Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.12.2015, Az.: 4 LC 156/14

Beschädigung von Fortpflanzungsstätten; Brutkolonie; Erhaltungszustand einer Art; Erhebliche Störung; lokale Population; Vergrämung von Saatkrähen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.12.2015
Aktenzeichen
4 LC 156/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45174
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.04.2014 - AZ: 1 A 1490/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Akustische Vergrämungsmaßnahmen sind gemessen an § 44 Abs. 1 BNatSchG zulässig, wenn die Störung der Tiere nicht erheblich ist, d.h. der Erhaltungszustand der lokalen Population sich auf Grund der Störung durch die Vergrämungsmaßnahmen nicht verschlechtert (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG).

Akustische Vergrämungsmaßnahmen stellen keine Beschädigung von Fortpflanzungsstätten i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG dar.

Eine einzelne Saatkrähenbrutkolonie kann eine lokale Population i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG darstellen, wenn sie sich hinsichtlich ihres Aktionsbereichs, der bevorzugten Nahrungsquellen und der Orientierung bezüglich der Niststellen erheblich von anderen Brutkolonien im näheren Umkreis unterscheidet.

Der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert sich nicht i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, wenn die vertriebenen Tiere Ausweichquartiere finden und der eventuelle Brutausfall durch erhöhte Bruttätigkeit in den Folgejahren ausgeglichen wird.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer - vom 15. April 2014 geändert.

Es wird festgestellt, dass die von dem Kläger beabsichtigten Maßnahmen, nämlich das Aufhängen von Klappern in den Nistbäumen der Krähen sowie der gezielte Einsatz von akustischen Mitteln zum Vertreiben der Krähen in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage (üblicherweise Anfang April), gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt sind.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Zulässigkeit von Maßnahmen zur Vergrämung von Saatkrähen einer Brutkolonie in der Nähe seines Wohnhauses, hilfsweise die Gestattung dieser Maßnahmen.

Die betreffende Kolonie befindet sich in der Stadt B., Ortsteil C., am Rand eines innerstädtischen bewaldeten Gebietes an der D. Straße auf der Höhe der Straße „E.“, ca. 30 m vom Wohnhaus des Klägers entfernt. Diese Saatkrähenbrutkolonie ist eine der größten der insgesamt 18 Brutkolonien von Saatkrähen im Gebiet der Stadt B.. Im April 2014 wies sie einen Bestand von etwa 250 Brutpaaren auf. In den Vorjahren waren vom Naturschutzbund Deutschland 256 Brutpaare (2013), 116 Brutpaare (2012) und 204 Brutpaare (2011) in der Kolonie „E.“ gezählt worden. Im gesamten B. Gebiet gab es zu dieser Zeit 1048 Brutpaare (2013), 721 Brutpaare (2012) und 811 Brutpaare (2011).

Zum Nestbau, der je nach Witterung Ende Februar/Anfang März beginnt, überfliegen die Altvögel den Bereich der D. Straße und der umliegenden Grundstücke sehr häufig. Darauf folgt die Brut und Aufzucht der Jungtiere. Insgesamt dauert dieser Zeitraum etwa 6 bis 8 Wochen. Danach folgen die Jungtiere den Alttieren zur Nahrungssuche und kehren in den späten Abendstunden zu den Brutplätzen zurück.

Nachdem sich der Kläger und weitere Anwohner mit der Bitte um Eindämmung der Kolonie „E.“ wegen des durch diese verursachten Lärms und der Verschmutzung durch Vogelkot wiederholt erfolglos an den Beklagten und die Stadt B. gewandt hatten, beantragten der Kläger und ein anderer Anwohner am 21. November 2008 bei dem Beklagten, ihnen eine Genehmigung zur Vergrämung der Saatkrähen der Kolonie „E.“ zu erteilen, um bis zum Beginn der Brutzeit im März 2009 eine Reduzierung der Nistplätze auf 60 zu erreichen. Mit Schreiben vom 20. April 2009 wurde der Antrag weitergehend damit begründet, dass die betreffende Kolonie mittlerweile auf mehr als 1.000 Tiere (Alt- und Jungtiere) angewachsen sei. Autos, Gärten und Balkone würden erheblich durch Vogelkot verschmutzt, was insbesondere für spielende Kinder eine Gesundheitsgefahr darstelle. Die von den Saatkrähen ausgehende Geräuschbelastung übersteige das normale Maß erheblich. Ab dem Morgengrauen bis in die Abendstunden sei ein normales Wohnen in den betroffenen Bereichen nicht mehr möglich. Es gebe im weiteren Umkreis genügend Nistplätze, so dass die beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen keinen unzumutbaren Eingriff in die hier betroffene Natur darstellten. Auf Grund des Zeitablaufs werde nun hilfsweise die Gestattung von Vergrämungsmaßnahmen zum nächstmöglichen Zeitraum beantragt.

Der Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag auf Erteilung einer Befreiung gemäß § 62 BNatSchG a.F. von den Verboten des § 42 BNatSchG a.F., den er durch Bescheid vom 4. Mai 2009 ablehnte. Zur Begründung führte er aus, Saatkrähen seien eine besonders geschützte wildlebende Vogelart, die den Verboten des § 42 BNatSchG unterliege. Eine Befreiung von diesen Verboten könne nur erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Auswirkungen, die von der Saatkrähenkolonie „E.“ ausgingen, unterschieden sich nicht von denjenigen anderer Kolonien gleicher Größe. Es liege kein atypischer Einzelfall vor. Die Kolonie habe im Jahr 2002 aus 90 Brutpaaren bestanden, im Jahr 2003 aus 110 Paaren und im Jahr 2004 aus 115 Paaren, gegenwärtig habe die Kolonie einen Bestand von deutlich weniger als 1.000 Tieren. Der Lärm und der Schmutz, die von den Tieren ausgingen, rechtfertigten eine Befreiung von den Zugriffsverboten des Artenschutzes nicht. Während der begrenzten Nestbauzeit komme es zwar durch die erhöhte Flugtätigkeit der Tiere zu vermehrten Verschmutzungen, nach dieser Zeit verringerten sich die Belastungen jedoch. Zudem fielen die meisten Verschmutzungen innerhalb des Brutgebietes an. Exkremente der Saatkrähen seien grundsätzlich auch nicht gefährlicher als die anderer Vögel wie z.B. Tauben. Zudem überlagere der Verkehrslärm der stark befahrenen D. Straße tagsüber die Lautäußerungen der Saatkrähen. Am frühen Morgen und Abend, wenn der Verkehrslärm geringer sei, könne die Lärmbelastung durch die Krähen zwar stärker wahrgenommen werden, sie sei jedoch niedriger als die Belastung durch den Verkehrslärm am Tage. Insgesamt sei der Umfang der Belästigungen auf Grund der zeitlichen Begrenzung auf die Nestbau- und Brutphase und der tatsächlichen Bestandszahlen geringer einzustufen als von den Antragstellern angegeben. Die Kolonie werde beobachtet, es fänden jährlich Bestandszählungen statt.

Unter dem 22. Mai 2009 legten der Kläger und der andere Anwohner gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trugen sie vor, es liege ein atypischer Einzelfall vor. Der allgemeine Lebensraum von Saatkrähen sei die freie unbebaute Landschaft. Das Auftreten von großen Nistkolonien im bebauten städtischen Umfeld sei eine atypische Erscheinung und führe zu Spannungen zwischen Mensch und Tier. Ziel des Naturschutzes müsse die Rückführung der Saatkrähen in ihren eigentlichen Lebensraum sein. Bezüglich des Umfanges der Population komme es allein auf den aktuellen Bestand von nunmehr 1344 Saatkrähen an. Hiermit sei die im Wohngebiet einzuhaltende Zumutbarkeitsgrenze erheblich überschritten. Eine verstärkte Lärmbelästigung sei nicht nur während der Nestbauzeit, sondern tatsächlich von Mitte Februar bis Mitte August auf Grund der hohen Anzahl der Tiere festzustellen. Dies gelte auch für die Belastung mit Vogelkot. Die Krähen seien zudem lauter als der Verkehrslärm. Insbesondere während der nächtlichen Ruhezeiten werde der zulässige Richtwert für Wohngebiete durch die Lautäußerungen der Krähen überschritten. Die hierdurch hervorgerufenen Gesundheitsbeeinträchtigungen müssten berücksichtigt werden. Insgesamt lägen überwiegende Gründe des Gemeinwohls vor, die die begehrte Vergrämung rechtfertigten.

In der Folgezeit ließ der Beklagte mehrere Schallmessungen durch den Gesundheits-ingenieur seines Fachdienstes Gesundheit und Umweltmedizin u.a. vor dem Wohnhaus des Klägers E. 4 und dem unmittelbar gegenüber der Brutkolonie gelegenen Wohnhaus D. Straße 51 durchführen. Die Messungen ergaben im Juni 2009 an den genannten Standorten Werte von 53 dB bis 64 dB in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 22:30 Uhr und von 50 dB bis 56 dB in der Zeit vom 4:30 Uhr bis 5:30 Uhr. Ab dem 15. März 2010 erfolgten drei weitere Messungen in Abstimmung mit dem Kläger vor dem Wohnhaus D. Straße 49. Hierbei wurden in den frühen Morgenstunden Werte von 59 bis 66 dB (Krähenlärm) und 66 bis 70 dB (Verkehrslärm) gemessen. Die vierte Messung vor dem Wohnhaus D. Straße 49 erfolgte am 24. Mai 2010, dem Pfingstmontag, zwischen 5:00 Uhr und 6:00 Uhr. Hierbei wurde Krähenlärm in einer Lautstärke von durchschnittlich 62,4 dB festgestellt, während der Verkehrslärm nicht merklich ins Gewicht fiel. Weitere für den Juni 2010 vorgesehene Messungen unterblieben, nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass die Situation nun deutlich ruhiger und die Krähen in sehr viel geringerem Maße wahrnehmbar seien.

Durch Bescheid vom 8. November 2010, dem Kläger zugestellt am 15. November 2010, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 67 Abs. 2 BNatSchG n.F. nicht vorlägen. Der nunmehr in § 44 Abs. 1 Ziff. 3 BNatSchG geregelte umfassende Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten wild lebender Tiere vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung gelte unabhängig davon, wo sich die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der besonders geschützten Art befänden. Eine Befreiung von diesem Schutzverbot könnte nach § 67 Abs. 2 BNatSchG nur dann erteilt werden, wenn die Durchführung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führte. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Die durch die Saatkrähen verursachten Lautäußerungen und Verschmutzungen seien nicht unzumutbar.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 13. Dezember 2010 Klage erhoben.

Am 21. September 2011 fand ein von dem Verwaltungsgericht angesetzter Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Hierbei wurde erörtert, ob angenommen werden könne, dass sich bei einer (akustischen) Störung der Tiere während der Brutzeit der Erhaltungszustand der lokalen Population der Art i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG verschlechtere. Der Beklagte äußerte dazu, dass wegen des großen Vorkommens von Saatkrähen im Bereich der Stadt B. an anderen Stellen gegenwärtig nicht davon auszugehen sei, dass es zu einer derartigen Verschlechterung käme, wenn in der hier betroffenen Kolonie Störmaßnahmen etwa durch das Aufhängen und Betätigen von Klappern erfolgen würden. Er würde es daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beanstanden, wenn die Stadt B. solche Maßnahmen ergreifen würde. Der Erhaltungszustand der lokalen Population müsse jedoch beobachtet werden, so dass sich diese Einschätzung zukünftig auch ändern könne. Dies hänge davon ab, was in den Populationen passiere und wie sich diese entwickelten.

Im Hinblick auf diese Erklärung störten der Kläger und seine Ehefrau im Frühjahr 2012 die Saatkrähen in der Brutkolonie „E.“ zu Beginn der Brutzeit gezielt durch die Verwendung von Krähenklappern und die Beschallung mit Greifvogelrufen. Daraufhin untersagte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau durch Bescheid vom 29. März 2012 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes mit sofortiger Wirkung alle weiteren Störmaßnahmen im Bereich der Saatkrähenbrutkolonie „E.“, insbesondere den Einsatz optischer Mittel, die Beschallung, die Nutzung pyrotechnischer Munition und von Leucht- und Knallkörpern sowie den Einsatz einer Krähenklappe. Zur Begründung dieser Verfügung führte der Beklagte aus, dass die vom Kläger und seiner Ehefrau durchgeführten Maßnahmen zu einer Reduzierung der Brutkolonie um mehr als 100 Brutpaare geführt hätten. Bei einer derartigen Reduzierung des Bestandes um ca. 50 % liege unzweifelhaft eine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands dieser lokalen Population vor. Die fortgesetzte Störung verstoße daher gegen § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Darüber hinaus könne angenommen werden, dass auch die Fortpflanzungsstätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG beschädigt worden seien. Eine weitere Störung der Kolonie und damit ein weiterer Verstoß gegen die Maßgaben des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG könne nicht mehr hingenommen werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 19. April 2012 Widerspruch. Anschließend beantragte er beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Diesen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 29. Oktober 2012 (1 B 2338/12) ab. Die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers wies der Senat durch Beschluss vom 18. Dezember 2012 (4 ME 285/12) mit der Begründung zurück, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen seien und die daher vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgehe. In der Folgezeit wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 10. April 2013 zurück. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 15. April 2014 (1 A 2683/13) ab. Diese Entscheidung ist Gegenstand des Parallelverfahrens zum Aktenzeichen 4 LC 157/14.

Als Folge der Störungen im Frühjahr 2012 teilte sich die Kolonie „E.“. Die Saatkrähen verließen das betreffende Gehölz in großem Umfang und siedelten sich unter anderem im Bereich der „F.“ sowie in geringerem Umfang auf dem Gelände einer Grundschule in B. an, wo jeweils Vergrämungsmaßnahmen durch den Beklagten befristet zugelassen wurden. Im Frühjahr 2013 kehrten die Krähen in größerer Zahl in die Kolonie „E.“ zurück.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren bezogen und ergänzend vorgetragen, dass sowohl die Ergebnisse der Lärmmessung als auch die Situation selbst durch den Beklagten bagatellisiert und unzutreffend bewertet worden seien. Die gemessenen Emissionswerte überschritten die für das vorliegende Wohngebiet bestehenden Maximaldaten in erheblichem Maße. Außerdem bleibe völlig außer Betracht, dass die Krähen einen Dauerlärmpegel produzierten, während vorbeifahrende einzelne Kraftfahrzeuge nur Geräuschspitzen verursachten. Weiterhin müsse berücksichtigt werden, dass sich die betreffende Brutkolonie auf Grund genehmigter Vergrämungsmaßnahmen beispielsweise im Bereich der Hünenburg gebildet habe. Die durchgeführten Störungen im Jahr 2012 hätten zum einen belegt, dass die beabsichtigten Maßnahmen effektiv seien, und zum anderen, dass diese keinerlei Einfluss auf die Entwicklung der Population hätten, da sich die Anzahl der Brutpaare am streitgegenständlichen Standort im Folgejahr wieder verdoppelt habe. Die lokale Population sei in keiner Weise beeinträchtigt worden, die Vögel hätten sich im näheren Umfeld verteilt und neue Nistplätze geschaffen. Auch das Niedersächsische Ministerium für Umwelt habe in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2012 ausgeführt, dass die lokale Population durch Vergrämungsmaßnahmen keineswegs beeinträchtigt werde, da die Vögel lediglich gezwungen würden, sich an weniger sensiblen Standorten anzusiedeln.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die von ihm beabsichtigten Maßnahmen, nämlich das Aufhängen von Klappern in den Nistbäumen der Krähen sowie der gezielte Einsatz von akustischen Mitteln zum Vertreiben der Krähen in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage (üblicherweise Anfang April), gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt sind, und den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die von ihm nach dem Hauptantrag beabsichtigten Maßnahmen eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zuzulassen,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für die von ihm nach dem Hauptantrag beabsichtigten Maßnahmen eine Befreiung nach § 67 BNatSchG zu erteilen,

hilfsweise,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag, Vergrämungsmaßnahmen im Hinblick auf die Saatkrähenkolonie „E. /D. Straße“ zuzulassen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

auf die Gründe des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides verwiesen und vorgetragen, dass die Schallmessungen in enger Abstimmung mit dem Kläger sowohl bezüglich der Messpunkte als auch der Termine durchgeführt worden seien. Das Schallgutachten stelle die abschließende fachliche Auswertung der bei den Schallmessungen protokollierten Daten dar. Für die abschließende Beurteilung des Falles seien alle relevanten Tatsachen sowie Grundlagen zur Brutbiologie der Saatkrähen berücksichtigt worden. Die Größe einer Saatkrähenkolonie werde u.a. durch die vorhandenen Nistmöglichkeiten und die Futterversorgung am Brutstandort auf natürliche Weise geregelt, jeder Eingriff störe diese natürliche Balance. Eine Vergrämung innerhalb der stabilen Kolonie „E.“ würde unweigerlich zu einer Sprengung der Kolonie und zur Gründung weiterer Niststandorte in der näheren Umgebung führen, die dann innerhalb kurzer Zeit durch starke Bruten stabilisiert würden. Dies sei auch für die verbliebenen Saatkrähen der geschwächten Ursprungskolonie zu erwarten. Daher sei im Falle einer Vergrämung zu erwarten, dass die Beeinträchtigungen durch Lautäußerungen und Verschmutzung an mehreren Standorten in unmittelbarer Nähe zunehmen würden. Auch wenn die Krähen im Stadtwald nisten würden, müssten sie die Wohngebiete entlang der D. Straße überfliegen, um die Nahrungsquellen entlang der Weser zu erreichen. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass aus der Kolonie „E.“ vertriebene Brutpaare, ebenso wie aus der Kolonie „G.“ vertriebene Brutpaare den Stadtwald meiden und sich ebenfalls im innerstädtischen besonders sensiblen Bereich niederlassen würden. Die Störungsmaßnahmen, die der Kläger im Frühjahr 2012 durchgeführt habe und weiter durchführen wolle, stellten eine erhebliche Störung i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG dar. Der Erhaltungszustand der lokalen Population der europäischen Vogelart der Saatkrähen verschlechtere sich dadurch. Ein lokale Population sei bei koloniebildenden Vögeln wie den Saatkrähen die jeweilige Kolonie, da es sich hierbei um ein gut abgrenzbares örtliches Vorkommen handele. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Art sei aber auch dann anzunehmen, wenn man den gesamten Saatkrähenbestand in B. als lokale Population i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ansehe. Der Gesamtbestand der Art könne durch Zersplitterungen gefährdet werden, da die kleinen Kolonien störanfälliger seien. Darüber hinaus sei durch die im Frühjahr 2012 durchgeführten Maßnahmen des Klägers eine große Anzahl der Brutplätze für die Vögel nicht mehr nutzbar gewesen, so dass hierdurch auch Fortpflanzungsstätten i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG beschädigt worden seien.

Mit Urteil vom 15. April 2014 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die von dem Kläger beabsichtigten Maßnahmen zur Vergrämung eines Teils der Saatkrähen der Brutkolonie „E.“ in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage Anfang April gemessen an § 44 BNatSchG verboten seien. Dabei könne offen bleiben, ob das geplante Vertreiben von Saatkrähen mit § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG vereinbar wäre, insbesondere, ob die beabsichtigte Störung erheblich sei, d.h. den Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtere, da die beabsichtigten Maßnahmen jedenfalls nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG unzulässig seien. Die beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen in der Form des gezielten Einsatzes von akustischen Mitteln richteten sich gegen eine von § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG geschützte Lebensstätte von wild lebenden Tieren einer besonders geschützten Art und stellten zudem eine durch die Vorschrift verbotene Handlung dar. Nicht nur die Nester der Saatkrähen, sondern auch die Bäume, in denen die Krähen ihre Nester errichteten, seien Fortpflanzungsstätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Durch die von dem Kläger beabsichtigte gezielte Erzeugung von Lärm durch das Aufhängen von Krähenklappen, deren Betätigung und die Beschallung mit Hilfe eines Megaphons würden die Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG beschädigt. Eine Fortpflanzungsstätte werde nicht nur dann beschädigt, wenn sie in ihrer Substanz verletzt werde, sondern auch dann, wenn es durch die betreffende Handlung zu einer nicht unerheblichen Minderung ihrer Brauchbarkeit für die Fortpflanzung der Tiere komme. „Beschädigung“ i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG könne auch eine indirekte Beeinträchtigung der ökologischen Funktionalität der Lebensstätte sein. Die Befestigung einer Krähenklappe in den Nistbäumen und deren Betätigung stellten bereits einen unmittelbaren und direkten Zugriff auf die Fortpflanzungsstätten dar. Ob und unter welchen Voraussetzungen mittelbare Beeinträchtigungen wie Lärm generell unter das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG fielen, könne offen bleiben, da dessen Voraussetzungen jedenfalls dann erfüllt seien, wenn der Lärm wie vorliegend im Hinblick auf die Art der Beschallung sowie deren Intensität gezielt ausgewählt und eingesetzt werde, um Tiere zu hindern, ihre Fortpflanzungsstätten zu nutzen, und sich hierfür auch objektiv eigne. In diesem Falle komme die Lärmerzeugung in ihrer Wirkung für die Funktion der Fortpflanzungsstätte einem direkten bzw. unmittelbaren Zugriff auf die Stätte gleich. Der Kläger könne zudem nicht verlangen, dass der Beklagte die geplanten Handlungen auf der Grundlage des § 45 BNatSchG zulasse. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 45 Abs. 7 BNatSchG seien nicht erfüllt, zudem ermögliche diese Vorschrift Ausnahmeregelungen nur im öffentlichen Interesse und sei nach der Gesetzesbegründung nicht dazu bestimmt, die Interessen Privater zu schützen. Der Kläger könne auch weder die begehrte Befreiung von den Verboten des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verlangen noch habe er einen Anspruch darauf, dass der Beklagte über seinen Befreiungsantrag erneut entscheide, da die diesbezügliche Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerfrei ergangen sei. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG von den so genannten Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG lägen nicht vor. Die von der in Rede stehenden Saatkrähenbrutkolonie ausgehenden Beeinträchtigungen seien für den Kläger nicht unzumutbar. Die typischen Laute bzw. die sonstigen Auswirkungen des Verhaltens der durch § 44 Abs. 1 BNatSchG geschützten Tiere im Allgemeinen rechtfertigten keine Befreiung von artenschutzrechtlichen Vorgaben, weil diese Auswirkungen im Regelfall bereits vom Normgeber bedacht worden seien. Vorliegend sei keine besondere atypische Fallgestaltung anzunehmen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten könne. Die so genannte „Landflucht“ der Saatkrähen stelle keine neue Entwicklung dar und sei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesnaturschutzgesetzes bereits bekannt gewesen. Für den Kläger habe sich zudem durch den Zuzug weiterer Saatkrähen in den letzten Jahren das Risiko verwirklicht, das aus der besonderen Lage seines Grundstückes als Nachbargrundstück des Stadtwaldes folge. Auch sei die betreffende Brutkolonie nicht außergewöhnlich groß. Das Grundstück des Klägers sei zudem von durch die Saatkrähen verursachten Verschmutzungen nicht erheblich betroffen. Der Lärm, den die Saatkrähen in der Nist-, Brut- und Nestlingszeit verursachten, sei dem Kläger zuzumuten, auch wenn dieser erheblich sei. Es sei dem Kläger im Hinblick auf den Gefährdungsgrad der Saatkrähen zuzumuten, den Lärm zu dulden oder ggf. selbst Maßnahmen zur Lärmreduzierung wie den Einbau von Schallschutzfenstern zu ergreifen. Es stände kurzfristig ausweislich des Gutachtens der CABWIM Consultancy vom 31. Mai 2013 kein Alternativstandort zur Verfügung, der sich für eine Umsiedlung der Vögel eigne und weniger konfliktträchtig sei. Aus den festgestellten Lärmemissionen der Krähen folgten zudem keine direkten bzw. unmittelbaren Gesundheitsgefahren.

Gegen das ihm am 26. Mai 2014 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Kläger am 25. Juni 2014 die vom Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt.

Zu deren Begründung trägt er vor, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf das gesamte Verfahren und insbesondere das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bzgl. der Untersagung der vorliegend begehrten Vergrämungsmaßnahmen als Überraschungsurteil zu bezeichnen sei, da nicht aufgeklärt worden sei, ob durch die in Rede stehenden Maßnahmen die Saatkrähe im Sinne der gesetzlichen Vorschriften erheblich gestört werde. Würde man wie das Verwaltungsgericht jede mittelbare Einwirkung auf die Saatkrähen als Zerstörungs- oder Beschädigung ihrer Fortpflanzungsstätten ansehen, sei grundsätzlich jede Vergrämungshandlung unzulässig, da diese immer damit verbunden sei, dass ein bisher von der betreffenden Krähe genutztes Nest nicht mehr benutzt werde. Diese weite Interpretation sei weder vom Gesetzgeber vorgegeben noch in sonstiger Weise gerechtfertigt und führe zu Abgrenzungsproblemen. Die Tatsache, dass Teile einer Krähenkolonie sich nicht in einem bestimmten Baumbereich ein neues Nest bauten, sondern dies in einer entfernteren Baumgruppe täten, stelle weder eine Beeinträchtigung der Population noch eine Beschädigung einer Fortpflanzungsstätte dar. Der Aufstellung des Beklagten über den Krähenbestand in der Zeit von 2008 bis 2013 sei zu entnehmen, dass die im Frühjahr 2012 durchgeführten Vergrämungsmaßnahmen überhaupt keine Reduktion oder sonstwie geartete Beeinträchtigung der Krähenpopulation bewirkt hätten, sondern lediglich eine (kurzzeitige) Verlagerung von einem Standort zu einem anderen. Die Orts-treue von Krähen resultiere nur aus dem erleichterten Vorfinden von Nistmaterial in den alten Nestern, stehe jedoch in keinem Verhältnis zur Population und deren Bestand. Es finde zudem ein Austausch zwischen den verschiedenen Kolonien im Umkreis statt, die gemeinsam die lokale Population bildeten. Solange Saatkrähen eines problematischen Standortes die Möglichkeit hätten, in benachbarte Kolonien auszuweichen, sei in Übereinstimmung mit der Auffassung des Niedersächsischen Umweltministeriums im Falle einer akustischen Vergrämung an dem problematischen Standort keine Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population gegeben. Dies müsse auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Frage nach einer Befreiung berücksichtigt werden. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht ausreichend berücksichtigt, dass zum Zeitpunkt des Ortstermins noch keine Jungtiere vorhanden gewesen seien und sich mit der Verdopplung bis Verdreifachung des Tierbestandes auch die Lärmbelastung vervielfacht habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer - vom 15. April 2014 zu ändern und

festzustellen, dass die von ihm beabsichtigten Maßnahmen, nämlich das Aufhängen von Klappern in den Nistbäumen der Krähen sowie der gezielte Einsatz von akustischen Mitteln zum Vertreiben der Krähen in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage (üblicherweise Anfang April), gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt sind,

hilfsweise den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die von ihm nach dem Hauptantrag beabsichtigten Maßnahmen eine Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG zuzulassen,

weiter hilfsweise den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für die von ihm nach dem Hauptantrag beabsichtigten Maßnahmen eine Befreiung nach § 67 BNatSchG zu erteilen,

weiter hilfsweise den Bescheid des Beklagten vom 4. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. November 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag, Vergrämungsmaßnahmen im Hinblick auf die Saatkrähenkolonie „E. /D. Straße“ zuzulassen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

verweist auf die Begründung seines Widerspruchsbescheides und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die von dem Kläger ausgewählten Lärmquellen seien im Hinblick auf die Art der Beschallung sowie ihre Intensität gezielt ausgewählt und eingesetzt worden, um die Saatkrähe als besonders geschützte wildlebende Vogelart daran zu hindern, ihre Fortpflanzungsstätten zu nutzen. Eine derartige Lärmerzeugung wirke dabei unmittelbar auf die Fortpflanzungsstätte und falle dadurch unter das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Durch die im Frühjahr 2012 durchgeführten Maßnahmen sei die lokale Population erheblich reduziert worden. Erst durch die Untersagung der Störungsmaßnahmen im März 2012 sei die Population wieder auf das Niveau vor der Störung angewachsen. Eine Population sei bei Koloniebrütern wie den Saatkrähen die einzelne Kolonie. Diese Population der Brutkolonie „E.“ würde bei weiterer Durchführung der begehrten Störungsmaßnahmen und jährlicher Wiederholung wahrscheinlich erlöschen. Für die Kolonie „E.“ gebe es kurzfristig weder in B. noch in der angrenzenden Landschaft ausreichende gleich gut geeignete Brut- und Fortpflanzungsstätten. Bezüglich der Lärmbelastung sei zudem darauf hinzuweisen, dass die Krähen im Regelfall in südlicher Richtung ausschwärmten, also vom Grundstück des Klägers weg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden und des Parallelverfahrens zum Aktenzeichen 4 LC 157/14 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat Erfolg. Denn das Verwaltungsrecht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die Klage ist mit dem Hauptantrag, festzustellen, dass die vom Kläger beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt sind, zulässig.

Die Feststellungsklage ist insbesondere statthaft. Zwar kann eine Feststellung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Statthaftigkeit der vorliegenden Feststellungsklage wird durch den Subsidiaritätsgrundsatz aber nicht in Frage gestellt. Dieser greift nur in den Fällen ein, in denen sich das mit der Feststellungsklage erstrebte Ziel mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage ebenso gut oder besser erreichen lässt (BVerwG, Urt. v. 24.6.2004 - 4 C 11.03 -, BVerwGE 121, 152). Das ist hier indessen nicht der Fall. Der Beklagte hat dem Kläger und seiner Ehefrau zwar durch Bescheid vom 29. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2013 mit sofortiger Wirkung alle weiteren Störmaßnahmen im Bereich der Saatkrähen-Brutkolonie „E.“, insbesondere den Einsatz optischer Mittel, die Beschallung, die Verwendung pyrotechnischer Munition und von Leucht- und Knallkörpern sowie den Einsatz von Krähenklappen untersagt. Gegen diese Verfügung hat der Kläger auch Anfechtungsklage erhoben, über die noch nicht rechtskräftig entscheiden ist. Die im Wege der Feststellungsklage zu klärende Frage, ob die vom Kläger beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt sind, stellt im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 29. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2013 aber lediglich eine Vorfrage dar, da die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung nicht nur voraussetzt, dass die Vergrämungsmaßnahmen gegen die Maßgaben des § 44 BNatSchG verstoßen. Daher garantiert die Anfechtungsklage keinen ebenso effektiven Rechtsschutz wie die vom Kläger erhobene Feststellungsklage, zumal nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, dass die Vorfrage im Anfechtungsverfahren letztlich entscheidungserheblich ist und daher geklärt werden muss (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 43 Rn. 122 f.; Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl., § 43 Rn. 32; Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. § 43 Rn. 25; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 43 Rn. 29; BVerwG, Urt. v. 17.2.1971 - V C 68.69 -, BVerwGE 37, 243, 247, u. Urt. v. 18.7.1969 - VII C 56.68 -, BVerwGE 32, 333, 335). Dann aber steht der Subsidiaritätsgrundsatz der Statthaftigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen.

Der Kläger kann schließlich auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse vorweisen, da zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die von ihm geplanten Vergrämungsmaßnahmen mit den Maßgaben des § 44 BNatSchG, insbesondere denen des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG, vereinbar sind.

Die Klage ist auch begründet. Denn die von dem Kläger beabsichtigten Maßnahmen, nämlich das Aufhängen von Klappern in den Nistbäumen der Krähen, deren Betätigung sowie der gezielte Einsatz von weiteren akustischen Mitteln zum Vertreiben der Krähen in der Brutkolonie „E.“ in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage, sind gemessen an § 44 BNatSchG erlaubt.

Als Verbotstatbestände, die den vorstehenden Maßnahmen entgegenstehen könnten, kommen allenfalls die des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG in Betracht. Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mau-ser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt nach der Legaldefinition in § 44 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. BNatSchG vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Darüber hinaus ist es gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Gegen diese Verbotstatbestände verstoßen die vom Kläger beabsichtigten Maßnahmen jedoch nicht.

Die geplanten Maßnahmen erfüllen den Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG nicht. Zwar handelt es sich bei den Saatkrähen um wildlebende Tiere einer europäischen Vogelart (§ 7 Nr. 12 BNatSchG i.V.m. Art. 1 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - FFH-Richtlinie). Diese würden durch die von dem Kläger in der Zeit von Mitte Februar bis zum Beginn der Eiablage beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen auch während der Fortpflanzungszeit gestört, da die Saatkrähen die in Rede stehenden akustischen Einwirkungen als beunruhigend empfinden und dadurch jedenfalls teilweise zum Verlassen ihres Nestes veranlasst würde. Doch ist diese Störung nicht erheblich i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. BNatSchG.

Eine erhebliche Störung setzt wie dargelegt voraus, dass sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Diese Einschränkung unter Einbeziehung des Populationsansatzes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, europarechtskonform. Diese steht nämlich mit den Vorgaben der FFH-Richtlinie im Einklang, da der europarechtliche Störungstatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. b FFH-RL im Gegensatz zum Tatbestand des Tötens von „Exemplaren dieser Art“ in Art. 12 Abs. 1 lit. a FFH-RL nur Störungen der „Art“ verbietet und damit ebenfalls einen art- bzw. populationsbezogenen Ansatz aufweist. Dies gilt auch für den Störungstatbestand des Art. 5 lit. d der Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutzrichtlinie - VRL), wonach sich die Störung auf die Zielsetzung dieser Richtlinie d.h. insbesondere das Schutzziel der Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (vgl. die Präambel und Art. 1 VRL) erheblich auswirken muss; denn dies ist unter Berücksichtigung des in Art. 13 VRL normierten Verschlechterungsverbots nicht der Fall, wenn der aktuelle Erhaltungszustand der betroffenen Art sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274 Rn. 104; Urt. v. 12.3.2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299 Rn. 237; u. Urt. v. 21.6.2006 - 9 A 28.05 -, BVerwGE 126, 166 [BVerwG 21.06.2006 - BVerwG 9 A 28.05] Rn. 38; vgl. auch: Europäische Kommission, Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichen Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG, Endgültige Fassung, Februar 2007, II.3.2, S. 42, Rz. 39; Louis, NuR 2012, 467, 470).

Entgegen der Annahme des Klägers handelt es sich bei der Brutkolonie „E.“ um eine lokale Population i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG.

Der in § 44 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. BNatSchG verwendete Begriff der lokalen Population ist - anders als der Begriff der Population (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG) - gesetzlich nicht definiert. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. April 2007 erfasst eine lokale Population diejenigen (Teil-) Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen (BT-Drucks. 16/5100, S. 11). Der Unterarbeitskreis des Ständigen Ausschusses „Arten- und Biotopschutz“ der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz (LANA) definiert eine lokale Population als Gruppe von Individuen einer Art, die eine Fortpflanzungs- oder Überdauerungsgemeinschaft bilden und einen zusammenhängenden Lebensraum gemeinsam bewohnen; bei einer solchen Gruppe sind im Allgemeinen die Fortpflanzungsinteraktionen oder andere Verhaltensbeziehungen zwischen diesen Individuen häufiger als zwischen ihnen und Mitgliedern anderer lokaler Populationen derselben Art (LANA, Hinweise zu zentralen unbestimmten Rechtsbegriffen des BNatSchG, Stand: 2010, S. 6). Dabei kann je nach Verteilungsmuster, Sozialstruktur, individuellem Raumanspruch und Mobilität der Arten zwischen lokalen Populationen im Sinne eines gut abgrenzbaren örtlichen Vorkommens auf Grund des verdichteten Siedlungsverhaltens und lokalen Populationen im Sinne einer flächigen Verbreitung unterschieden werden (vgl. auch Schütte/Gerbig in Schlacke, GK-BNatSchG, § 44 Rn. 25; Louis, NuR 2012, 467, 470). Arten mit gut abgrenzbaren örtlichen Vorkommen sind nach der Begriffsbestimmung des Bundesamtes für Naturschutz durch kleinräumig konzentrierte Vorkommen charakterisiert, bei denen sich viele Individuen bedingt durch eine enge Bindung an bestimmte Lebensraumtypen bzw. -strukturen oder bestimmte Sozialstrukturen und Verhaltensweisen in gut abgrenzbaren Bereichen konzentrieren (Bundesamt für Naturschutz, http://www.ffh-anhang4.bfn.de/6229.html, abgerufen am 2.12.2015).

Als Beispiel für gut abgrenzbare örtliche Vorkommen benennt die Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz ausdrücklich Vogelansammlungen in Brutkolonien (LANA, a.a.O., S. 6). Danach kann eine einzelne Saatkrähenbrutkolonie - wie vorliegend die Kolonie „E.“ - für sich genommen als lokale Population betrachtet werden. Davon ist auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz in seiner Stellungnahme vom 31. Januar 2012 ausgegangen (Bl. 98 ff. GA). Die demnach naheliegende Annahme, dass die Brutkolonie „Am Oertel“ eine lokale Population i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. BNatSchG darstellt, wird durch die Untersuchung der CABWIM consultancy im Auftrag der Stadt B. vom 31. Mai 2013 (Bl. 38 ff. der GA des Verfahrens 4 LC 157/14) gestützt. Danach bestehen zwischen der Brutkolonie „E.“ und den weiteren großen Saatkrähenbrutkolonien im nördlichen Bereich der Stadt Achim keine erheblichen Wechselbeziehungen während der Brutzeit. Ausweislich des Gutachtens sind die Kolonien „E.“ und im nördlichen Bereich der Stadt B. „kaum miteinander verbunden“. Des Weiteren haben die Gutachter festgestellt, dass die Anzahl der Saatkrähen in der Kolonie „E.“ stark wechselt, diese Veränderungen aber mit der „Variation der Nester in B.-Nord“ nicht übereinstimmen, was ebenfalls für eine Selbständigkeit der Brutkolonie „E.“ spricht. Die Orientierung der Kolonien in Bezug auf die Nahrungssuche ihrer Bewohner ist ebenfalls unterschiedlich. Die Tiere der Brutkolonie „E.“ sind bei der Nahrungssuche hauptsächlich südwärts orientiert und finden ihre Nahrung nicht im Stadtgebiet, sondern in der B. Marsch, während die Saatkrähen der Kolonie „B. Nord“ hauptsächlich östlich und nördlich orientiert sind und ihre Nahrung in Ackergelände und vereinzelt im Stadtbereich in Gärten und Mülleimern finden. Damit unterscheiden sich die Brutkolonien „E.“ und in B. Nord sowohl hinsichtlich des Aktionsbereichs als auch der bevorzugten Nahrungsquellen der Saatkrähen erheblich. Ein weiterer Unterschied besteht nach dem Gutachten auch in Bezug auf die Orientierung der Saatkrähen bei der Suche nach neuen Niststellen. Bei einer Vergrämung der Kolonie „E.“ würden ausweislich des Gutachtens zuerst die südlichen Teile B. mit Birkenbeständen ausgewählt. Dagegen wären für die Kolonien in B.-Nord Baumbestände mit Birken, aber auch mit Eichen und Weiden in nördlicher und östlicher Richtung attraktiv. Des Weiteren haben die Gutachter festgestellt, dass die Anzahl der Saatkrähen in der Kolonie „E.“ stark wechselt, diese Veränderungen aber mit der „Variation der Nester in B.-Nord“ nicht übereinstimmen, was ebenfalls für eine Selbständigkeit der Brutkolonie „E.“ spricht. Die genannten Brutkolonien sind damit anhand ihrer Habitatsansprüche klar abgrenzbar. Dementsprechend hat sich die CABWIM consultancy veranlasst gesehen, die Kolonien „E.“ und in B.-Nord „unabhängig voneinander zu untersuchen“.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Brutkolonie „E.“ insbesondere im Hinblick auf deren enge Bindung an den Lebensraum in der Nähe des Marschlandes und die fehlenden erheblichen Wechselbeziehungen zu benachbarten Kolonien vergleichbarer Größe eine lokale Population i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG darstellt. Demnach ist entscheidend, ob sich der Erhaltungszustand dieses lokalen Vorkommens durch die beabsichtigten Störmaßnahmen verschlechtert (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.11.2013 - 9 A 14.12 -, BVerwGE 148, 373).

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen ist indessen nicht anzunehmen, dass es durch die von dem Kläger beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der in der Brutkolonie „E.“ ansässigen Saatkrähengruppe kommen wird.

Den Begriff „Erhaltungszustand einer Art“ definiert Art. 1 lit. i FFH-RL als die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Population der betreffenden Art auswirken können. Bei der Frage, ob sich der Erhaltungszustand einer lokalen Population verschlechtert, ist demzufolge ein längerer Zeitraum in den Blick zu nehmen, da nur nachhaltige negative Veränderungen relevant sein können. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes ist nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überlebenschancen, der Bruterfolg oder die Reproduktionsfähigkeit vermindert werden (BT-Drucks. 16/5100, S. 11). Der Unterarbeitskreis des Ständigen Ausschusses „Arten- und Biotopschutz“ der Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz definiert den Begriff der Verschlechterung des Erhaltungszustandes in § 44 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs. BNatSchG dahingehend, dass sich die Größe und der Fortpflanzungserfolg der lokalen Population in Folge der Störung signifikant und nachhaltig verringert (LANA, a.a.O., S. 6). Bezüglich des Fortpflanzungserfolges ist das dann anzunehmen, wenn Verhaltensweisen, die für das Überleben der Art notwendig sind, spürbar beeinträchtigt werden und infolge dessen ein Verbreitungsrückgang der Art zu erwarten ist (vgl. Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG Kommentar, § 44 Rn 12 m.w.N.). Kann die lokale Population diese nachteiligen Wirkungen aber im Wege der Eigenkompensation und/oder durch konfliktvermeidende oder -mindernde Maßnahmen in absehbarer Zeit abfangen, liegt keine erhebliche Störung vor (vgl. Trautner/Jooss, NuL 2008, S. 265, 271). Dementsprechend stellt eine Vergrämung jedenfalls dann keine erhebliche Störung i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG dar, wenn die betroffene Population auf bestehende oder eigens dafür hergestellte Habitate ausweichen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.3.2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299 Rn. 258; u. Urt. v. 14.4.2010 - 9 A 5.08 -, BVerwGE 136, 291 Rn. 128; vgl. auch Louis, NuR 2009, 91, 96 [BVerwG 09.07.2008 - BVerwG 9 A 14/07]).

Eine alljährliche Störung der Krähen nach der Eiablage, die diese zum zeitweiligen Verlassen des Nestes und damit zu einer Unterbrechung des Brütens oder der Aufzucht und Versorgung des Nachwuchses veranlassen würde, hätte einen direkten und nachhaltigen negativen Einfluss auf den Erhaltungszustand der Population und würde damit zweifelsfrei eine erhebliche Störung i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG darstellen (vgl. dazu OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 31.3.2011 - 11 B 19/10 -), da wesentliche Brutverluste mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten wären. Von dem Kläger ist jedoch ausdrücklich beabsichtigt, die Saatkrähen des betroffenen lokalen Vorkommens der Brutkolonie „E.“ durch akustische Maßnahmen wie die Betätigung einer Krähenklapper ausschließlich in dem Zeitraum zu stören, der der Eiablage vorgelagert ist. Die Saatkrähen sollen durch die beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen vom Nestbau und der Eiablage in den aktuell genutzten Nistbäumen abgehalten werden. Hierzu sind die beabsichtigten Störmaßnahmen - wie die Beobachtungen im Frühjahr 2012 gezeigt haben - auch geeignet, da die damals durchgeführten Vergrämungsmaßnahmen zu einer Reduzierung der Anzahl der Brutpaare in der Kolonie „Am Oertel“ um ca. 50 % geführt haben. Da der Nestbau und die Eiablage jedoch zwingend für das Überleben der betreffenden Population notwendig sind, wäre die beabsichtigte Störung erheblich, wenn die Saatkrähen durch die Störung in der Brutzeit in erheblichem Umfang aus der Kolonie vertrieben würden, es den vertriebenen Krähen nicht möglich wäre, in andere Bereiche auszuweichen und dort die für den Bruterfolg erforderlichen Tätigkeiten rechtzeitig durchzuführen, und dadurch ein erheblicher „Brutausfall“ eintreten würde, der nicht in absehbarer Zeit durch eine erhöhte Bruttätigkeit ausgeglichen würde. Davon kann hier indessen nicht ausgegangen werden.

Bei der hierzu anzustellenden Prognose kann zum einen auf die Beobachtungen im Rahmen der von dem Kläger und seiner Ehefrau im Frühjahr 2012 durchgeführten Vergrämungsmaßnahmen und zum anderen auf die Feststellungen der CABWIM consultancy im Rahmen ihrer Begutachtung im Frühjahr 2013 (Bl. 38 ff. der GA des Verfahrens 4 LC 157/14) zurückgegriffen werden.

Nach den Beobachtungen im Frühjahr 2012 ist davon auszugehen, dass die vom Kläger geplanten Vergrämungsmaßnahmen nicht alle Vögel der Brutkolonie „E.“, sondern nur einen erheblichen Teil dieser Population vertreiben würden. Die Vergrämungsmaßnahmen, die der Kläger in Zukunft vernehmen will, entsprechen nach Art und Zeitdauer den Maßnahmen, die der Kläger und seine Ehefrau im Frühjahr 2012 durchgeführt haben. Diese haben zu einer Reduzierung der Zahl der Brutpaare um ca. 50 % geführt. Daher steht nicht zu erwarten, dass die geplanten Maßnahmen eine vollständige Vertreibung der Saatkrähen der Brutkolonie „E.“ zur Folge haben würden. Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass jährlich wiederkehrend Vergrämungsmaßnahmen zu einer vollständigen Aufgabe des Brutstandortes „E.“ führen würden. Gegenteiliges kann auch nicht der Untersuchung der CABWIM consultancy entnommen werden.

Weiterhin ist zu erwarten, dass die Saatkrähen, die die Brutkolonie „E.“ im Falle der Durchführung der vom Kläger geplanten akustischen Vergrämungsmaßnahmen verlassen würden, in und um Achim Ausweichquartiere finden würden.

Die CABWIM consultancy prognostiziert, dass eine vollständige Vergrämung der Kolonie „E.“ ohne vorherige Ausgleichsmaßnahmen zu einer Umsiedlung der Tiere innerhalb B. führen würde, da es aktuell keine gute Alternativstelle außerhalb B. gebe. Im Stadtgebiet ständen jedoch verschiedene attraktive offene Baumbestände mit den von den betreffenden Krähen benötigten Kombinationen von Birken und Eichen beispielsweise am Wall an der Hünenburg, wo Saatkrähen mehrfach in Eichen neben Birken zu nisten versucht hätten, sowie an der Eisenbahn und der Realschule zur Verfügung, wo bereits andere Krähen brüteten. Dass eine derartige Umsiedlung auf Grund entgegenstehender öffentlicher und privater Interessen der in dem Fall betroffenen Anlieger nicht unproblematisch ist und möglicherweise zu weiteren Vergrämungsmaßnahmen an einigen der neuen Standorte führen wird, schließt die Möglichkeit, dass sich die Krähen der Brutkolonie „E.“ an diesen Standorten niederlassen und dort die für den Reproduktionserfolg erforderlichen Tätigkeiten rechtzeitig nachholen, nicht aus. An diesen Standorten wäre auch die Versorgung des Nachwuchses sichergestellt, da die Nahrungsstätten im Süden B. für die Krähen auch von diesen Standorten aus noch zu erreichen wären. Außerdem befindet sich ausweislich des Gutachtens in der Nähe des wichtigen Nahrungshabitats, dem Gras- und Ackerland neben dem G.weg in H., eine Gruppe von Birken und Eichen, die für die Umsiedlung eines Teils der Brutkolonie in Betracht käme. Des Weiteren ist im Hinblick auf die Bestandszählungen im Zusammenhang mit den bereits durchgeführten Vergrämungsmaßnahmen im Frühjahr 2012 anzunehmen, dass sich eine erhebliche Anzahl der an der Kolonie „B.“ vertriebenen Brutpaare außerhalb des Stadtgebietes innerhalb der zu bewältigenden Distanz zu ihrem bevorzugten Nahrungsgebiet niederlassen würde. Denn die Anzahl der Brutpaare in den anderen Kolonien der Stadt B. hat sich nach den Feststellungen der CABWIM consultancy (Bl. 41 GA 4 LC 157/14) nicht in dem gleichen Ausmaß erhöht, wie Krähenpaare aus der Kolonie „E.“ vertrieben wurden. Zudem fanden sich am Standort „E.“ nach Beendigung der Vergrämungsmaßnahmen im Frühjahr 2013 wiederum 256 Brutpaare ohne signifikante negative Auswirkung auf den Bestand der übrigen Kolonien ein (vgl. Überblick über den Saatkrähenbrutbestand 2013 im Vergleich zu 2012, Bl. 160 der Beiakte „A“ zu 4 LC 157/14). Im Hinblick auf die Standorttreue der Saatkrähen ist zu unterstellen, dass es sich hierbei überwiegend um Tiere handelt, die in den Jahren zuvor in der in Rede stehenden Brutkolonie ansässig waren. Die Anzahl der Brutpaare der Kolonie „E.“ hat sich im Vergleich zu dem Jahr 2011 vor der Durchführung der Störmaßnahmen (204 Brutpaare) sogar vergrößert.

Des Weiteren bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es den aus der Brutkolonie „E.“ vertriebenen Saatkrähen an den Standorten, an denen sie sich niederlassen würden, generell nicht möglich wäre, die für den Bruterfolg erforderlichen Tätigkeiten rechtzeitig nachzuholen. Denn die Saatkrähen sind durchaus in der Lage, auf den Verlust von Nestern durch erneuten Nestbau und spätere Eiablage zu reagieren. So kann der Nestbau ausweislich der Abhandlung von Krüger/Nipkow über „Die Saatkrähe Corvus frugilegus als Brutvogel in Niedersachsen“ in dem vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - Fachbehörde für Naturschutz - herausgegebenen Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen in Ausnahmefällen noch bis Ende April/Anfang Mai nachgeholt werden und die Eiablage bis Mitte Mai erfolgen (Heft 1/2015, S. 13). Daher ist ein wesentlicher „Brutausfall“ aufgrund der vom Kläger geplanten Vergrämungsmaßnahmen in der Brutkolonie „E.“ nicht zu besorgen.

Hinzu kommt, dass zu erwarten ist, dass ein eventueller „Brutausfall“ durch eine erhöhte Bruttätigkeit in den Folgejahren - und damit in absehbarer Zeit - ausgeglichen würde. Der Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren selbst vorgetragen, dass die aus der Brutkolonie vertriebenen Saatkrähen den Bestand „innerhalb kurzer Zeit durch starkes Brüten (größere Gelegegrößen, mehr Jungvögel) stabilisieren“ würden und dass sich die „verbliebenen Saatkrähen der geschwächten Ursprungskolonie“ „auch so verhalten“ würden, „um den Verlust innerhalb der alten Kolonie auszugleichen“. Dies ist für den Senat auch nachvollziehbar und gilt sowohl für die am ursprünglichen Standort verbliebenen Tiere als auch für die durch eine mögliche Zersplitterung der Brutkolonie „E.“ entstehenden kleineren Tochterkolonien. Nach der Abhandlung „Die Saatkrähe Corvus frugilegus als Brutvogel in Niedersachsen“ wachsen neu gegründete Tochterkolonien schneller an als die ursprüngliche Stammkolonie, da es anfangs an regulierender Konkurrenz um geeignete Nistplätze weitgehend fehlt (S. 25). Zwar sind kleinere Kolonien störanfälliger als größere Vorkommen einer Art, doch ist nicht davon auszugehen, dass kleinere Kolonien zwangsläufig davon bedroht sind, in ihrem Bestand durch natürliche Feinde oder andere äußere Einflüsse erheblich dezimiert zu werden, schließlich umfasst mehr als die Hälfte (53 %) der insgesamt 127 Brutkolonien von Saatkrähen in Niedersachsen nur bis zu 50 Brutpaare (S. 13).

Angesichts dieser Umstände ist nicht zu erwarten, dass sich die Größe und der Fortpflanzungserfolg der aktuell in der Brutkolonie „E.“ ansässigen Population von Saatkrähen auch bei jährlicher Durchführung der von dem Kläger beabsichtigten akustischen Störmaßnahmen signifikant und nachhaltig verringern werden. Damit unterliegen die von dem Kläger beabsichtigten Vergrämungsmaßnahmen nicht dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, wenn diese wie geplant vor der Eiablage erfolgen.

Die von dem Kläger beabsichtigten Störmaßnahmen sind auch nicht gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verboten.

Denn die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die geplante Befestigung und Betätigung sogenannter Krähenklappen in den Nistbäumen ebenso wie der mobile Einsatz solcher Klappen oder die anderweitige Beschallung der Saatkrähenkolonie den Tatbestand der Beschädigung der Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen erfüllten, ist schon aus gesetzessystematischen Gründen unzutreffend.

§ 44 Abs. 1 BNatSchG differenziert zwischen der erheblichen Störung wildlebender Tiere der strenggeschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten, die § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG verbietet, und der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG unzulässig ist. Demnach ist nach der gesetzlichen Systematik die erhebliche Störung der in § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG aufgeführten wildlebenden Tiere von der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung der in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG bezeichneten Fortpflanzungs- und Ruhestätten abzugrenzen. Diese Abgrenzung ist schon nach dem Wortlaut der Norm, aber auch nach deren Sinn und Zweck danach vorzunehmen, worauf die jeweilige Maßnahme unmittelbar einwirkt. Während der Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG eine direkte Einwirkung in der Gestalt einer erheblichen Störung auf die Tiere selbst voraussetzt, verlangt der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG eine solche Einwirkung auf deren Fortpflanzungs- oder Ruhestätten. Da diese Lebensstätten gegen eine Zerstörung, Beschädigung und Entnahme aus der Natur geschützt sind, ist eine körperliche Einwirkung auf die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten, die deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigt, erforderlich (vgl. Louis, NuR 2009, 91, 94; Schütte/Gerbig in Schlacke, GK-BNatSchG, § 44 Rn. 22; Möller, Naturschutzrecht, Bd. IV, Stand: 2013, S. 704 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.10.2014 - 8 C 10233/14 -, NuR 2015, 188; so auch Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG § 44 Rn. 18 in Bezug auf die Tatbestände der Beschädigung und Zerstörung). Ob eine Beschädigung dabei eine nicht unerhebliche Verletzung der Substanz der Lebensstätte voraussetzt (so Louis, NuR 2009, 91, 94), kann hier dahinstehen. Erforderlich ist jedenfalls, dass das geschützte Objekt, nämlich die Fortpflanzungs- oder Ruhestätte, selbst unmittelbar betroffen ist (Louis, NuR 2009, 91, 94). Mittelbare Beeinträchtigungen, beispielsweise durch Lärm, der auf die Tiere einwirkt und dazu führt, dass diese ihre Lebensstätte verlassen, genügen hingegen nicht (Louis, NuR 2009, 91, 94 [BVerwG 09.07.2008 - BVerwG 9 A 14/07]; Schütte/Gerbig in Schlacke, GK-BNatSchG, § 44 Rn. 22; Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG § 44 Rn. 18; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.10.2014 - 8 C 10233/14 -, NuR 2015, 188).

Allerdings kann eine Lebensstätte durch Lärm mittelbar betroffen sein, weil diese ihre Funktion verlieren kann, wenn durch Lärm gestörte Tiere sie verlassen und dauerhaft meiden. Darin liegt aber schon deshalb keine Beschädigung einer Lebensstätte im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, weil in einem solchen Fall keine unmittelbare Einwirkung auf die Lebensstätte selbst, sondern eine unmittelbare Einwirkung auf die Tiere erfolgt, die gesetzessystematisch dem Störungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG zugeordnet ist. Das Verlassen der Lebensstätte und deren Funktionsverlust wegen Lärms ist nämlich ausschließlich auf die Einwirkungen des Lärms auf den psychischen Zustand der Tiere und damit auf deren Störung zurückzuführen, während die Lebensstätte in ihrer materiellen Beschaffenheit unberührt bleibt (Louis, NuR 2009, 91, 94 [BVerwG 09.07.2008 - BVerwG 9 A 14/07]; Schütte/Gerbig in Schlacke, GK-BNatSchG, § 44 Rn. 22; Lau in Frenz/Müggenborg, BNatSchG § 44 Rn. 18; Möller, Naturschutzrecht, Bd. IV, Stand: 2013, S. 704 f.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 14.10.2014 - 8 C 10233/14 -, NuR 2015, 188; a.A. Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Bd. II, § 44 BNatSchG Rn. 20).

Abgesehen davon hätte die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, dass Einwirkungen auf den psychischen Zustand der Tiere durch Verlärmungsmaßnahmen eine Beschädigung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG darstellen, oftmals - so auch im vorliegenden Fall - zur Folge, dass die Erheblichkeitsschwelle des Störungstatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG unterlaufen würde. Störungen der Tiere sind nach dieser Vorschrift nur verboten, wenn sie erheblich sind. Dies setzt nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 BNatSchG voraus, dass sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Diese Schwelle würde missachtet, wenn man Verlärmungsmaßnahmen, die auf die Tiere selbst einwirken, aber keine erheblichen Störungen der Tiere im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG darstellen, als Beschädigung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ansehen würde.

Daher steht die gesetzliche Systematik der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung entscheidend entgegen. Außerdem legt auch der Begriff der Beschädigung in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG die Notwendigkeit einer körperlichen Einwirkung auf die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten, die deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigt, nahe.

Gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. April 2007 (BT-Drucks. 16/5100) heißt es lediglich, dass mit der Neufassung der Verbotstatbestände in § 42 Abs. 1 BNatSchG, der inhaltlich § 44 Abs. 1 BNatSchG in der jetzt geltenden Fassung entspricht, und der Aufhebung des § 43 Abs. 4 BNatSchG sichergestellt wird, dass in Übereinstimmung mit Art. 12 Abs. 1 lit. d der FFH-Richtlinie jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von im Anhang IV a der Richtlinie genannten Tierarten verboten sind (S. 5), und dass in § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG der bisher vorgesehe Schutz bestimmter Lebensstätten aus dem Individienschutz herausgelöst und tatbestandlich eigenständig gefasst wird, wobei die nunmehr gewählten Begriffe Fortpflanzungs- und Ruhestätten dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 lit. d der FFH-Richtlinie entsprechen (S. 11). Soweit in der Gesetzbegründung darüber hinaus von einer auf die Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionalität von Fortpflanzungs- und Ruhestätten gerichteten Prüfung die Rede ist, beziehen sich diese Ausführungen lediglich auf die Ergänzung des § 42 BNatSchG durch die neuen Absätze 4 und 5 und nicht auf den Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG.

Schließlich gebietet auch Europarecht nicht die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG. Denn der FFH-Richtlinie, der zufolge die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zur Einführung eines strengen Schutzsystems für die im Anhang IV a genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten treffen, das jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verbietet (Art. 12 Abs. 1 lit. d FFH-RL), kann nicht entnommen werden, dass der Beschädigungstatbestand auch bei einer Einwirkung auf die Tiere, die zum Verlassen der Lebensstätten führt, erfüllt ist. Daher kann auch keine Rede davon sei, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommen Auslegung schon um der Vermeidung unionsrechtlicher Beanstandungen willen geboten sei (so aber Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Bd. II, § 44 BNatSchG Rn. 20). Etwas anderes kann auch nicht aus dem “Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG“ (endgültige Fassung Februar 2007) hergeleitet werden. Zum einen reflektiert dieser Leitfaden nach seinem Vorwort (S. 4) lediglich die Ansichten der Kommissionsdienststellen und ist nicht rechtsverbindlich. Zum anderen lässt sich aus der Definition der Beschädigung als materielle Verschlechterung einer Fortpflanzungs- und Ruhestätte, die auch schleichend erfolgen und sogar zu einer Verschlechterung der Funktionalität der betreffenden Stätte führen kann, auch nicht schließen, dass es keiner unmittelbaren Einwirkung auf die Fortpflanzungs- und Ruhestätte bedarf. Dagegen sprechen im Übrigen auch die dort angeführten Beispiele für Beschädigungen, die durch physische Einwirkungen auf die Fortpflanzungs- oder Ruhestätten gekennzeichnet sind.

Ausgehend davon stellen die vom Kläger geplanten Verlärmungsmaßnahmen keine Beschädigung der Fortpflanzungsstätten der Saatkrähen dar. Dabei kann dahinstehen, ob durch die Befestigung sogenannter Krähenklappen in den Nistbäumen körperlich auf die Ruhestätten der Saatkrähen eingewirkt wird. Denn die Befestigung der Krähenklappen allein wirkt sich nicht nachteilig auf die Funktion der Fortpflanzungsstätten aus. Nachteilig ist lediglich die mechanische Betätigung der Klappen. Die Maßnahme stellt hingegen ebenso wie die Betätigung mobiler Krähenklappen und sonstige Verlärmungsmaßnahmen keine Beschädigung der Fortpflanzungsstätten dar, da sie nur auf die Tiere selbst einwirkt und damit lediglich eine Störung im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG darstellt, die Lebensstätten hingegen physisch unberührt lässt. Schließlich erfüllt eine derartige Maßnahme auch nicht den Tatbestand der Entnahme der Fortpflanzungsstätten aus der Natur, da es an der erforderlichen körperlichen Einwirkung auf diese Lebensstätten fehlt.

Da die Klage demzufolge mit dem Hauptantrag sowohl zulässig als auch begründet ist, bedarf es keiner Entscheidung über die vom Kläger gestellten Hilfsanträge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.