Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.04.2011, Az.: 13 ME 205/10
Heranziehung der Wertungen des Wehrpflichtgesetzes vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelung des § 25a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu einer Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden für die Frage der Zumutbarkeit der Ableistung eines Wehrdienstes im Ausland; Ausstellung eines Ausweisersatzes zur Erfüllung der Passpflicht bei Vorliegen eines Zurückstellungsgrundes bei einem deutschen Wehrpflichtigen aufgrund einer begonnen Berufsausbildung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.04.2011
- Aktenzeichen
- 13 ME 205/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 13313
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0404.13ME205.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 08.10.2010 - AZ: 2 B 327/10
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 6 S. 1 ArbPlSchG
- § 3 Abs. 1 S. 1 AufenthG
- § 5 Abs. 1 AufenthG
- § 25 Abs. 5 AufenthG
- § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV
- § 55 Abs. 1 AufenthV
- § 8 EMRK
- § 7 Abs. 1 PassG
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 12 Abs. 4 WPflG
Fundstellen
- NVwZ 2011, 8
- NVwZ-RR 2011, 498-500
Amtlicher Leitsatz
§ 25a AufenthG
Bei der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt die Ableistung eines Wehrdienstes im Ausland zumutbar ist, an die der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Nationalpasses knüpft, sind gerade vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelung des § 25a AufenthG zu einer Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden die (bisherigen) Wertungen des Wehrpflichtgesetzes heranzuziehen. Wäre bei einem deutschen Wehrpflichtigen ein Zurückstellungsgrund aufgrund einer begonnenen Berufsausbildung gegeben, kommt die Ausstellung eines Ausweisersatzes in Betracht, mit dem der Ausländer die Passpflicht erfüllen kann.
Gründe
I.
Der am C. 1990 geborene Antragsteller ist armenischer Staatsangehöriger und reiste mit seiner Mutter sowie zwei Geschwistern am 8. Januar 1999 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die gestellten Asylanträge wurden mit Bescheid vom 2. Februar 1999 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; Klageverfahren blieben erfolglos. Aufgrund fehlender Heimreisedokumente wurde die Familie in der Folgezeit geduldet. Die vom Antragsteller im Februar 2005 beantragte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid des Antragsgegners vom 19. Mai 2005 abgelehnt. Aufgrund eines vom Verwaltungsgericht in dem dagegen gerichteten Klageverfahren vorgeschlagenen Vergleichs wurde dem Antragsteller am 20. Dezember 2007 eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt und zuletzt bis zum 29. Januar 2010 verlängert. Hintergrund des Vergleichs war der Umstand, dass der Schwester des Antragstellers aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden war und diese auf den Beistand der Mutter angewiesen war. Während der Zeit des Besitzes der Aufenthaltserlaubnis erwarb der Antragsteller im Juni 2009 seinen Realschulabschluss; seit dem 1. August 2009 steht er in einem dreijährigen Berufsausbildungsverhältnis zum Hotelfachmann. In einer Zwischenbescheinigung wird ihm ein guter Ausbildungsstand bestätigt; er sei arbeitsam, lernwillig, bei den Gästen beliebt und habe ein loyales, einwandfreies Auftreten. Neben seiner Berufsausbildung ist der Antragsteller seit 2006 aktiver Spieler in einem örtlichen Fußballverein. Die am 26. Januar 2010 beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wurde mit Bescheid vom 23. Juni 2010 abgelehnt. Die Beistandsgemeinschaft zwischen seiner Mutter und seiner Schwester sei mittlerweile entfallen, weil Letztere mit ihrem Lebensgefährten umgezogen und eine eigene Familie gegründet habe. Der Antragsteller habe keinen eigenständigen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG als "faktischer Inländer", weil er sich überwiegend nur geduldet in Deutschland aufgehalten und in der Vergangenheit öffentliche Leistungen in Anspruch genommen habe. Zudem erfülle er nicht die Passpflicht. Dagegen hat der Antragsteller am 5. August 2010 Klage erhoben. Am 8. September 2010 hat er um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht; das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 8. Oktober 2010 abgelehnt. Es könne dahinstehen, ob der Antragsteller aufgrund seiner beeindruckenden Integrationsleistungen als faktischer Inländer anzusehen sei, weil er jedenfalls aufgrund des von ihm noch nicht abgeleisteten Wehrdienstes keinen armenischen Pass erhalte und damit die Passpflicht nicht erfülle. Dagegen richtet sich seine am 26. Oktober 2010 eingelegte Beschwerde.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führt zu einer vom Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichenden Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 5. August 2010 gegen den die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 23. Juni 2010 anzuordnen.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederhergestellt bzw. - was hier aufgrund von §§ 84 Abs. 1 Nr. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG die einschlägige Variante ist - angeordnet werden, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes hinter das Interesse des Adressaten an einem Aufschub des Vollzugs desselben zurücktritt. Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs einen entscheidenden Stellenwert. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsaktes, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen.
Es spricht Überwiegendes dafür, dass die auf eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gerichtete Klage des Antragstellers zumindest teilweise erfolgreich sein wird. Dem Antragsteller wird voraussichtlich (mindestens) eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sein, die ihm den Abschluss seiner Berufsausbildung ermöglicht.
a)
Dem Antragsteller wird voraussichtlich jedenfalls derzeit nicht entgegengehalten werden können, er erfülle die Passpflicht und damit die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht. Die Ausstellung eines armenischen Nationalpasses, mit dem die Passpflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt würde, scheitert ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Dokumente der armenischen Botschaft vom 22. Oktober 2007 und vom 19. Mai 2010 daran, dass er in Armenien bislang seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat. Die Passpflicht kann allerdings gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AufenthG für einen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht nur durch einen Nationalpass, sondern auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes erfüllt werden (§ 48 Abs. 2 AufenthG). Die Ausstellung eines solchen Ausweisersatzes dürfte vorliegend in Betracht kommen. Wann ein solcher Ausweisersatz zu erteilen ist, ist in der auf § 99 Abs. 1 Nr. 9 AufenthG beruhenden Bestimmung des § 55 Abs. 1 AufenthV geregelt. Danach ist insbesondere Voraussetzung (Satz 1 Nr. 1), dass der Ausländer einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt und nicht in zumutbarer Weise erlangen kann. Zur Frage der Zumutbarkeit wird auf die für die Erteilung von Reiseausweisen für Ausländer einschlägige Regelung in § 5 Abs. 2 AufenthV verwiesen (Satz 3). Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV ist die Erfüllung der Wehrpflicht grundsätzlich zumutbar, sofern sie nicht ausnahmsweise "aus zwingenden Gründen" unzumutbar ist.
Welche konkreten Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je gewichtiger die vom Ausländer vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.02.2005 - 11 PA 345/04 -, [...] Rdnr. 14; VG Oldenburg, Urt. v. 09.02.2011 - 11 A 3042/09 -, [...] Rdnr. 18).
Im Einzelfall des Antragstellers spricht jedenfalls derzeit für eine Unzumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes, dass er bei einer jetzt erfolgenden freiwilligen Ausreise bzw. Abschiebung seine im August 2009 begonnene dreijährige Berufsausbildung zum Hotelfachmann in dem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis nicht würde fortführen und abschließen können. Sein Berufsausbildungsverhältnis wäre auch nicht etwa nach den §§ 1, 2 des Arbeitsplatzschutzgesetzes - ArbPlSchG - geschützt. Nach § 16 Abs. 6 Satz 1 ArbPlSchG finden die Schutzbestimmungen zwar auch für in Deutschland beschäftigte Ausländer Anwendung, wenn diese in ihrem Heimatstaat zur Erfüllung ihrer dort bestehenden Wehrpflicht zum Wehrdienst herangezogen werden; dies gilt allerdings nach Satz 2 dieser Vorschrift nur für Ausländer, die Staatsangehörige der Vertragsparteien vom 18. Oktober 1961 (BGBl. 1964 II S. 1262) sind und die ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland haben. Bei den Vertragsparteien der Europäischen Sozialcharta handelt es sich um Mitglieder des Europarats, wozu Armenien nicht gehört.
Für die Frage der Zumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV sind die Wertungen des deutschen Gesetzgebers zu Wehrpflichtangelegenheiten zu berücksichtigen (vgl. im Hinblick auf die Altersgrenze für eine Heranziehung zum Wehrdienst: VG Oldenburg, Urt. v. 09.02.2011 - 11 A 3042/09 -, [...] Rdnr. 23; OLG München, Urt. v. 16.11.2010 - 4 St RR 157/10 -, [...] Rdnr. 9). Dabei ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass sich die engen Vorgaben in § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV spiegelbildlich mit dem Umstand decken, dass auch das deutsche Recht zur Durchsetzung der Wehrpflicht deutscher Staatsangehöriger nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 8 PassG zwingende Passversagungsgründe kennt. Mithin ist insbesondere dann ein strenger Maßstab bei der Frage der Unzumutbarkeit anzulegen, wenn es um die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer geht, mit der ein unmittelbarer Eingriff in die Passhoheit des Heimatstaates verbunden ist. Bei der entsprechenden Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweisersatzes nach § 55 Abs. 1 AufenthV kann nach Auffassung des Senats unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden unmittelbaren Eingriffs in die Passhoheit des Heimatstaates tendenziell ein weniger strenger Maßstab zur Anwendung kommen. Dies hält der Senat insbesondere auch vor dem Hintergrund der geplanten Neuregelung des § 25a AufenthG für geboten, die voraussichtlich im Hauptsacheverfahren zu dem vorliegenden Eilverfahren bereits zur Anwendung kommen wird. Diese vom Bundestag am 17. März 2011 beschlossene und derzeit im Bundesratsverfahren befindliche (Art. 77 Abs. 2 GG) Bestimmung sieht eine Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden vor (vgl. BR-Drs. 168/11, Maßgabe Nr. 1 Buchst. c zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften - BT-Drs. 17/4401 -), mit der gerade auch ein Erfolg bei Schul- und Berufsausbildung honoriert werden soll. Es wäre nicht einleuchtend, diese gesetzliche Wertung - die dem Antragsteller voraussichtlich zu Gute kommen wird, siehe unten b) - für eine Vielzahl von denkbaren Fällen männlicher Jugendlicher dadurch nicht zur Geltung kommen zu lassen, dass diese zwecks Ableistung des Wehrdienstes im Heimatstaat eine laufende Schul- oder Berufsausbildung ab- oder unterbrechen müssen. Als Zumutbarkeitskriterium drängen sich daher die Wertungen des Wehrpflichtgesetzes in Bezug auf die Frage auf, ob und wann einem deutschen Wehrpflichtigen die Ableistung von Grundwehrdienst und Wehrübungen (nach der bisherigen Rechtslage) abverlangt wird. Vorliegend kommt es insoweit entscheidend auf § 12 Abs. 4 WPflG an. Nach Satz 1 dieser Bestimmung soll ein Wehrpflichtiger vom Wehrdienst auf Antrag zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Nach § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. e WPflG liegt eine solche besondere Härte in der Regel vor, wenn die Einberufung des Wehrpflichtigen eine bereits begonnene Berufsausbildung unterbrechen oder die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindern würde. Gerade Berufsausbildungen sind mithin umfassend geschützt und stellen in der Regel einen klaren Zurückstellungsgrund dar. Dem wird in Bezug auf den Antragsteller dadurch Rechnung zu tragen sein, dass eine Ableistung des Wehrdienstes in Armenien wegen der von ihm begonnenen Berufsausbildung zum Hotelfachmann derzeit als unzumutbar anzusehen und ihm deshalb jedenfalls bis zum Abschluss dieser Ausbildung ein Ausweisersatz auszustellen ist, mit dem er für einen Aufenthalt im Bundesgebiet seine Passpflicht erfüllen kann. Allenfalls dann, wenn der Antragsteller bei einer Militärregistrierung in Armenien sogleich eine (gleichwertige) Zurückstellung erreichen könnte, die ihm den Abschluss der begonnenen Berufsausbildung ermöglichen würde, käme es in Betracht, ihn anstelle der Ausstellung eines Ausweisersatzes auf diesen Weg zu verweisen. Das armenische Wehrpflichtrecht kennt die Möglichkeit der Rückstellung aus sozialen Gründen (z.B. Hochschulstudium, pflegebedürftige Eltern, zwei Kinder oder mehr), die in Armenien beantragt werden muss (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 8. November 2010, S. 10). Ob dies eine gangbare und erfolgversprechende Alternative für den Antragsteller darstellt, kann indessen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden. Auch im Hauptsacheverfahren werden etwaig verbleibende Zweifel nicht zu Lasten des Antragstellers gehen können.
b) Die vom Verwaltungsgericht bislang offen gelassene Frage, ob dem Antragsteller als etwaigem "faktischen Inländer" eine Ausreise i.S.v. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, wird voraussichtlich im Klageverfahren ebenso wenig beantwortet werden müssen, wie die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren aufgeworfene Frage, ob der Lebensunterhalt des Antragstellers i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als gesichert anzusehen ist. (Auch) insoweit wird nämlich aller Voraussicht nach zu Gunsten des Antragstellers die gesetzliche Neuregelung des § 25a AufenthG eingreifen. Auf die bislang in der Rechtsprechung umstrittene Frage, ob und inwieweit bei (überwiegend) nur geduldetem Voraufenthalt eine aus § 8 EMRK resultierende Stellung als faktischer Inländer denkbar ist, wird es dabei nicht ankommen, weil die Neuregelung einen sechsjährigen ununterbrochenen geduldeten Voraufenthalt im Bundesgebiet ausreichen lässt (Entwurf zu § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Der Antragsteller hat sich indessen bereits seit 1999 geduldet und von Ende 2007 bis zur Ablehnung des Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis sogar erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten. Im Entwurf zu § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist zudem vorgesehen, dass die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht ausschließt, solange sich der Jugendliche oder der Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet. Selbst eine tatsächliche Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen durch den Antragsteller würde nach der Neuregelung die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mithin nicht ausschließen. Schließlich wird der Antragsteller auch im Hinblick auf sein Lebensalter - er wird am C. 2011 das 21. Lebensjahr vollenden - in den Genuss der Neuregelung kommen können, da diese voraussetzt, dass der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird (Entwurf zu § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG).