Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.04.2011, Az.: 8 OB 32/11
Für Streitigkeiten um die Rückgewähr der von einer Kommune als verlorener Zuschuss gewährten Zuwendung zur Förderung des kommunalen Brandschutzes ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.04.2011
- Aktenzeichen
- 8 OB 32/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0415.8OB32.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 26.01.2011 - AZ: 1 A 281/10
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO
- § 13 GVG
Fundstellen
- DVBl 2011, 787
- DÖV 2011, 620
- NVwZ-RR 2011, 504
Amtlicher Leitsatz
Die Streitigkeit um die Rückgewähr der von einem öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen einer Kommune als verlorener Zuschuss gewährten Zuwendung zur Förderung des kommunalen Brandschutzes ist öffentlich-rechtlich im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO, so dass hierfür der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.
Gründe
Die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 GVG, § 146 Abs. 1 VwGO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache Erfolg.
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ist der Verwaltungsrechtsweg zulässig, da die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfüllt sind. Die vorliegende Leistungsklage der Klägerin betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne der genannten Bestimmung.
Fehlt es, wie hier, an einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO, ist zwischen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO und einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 13 GVG nach der Natur des Rechtsverhältnisses zu unterscheiden, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 29.10.1987 - GmS-OGB 1/86 -, NJW 1988, 2295, 2296; v. 10.4.1986 - GmS-OGB 1/85 -, NJW 1986, 2359 m.w.N.). Maßgebend ist dabei die Rechtsnatur des erhobenen Anspruches, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 29.10.1987, a.a.O.; BGH, Urt. v. 16.2.1984 - IX ZR 45/83 -, NJW 1984, 1622, 1623; BVerwG, Urt. v. 28.1.1965 - II C 108.62 -, NJW 1965, 929 jeweils m.w.N.).
Stehen danach die Beteiligten in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung und bedient sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts, liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 29.10.1987, a.a.O.; v. 10.4.1986, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 30.5.2006 - 3 B 78.05 -, NJW 2006, 2568). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen, und zwar dann, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet(vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 10.7.1989 - GmS-OGB 1/88 -, NJW 1990, 1527; BVerwG, Beschl. v. 30.5.2006, a.a.O.).
Hier begehrt die Klägerin mit ihrer Leistungsklage von der Beklagten die anteilige Rückerstattung der von ihr gewährten Zuwendungen zur Förderung des Brandschutzes. Sie berühmt sich hierzu eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs und macht geltend, auch die vorausgegangene Gewährung der Zuwendung sei auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erfolgt. Die Klägerin sei als Anstalt des öffentlichen Rechts konstituiert. Als solche könne sie sich grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedienen. Dies sei auch bei der hier streitigen Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Brandschutzes geschehen. Diese würden auf der Grundlage ihrer Satzung und ihrer "Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen zur Förderung des Brandschutzes" auf Antrag gewährt. Über die Höhe und den Umfang der Zuwendung entscheide einseitig der Vorstand der Klägerin. Sodann werde die Zuwendung als verlorener Zuschuss gewährt, der darauf gerichtet sei, die Kommunen bei der Erfüllung der ihnen durch das Niedersächsische Brandschutzgesetz übertragenen öffentlichen Aufgaben zu unterstützen. Dieser Tätigkeit stehe die satzungsmäßige Begrenzung ihres Geschäftszwecks nicht entgegen, denn diese betreffe den hier relevanten öffentlich-rechtlichen Handlungsbereich nicht. Dass die Gewährung der Zuwendung an den Bestand privatrechtlicher Versicherungsverträge zwischen der Klägerin und der Beklagten geknüpft sei, beeinflusse den öffentlich-rechtlichen Charakter der Zuwendung nicht. Denn diese Verknüpfung sei allein dem legitimen Interesse geschuldet, die Finanzmittel der öffentlich-rechtlichen Versichertengemeinschaft zu erhalten.
Aus diesem maßgebenden tatsächlichen Vorbringen der Klägerin, das die Beklagte insoweit zudem bestätigt, ergibt sich nach dem eingangs dargestellten Maßstab auch bei der gebotenen objektiven Betrachtung (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1991 - III ZR 53/90 -, NJW 1991, 1686, 1687; BVerwG, Urt. v. 25.3.1982 - 2 C 30.79 -, NVwZ 1983, 220; Bayerischer VGH, Beschl. v. 20.6.1994 - 20 C 94.1124 -, NVwZ-RR 1995, 121; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 2.7.1992 - 4 S 3111/91 -, NVwZ-RR 1993, 515, 516) das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit.
Der von der Klägerin mit der Leistungsklage geltend gemachte Erstattungsanspruch zielt auf die teilweise Rückgewähr der vorausgehend gewährten Leistungen und teilt deren Rechtsnatur (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2002 - 4 B 72.01 -, NJW 2002, 2894, 2895; BVerwG, Urt. v. 23.1.1990 - 8 C 37.88 -, NJW 1990, 2482; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 40 Rn. 430 jeweils m.w.N.). Diese vorausgehend von der Klägerin an die Beklagte geleisteten Zuwendungen sind auch bei objektiver Betrachtung des maßgebenden tatsächlichen Vorbringens der Klägerin öffentlich-rechtlicher Natur.
Die Klägerin ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen in Niedersachsen - NöVersG - vom 10. Januar 1994 (Nds. GVBl. S. 5) und § 4 Abs. 1 NöVersG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Satzung der Öffentlichen Sachversicherung Braunschweig - Satzung ÖVB - (vgl. Bl. 68 ff. Gerichtsakte) eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Nach § 14 Abs. 1 NöVersG untersteht sie als solche neben der Versicherungsaufsicht der Rechtsaufsicht des Landes Niedersachsen (vgl. zur öffentlich-rechtlichen Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen und zum Nebeneinander von Rechtsaufsicht und Versicherungsaufsicht: Gesetzentwurf der Niedersächsischen Landesregierung, Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen in Niedersachsen, LT-Drs. 12/5190, S. 11, 13 und 20; Beratung im Niedersächsischen Landtag, PlPr. 12/85, S. 7986 f. und PlPr. 12/97, S. 9127). Als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts kann sich die Klägerin grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedienen.
Neben dem Betreiben des Versicherungsgeschäftes im Wettbewerb mit anderen Unternehmen der Versicherungswirtschaft gemäß § 2 NöVersG kann die Klägerin als Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 NöVersG ihr Vermögen in angemessenem Umfang für gemeinnützige Zwecke verwenden, soweit ihre Satzung dies zulässt (vgl. zur möglichen Trennung zwischen öffentlicher Aufgabe und privatwirtschaftlicher Unternehmenstätigkeit bei öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtungen: Bayerischer VerfGH, Entsch. v. 23.7.1996 - Vf. 14-VII-95 -, [...] Rn. 51 f.). Eine entsprechende Bestimmung ist in § 14 Satzung ÖVB enthalten. Danach fördert die Klägerin durch Zurverfügungstellung finanzieller Mittel vor allem den Brandschutz, daneben die Vorbeugung gegen andere bei der Öffentlichen Sachversicherung Braunschweig versicherbare Gefahren, insbesondere durch Beratung der zuständigen Kommunalbehörden und der Versicherungsnehmer, Zuwendungen für fachliche und soziale Belange der Feuerwehren und Beiträge zur Brandschutzförderung. Darüber hinaus kann die Klägerin die zuständigen Kommunalbehörden und die Versicherungsnehmer bei Schadensverhütungs- und Schadensminderungsmaßnahmen unterstützen und für solche Maßnahmen im Rahmen ihres Wirtschaftsplans auch Beihilfen und Darlehen gewähren.
Die Gewährung dieser Zuwendungen erfolgt durch die Klägerin auf der Grundlage ihrer "Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen zur Förderung des Brandschutzes" (vgl. Bl. 18 ff. Beiakte A). Hierbei handelt es sich um ein einseitig von der Klägerin erlassenes Regelwerk, auf dessen Grundlage der Vorstand der Klägerin allein über Anträge auf Gewährung von Zuwendungen entscheidet. Bei dieser einseitigen, unter anderem auf die besonderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften in § 9 Abs. 1 Satz 2 NöVersG, § 14 Satzung ÖVB gestützten Leistungsgewährung begegnen sich die Beteiligten folglich nicht in einem Gleichordnungs-, sondern in einem Über-/Unterordnungsverhältnis. Diese Annahme wird durch die Einlassung der Klägerin bestätigt, sie habe die Zuwendungen "jeweils einseitig und hoheitlich ... bewilligt (vgl. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m.§ 35 VwVfG)" (Sic !). Der danach unzweifelhaft öffentlich-rechtliche Charakter der gewährten Zuwendung wird auch durch deren Zweck bestätigt. Denn mit den Zuwendungen hat die Klägerin entsprechend den Vorgaben in ihren "Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen zur Förderung des Brandschutzes" die Beklagte im konkreten Fall bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, nämlich den nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NGO den Samtgemeinden im eigenen Wirkungskreis obliegenden Aufgaben nach dem Niedersächsischen Brandschutzgesetz, unterstützt. Der öffentlich-rechtliche Charakter der Zuwendung zeigt sich schließlich auch in deren Bezeichnung als "verlorener Zuschuss" (vgl. Abschnitt "Allgemeines" Absatz 3 der "Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen zur Förderung des Brandschutzes"). Denn ein zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben nach einseitig erlassenen Richtlinien eines öffentlich-rechtlich verfassten Verwaltungsträgers einseitig gewährter sog. "verlorener Zuschuss" ist regelmäßig als eine öffentlich-rechtliche Zuwendung anzusehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.5.2006, a.a.O.; BGH, Beschl. v. 15.12.1998 - XI ZB 19/98 -, [...] Rn. 5 f.;OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.10.2000 - 11 W 33/00 -, NVwZ 2001, 354, 355 jeweils m.w.N.).
Der danach bestehende öffentlich-rechtliche Charakter der Zuwendung wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Gewährung oder der Bestand der Zuwendung nach dem Abschnitt "Schlussbestimmungen", Absatz 3 der "Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen zur Förderung des Brandschutzes" davon abhängt, "dass alle Gebäudeversicherungen bei der Öffentlichen Versicherung Braunschweig bestehen". Hierdurch hat die Klägerin zwar eine tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung der Zuwendung und zugleich eine Bedingung für deren Bestand formuliert. Der hieraus vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss, die Zuwendung teile den privatrechtlichen Charakter der bestehenden Versicherungsverhältnisse, ist aber nicht zwingend. Denn die Zuwendung wird allein durch die Verknüpfung einer ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen mit den bestehenden Versicherungsverhältnissen nicht zu deren unselbstständigem bloßen Annex. Vielmehr zeigen die obigen Ausführungen, dass die Zuwendungen auf einer selbstständigen, öffentlich-rechtlichen Grundlage nur bei Erfüllung besonderer tatbestandlicher Voraussetzungen gewährt werden und damit grundsätzlich neben den gesondert zu betrachtenden privatrechtlichen Versicherungsverhältnissen stehen. Die Abhängigkeit der Gewährung öffentlich-rechtlicher Zuwendungen vom Bestand privatrechtlicher Rechtsverhältnisse oder sogar der Erfüllung konkreter privatrechtlicher Verpflichtungen ist im Übrigen keine Besonderheit des vorliegenden Einzelfalls. Auch in diesem ist es daher, wie die Beteiligten zu Recht ausführen, möglich und geboten, zwischen der privatrechtlichen Versicherung und der öffentlich-rechtlichen Zuwendung zu unterscheiden. Denn der Streit zwischen den Beteiligten geht nicht um die Erfüllung privatrechtlich gestalteter Bedingungen eines zwischen ihnen geschlossenen Vertrages, sondern ausschließlich um die Bedingungen der Gewährung der Zuwendung (vgl. BGH, Urt. v. 17.1.1985 - III ZR 196/83 -, NVwZ 1985, 517, 518).
Die darüber hinausgehenden vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Fragen, ob die Klägerin der Beklagten rechtmäßig öffentlich-rechtliche Zuwendungen gewährt hat, insbesondere, ob dies mit dem satzungsmäßigen Geschäftszweck der Klägerin vereinbar ist und die Klägerin an Vorgaben des Landeshaushaltsrechts gebunden ist, und bejahendenfalls, ob sie diese eingehalten hat, oder ob die Voraussetzungen für eine anteilige Rückforderung vorliegen, betreffen allein die Zulässigkeit und Begründetheit der Leistungsklage, nicht aber die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges.