 7 K 352/10.KO -, juris Rn. 31) vertretene Auffassung, für die Beseitigung baurechtswidriger Zustände, die zeitlich während der Bau- (bzw. Abbruch-)phase einer benachbarten baulichen Anlage entstünden, sei ausschließlich der Handlungsstörer verantwortlich, bietet die NBauO keinen Anhaltspunkt. Ob im rheinland-pfälzischen Landesrecht Abweichendes gilt - dort wird immerhin in § 54 LBauO zwischen einer Verantwortlichkeit des Bauherrn „bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung oder dem Abbruch“ und einer allgemeinen Verantwortlichkeit des Bauherrn und des Eigentümers, unterschieden - ist hier nicht zu beurteilen. Zutreffend ist allein, dass es - bei gleicher Fähigkeit der Störer zur Gefahrenbeseitigung - häufig ermessensgerecht sein dürfte, den Handlungs- vor dem Zustandsstörer heranzuziehen (Mann a.a.O. m.w.N.).

Hier gilt dies indes nicht. Zur Gefahrbeseitigung war der Kläger ebenso wie der Beklagte in der Lage. Die Sicherung des Gebäudes D. straße 6 konnten beide nur durch beauftragte Bauunternehmer, die sich jeweils mit der E. abzustimmen hatten, wahrnehmen. Für die Annahme, einer von ihm beauftragten Baufirma hätte der Kläger - anders als den von der Beklagten beauftragten Handwerkern - wegen Einsturzgefahr den Zutritt zur Abbruchbaustelle verwehrt, spricht nichts. Angesichts dessen sprach so eindeutig Überwiegendes für die hier vorgenommene Störerauswahl, dass vertiefte Ausführungen dazu im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid entbehrlich waren. Die Sicherungsmaßnahmen - die, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dauerhafter Natur waren, kamen massiv dem Kläger zugute, dessen Eigentum hierdurch vor Einsturz geschützt wurde. Demgegenüber hätte die Beklagte angesichts der Unaufgreifbarkeit des Eigentümers der D. straße 5 bei einer Selbstausführung der Sicherungsmaßnahmen damit rechnen müssen, dass deren Kosten der Allgemeinheit zur Last fielen. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, erst der Abbruch des Gebäudes D. straße 5 habe die Standsicherheit seines Gebäudes in Gefahr gebracht; dies trifft nicht zu. Die vom Beklagten gutachterlich nachgewiesene akute, durch verhältnismäßige Sicherungsmaßnahmen nicht mehr dauerhaft zu behebende, Einsturzgefahr des Gebäudes D. straße 5 hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Hätte sich diese realisiert, so hätte sich das Haus des Klägers - wenn es nicht schon beim Einsturz mitgerissen worden wäre - in derselben Lage befunden, die nun tatsächlich in geordneter Weise durch den Beklagten herbeigeführt worden ist.

Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der vom Kläger aufgeworfenen Frage zuzulassen, wer bei Abriss einer Doppelhaushälfte bauordnungsrechtlich für die Herstellung und Erhaltung der Standsicherheit der verbleibenden Doppelhaushälfte verantwortlich ist. Die allgemeinen Kriterien der baurechtlichen Verantwortlichkeit sind für Niedersachsen in der Rechtsprechung geklärt; dass die vom Verwaltungsgericht Koblenz aufgestellten Grundsätze in Niedersachsen keine Anwendung finden, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und bedarf deshalb keiner grundsätzlichen Klärung. Die Bestimmung der Verantwortlichkeit im Einzelfall ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

4. Die Aussage des Verwaltungsgerichts, ein Folgenbeseitigungsanspruch des Klägers auf Abdichtung der Brandwand im Bereich des Kellergeschosses (Klageantrag 2.) und darüber (Klageantrag 3.) komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Abbruch durch den Beklagten rechtmäßig gewesen sei, begegnet keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln. Die Tatsache, dass durch den Abbruch ein bauordnungswidriger - da § 13 NBauO widersprechender - Zustand am Gebäude des Klägers geschaffen wurde, macht den Abbruch nicht rechtswidrig. Der Kläger verkennt insoweit, dass die Maßnahme ihre Rechtsgrundlage in der bestandskräftigen Beseitigungsverfügung des Beklagten gegen den Eigentümer des Grundstücks D. straße 5 sowie in der in dem angefochtenen Bescheid vom 8.10.2012, enthaltenen Duldungsverfügung ihm gegenüber (Ziff. 2), deren Bestätigung durch das Verwaltungsgericht er nicht mit Zulassungsrügen angegriffen hat, findet. Ebenso wenig wie er angesichts dessen dem Eigentümer der D. straße 5 eine Rechtswidrigkeit des Abbruchs hätte entgegenhalten können, kann er dies im Rahmen der Ersatzvornahme der Beklagten. Der Kläger ist vielmehr auf seinen aus § 10 Abs. 3 Satz 1 NNachbG folgenden Anspruch auf Versetzung der Nachbarwand in einen für eine Außenwand geeigneten Zustand beschränkt; dieser richtet sich jedoch gegen den Eigentümer und nicht gegen die Beklagte als Ausführende des Abbruchs.

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründung ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).