Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.04.2011, Az.: 1 KN 19/09

Wahrung des Vertrauensschutzes eines Eigentümers bei Änderung des Festsetzung für dessen Grundstück von Gewerbegebiet in bevorzugte Einzelhandelsanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.04.2011
Aktenzeichen
1 KN 19/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 20845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0427.1KN19.09.0A

Fundstellen

  • FStNds 2011, 649-653
  • FStNds 2011, 647-649

Amtlicher Leitsatz

Zum Vertrauensschutz eines Eigentümers, dessen Grundstück im Altplan als Gewerbegebiet (BauNVO 1968) festgesetzt war und im (neuen) Einzelhandelskonzept der Gemeinde zum Teil als bevorzugte Einzelhandelslage dargestellt ist.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs", weil sie sich hierdurch in der Ausnutzbarkeit ihres im Plangebiet liegenden unbebauten Grundstücks, das sie einer Einzelhandelsnutzung zuführen möchte, eingeschränkt sieht. Denn mit der Änderung des Bebauungsplans werden Einzelhandelsbetriebe im Gewerbegebiet ausgeschlossen.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines unbebauten Grundstücks, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs" liegt. Der setzte in seiner am 01.12.1977 bekannt gemachten Ursprungsfassung für das gesamte Plangebiet ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO 1968 fest. Nach Nr. 1 der textlichen Festsetzungen waren sämtliche Gewerbebetriebe mit nicht wesentlich störenden Schallemissionen zulässig.

3

Das Plangebiet liegt im westlich der Innenstadt der Antragsgegnerin gelegenen Stadtteil Grone. Eine Zäsur innerhalb des Stadtteils Grone bildet die in Ost-West-Richtung verlaufende Kasseler Landsstraße (Bundesstraße 3), die Grone in einen Nord- und einen Südteil zerschneidet. Das etwa 4,5 ha große Plangebiet schließt sich westlich an das südliche Groner Stadtteilgebiet an. Es wird im Westen durch die Siekhöhenallee, im Norden durch die Kasseler Landstraße und im Osten durch den Siekweg begrenzt. Die südliche Grenze ist eine gedachte Verlängerung der Harzstraße in westlicher Richtung zwischen Siekweg und Siekhöhenallee. Wohnnutzung befindet sich ausschließlich östlich. Unmittelbar südlich schließen sich Freiflächen an das Plangebiet an. Westlich und nördlich liegen gewerblich genutzte Flächen, u.a. der nördlich der Kasseler Landstraße gelegene Kaufpark, eine Einzelhandelsagglomeration an der Otto-Brenner-Straße in unmittelbarer Nähe zur Anschlussstelle der A7. Etwa zwei Drittel der überbaubaren Fläche des Plangebiets sind bebaut. Die Bebauung hat ihren Schwerpunkt im Norden entlang der Kasseler Landstraße und im Osten am Siekweg. Dort werden ein Sconto Discountmöbelmarkt, eine Autowaschanlage, ein Küchenstudio, eine Mc Fit Fitnesshalle, ein McDonald's Fastfoodrestaurant, ein Geschäft für Musikinstrumente, ein Dänisches Bettenlager und ein Takko Modemarkt betrieben. Das unbebaute Grundstück der Antragstellerin (Flurstücke .. und ../., Flur . der Gemarkung F.) liegt im südlichen Bereich des Plangebiets.

4

Die östliche Grenze des Plangebiets ist etwa 700 m Luftlinie von dem am Jonaplatz im Stadtteil Grone Süd gelegenen Einkaufszentrum entfernt. Dort befindet sich u.a. ein Rewe-Supermarkt mit einer Verkaufsfläche von rund 1.000 m2. Einen weiteren Lebensmittelmarkt gibt es in Grone-Süd nicht mehr. Der auf türkische Lebensmittel spezialisierte Sinem-Markt hat sein im östlichen Bereich von Grone-Süd gelegenes Geschäft vor kurzem an einen Standort in Grone-Nord verlagert.

5

Anlässlich einer für ein Nachbargrundstück eingereichten Bauvoranfrage für die Umnutzung eines Möbelmarktes in einen Lebensmittelmarkt beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 02.02.2004, bekannt gemacht am 17.02.2004, die Aufstellung der 2. Änderung des Bebauungsplans (eine zuvor beabsichtigte 1. Änderung des Bebauungsplans wurde nicht abgeschlossen). Als Ziel wurde u.a. die planungsrechtliche Steuerung künftiger Einzelhandelsnutzungen unter besonderer Berücksichtigung der gesamtstädtischen Einzelhandelsversorgung und -struktur und sonstiger künftiger Nutzungen angegeben. Um die künftige Entwicklung der Einzelhandelsversorgung und -struktur hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesamtstadt beurteilen und steuern zu können, sollten noch die Ergebnisse des beim Institut für Handels-, Stadt- und Regionalforschung GfK Prisma in Auftrag gegebenen Einzelhandelsgutachtens abgewartet werden.

6

Im Dezember 2004 legte die GfK Prisma das Einzelhandelsgutachten für die Antragsgegnerin vor. In diesem Konzept werden Empfehlungen zur Sicherung bzw. Erhöhung der Einzelhandelszentralität ausgesprochen.

7

Nach Rücknahme der o.g. Bauvoranfrage im Verlauf des Jahres 2005 betrieb die Antragsgegnerin das Bebauungsplanänderungsverfahren zunächst nicht weiter.

8

Auf der Grundlage des Konzepts der GfK Prisma vom Dezember 2004 beschloss der Rat der Beklagten am 16.12.2005 das kommunale Einzelhandelskonzept. Als Leitlinie sieht es vor, dass Einzelhandel hauptsächlich in der Innenstadt und in zwei Fachmarktagglomerationen (Lutteranger und Kasseler Landstraße West) stattfinden soll. Dazu soll eine wohngebietsbezogene Nahversorgung kommen. Solitäre Fachmarktstandorte sollen im Wesentlichen auf ihre derzeitige Verkaufsfläche begrenzt werden. In Gewerbe- und Indus-triegebieten soll Einzelhandel nicht mehr zulässig sein, wobei Ausnahmen im Bestand möglich sein sollen. Bestandteil des Einzelhandelskonzeptes ist die sog. Göttinger Liste, in der sortimentsbezogene Aussagen nach vier Sortimentsgruppen (Nahversorgung, nicht innenstadtrelevante Sortimente, innenstadtrelevante Sortimente und restriktive innenstadtrelevante Sortimente) getroffen werden. Das Einzelhandelskonzept stellt in einer Übersichtskarte drei nach unterschiedlichen Kategorien systematisierte Einzelhandelslagen dar. Der nördliche Bereich des Plangebiets liegt in der Fachmarktagglomeration "Kasseler Landstraße West". Ein Teilgebiet im Norden des Grundstücks der Antragstellerin ist dieser Fachmarktagglomeration zugeordnet. Der südliche Planbereich ist keiner Einzelhandelslage zugeordnet. Das Stadtteilgebiet Grone-Süd ist als Bereich intakter Nahversorgung, der mittelfristig keiner weiteren Entwicklung bedarf, gekennzeichnet.

9

Anlässlich einer weiteren Bauvoranfrage für ein Nachbargrundstück beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 16.07.2007 erneut die Aufstellung der 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs". Als Ziele der Planung wurden u.a. die Festsetzung eines sonstigen Sondergebiets mit der Zweckbestimmung Einzelhandel, die planungsrechtliche Umsetzung der Einschränkung von Einzelhandelsnutzungen auf Grundlage des Einzelhandelskonzepts der Antragsgegnerin zur Gewährleistung der städtebaulichen Verträglichkeit sowie die Stärkung der im Ortsteil Grone vorhandenen Nahversorgungszentren zur Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung für alle Bevölkerungsteile genannt. Da das Verfahren unter Verzicht einer Umweltprüfung im beschleunigten Verfahren durchgeführt werden sollte, hielt die Antragsgegnerin einen erneuten Aufstellungsbeschluss für erforderlich. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 19.07.2007 bekannt gemacht.

10

Mit Schreiben vom 21.11.2008 erhob die Antragstellerin folgende Einwendungen gegen den Planentwurf: Es biete sich eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes nach Süden durch Einbeziehung des Flurstücks ... der Gemarkung Grone an. Sie strebe für ihr Grundstück eine großflächige Lösung unter Einbeziehung dieses südlich gelegenen Flurstücks an. Die Ausweisung von Sonder- und Gewerbegebieten im Plangebiet stimme nicht mit den Vorgaben im Einzelhandelskonzept überein. Das geplante Gewerbegebiet rage im mittleren Bereich in das Sondergebiet hinein. Im Einzelhandelskonzept hingegen werde der nördliche Teil des Flurstücks ../. als Fläche für Einzelhandel beschrieben. Die im Planentwurf vorgenommene Abgrenzung sei willkürlich und lasse sich städtebaulich nicht begründen. Das Sondergebiet sei vielmehr bis zur Südgrenze des Plangebiets auszuweiten. Wenn die Zulassung von Einzelhandel im nördlichen Teil des Plangebiets keine Nachteile für städtebauliche Strukturen bewirke, sei nicht ersichtlich, welche Nachteile durch die Zulassung von Einzelhandel im südlichen Teil entstehen könnten. Das Gutachten der GfK Prisma sehe im Stadtgebiet Spielräume im Bereich Heimwerker- und Gartenbedarf, halte somit nicht jeden weiteren Einzelhandel für völlig ausgeschlossen. Eine Begründung für den Ausschluss jeglichen Einzelhandels im Gewerbegebiet gebe der Planentwurf nicht. Auch die Auswahl der im Sondergebiet zulässigen Sortimente sei zu eng. Der Katalog der zulässigen Sortimente enthalte nur solche, die im Gutachten der GfK-Prisma untersucht worden seien. Alle nicht untersuchten Sortimente seien verboten, ohne dass eine Untersuchung stattgefunden hätte. Zudem seien Gardinen und Bürobedarf fehlerhaft als innenstadtrelevant eingestuft worden. Der Ausschluss von Fremdwerbung im Sonder- und Gewerbegebiet sei nicht gerechtfertigt, da Fremdwerbung dort nicht störe. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, weshalb Werbeanlagen nur fünf Meter hoch sein dürften, während sonstige bauliche Anlagen eine Gesamthöhe von acht bzw. zwölf Metern haben dürften. Auch bewegte Werbung und Lichtwerbung müssten zulässig sein. Die zugestandenen Lärmemissionskontingente seien so gering, dass bereits die bestehenden Nutzungen diese überträfen. Schließlich sei der im südlichen Plangebiet vorgesehene Streifen für Anpflanzungen nicht erforderlich.

11

Am 05.12.2008 beschloss der Rat der Antragsgegnerin über die Anregungen und die 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs" als Satzung. Er setzt im Bereich der vorhandenen Bebauung jetzt ein Sondergebiet Einzelhandel und sonstiges Gewerbe fest, in dem nach Nr. 1.1.1 der textlichen Festsetzungen nur der in der Göttinger Liste als "nicht-innenstadtrelevant" bezeichnete Einzelhandel zulässig ist. Für das im südlichen Bereich liegende unbebaute Grundstück der Antragstellerin schließt der Bebauungsplan in Nr. 1.2.2 der textlichen Festsetzungen u.a. Einzelhandelsbetriebe aus. Die Bebauungsplanänderung wurde am 05.02.2009 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

12

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss den Bebauungsplan Nr. 20 Göttingen-Grone "Westlich des Siekwegs" am 21.03.2011 nahezu unverändert neu. Der Plan wurde lediglich noch um den Hinweis ergänzt, dass die im Bebauungsplan für die Lärmkontingente genannten DIN-Normen bei der Antragsgegnerin eingesehen werden können. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin fertigte den Bebauungsplan aus und ordnete die rückwirkende Bekanntmachung zum 05.02.2009 an. Entsprechend wurde der Bebauungsplan am 25.03.2011 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

Zur Begründung ihres am 09.02.2009 gestellten Normenkontrollantrages beruft sich die Antragstellerin auf ihre Einwendungen im Planaufstellungsverfahren vom 21.11.2008 und trägt ergänzend vor: Die Antragsgegnerin habe über ihre Einwendungen nicht abwägungsfehlerfrei entschieden. Sie habe die Vorgaben des Einzelhandelskonzepts missverstanden, als sie davon ausging, sie müsse diese Vorgaben parzellenscharf in den Bebauungsplan übernehmen. Sie hätte Untersuchungen dahingehend anstellen müssen, welche städtebaulichen Konsequenzen eine Ausdehnung des Einzelhandelsschwerpunkts auf ihr Grundstück hätte. Aus der Begründung des Bebauungsplans werde nicht erkennbar, weshalb die Abgrenzung der Einzelhandelsflächen in der beschriebenen Weise vorgenommen worden sei. Die Abgrenzung des kommunalen Einzelhandelskonzepts sei durch den Bebauungsplan sogar noch restriktiv zu ihrem Nachteil verändert worden. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin ihrer Anregung, das südlich des Plangebiets liegende Grundstück in den Bebauungsplan einzubeziehen, nicht entsprochen. Im Hinblick auf den erneuten Ratsbeschluss vom 21.03.2011 macht die Antragstellerin geltend, dass die Antragsgegnerin eine erneute inhaltliche Abwägung hätte treffen müssen. Außerdem fehle es insoweit an einer Beteiligung des Ortsrats und der Bürger. Schließlich regele der Satzungsbeschluss selbst keine Rückwirkung. Die Rückwirkung tauche erst in der Bekanntmachung auf.

14

Die Antragstellerin beantragt,

die vom Rat der Antragsgegnerin am 5. Dezember 2008 sowie am 21. März 2011 als Satzung beschlossene 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs" und die örtliche Bauvorschrift über Gestaltung für unwirksam zu erklären,

15

hilfsweise

festzustellen, dass die 2. Änderung des vorstehend genanten Bebauungsplans Nr. 20 "Westlich des Siekwegs" bis zur Bekanntmachung des Ratsbeschlusses vom 21.03.2011 (am 25.03.2011) unwirksam gewesen ist.

16

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

17

Sie erwidert: Die Anregungen der Antragstellerin seien ausführlich gewürdigt worden. Die Gebietstypen seien unter Berücksichtigung der bebauten und nicht bebauten Flächen abgegrenzt worden. Der vorhandene Einzelhandel genieße Bestandsschutz und sei deshalb als Sondergebiet Einzelhandel festgesetzt worden. Das Grundstück der Antragstellerin sei nicht bebaut. Eine Einbeziehung der südlich außerhalb des Plangebiets liegenden Fläche habe sich aufgrund der verkehrlichen Situation und der ungewissen Weiterentwicklung der verbleibenden Fläche zwischen Siekweg und Siekhöhenallee nicht aufgedrängt.

18

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Das Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin sowie das Plangebiet und die nähere Umgebung sind in der mündlichen Verhandlung per Google Maps, BING und Beamer betrachtet worden.

Entscheidungsgründe

19

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.

20

Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Nach § 47 Abs. 2 VwGO ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Das Grundstück der Antragstellerin liegt im Geltungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs". Durch die Planänderungen werden die früheren Nutzungsmöglichkeiten verkürzt, so dass die Antragsbefugnis gegeben ist.

21

Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan Göttingen-Grone Nr. 20 "Westlich des Siekwegs" i.d.F. der am 05.12.2008 und am 21.03.2011 beschlossenen 2. Änderung ist unwirksam. Die Festsetzung eines Gewerbegebiets mit einem vollständigen Einzelhandelsausschluss für das Grundstück der Antragstellerin und der Ausschluss von Sortimenten der Nahversorgung im Sondergebiet sind unwirksam. Dies führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans.

22

Der Bebauungsplan leidet allerdings nicht an Form- oder Verfahrensfehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führten. Zwar wurde der Bebauungsplan ursprünglich nicht ordnungsgemäß verkündet, weil die in den textlichen Festsetzungen Nr. 5.1 und Nr. 5.2 enthaltenen Verweisungen auf die DIN 4109 sowie auf die DIN 45691 nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine solche Verweisung genügte. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden. Verkündung bedeutet, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Verweist eine textliche Festsetzung auf eine DIN-Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschriften verlässlich Kenntnis verschaffen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.07.2010 - 4 BN 21.10 -, BauR 2010, 1889).

23

Die Antragsgegnerin hatte ursprünglich nicht hinreichend sichergestellt, dass die Planbetroffenen von den DIN-Vorschriften verlässlich Kenntnis erlangen können. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die zitierten DIN-Vorschriften bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereit gehalten und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hingewiesen wird (BVerwG, Beschl. v. 29.07.2010 - 4 BN 21.10 -, a.a.O.). Die Antragsgegnerin hatte eigenen Angaben zufolge die DIN-Vorschriften zwar stets zur Einsicht bereit gehalten, hierauf aber in der Bebauungsplanurkunde nicht hingewiesen.

24

Diesen Mangel hat die Antragsgegnerin jedoch durch die erneute Beschlussfassung und ihre rückwirkende Bekanntmachung gemäߧ 214 Abs. 4 BauGB geheilt. Hiernach kann die Gemeinde nach §§ 214, 215 BauGB beachtliche Mängel beheben, die nicht den Kern der Abwägungsentscheidung betreffen. Behebt die Gemeinde einen Mangel nach § 214 Abs. 4 BauGB, führt sie kein rechtlich eigenständiges Verfahren durch. Sie setzt das ursprüngliche Bebauungsplanverfahren an der Stelle fort, an welcher der Fehler unterlaufen ist. Daraus folgt, dass nicht die dem Fehler vorangegangenen Verfahrensschritte, die fehlerfrei durchgeführt worden sind, wiederholt werden, sondern nur die nachfolgenden Schritte (vgl. OVG Münster, Urt. v. 18.02.2011 - 7 D 52/10.NE -, [...]). Nur was zur Behebung des Mangels erforderlich ist, muss im ergänzenden Verfahren behandelt werden. Alles andere bleibt aus dem vorangegangenen Verfahren erhalten und muss nicht neu entschieden werden (vgl. Kalb in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 214 Abs. 4 Rdnr. 258).

25

Die Antragsgegnerin hat wirksam von der Heilungsmöglichkeit Gebrauch gemacht. Ihr Rat hat mit Beschluss vom 21.03.2011 den Bebauungsplan um den Hinweis ergänzt, dass die im Bebauungsplan genannten DIN-Normen bei der Antragsgegnerin eingesehen werden können. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin hat den Bebauungsplan ausgefertigt und die rückwirkende Bekanntmachung zum 05.02.2009 angeordnet. Entsprechend wurde der Bebauungsplan am 25.03.2011 im Amtsblatt bekannt gemacht. Es war zwar nicht notwendig, dass der Rat erneut über den Bebauungsplan beschließt, es schadete aber auch nicht. Zur Behebung des Mangels war es nur erforderlich, dass der Verfahrensschritt, in dem der Mangel aufgetreten ist, wiederholt wird. Das ursprüngliche Fehlen eines Hinweises auf die Möglichkeit der Einsichtnahme der DIN-Vorschriften betrifft nicht den Inhalt des Satzungsbeschlusses, sondern stellt wie dargelegt nur einen Mangel der Bekanntmachung des Bebauungsplans dar. Deshalb musste auch nur der Bekanntmachungsvorgang wiederholt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich verändert hat, da nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der ursprünglichen Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgeblich ist.

26

Auch für das rückwirkende Inkraftsetzen des Bebauungsplans bedurfte es keiner erneuten Ratsentscheidung. Der Grundsatz, dass zum Inhalt einer Norm die Bestimmung gehört, zu welchem Zeitpunkt sie in Kraft tritt, gilt für den Bebauungsplan nicht, da der Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits im Gesetz geregelt und grundsätzlich nicht zur Disposition des Plangebers steht (BVerwG, Beschl. v. 10.08.2000 - 4 CN 2.99 -, BauR 2001, 71 = DVBl 2000, 1861 = NVwZ 2001, 203). Der Bebauungsplan tritt gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB grundsätzlich mit seiner Bekanntmachung in Kraft. Nur ausnahmsweise kann er innerhalb des ergänzenden Verfahrens bei bestimmten Mängeln nach§ 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Aber auch in diesem Fall ist die Anordnung der Rückwirkung Bestandteil des Bekanntmachungsverfahrens und nicht des Satzungsbeschlusses (BVerwG, Beschl. v. 10.08.2000 - 4 CN 2.99 -, a.a.O.).

27

Der Bebauungsplan ist nicht deshalb unwirksam, weil der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 21.03.2011 keine erneute Abwägung vorgenommen hat. Wie dargelegt muss im ergänzenden Verfahren nur das behandelt werden, was zur Behebung des Mangels erforderlich ist. Hier hat die Antragsgegnerin die Bebauungsplanurkunde lediglich um den notwendigen Hinweis auf die Bereithaltung von DIN-Vorschriften ergänzt. Es ging somit nur um die Behebung eines Bekanntmachungsfehlers, so dass weder ein neuer Ratsbeschluss noch eine erneute Abwägung erforderlich waren. Aus dem gleichen Grund waren weder eine Bürgerbeteiligung noch eine Beteiligung des Ortsrats erforderlich.

28

Die fehlende Einbeziehung des südlich des Plangebiets liegenden Grundstücks (Flurstück ... der Flur . der Gemarkung Grone) in den Planbereich begründet nicht die Unwirksamkeit der Bebauungsplanänderung. Es ist in erster Linie Sache des Plangebers, den Planumriss zu bestimmen. Ob sie überhaupt plant und in welchem räumlichen Umfang sie das tut, ist Teil ihres Planungsermessens (BVerwG, Beschl. v. 20.11.1995 - 4 NB 23.94 -, NVwZ 1996, 888 = DVBl. 1996, 264 = ZfBR 1996, 110; Beschl. d. Sen. v. 13.04.2011 - 1 MN 30/11 -, http://www.dbovg.niedersachsen.de). Der Umriss eines Planes wird durch die städtebaulichen Absichten bestimmt, die sich eine Gemeinde in freier Entscheidung zum Ziel setzen darf. Das richtet sich nach objektiven städtebaulichen Gesichtspunkten und ist von den Eigentümern grundsätzlich auch dann hinzunehmen, wenn sie ihrer Einschätzung nach wichtige Bauabsichten haben, die sich nur bei Erweiterung des Plangebiets verwirklichen lassen (Beschl. d. Sen. v. 13.04.2011 - 1 MN 30/11 -, a.a.O.).

29

Nur ausnahmsweise kann das Planungsermessen hinsichtlich des Zuschnitts des Plangebiets unter dem Gesichtspunkt des § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB eingeschränkt sein. Danach kann eine Pflicht, zunächst nicht in das Plangebiet aufgenommene Flächen einzubeziehen, in Betracht kommen, wenn der Bebauungsplan ohne diese Einbeziehung seine Aufgabe, die städtebauliche Ordnung zu sichern und zu fördern, nicht erfüllen kann. Das kann dann geschehen, wenn durch das Aussparen von Flächen konkurrierende Nutzungen aufeinander stoßen und dadurch ein Konflikt entsteht, der im Rahmen der Abwägung entsprechend dem Gebot zur Problem- und Konfliktbewältigung hätte gelöst werden müssen (Beschl. d. Sen. v. 13.04.2011 - 1 MN 30/11 -, a.a.O. und Urt. v. 20.04.2009 - 1 KN 79/05 -, BauR 2009, 1425).

30

Das war hier nicht der Fall. Das Plangebiet umfasst im Wesentlichen die Abgrenzung des ursprünglichen Bebauungsplans. Dieser setzte ein Gewerbegebiet für das gesamte Plangebiet fest, so dass die intensiv genutzten Ackerflächen des Flurstücks ... schon vor der Planänderung unmittelbar an ein Gewerbegebiet angrenzten. Die Planänderung kann somit jedenfalls keinen neuen Konflikt hervorrufen. Zudem ist nicht erkennbar, dass das Aufeinanderstoßen gewerblicher und landwirtschaftlicher Nutzung hier Konflikte auslösen würde, da sogar die Nähe der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu dem unmittelbar in östlicher Richtung angrenzenden Wohngebiet keine größeren Probleme bereitet zu haben scheint.

31

Die südlich an das Plangebiet angrenzende Fläche war nicht deshalb einzubeziehen, weil diese Fläche zu klein für eine eigene Planung wäre. Eine Überplanung wäre - umgekehrt - vielmehr erschwert, wenn man das Flurstück ... in die Planung einbezöge. Die verbliebene Fläche wäre nicht nur aufgrund ihrer geringen Größe, sondern auch aufgrund ihres Zuschnitts mit ihrem nach Süden spitz zulaufenden Bereich nicht mehr sinnvoll zu beplanen. Deshalb war es nicht willkürlich, das Flurstück ... nicht mit einzubeziehen; in der Nichtberücksichtigung liegt vielmehr eine sachgerechte Erwägung.

32

Die Festsetzung eines Gewerbegebiets mit einem vollständigen Einzelhandelsausschluss für das Grundstück der Antragstellerin ist jedoch unwirksam.

33

Zwar kann die Antragsgegnerin in Gewerbegebieten grundsätzlich einen Einzelhandelsausschluss festsetzen. Der für das Grundstück der Antragstellerin festgesetzte Ausschluss jeglichen Einzelhandels ist jedoch abwägungsfehlerhaft.

34

Rechtsgrundlage für den in Nr. 1.2.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans festgesetzten Einzelhandelsausschluss im Gewerbegebiet ist § 1 Abs. 5 BauNVO. Nach dieser Vorschrift kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Ausgeschlossen oder für ausnahmsweise zulässig erklärt werden kann jede einzelne der in den jeweiligen Absätzen 2 der betreffenden Baugebietsvorschrift genannten Nutzungsarten (BVerwG, Urt. v. 26.03.2009 - 4 C 21.07 -, BVerwGE 133, 310 = ZfBR 2009, 463 = BauR 2009, 1245 = NVwZ 2009, 1228). Zu den Arten von Nutzungen, die auf diese Weise generell ausgeschlossen werden können, gehören auch Einzelhandelsbetriebe (BVerwG, Urt. v. 26.03.2009 - 4 C 21/07 -, a.a.O.), die im Gewerbegebiet gemäß § 8 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig sind. Die Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, in dem nach § 8 Abs. 2 BauNVO u.a. nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe aller Art allgemein zulässig sind, wird nicht beeinträchtigt, wenn Einzelhandelsbetriebe vollständig ausgeschlossen werden. Alle anderen Gewerbebetriebe bleiben zulässig.

35

Der Einzelhandelsausschluss für das Grundstück der Antragstellerin lässt sich zwar städtebaulich rechtfertigen, leidet aber an einem Abwägungsfehler nach § 1 Abs. 7 BauGB.

36

Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was städtebaulich gerechtfertigt und damit i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (BVerwG, Beschl. v. 17.05.1995 - 4 NB 30.94 -, ZfBR 1995, 269 = BauR 1995, 654 = NJW 1995, 2572). Es liegt im Ermessen der Gemeinde, welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Urt. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, a.a.O.). Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie Teile ihres Gemeindegebiets zur Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellt.

37

Hier liegt mit dem Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin vom Dezember 2005 ein schlüssiges Plankonzept vor. Das Einzelhandelskonzept beschreibt, wie sich die Antragsgegnerin die zukünftige Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben im Stadtgebiet vorstellt. Danach ist geregelt, dass weitere Ansiedlungen von Einzelhandelsvorhaben ausschließlich in der Innenstadt und in den Entwicklungsschwerpunkten "Lutteranger" und "Kasseler Landstraße West" im Rahmen der vorgenommenen Abgrenzung möglich sein sollen. In Gewerbe- und Industriegebieten soll Einzelhandel nicht zulässig sein.

38

Dieses Konzept ist schlüssig und durchdacht (vgl. auch Beschl. d. Sen. v. 26.05.2010 - 1 LA 255/09 -, V.n.b.). Die Stärkung der Innenstadt und der vorhandenen Einzelhandelsagglomerationen ist ein tragfähiges Ziel, das den Einzelhandelsausschluss im übrigen Stadtgebiet rechtfertigt. Die Gfk Prisma hat in ihrem Einzelhandelsgutachten empfohlen, unter Beachtung der Sortimentsbeschränkungen der Göttinger Liste zukünftige Standorte für Einzelhandelsansiedlungen möglichst nur im Bereich der bestehenden Agglomerationen zu genehmigen. Es ist gerechtfertigt, auf diese Weise der befürchteten weiteren Ausdehnung von Einzelhandelsstandorten im übrigen Stadtgebiet entgegenzusteuern und so die Innenstadt zu stärken und die wohnortnahe Versorgung sicherzustellen.

39

Die Antragsgegnerin hat ihr Einzelhandelskonzept mit der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 20 "Westlich des Siekwegs" jedoch nur teilweise konsequent umgesetzt. So hat sie entsprechend den Vorgaben in ihrem Einzelhandelskonzept den nördlichen Bereich, der im Konzept der Fachmarktagglomeration "Kasseler Straße West" zugeordnet wird, als Sondergebiet für Einzelhandel ausgewiesen. Hierdurch werden die Flächen, auf denen sich überwiegend Einzelhandelsbetriebe befinden, im Bestand gesichert.

40

Für den unbebauten südlichen Bereich hat die Antragsgegnerin ihr Einzelhandelskonzept hingegen nicht konsequent umgesetzt. Sie hat die Ausweisung als Gewerbegebiet beibehalten, den Einzelhandel aber vollständig ausgeschlossen, obwohl ein Teilbereich dieses Gebiets im Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin der Fachmarktagglomeration "Kasseler Landstraße West" zugeordnet ist. Wird eine im Einzelhandelskonzept ausdrücklich für Einzelhandelsnutzung vorgesehene Fläche von der Einzelhandelsnutzung ausgeschlossen, muss diese Ausnahme vom Einzelhandelskonzept besonders begründet werden. Dabei sind an die Begründung besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn vor Planänderung auf den betroffenen Flächen Einzelhandelsnutzungen uneingeschränkt zulässig waren. An dieser besonderen Begründung, welche die Belange der Antragstellerin hinreichend berücksichtigt, fehlt es hier. Die 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 leidet insoweit an einem Abwägungsmangel.

41

§ 1 Abs. 7 BauGB verlangt bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1974 - 4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 ff.).

42

Wird ein Bebauungsplan geändert, so ist zudem das Interesse der Planbetroffenen an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes abwägungserheblich. Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf den Fortbestand eines Bebauungsplans. Änderungen des Bebauungsplans sind nicht ausgeschlossen. Die Planbetroffenen besitzen jedoch regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Festsetzungen des Plans nicht ohne Berücksichtigung ihrer Belange geändert werden. Greift der Änderungsplan in ein bestehendes Recht zur Bebauung ein, bedarf es besonderer Sorgfalt bei der Abwägung. Denn der normativen Entziehung oder Beschränkung eines bestehenden Baurechts kommt erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung auswirken muss. Beim Erlass wie bei der Änderung eines Bebauungsplans muss im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an der gewollten städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 -, BRS 65 Nr. 6 = BauR 2003, 1338 = NVwZ 2003, 727; OVG Münster, Urt. v. 24.09.2010 - 2 D 74/08.NE -, NVwZ-RR 2011, 226 <Leitsatz> und [...] <Leitsatz und Gründe>).

43

Gemessen an diesen Maßstäben leidet die 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 an dem Fehler, dass die Antragsgegnerin bei der Abgrenzung zwischen Sonder- und Gewerbegebiet nicht hinreichend berücksichtigt hat, dass ihr Einzelhandelskonzept den nördlichen Teil des Flurstücks ../. als Fläche für Einzelhandel beschreibt. Auf diesem Teilbereich des Grundstücks der Antragstellerin wird durch die Planänderung Einzelhandel ausgeschlossen, obwohl das Einzelhandelskonzept an dieser Stelle Einzelhandel ausdrücklich zulässt. Die Antragstellerin hatte bereits im Rahmen der öffentlichen Auslegung auf diese Abweichung von der Gebietsabgrenzung in der Übersichtskarte zum Einzelhandelskonzept hingewiesen. Hierzu hatte die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung ausgeführt, die Abgrenzung orientiere sich am Bestand des vorhandenen Einzelhandels, eine Festlegung der Grenze in der Weise, wie sie im Einzelhandelskonzept beschrieben werde, stelle eine zu kleine Fläche dar. Die Antragsgegnerin hat die Abgrenzung der Gebietsarten damit allein nach dem Bestand des vorhandenen Einzelhandels vorgenommen, obwohl sich das Einzelhandelskonzept nicht (ausschließlich) am Bestand orientiert. Denn dann wäre der nördliche, ebenfalls unbebaute Teil des Flurstücks 74/4 nicht als Fläche für Einzelhandel beschrieben worden.

44

Die Antragstellerin hatte im Rahmen der öffentlichen Auslegung angeregt, das Sondergebiet bis zur Südgrenze des Plangebiets auszuweiten. Der Antragsgegnerin ist es im Rahmen der Abwägung nicht gelungen nachvollziehbar darzulegen, weshalb sie, wenn sie schon von der Grenzziehung im Einzelhandelskonzept abweicht, diese Abweichung nicht zugunsten der Antragstellerin vorgenommen und das Sondergebiet bis zur südlichen Grenze des Plangebiets ausgeweitet hat. Ein Abweichen vom Einzelhandelskonzept ist durchaus zulässig. Ein Einzelhandelskonzept ist zwar bei der Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB zu berücksichtigen, ihm kommt aber keine bindende Wirkung zu, wie auch die Antragsgegnerin in ihrem Konzept abschließend klar stellt (S. 6 des Konzepts). Die Antragsgegnerin verweist zur Begründung, weshalb sie das Sondergebiet nicht bis zur Südgrenze ausgeweitet hat, nur ganz allgemein darauf, dass die Flächenverteilung durch das Einzelhandelskonzept vorgegeben sei und ein Abweichen den Innenstadthandel substantiell gefährde.

45

Vor dem Hintergrund, dass der Bebauungsplan in seiner Ursprungsfassung auf der Grundlage der BauNVO 1968 ein Gewerbegebiet festsetzte, in dem sämtliche Einzelhandelsnutzungen zulässig waren, soweit sie für die Umgebung keine erheblichen Nachteile oder Belästigungen zur Folge haben konnten, hätte die Antragsgegnerin die massive Einschränkung dieses bestehenden Baurechts nachvollziehbar erläutern müssen. Sie hat im Rahmen der Abwägung hierzu jedoch nur knapp ausgeführt, dass sie mit der neuen Bauleitplanung kein Baurecht entziehe, sondern lediglich bestimmte Nutzungen einschränke. Die Antragsgegnerin hat nicht erkannt, dass der Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen das Eigentumsrecht der Antragstellerin erheblich einschränkt, weil der zuvor planerisch möglichen Ausnutzbarkeit ihres Grundstücks nun enge Grenzen gesetzt werden. Nach den bis zur 2. Änderung geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 war das Grundstück der Antragstellerin als Gewerbegebiet nach§ 8 der BauNVO 1968 ausgewiesen. Für dieses Gewerbegebiet galten keine Beschränkungen. Die wirtschaftlich besonders lukrative Ansiedlung eines Einzelhandelbetriebes war danach uneingeschränkt zulässig. Nachdem die Verwirklichung eines Einzelhandelsvorhabens nach Inkrafttreten der 2. Änderung nicht mehr möglich ist, besteht für die Antragstellerin lediglich die Möglichkeit, ihr Grundstück durch Ansiedlung sonstiger Gewerbebetriebe zu verwerten. Der Wert des Grundstücks der Antragstellerin wird hierdurch erheblich gemindert.

46

Die Abweichung von der Grenzziehung im Einzelhandelskonzept zu Lasten der Antragstellerin hätte auch deshalb besonders begründet werden müssen, weil die Antragstellerin bereits konkrete Bauabsichten hatte. Sie hatte schon im August 2007 eine Bauvoranfrage u.a. für die Errichtung eines Bau- und Gartenmarktes gestellt. Für diesen Bereich hat die GfK Prisma in ihrem Gutachten vom Dezember 2004 durchaus Spielräume gesehen (S. 70 und 94 des Gutachtens). Zudem hatte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 11.09.2007 signalisiert, dass einer solchen Planung abgesehen von der zweifelhaften Erschließung nichts entgegenstehen dürfte, es lediglich Einschränkungen bestimmter Einzelhandelsnutzungen geben werde. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin diesen Vertrauensgesichtspunkt in ihre Abwägungsentscheidung einbezogen hätte.

47

Die Antragsgegnerin hat nicht nach der Möglichkeit eines weniger belastenden Eingriffs in das bauliche Nutzungsrecht der Antragstellerin gesucht. Der Vorschlag der Antragstellerin, das Sondergebiet bis zur südlichen Plangrenze auszuweiten, stellt eine realistische Alternative dar. Immerhin schließt dieser Bereich unmittelbar an die vorhandene Fachmarktagglomeration an und ist durch eine Privatstraße erschlossen. Hierauf hat die Antragstellerin wiederholt hingewiesen. Gleichwohl hat sich die Antragsgegnerin nicht ernsthaft mit dieser Alternative auseinandergesetzt.

48

Da somit die Antragsgegnerin hinreichend gewichtige öffentliche Belange, die es rechtfertigen könnten, das Nutzungsrecht der Antragstellerin im Rahmen der Abwägung zurückzustellen, nicht dargelegt und die Belange der Antragstellerin nicht ausreichend beachtet worden sind, ist die Verringerung der baulichen Möglichkeiten nicht gerechtfertigt.

49

Auch der Ausschluss von Sortimenten der Nahversorgung im Sondergebiet ist unwirksam.

50

Ob die Festsetzung eines Sondergebiets Einzelhandel mit dem Ausschluss von Sortimenten der Nahversorgung - hierzu gehört der Lebensmitteleinzelhandel - zulässig ist, misst sich an § 1 Abs. 3 BauGB und nicht an § 1 Abs. 9 BauNVO. Dies ergibt sich aus Folgendem: § 1 BauNVO ermöglicht für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete Feindifferenzierungen hinsichtlich der Festsetzung der Art der Nutzung nur nach Maßgabe von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9 BauNVO. § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BauNVO stellt klar, dass diese Vorschriften bei der Ausweisung eines Sondergebiets keine Anwendung finden. Besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können stattdessen nach §§ 10 und 11 BauNVO getroffen werden, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BauNVO. Sondergebiete zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie sich von den in den §§ 2 bis 9 BauNVO genannten Gebieten wesentlich unterscheiden, was sich auch auf die nach § 11 Abs. 2 BauNVO zu erfolgenden Festsetzungen der Art der Nutzung auswirkt. Im Rahmen des § 11 BauNVO ist die Gemeinde weder an die in den §§ 2 bis 9 BauNVO aufgeführten Nutzungsarten noch an die in § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO eröffneten Differenzierungsmöglichkeiten gebunden. Die Definitionsmacht darüber, welche Anlagen zulässig oder ausnahmsweise zulässig sind, liegt vielmehr bei ihr (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.02.2002 - 4 CN 5/01 -, ZfBR 2002, 574 = BauR 2002, 1348 = NVwZ 2002, 1114). Sie kann die Art der baulichen Nutzung über die Möglichkeiten hinaus, die§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 9 BauNVO eröffnet, festlegen. Daraus folgt, dass sich der hier vorgesehene Einzelhandelsausschluss nicht an § 1 Abs. 9 BauNVO messen lassen muss. "Besondere städtebauliche Gründe" im Sinne dieser Vorschrift sind somit nicht erforderlich.

51

Vielmehr gilt, dass die Festsetzung eines Sondergebiets Einzelhandel mit dem Ausschluss von Lebensmitteleinzelhandel städtebaulich gemäß § 1 Abs. 3 BauGB gerechtfertigt sein muss. Hiernach haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was städtebaulich gerechtfertigt und damit i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (BVerwG, Beschl. v. 17.05.1995 - 4 NB 30.94 -, ZfBR 1995, 269 = BauR 1995, 654 = NJW 1995, 2572). Welche städtebaulichen Ziele sich die Gemeinde setzt, liegt in ihrem Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Urt. v. 11.05.1999 - 4 BN 15.99 -, a.a.O.). Hierzu gehört auch die Entscheidung, zum Schutz der Nahversorgung in Teilen ihres Gemeindegebietes den Lebensmitteleinzelhandel auszuschließen.

52

Hier liegt mit dem Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin vom Dezember 2005 ein schlüssiges Plankonzept vor. Das Einzelhandelskonzept beschreibt, wie sich die Antragsgegnerin die zukünftige Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben im Stadtgebiet vorstellt. Danach ist hinsichtlich der Nahversorgung geregelt, dass in den Wohngebieten ein flächendeckendes Angebot an möglichst leistungsfähigen Standorten der Nahversorgung gesichert und ausgebaut werden soll. Neuansiedlungen sollen vorrangig in den Entwicklungsbereichen der Nahversorgung vorgenommen werden. Hierdurch sollen funktionierende Nahversorgungsstandorte in einem Radius von 500 m geschützt werden.

53

Dieses Konzept hat zwar Gewicht. Die Sicherung und Stärkung der Nahversorgung ist ein tragfähiges Ziel, das den Ausschluss von Einzelhandel mit Sortimenten der Nahversorgung in Teilgebieten des Stadtgebiets rechtfertigen kann. Wenn die Antragsgegnerin aber wie hier Sortimente der Nahversorgung zum Schutz vorhandener Nahversorgungsstrukturen mit der Begründung ausschließt, ein zusätzlicher Standort mit Nahversorgungssortimenten gefährde die Nahversorgung in Grone-Süd, muss es hierfür auch Anhaltspunkte geben. Denn das Einzelhandelskonzept, an dem sich die Antragsgegnerin bei der Aufstellung der Planänderung orientiert hat, lässt Sortimente der Nahversorgung grundsätzlich überall - außer in den Gewerbegebieten - zu. Ausgeschlossen sein sollen sie nur dann, wenn ein Ausschluss notwendig ist, um funktionierende Nahversorgungsstandorte zu schützen.

54

Hier gibt es nicht genügend Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Nahversorgung in Grone-Süd. Die Antragsgegnerin führt in der Planbegründung hierzu aus:

"Für Grone-Süd wird die Nahversorgung insbesondere durch den wichtigen Versorgungsbereich an der Sollingstraße, der zentral im Gebiet angesiedelt ist, übernommen. Er ist (zentral) räumlich abgrenzbar und die vorhandenen Einzelhandelsnutzungen werden durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote ergänzt. Dem Bereich kommt eine Versorgungsfunktion für den Stadtteil zu, in dem ca. 4.400 Menschen leben (Stand 2007). Es handelt sich hier um einen zentralen Versorgungsbereich der Grund- und Nahversorgung. Die Nahversorgungsstrukturen in Grone-Süd sind ein zentraler Versorgungsbereich, der eine Nahversorgungsfunktion für diesen Stadtteilbereich übernimmt. Ein zusätzlicher Standort mit typischen Nahversorgungssortimenten, insbesondere Lebensmitteln, im Geltungsbereich des Bebauungsplans würde die vorhandene räumliche Versorgungsfunktion im Stadtteil destabilisieren und letztendlich durch Aufgabe von Funktionen eine Nahversorgung gefährden. Auf Grund der Ortsteillage und der Lage der vorhandenen Versorgungseinheiten hätte die Ansiedlung von Nahversorgungssortimenten im Plangebiet schädliche Auswirkungen auf die anderen, bestehenden und zu schützenden Versorgungsbereiche in Grone-Süd und Grone."

55

Mit dieser Begründung stellt die Antragsgegnerin nur eine unzureichend belegte Vermutung auf, dass ein zusätzlicher Lebensmittelmarkt vorhandene Strukturen schädigt. Ohne sachverständige Untermauerung ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ein Stadtteil, in dem 4.400 Menschen leben, keinen weiteren Markt verträgt. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass eine Voruntersuchung zum Einzelhandelskonzept durch die GfK Prisma im Juni 2004 zu einer Nutzung durch Lebensmitteleinzelhandel am Standort eines im Plangebiet liegenden Grundstücks bemerkt, dass negative Auswirkungen "höchstens für den Supermarkt in Grone-Süd zu vermuten" seien, eine deutlich größere Konkurrenzwirkung jedoch weiterhin vom Herkules SB-Warenhaus und insbesondere vom Kaufpark ausgehe (S. 23 der Voruntersuchungen vom Juni 2004). Die Gutachter halten schädliche Auswirkungen somit keinesfalls für zwingend gegeben.

56

Die Antragsgegnerin stellt in ihren Ausführungen stets auf die Gefährdung des rund 1000 m2 Verkaufsfläche umfassenden REWE-Marktes am Jonaplatz ab. Sie zieht in ihre Überlegungen aber nicht die Möglichkeit eines kleineren Marktes ein. Dabei ist es keineswegs ausgeschlossen, dass für den Fall, dass sich der REWE-Markt aufgrund eines Konkurrenzmarktes im Plangebiet in seiner Größe nicht halten kann, sich ein kleinerer Nachbarschaftsladen oder ein günstigerer Discounter an diesem Standort etabliert. Die Nahversorgung im östlichen Bereich von Grone-Süd ist zudem nicht zwingend auf einen solchen REWE-Markt angewiesen. Das Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin verlangt keine bestimmte Größe und Qualität von Lebensmittelmärkten zum Schutz der Nahversorgung. Der Einwand der Antragsgegnerin, ein Discounter gewährleiste aufgrund des geringeren Angebots die Nahversorgung nicht hinreichend, ist nicht nachvollziehbar. Selbst ein Discountlebensmittelmarkt hält ein vielfältiges Obst-, Gemüse- und Frischwarenangebot vor. Es wird zwar in der Regel nicht jeder Artikel in verschiedenen Ausführungen unterschiedlicher Hersteller angeboten. Um die Nahversorgung zu gewährleisten, ist dies aber auch nicht erforderlich.

57

Auch ein kleinerer Laden dürfte in der Lage sein, den Erhalt der umliegenden Einrichtungen (Frisör, Apotheke, Zahnarzt, Volksbank, Nachbarschaftszentrum, Kiosk, Sparkasse, Bäcker, NetCafé, Gemeindezentrum) zu sichern und auf diese Weise ein konfliktfreies Umfeld zu schaffen bzw. zu erhalten. Entscheidend ist, dass Einkaufs- und damit auch Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen werden, auf die Größe des Lebensmittelmarktes kommt es nicht an.

58

In der Bescheidung der Anregungen weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass es notwendig war, den Standort des REWE-Marktes am Jonaplatz im Rahmen des Programms "Soziale Stadt" mit erheblichen städtebaulichen Fördermitteln zu festigen. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin hingegen klargestellt, der REWE-Markt habe schon vor Auflegung des Programms "Soziale Stadt" existiert. Nicht die Ansiedlung des REWE-Marktes war daher mit Schwierigkeiten verbunden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachzuvollziehen, weshalb die Antragsgegnerin aufgrund besonderer Schwierigkeiten, die angeblich mit seiner Ansiedlung verbunden waren, eine besondere Gefährdung durch einen zusätzlichen Markt im Plangebiet angenommen hat. Immerhin haben sich der REWE- und der inzwischen nach Grone-Nord verlagerte Sinem-Markt jahrelang nebeneinander halten können.

59

Zudem leuchtet es vor dem Hintergrund der Vorgaben in ihrem eigenen Einzelhandelskonzept vom Dezember 2005 nicht ein, dass die Antragsgegnerin ohne sachverständige Untermauerung zu dem Schluss kommt, die Nahversorgung in Grone-Süd sei gefährdet. Die Antragsgegnerin geht in ihrem Einzelhandelskonzept von einem Schutzradius um die vorhandene Nahversorgung von 500 m Luftlinie aus. Die Entfernung zwischen REWE-Markt und östlicher Grenze des Plangebiets beträgt etwa 700 m Luftlinie. Selbst das im östlichen Bereich des Plangebiets liegende Grundstück liegt damit außerhalb des Schutzradius. Weiter im Westen des Plangebiets liegende Grundstücke sind sogar noch weiter vom REWE-Markt entfernt. Weshalb gleichwohl eine Gefährdung der bestehenden Nahversorgung in Grone-Süd zu erwarten ist, lässt sich ohne weitere Aufklärung etwa durch Einholung einer konkreten Standortbeurteilung - die dann aber nicht allein auf die Gefährdung eines 1000 m2 großen REWE-Marktes abzustellen hat, sondern auch zu untersuchen hat, ob sich gegebenenfalls ein kleinerer Markt halten kann - nicht nachvollziehen.

60

Die aufgezeigten Abwägungsfehler sind beachtlich, denn sie sind offensichtlich und von Einfluss auf das Ergebnis (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Die Offensichtlichkeit der Mängel folgt daraus, dass die Antragsgegnerin im Bauleitplanverfahren durch Einwendungen auf die Bedeutung, die ein vollständiger Einzelhandelsausschlusses im Gewerbegebiet und ein Ausschluss von Sortimenten der Nahversorgung im Sondergebiet für die Eigentümer hat, hingewiesen wurde. Die Ergebnisrelevanz der Abwägungsfehler liegt zudem auf der Hand. Ein Abwägungsmangel hat im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB Einfluss auf das Abwägungsergebnis, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel im Abwägungsvorgang die Planung anders ausgefallen wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis gewesen sein kann. Danach waren die Planungsfehler ergebnisrelevant. Die zutreffende Bewertung und Ermittlung der abwägungsrelevanten Belange hätte zu einer Änderung des Einzelhandel- bzw. Sortimentsausschlusses führen können bzw. müssen.

61

Die Unwirksamkeit der für das Grundstück der Antragstellerin getroffenen Festsetzung eines Gewerbegebiets mit vollständigem Einzelhandelsausschluss sowie die Unwirksamkeit des Ausschlusses von nahversorgungsrelevantem Einzelhandel im Sondergebiet führen nach den Grundsätzen, welche das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 03.04.2008 (- 4 CN 3.07 -, ZfBR 2008, 478 = DVBl. 2008, 981 = BauR 2008, 1273 = NVwZ 2008, 902) wiedergegeben hat, zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans. Danach hat die Ungültigkeit einer Satzungsbestimmung nur dann nicht die Unwirksamkeit der Satzung insgesamt zur Folge, wenn der Rest auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Zu fragen ist mithin, ob die Ratsmitglieder den Bebauungsplan im Übrigen beschlossen haben würden, wenn sie gewusst hätten, dass die Festsetzung eines Gewerbegebiets mit vollständigem Einzelhandelsausschluss für das Grundstück der Antragstellerin und der Ausschluss von Lebensmitteleinzelhandel im Sondergebiet unwirksam sind. Diese Frage ist zu verneinen. Die Unwirksamkeit betrifft beide Baugebiete und damit das gesamte Plangebiet. Ausweislich der Begründung für den Erlass des Bebauungsplans war es gerade das Ziel der Antragsgegnerin, eine weitere räumliche Ausdehnung des Einkaufsstandorts durch Festsetzung eines Gewerbegebiets für das Grundstück der Antragstellerin zu vermeiden und nahversorgungsrelevante Sortimente im Sondergebiet auszuschließen, um die Nahversorgung in Grone-Süd zu stärken. Was die Ratsmitglieder beschlossen hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Festsetzung eines Gewerbegebiets mit vollständigem Ausschluss von Einzelhandel für das das Grundstück der Antragstellerin und von der Unwirksamkeit des Ausschlusses von Lebensmitteleinzelhandel im Sondergebiet gewusst hätten, lässt sich nicht sicher annehmen, da insoweit ein Kernstück ihrer Planungen betroffen ist. Insbesondere im Hinblick auf das Grundstück der Antragstellerin ist offen, welche Festsetzungen getroffen worden wären, wenn der Plangeber von der Unwirksamkeit der vorgenommenen Grenzziehung gewusst hätte. Ob er etwa ein Sondergebiet mit dem Ausschluss nicht-innenstadtrelevanter Sortimente oder ein Gewerbegebiet, das nicht jeglichen Einzelhandel ausschließt, festgesetzt hätte oder ob er die Grenze zwischen den verschiedenen Plangebieten anders gezogen hätte, kann nicht beurteilt werden.

62

Ist die 2. Änderung des Bebauungsplans Göttingen-Grone Nr. 20 somit bereits aus den genannten Gründen unwirksam, kann unentschieden bleiben, ob die Festsetzungen zum Immissionsschutz und zu den Anpflanzungen sowie die Örtliche Bauvorschrift zu den Werbeanlagen den gesetzlichen Anforderungen genügen.