Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.2015, Az.: 5 LB 84/15

amtsabhängige Mindestversorgung; amtsbezogene Mindestversorgung; amtsunabhängige Mindestversorgung; Kindererziehungsergänzungszuschlag; Kindererziehungszuschlag; Mindestversorgung; mittelbare Diskriminierung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.12.2015
Aktenzeichen
5 LB 84/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45181
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.11.2014 - AZ: 2 A 2443/13

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Erhöhung des Mindestruhegehalts um einen Kindererziehungszuschlag infolge der Ausschlussregelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG.

Die in § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG enthaltene Regelung, wonach Kindererziehungszuschläge nicht die Mindestversorgung erhöhen, ist mit höherrangigem Recht - insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 157 AEUV - vereinbar.

1. Die Vorschrift des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar kann (männlichen und weiblichen) Versorgungsempfängern, welche das erdiente Ruhegehalt gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG erhalten und Kinder erzogen haben, gemäß § 61 NBeamtVG vorübergehend ein monatlicher Kindererziehungszuschlag gewährt werden, während bei (männlichen und weiblichen) Versorgungsempfängern, denen ein amtsbezogenes oder ein amtsunabhängiges Mindestruhegehalt (§ 16 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 NBeamtVG) gezahlt wird und die Kinder erzogen haben, eine Erhöhung dieses Mindestruhegehalts um den Kindererziehungszuschlag gemäß § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG ausgeschlossen ist. Sachlicher Grund für diese Differenzierung ist jedoch der Umstand, dass das erdiente Ruhegehalt einerseits und die Mindestversorgung andererseits auf vollständig unterschiedlichen Berechnungsmodellen beruhen (ebenso: OVG Rh. Pf., Urteil vom 22.7.2011 - 10 A 10132/11 -, juris).

2. Auch ein Verstoß der Vorschrift des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG gegen Art. 157 AEUV liegt nicht vor. Selbst wenn man von einer aus der Anwendung dieser Bestimmung resultierenden mittelbaren Entgeltdiskriminierung zu Lasten weiblicher Versorgungsempfänger ausginge, wäre diese aus den unter 1. genannten Gründen gerechtfertigt.

3. Zur Frage der Erhöhung der Mindestversorgung um einen Kindererziehungsergänzungszuschlag vgl. Nds. OVG, Urteil vom 8.12.2015 - 5 LB 85/15 - (aufgrund der - mit höherrangigem Recht vereinbaren - Ausschlussregelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG ebenfalls verneint).

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer - vom 6. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die ihr ab dem 1. August 2012 gewährte amtsbezogene Mindestversorgung um einen monatlichen Kindererziehungszuschlag zu erhöhen.

Die am …………. 1956 geborene Klägerin stand im Statusamt einer Studienrätin (Besoldungsgruppe A 13) im niedersächsischen Schuldienst. Sie ist Mutter dreier in den Jahren 1983, 1984 und 1993 geborener Kinder. Mit Ablauf des 31. Juli 2012 wurde die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Mit Bescheid vom 25. Juli 2012 hatte die Beklagte die Versorgungsbezüge der Klägerin für die Zeit ab dem 1. August 2012 festgesetzt. Weil das sog. erdiente Ruhegehalt        - berechnet gemäß § 16 Abs. 1 des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes (NBeamtVG) unter Zugrundelegung ruhegehaltfähiger Dienstbezüge in Höhe von 4.483,20 EUR sowie eines erdienten Ruhegehaltssatzes in Höhe von 21,72 Prozent - abzüglich des Versorgungsabschlags lediglich 868,58 EUR betrug und damit geringer war als das sog. amtsbezogene bzw. amtsabhängige Mindestruhegehalt gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 NBeamtVG in Höhe von 35 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge im Sinne des § 5 NBeamtVG, setzte die Beklagte ein Ruhegehalt in Höhe der amtsbezogenen Mindestversorgung (= 1.569,12 EUR) fest. Dieser Betrag wurde weder um einen Kindererziehungszuschlag (§ 58 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG) noch um einen Kindererziehungsergänzungszuschlag (§ 58 Abs. 5 NBeamtVG) erhöht.

Unter dem 7. August 2012 beantragte die Klägerin die vorübergehende Zahlung eines Kindererziehungs- sowie eines Kindererziehungsergänzungszuschlags gemäß § 61 in Verbindung mit § 58 NBeamtVG. Diese Anträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2012 (Kindererziehungszuschlag) sowie vom 10. Oktober 2012 (Kindererziehungsergänzungszuschlag) ab. Zur Begründung beider Bescheide führte sie aus, dass der Klägerin zwar dem Grunde nach vorübergehend ein Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag zustehe. Das erdiente Ruhegehalt zuzüglich beider Zuschläge sei jedoch niedriger als das amtsbezogene Mindestruhegehalt, so dass die Mindestversorgung ohne den jeweiligen Zuschlag zu zahlen sei. Dementsprechend ändere sich trotz des grundsätzlichen Anspruchs auf Gewährung des jeweiligen Zuschlags an der Höhe der Versorgung nichts.

Den von der Klägerin unter dem 3. November 2012 gegen beide Bescheide gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2013 (Kindererziehungszuschlag) sowie vom 14. Februar 2013 (Kindererziehungsergänzungszuschlag) zurück. Gemäß § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG werde nur die erdiente Versorgung um den Kindererziehungs- und den Kindererziehungsergänzungszuschlag erhöht, nicht jedoch das Mindestruhegehalt. Der Klägerin stehe ein erdientes Ruhegehalt inklusive beider Zuschläge in Höhe von 1.115,21 EUR zu. Da dieses erdiente Ruhegehalt unterhalb des amtsbezogenen Mindestruhegehalts in Höhe von monatlich 1.569,12 EUR liege, sei die Mindestversorgung ohne Zuschläge zu zahlen.

Mit ihrer am 13. März 2013 beim Verwaltungsgericht Hannover erhobenen - dort unter dem Aktenzeichen 2 A 2443/13 geführten - Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiterverfolgt, ihr den Kindererziehungszuschlag zusätzlich zur Mindestversorgung zu gewähren; zugleich hat sie unter demselben Datum mit einer weiteren Klage (2 A 2442/13) die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Mindestversorgung auch um den Kindererziehungsergänzungszuschlag zu erhöhen. Zur Begründung beider Klagen hat die Klägerin geltend gemacht, die Vorschrift des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG führe zu einer Ungleichbehandlung, welche nicht nur gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), sondern auch gegen den in Art. 157 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelten Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit verstoße. Soweit die Beklagte im Klageverfahren 2 A 2442/13 eine per EDV erstellte Datenauswertung zur Gerichtsakte gereicht habe, woraus sich ergebe, dass von 28 Studienrätinnen und -räten der Jahrgänge 1950 bis 1965, welche die Mindestversorgung erhielten, 4 männlichen und dementsprechend 24 weiblichen Geschlechts seien, folge hieraus eine statistisch signifikante Diskriminierung durch die streitgegenständliche Vorschrift des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG. Denn diese betreffe ganz überwiegend Frauen.

Diese (geschlechtsbezogene) Diskriminierung sei auch nicht gerechtfertigt; insoweit werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Koblenz in dessen Urteil vom 12. Januar 2011 (- 2 K 801/10.KO -) Bezug genommen. Soweit die Beklagte damit argumentiere, dass diese Entscheidung durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Juli 2011 (- 10 A 10132/11 -) aufgehoben und das Bundesverwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 17. April 2013 (- BVerwG 2 B 109/11 -) zurückgewiesen habe, werde darauf hingewiesen, dass die genannte bundesverwaltungsgerichtliche Entscheidung allein dem Vorhandensein von Darlegungsmängeln geschuldet gewesen sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht Potsdam in seinem Urteil vom 6. Dezember 2006 (- 2 K 3619/03 -) dahin erkannt, dass auch das Mindestruhegehalt um einen Kindererziehungszuschlag erhöht werden könne und dass sich insbesondere aus Sinn und Zweck dieses Zuschlags nichts anderes ergebe. Denn dieser liege nicht darin, einen Ausgleich für Beamte zu gewähren, die aufgrund der Kindererziehung nur eine kürzere ruhegehaltfähige Dienstzeit aufweisen könnten; vielmehr solle mit dem Zuschlag der in der Kindererziehung liegende Wert für die Allgemeinheit und für die Alterssicherung systemgerecht honoriert werden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den Kindererziehungszuschlag zusätzlich zur Mindestversorgung zu gewähren,

hilfsweise,

den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2012 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über das Begehren der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Begründung ihrer Bescheide Bezug genommen und ergänzend vorgebracht, der Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2006 greife schon deshalb nicht durch, weil sich diese Entscheidung auf die bundesrechtliche Vorschrift des § 50a des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) alter Fassung (a. F.) beziehe, welche seinerzeit eine § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG vergleichbare Regelung nicht enthalten habe.

Das Verwaltungsgericht hat die - auf Zuerkennung eines Kindererziehungszuschlags gerichtete - Klage mit dem im Tenor bezeichneten Urteil vom 6. November 2014 abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

Der Klägerin stehe zwar unstreitig dem Grunde nach gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a in Verbindung mit § 58 NBeamtVG ein Anspruch auf Gewährung eines Kindererziehungszuschlags zu. Mit § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG habe der Landesgesetzgeber jedoch - anders als nach der früheren Rechtslage - ausdrücklich geregelt, dass dieser Zuschlag nicht das Mindestruhegehalt nach § 16 Abs. 3 NBeamtVG erhöhen und damit lediglich auf das erdiente Ruhegehalt Anwendung finden solle. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder den aus Art. 157 Abs. 1 AEUV folgenden Grundsatz der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen sei darin im Ergebnis nicht zu erblicken.

Eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts komme bei der streitgegenständlichen Regelung ersichtlich nicht in Betracht, weil diese insgesamt nicht an geschlechtsbezogene Merkmale anknüpfe, sondern unterschiedslos für alle Versorgungsempfänger gelte. Die von der Beklagten vorgenommene statistische Auswertung der Vergleichsgruppe mache jedoch deutlich, dass Frauen signifikant häufiger als Männer eine Mindestversorgung anstelle der erdienten Versorgung erhielten. Daraus folge indes nicht, dass es sich um eine willkürliche bzw. nicht mit objektiv gerechtfertigten Faktoren erklärbare und damit unzulässige Ungleichbehandlung handle. Die Ungleichbehandlung beruhe vielmehr auf sachlichen Gründen.

Ausgangspunkt der Betrachtung sei das Ziel des Mindestruhegehalts, welches darin liege, das Existenzminimum bei Alter und Invalidität zu sichern. Es stelle eine grundsätzlich jedem Beamten nach dem Alimentationsgrundsatz zu gewährende Grundsicherung dar, welche pauschalierend und generalisierend sowie unabhängig von der individuellen Erwerbsbiographie des jeweiligen Beamten gewährt werde (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014 - 14 B 13.1961 -, juris Rn. 28). Das Mindestruhegehalt erlange überhaupt erst dann Relevanz, wenn das erdiente Ruhegehalt einschließlich etwaiger Zuschläge hinter diesem zurückbleibe. Es stelle sich in diesem Falle stets als Besserstellung dar, so dass eine isolierte Betrachtung der in § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG enthaltenen Regelung der Sache nicht gerecht werde. Denn es gehe hierbei nicht etwa darum, das Mindestruhegehalt um den Kindererziehungszuschlag zu kürzen, sondern um eine mit Blick auf das Regelungsziel gänzlich andere Berechnung. Soweit hingegen das erdiente Ruhegehalt im Vergleich zum amtsbezogenen oder amtsunabhängigen Mindestruhegehalt ungünstiger sei, gehe es quasi im Mindestruhegehalt „unter“ (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011 - 10 A 10132/11 -, juris Rn. 29 sowie Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014, a. a. O., Rn. 28). Das Mindestruhegehalt reiche als solches bereits weiter als die mit den Zuschlägen beabsichtigte Schließung einer durch Kindererziehungszeiten entstandenen Versorgungslücke.

Die Kammer teile zwar die Auffassung der Klägerin, dass die Kindererziehungszeiten in der Beamtenversorgung - insoweit parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung - auch den in der Kindererziehung liegenden Wert für die Allgemeinheit systemgerecht honorieren sollten. Denn auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Arbeitnehmer hätten letztlich Anspruch auf eine Grundsicherung im Alter, welche gegebenenfalls zusätzlich zu den errechneten Rentenansprüchen - wie die Beamtenpensionen - aus Steuermitteln gewährt werde. Die Klägerin übersehe hierbei jedoch, dass auch diese vom Zweck her der Mindestversorgung vergleichbare Grundsicherung nicht durch die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten erhöht werden könne. Auch die Grundsicherung für gesetzlich rentenversicherte Personen erlange erst dann Relevanz, wenn die unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten errechneten Rentenansprüche hinter dem Mindestbedarf zurückblieben und daher einer finanziellen Ergänzung bedürften.

Vor diesem Hintergrund sei die streitgegenständliche Regelung auch erforderlich und angemessen. Es sei nicht ersichtlich, wie der Gesetzgeber das Ziel, eine pauschalierte Mindestversorgung ohne Berücksichtigung der konkreten Erwerbsbiographie andernfalls erreichen könnte. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass die betroffenen Frauen mit der Mindestversorgung besser gestellt würden als sie bei Erhalt des erdienten Ruhegehalts und unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten stünden.

Gegen dieses Urteil hat der Senat auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 27. April 2015 (- 5 LA 200/14 -) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) die Berufung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt die Klägerin ihre Rechtsauffassung, dass die Ausschlussregelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG gegen höherrangiges Recht - nämlich insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 157 Abs. 1 AEUV und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen - verstoße. Die bisher durch die Beklagte übersandten Materialien ergäben eine statistisch signifikante mittelbare Diskriminierung von Frauen, welche nicht gerechtfertigt sei. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 25. November 2014 (- 5 LB 69/14 -, juris) überzeugend dahin erkannt, dass Empfänger der amtsunabhängigen Mindestversorgung einen Anspruch auf zusätzlichen Kindererziehungsergänzungszuschlag hätten; dies gelte für die Klägerin, welche die amtsabhängige Mindestversorgung erhalte, entsprechend. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, wonach die Mindestversorgung - und nicht die Ausschlussregelung - den Ausgangspunkt der Falllösung bilde, gehe fehl und reiche zur Rechtfertigung der mittelbaren Diskriminierung nicht aus. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 12. März 1996 (- 1 BvR 609/90 -, juris) zu der vergleichbaren Vorschrift des § 32a Abs. 5 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) hervorgehoben, dass der in der Kindererziehung liegende Wert für die Allgemeinheit nicht davon abhänge, ob die Erziehungszeiten zu einem Ausfall oder einer Einschränkung in der Berufstätigkeit und damit zu Lücken in der Alterssicherung geführt hätte. Ferner habe der Gesetzgeber im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung durch die sog. „Mütterrente“ gerade zum Ausdruck gebracht, Kindererziehungszeiten mit Wirkung vom 1. Juli 2014 wesentlich höher bewerten zu wollen.

Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 24. September 2015 weitere Zahlen genannt habe, würden diese bestritten; dessen ungeachtet besitze eine Auswertung lediglich für den Monat August 2015 keinerlei Aussagekraft. Zudem sei das von der Beklagten herangezogene Auswahlkriterium der Berücksichtigung des Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlags für sich gesehen ungeeignet. Außerdem müsse für die Frage des Vorliegens einer mittelbaren Diskriminierung auf die Gesamtzahl der niedersächsischen Versorgungsempfängerinnen und -empfänger abgestellt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Oktober 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 zu verpflichten, der Klägerin den Kindererziehungszuschlag zusätzlich zur Mindestversorgung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das vorinstanzliche Urteil und führt hierzu Folgendes aus: Sollten von der Regelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG tatsächlich Frauen signifikant häufiger betroffen sein als Männer, so ließe sich dieser Umstand jedenfalls aus den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen rechtfertigen.

Im Übrigen habe eine Auswertung des Abrechnungsmonats August 2015 ergeben, dass bei 4.074 Versorgungsempfängerinnen und bei 37 Versorgungsempfängern ein Kindererziehungs- und/oder Kindererziehungsergänzungszuschlag Berücksichtigung gefunden habe. Daraus folge, dass überwiegend weibliche Versorgungsempfänger einen Anspruch auf diese Zuschläge hätten, woraus sich wiederum ergebe, dass die Ausschlussregelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG überwiegend Frauen betreffe. Da männliche Versorgungsempfänger also in der Regel bereits die Voraussetzungen für die Gewährung der Zuschläge nach § 58 NBeamtVG nicht erfüllten, lasse sich auch nicht feststellen, dass die weiblichen Versorgungsempfänger durch die Anwendung der Ausschlussregelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG gegenüber den männlichen Versorgungsempfängern signifikant benachteiligt würden; letztlich existiere keine ausreichend umfangreiche „männliche Vergleichsgruppe“.

Die bisher von der Klägerin in den Fokus gerückte Frage, ob mehr Frauen als Männer die Mindestversorgung erhielten, führe nicht weiter, weil das System der Mindestversorgung als solches von der Klägerin nicht angegriffen werde. Gleichwohl werde informatorisch mitgeteilt, dass im August 2015 86 weibliche - und kein männlicher - Versorgungsempfänger, bei denen Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschläge berücksichtigt worden seien, Mindestruhegehalt bezögen. In diesen Fällen werde das Mindestruhegehalt bezogen, weil die erdiente Versorgung gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG trotz der Zuschläge das Mindestversorgungsniveau nicht erreiche. Eine nicht gerechtfertigte Geschlechterdiskriminierung liege hierin jedoch nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf die Gerichtsakte des Parallelverfahrens 5 LB 85/15 (2 A 2442/13) nebst der dortigen Beiakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin zusätzlich zu ihrer gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 NBeamtVG in der zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand am 1. August 2012 maßgeblichen Fassung vom 17. November 2011 (Nds. GVBl. S. 422) gewährten Mindestversorgung vorübergehend einen monatlichen Kindererziehungszuschlag zu gewähren.

A. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin dem Grunde nach gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) in Verbindung mit § 58 Abs. 1 bis 4 NBeamtVG in der hier maßgeblichen Fassung vorübergehend einen Kindererziehungszuschlag beanspruchen könnte. Im Streit steht lediglich die Frage, ob dem Anspruch die Regelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG entgegensteht, wonach der Kindererziehungszuschlag (u. a.) nicht das Mindestruhegehalt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 NBeamtVG - also das amtsbezogene Mindestruhegehalt in Höhe von 35 Prozent der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge im Sinne des § 5 NBeamtVG - erhöht. Diese Frage ist mit der Vorinstanz zu bejahen. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die in § 58 Abs. 8 Satz 2 NBamtVG enthaltene Ausschlussbestimmung weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (dazu unter I.) noch gegen das Gebot des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gemäß Art. 157 AEUV (dazu unter II.) oder Art. 4 RL 2006/54/EG (dazu unter III.).

I. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 18.11.1986 - 1 BvL 29/83 u. a. -, juris Rn. 61 ), und verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 4.4.2001 - 2 BvL 7/98 -, juris Rn. 39; BVerwG, Beschluss vom 29.12.2014 - BVerwG 2 B 110.13 -, juris Rn. 15). Es bleibt dem Normgeber überlassen, aufgrund autonomer Wertungen diejenigen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Im Bereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verhältnismäßig weit (BVerfG, Urteil vom 6.10.1983 - 2 BvL 22/80 -, juris Rn. 31; Beschluss vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 -, juris Rn. 85; Beschluss vom 4.4.2001, a. a. O., Rn. 43; Beschluss vom 16.3.2009 - 2 BvR 1003/08 -, juris Rn. 14). Aufgrund des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen der Gesetzgeber das Besoldungs- und Versorgungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, kann gerichtlich nicht kontrolliert werden, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Regelung getroffen hat (BVerfG, Beschluss vom 16.3.2009, a. a. O., Rn. 14). Wenn er aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte diejenigen Tatbestandsmerkmale auswählt, welche für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgeblich sein sollen, muss ihm insbesondere auch zugestanden werden, das gesamte Besoldungs- und Versorgungsgefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.4.2001, a. a. O., Rn. 43). Beanstandet werden kann demnach nur die Überschreitung äußerster Grenzen, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (BVerfG, Beschluss vom 4.4.2001, a. a. O., Rn. 43); zu prüfen ist also allein, ob die entsprechende Regelung willkürlich erscheint.

Hieran gemessen ist die streitgegenständliche Bestimmung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

1. Zwar kann (männlichen und weiblichen) Versorgungsempfängern, welche das erdiente Ruhegehalt gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG erhalten und Kinder erzogen haben, gemäß § 61 NBeamtVG vorübergehend ein monatlicher Kindererziehungszuschlag gewährt werden, während bei (männlichen und weiblichen) Versorgungsempfängern, denen ein amtsbezogenes oder ein amtsunabhängiges Mindestruhegehalt (§ 16 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 NBeamtVG) gezahlt wird und die Kinder erzogen haben, eine Erhöhung dieses Mindestruhegehalts um den Kindererziehungszuschlag gemäß § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG ausgeschlossen ist.

2. Sachlicher Grund für diese Differenzierung im Hinblick auf die Gewährung von Kindererziehungszuschlägen beim erdienten Ruhegehalt einerseits und der Mindestversorgung gemäß § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NBeamtVG andererseits ist jedoch der Umstand, dass das erdiente Ruhegehalt einerseits und die Mindestversorgung andererseits auf vollständig unterschiedlichen Berechnungsmodellen beruhen. Damit schließt sich auch der Senat der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz an, welches in seinem Urteil vom 22. Juli 2011 (- 10 A 10132/11 -, a. a. O.) festgestellt hat, dass die - mit § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG vergleichbare - Ausschlussregelung des § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG in der Fassung vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), in Kraft seit dem 12. Februar 2009, mit höherrangigem Recht vereinbar ist (Rn. 25ff.; die gegen diese Entscheidung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 17.4.2013 - BVerwG 2 B 109.11 -, juris, zurückgewiesen). Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 4. Juni 2014 (- 14 B 13.1961 -, a. a. O.) die Ansicht vertreten, die Regelung des § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG n. F. werfe keine verfassungsrechtlichen Probleme auf (Rn. 30; die gegen diese Entscheidung vom Bay. VGH zugelassene Revision ist eingelegt worden und wird beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 17.14 geführt).

Das erdiente Ruhegehalt beträgt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 NBeamtVG für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit (§§ 6ff. NBeamtVG) einen bestimmten Prozentsatz der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5 NBeamtVG), insgesamt jedoch höchstens 71,75 Prozent, und mindert sich gegebenenfalls nach den Bestimmungen des § 16 Abs. 2 NBeamtVG.

Demgegenüber stellt das Mindestruhegehalt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 NBeamtVG mit Blick auf das Alimentationsprinzip grundsätzlich für jeden Beamten eine Grundsicherung bei Alter und Invalidität dar (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011, a. a. O., Rn. 27 [zur vergleichbaren Vorschrift der amtsunabhängigen Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG n. F.]; Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014, a. a. O., Rn. 28 [zur vergleichbaren, die amtsabhängige und amtsunabhängige Mindestversorgung betreffenden Vorschrift des § 14 Abs. 4 BeamtVG a. F.]). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 23. Juni 2005 (- BVerwG 2 C 25.04 -, juris) zur - vergleichbaren - amtsbezogenen Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ausgeführt, dass diese Mindestversorgung in Höhe von 35 Prozent der jeweiligen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge gemäß § 5 BeamtVG der Sicherstellung einer nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen amtsangemessenen Mindestalimentation dient (a. a. O., Rn. 20). Die amtsabhängige Mindestversorgung ist weder Sozialleistung noch Fürsorgeleistung; aus dem Alimentationscharakter der Mindestversorgung folgt vielmehr, dass auch sie im Beamtenstatus „erdient“ ist. Allerdings setzt sie keine genau bestimmte Dienstzeit voraus, sondern kennzeichnet den geringsten Umfang der Versorgung, wenn - wie im Regelfall - die Mindestdienstzeit absolviert und noch keine ruhegehaltfähige Dienstzeit erreicht worden ist, die einen Ruhegehaltssatz von mehr als 35 Prozent ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 23.6.2005, a. a. O., Rn. 20). Die amtsbezogene Mindestversorgung folgt unmittelbar aus der Alimentationspflicht des Dienstherrn, welche als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist, und bringt die verfassungsrechtlichen Anforderungen der amtsgemäßen sowie der (bedarfs-)angemessenen Versorgung zur Geltung (BVerwG, Urteil vom 23.6.2005, a. a. O., Rn. 20).

Die Mindestversorgung ist somit pauschalierend und generalisierend und wird unabhängig davon gewährt, welche Erwerbsbiographie der einzelne Beamte auch immer hat und wie sein erdientes Ruhegehalt einschließlich etwaiger Zuschläge zu berechnen ist (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011, a. a. O., Rn. 27; Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014, a. a. O., Rn. 29 [allerdings zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 50a Abs. 7 Satz 2 NBeamtVG n.F.]). Die Zuschläge nach § 58 NBeamtVG sind bei der Ermittlung des Mindestruhegehalts nur insoweit von Bedeutung, als sie als Rechengröße bei der Ermittlung des erdienten Ruhegehalts auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und des sich daraus ergebenden Ruhegehaltssatzes fungieren. Soweit das so ermittelte Ruhegehalt im Vergleich zum amtsbezogenen oder amtsunabhängigen Mindestruhegehalt ungünstiger - also niedriger - ist, geht es einschließlich etwaiger Zuschläge in dem Mindestruhegehalt „unter“ (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011, a. a. O., Rn. 29; Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014, a. a. O., Rn. 28 [allerdings zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 50a Abs. 7 Satz 2 NBeamtVG n.F.]). Das Mindestruhegehalt wird also nicht um den Kindererziehungs- oder Kindererziehungsergänzungszuschlag „gekürzt“, sondern dessen Ermittlung wird ein ganz anderes Berechnungsmodell zugrunde gelegt (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011, a. a. O., Rn. 30), welches von vornherein die Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kindererziehungsergänzungszuschlägen nicht vorsieht. Damit kommt zwar die gesetzgeberische Intention des § 58 NBeamtVG - Beamte mit Kindererziehungszeiten versorgungsrechtlich besser zu stellen als solche Beamte, die bei ansonsten gleicher Erwerbsbiographie keine entsprechenden Zeiten vorweisen können - bei allen Empfängern des Mindestruhegehalts nicht zum Tragen. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur im Rahmen der regelmäßigen Ruhegehaltsfestsetzung nach § 16 Abs. 1 NBeamtVG, d. h. bei der Ermittlung des erdienten Ruhegehalts unter Berücksichtigung der individuellen Erwerbsbiographie. Dass er bei der Festsetzung der Mindestversorgung keine Anwendung findet, wird dadurch gerechtfertigt, dass das Mindestruhegehalt jedenfalls höher sein muss als das erdiente Ruhegehalt einschließlich der Zuschläge wegen Kindererziehung (vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 22.7.2011, a. a. O., Rn. 30; Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014, a. a. O. Rn. 29 [allerdings zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 50a Abs. 7 Satz 2 NBeamtVG n.F.]).

3. Die Klägerin kann ihre entgegenstehende Auffassung auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Senats vom 25. November 2014 (- 5 LB 69/14 -, a. a. O.) stützen. Denn diese Entscheidung ist zu der bis zum 30. November 2011 in Niedersachsen geltenden Rechtslage ergangen, wonach gemäß § 1 Abs. 3 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) a. F. für die Versorgung der niedersächsischen Beamten das Beamtenversorgungsgesetz des Bundes in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung Anwendung fand, und in der seinerzeit geltenden Vorschrift des § 50a Abs. 7 BeamtVG a. F. war - anders als nunmehr in § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG in der seit dem 12. Februar 2009 in Kraft befindlichen Fassung - eine ausdrückliche Regelung gerade nicht enthalten, welche die Erhöhung des Mindestruhegehalts um den Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag ausschloss. Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 6. Dezember 2006 (- 2 C 3619/03 -, juris) berufen, denn dieses betrifft ebenfalls § 50a BeamtVG in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung, d. h. in der Fassung, die eine Ausschlussregelung, wie sie nunmehr in § 50a Abs. 7 Satz 2 BeamtVG oder § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG normiert ist, gerade nicht vorgesehen hat.

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 25. November 2014 ausgeführt hat, dass nach Sinn und Zweck des Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlags Beamte, die Kinder erzogen hätten, versorgungsrechtlich besser stehen sollten als Beamte, die bei gleicher „Versorgungsbiographie“ keine Kinder erzogen hätten (a. a. O., Rn. 50), und dass Kindererziehungszeiten auch in der Beamtenversorgung unabhängig davon honoriert werden sollten, ob die Erziehungszeiten zu einem Ausfall oder einer Einschränkung in der Berufstätigkeit und damit zu Lücken in der Alterssicherheit geführt hätten (a. a. O., Rn. 49), war dies im Übrigen nur eines der Argumente, welche gegen die Rechtsposition sprachen, auch schon vor Inkrafttreten des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG n. F. am 1. Dezember 2011 sei die Mindestversorgung nicht um den Kindererziehungs- oder Kindererziehungsergänzungszuschlag zu erhöhen gewesen. Für seine Auffassung, dass vor Inkrafttreten des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG ein Anspruch darauf bestanden hat, zusätzlich zur Mindestversorgung einen monatlichen Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag zu erhalten, hat der Senat in jener Entscheidung insbesondere auf Systematik (a. a. O., Rn. 41f.) und Wortlaut (a. a. O., Rn. 43) der maßgeblichen Vorschriften abgestellt sowie darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Versorgungsrecht - ebenso wie das Besoldungsrecht - eine Rechtsmaterie sei, in der dem Wortlaut des Gesetzes wegen der strikten Gesetzesbindung (§ 2 BBesG, § 3 BeamtVG) besondere Bedeutung zukomme, so dass Vorschriften, welche die gesetzlich vorgesehene Versorgung der Beamten begrenzten, grundsätzlich einer ausdehnenden Anwendung nicht zugänglich seien (a. a. O., Rn. 46). Diese Argumente greifen im Falle einer - hier mit § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG vorliegenden - ausdrücklichen Ausschlussregelung gerade nicht durch.

II. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, es liege ein Verstoß gegen Art. 157 Abs. 1 AEUV vor. Diese Vorschrift ist im Streitfall zwar anwendbar (dazu unter 1.). Selbst wenn man jedoch von einer mittelbaren Diskriminierung im Sinne des Art. 157 Abs. 1 AEUV ausgehen wollte, wäre diese indes aus den oben genannten Gründen gerechtfertigt (dazu unter 2.).

1. Nach Art. 157 Abs. 1 AEUV stellt jeder Mitgliedstaat die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher. Unter „Entgelt“ in diesem Sinne sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt (Art. 157 Abs. 2 AEUV). Hierunter fallen auch Leistungen der Altersvorsorge, die nach Grund und Höhe an ein Beschäftigungsverhältnis anknüpfen (vgl. EuGH, Urteil vom 22.11.2012 - C-385/11- [Elbal Moreno], juris Rn. 20), wozu auch die Versorgung des öffentlichen Dienstes gehört (vgl. EuGH, Urteil vom 28.9.1994 - C-7/93 - [Breune], juris Rn. 19ff., 42; Urteil vom 29.11.2001 - C-366/99 - [Griesmar], juris Rn. 25ff.). Damit sind die Mindestversorgung nach § 16 Abs. 3 NBeamtVG und die Zuschläge nach § 58 NBeamtVG als „Entgelt“ im Sinne des Art. 157 AEUV anzusehen.

2. Soweit die Klägerin meint, im Streitfall liege eine nicht gerechtfertigte mittelbare Entgeltdiskriminierung vor, vermag der Senat dem jedoch nicht zu folgen.

Zutreffend ist zwar, dass - wie oben bereits ausgeführt wurde - eine Ungleichbehandlung vorliegt, denn Versorgungsempfängern, die das erdiente Ruhegehalt gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG erhalten und Kinder erzogen haben, kann gemäß § 61 in Verbindung mit § 58 NBeamtVG vorübergehend ein monatlicher Kindererziehungs- und/oder Kindererziehungsergänzungszuschlag gewährt werden, während bei Versorgungsempfängern, denen ein amts- bzw. amtsunabhängiges Mindestruhegehalt nach § 16 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 NBeamtVG gezahlt wird und die ebenfalls Kinder erzogen haben, gemäß § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG eine Erhöhung dieses Mindestruhegehaltes um den Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag ausgeschlossen ist. Selbst wann man indes unter Zugrundelegung der von der Beklagten im Parallelverfahren 5 LB 85/15 übersandten tabellarischen Aufstellung - hieraus ergibt sich, dass von allen Versorgungsempfängerinnen und -empfängern der Geburtsjahrgänge 1950 bis 1965, die vor Eintritt in den Ruhestand im Statusamt einer Studienrätin/eines Studienrates (Besoldungsgruppe A 13) standen und die amtsabhängige Mindestversorgung erhalten, 24 weiblichen und 4 männlichen Geschlechts sind (Bl. 32f./Gerichtsakten [GA] im Verfahren 5 LB 85/15) - und unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung vom 24. September 2015 davon ausginge, dass von der Bestimmung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG überwiegend Frauen betroffen sind, weil überwiegend Frauen die amtsabhängige Mindestversorgung erhalten, und hieraus eine mittelbare Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts ableitete, wäre diese mittelbare Diskriminierung gerechtfertigt, so dass ein Verstoß gegen Art. 157 AEUV nicht vorläge. Dementsprechend hat der Senat die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) analog abgelehnt (vgl. Niederschrift vom 8.12.2015, S. 2f.).

Mittelbare Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts verstoßen dann nicht gegen Art. 157 AEUV, wenn die streitige Maßnahme durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nicht mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (EuGH, Urteil vom 30.3.2000 - C-236/98 - [Jämo], juris Rn. 50; Urteil vom 10.3.2005 - C-196/02 - [Nikoloudi], juris Rn. 38; Urteil vom 6.12.2007 - C-300/06 [Voß], juris Rn. 25; Urteil vom 22.11.2012, a. a. O., Rn. 32). Dies ist der Fall, wenn die gewählten Mittel einem legitimen Ziel dienen und zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sind (EuGH, Urteil vom 9.2.1999 - C-167/97 - [Seymour-Smith und Perez], juris Rn. 69; Urteil vom 22.11.2012, a. a. O., Rn. 32). Nach Maßgabe dieser Grundsätze scheidet ein Verstoß gegen Art. 157 AEUV aus.

Objektiver Grund dafür, dass bei Versorgungsempfängern, die das erdiente Ruhege-halt gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG erhalten und Kinder erzogen haben, Kindererziehungs- und Kindererziehungsergänzungszuschlag berücksichtigt werden, bei Versorgungsempfängern, welche die Mindestversorgung erhalten und ebenfalls Kinder erzogen haben, hingegen nicht, ist die unterschiedliche Berechnungsweise des erdienten Ruhegehalts gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG einerseits und der Mindestversorgung gemäß § 16 Abs. 3 NBeamtVG andererseits, welche nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat. Die Berechnungsweise des amtsabhängigen Mindestruhegehalts gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 NBeamtVG dient - ebenso wie die Berechnungsweise des amtsunabhängigen Mindestruhegehalts nach § 16 Abs. 3 Satz 2 NBeamtVG - dem legitimen Ziel, für jeden Beamten unabhängig von dessen Erwerbsbiographie eine Mindestalimentation sicherzustellen und damit der aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Alimentationspflicht des Dienstherrn - also seiner Pflicht, die ihm zugeordneten Beamten amtsgemäß und (bedarfs-)angemessen zu versorgen - zu genügen. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Bestimmung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG auch geeignet, denn sie schreibt gerade fest, dass die Mindestversorgung nicht um Zuschläge erhöht werden, welche ihre Ursache in der konkreten Erwerbsbiographie des Beamten - nämlich in Zeiten der Erziehung seiner Kinder - haben. Es ist auch nicht ersichtlich, wie der Gesetzgeber sein Ziel einer pauschalierenden und generalisierenden Mindestversorgung ohne Berücksichtigung individueller Umstände aus der Erwerbsbiographie der Betreffenden anders sollte erreichen können, als gerade diese konkreten Umstände bei der Berechnung außen vor zu lassen. Die - unterstellt von der Ausschlussregelung des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG mehrheitlich betroffenen - Beamtinnen erhalten im Übrigen mit der nicht um einen monatlichen Kindererziehungs- bzw. Kindererziehungsergänzungszuschlag erhöhten Mindestversorgung einen Ruhegehaltsbetrag, der höher liegt, als er liegen würde, wenn sie das erdiente Ruhegehalt gemäß § 16 Abs. 1 NBeamtVG zuzüglich der genannten Zuschläge erhielten.

III. Aus den unter II. genannten Gründen scheidet auch ein Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 RL 2006/54/EG aus.

IV. Der Senat hat keine Veranlassung, der Anregung der Klägerin nachzukommen und die aufgeworfene Frage,

„ob eine gesetzliche Mindestversorgungsbestimmung, mit der Kindererziehungszeiten für die Beamten im öffentlichen Dienst geregelt werden, die wie § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG die Kindererziehungszeiten unberücksichtigt lässt, gegen das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts aus Art. 21 der Charta der Grundrechte der europäischen Union und gegen das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung von Frauen aus Art. 23 der Charta der Grundrechte der europäischen Union in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2004/113 verstößt“,

dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Artikel 267 AEUV vorzulegen. Nach Absatz 1 und 2 dieser Bestimmung kann ein Gericht eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung eine Frage über die Auslegung der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zur Entscheidung vorlegen, wenn diese Frage dem Gericht des Mitgliedstaats gestellt wird und es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Letzteres ist hier nicht der Fall. Abgesehen davon, dass § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG keine „Mindestversorgungsbestimmung ist, mit der Kindererziehungszeiten im öffentlichen Dienst geregelt wird“ - die Mindestversorgung als solche ist in § 16 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NBeamtVG normiert, während sich die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten aus §§ 61, 58 Abs. 1 bis 6 NBeamtVG ergibt -, hält der Senat die Vorlage nicht für erforderlich, weil er aus den oben genannten Gründen von der Europarechtskonformität des § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG überzeugt ist. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, weil die Entscheidung des Senats noch mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Senat lässt gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO mit Blick auf das beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Revisionsverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 2 C 17.14  (vorgehend: Bay. VGH, Urteil vom 4.6.2014, a. a. O.) die Revision zu. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Juni 2014 hat die Rechtsfrage zum Gegenstand, ob zusätzlich zu der amtsunabhängigen Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG a. F./n. F. ein Anspruch auf Gewährung eines Kindererziehungs- und Kindererziehungsergänzungszuschlags besteht, und zwar sowohl im Geltungsbereich des Beamtenversorgungsgesetzes vor der Einfügung des Satzes 2 in § 50a Abs. 7 BeamtVG durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) mit Wirkung vom 12. Februar 2009 als auch danach; die Revision ist ohne Beschränkung eingelegt worden (vgl. Bl. 103/GA). Damit ist Verfahrensgegenstand auch die Frage der Vereinbarkeit der - mit § 58 Abs. 8 Satz 2 NBeamtVG vergleichbaren - Vorschrift des § 50a Abs. 7 Satz 2 NBeamtVG n. F. mit höherrangigem Recht.