Landgericht Lüneburg
Urt. v. 30.08.2007, Az.: 5 O 104/07

Mangelhaftigkeit der Verwendung von Asbestzementplatten in der Außenfassade eines Fertighauses; Hinweispflicht auf die Verwendung asbesthaltiger Baustoffe beim Verkauf älterer Häuser; Verspätung eines Parteivortrages im Zivilprozess

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
30.08.2007
Aktenzeichen
5 O 104/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 55155
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2007:0830.5O104.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 07.02.2008 - AZ: 8 U 203/07
BGH - 27.03.2009 - AZ: V ZR 30/08
OLG Celle - 17.09.2009 - AZ: 16 U 61/09
BGH - 12.11.2010 - AZ: V ZR 181/09

In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 02.08.2007
durch
den Richter ... als Einzelrichter für
Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Sachmangels.

2

Die Kläger erwarben von den Beklagten mit notariellem Vertrag vom 04.10.2006 das Grundstück Gemarkung ... Flur ... Flurstück ... mit dem dort errichteten Einfamilienhaus zum Preis von 85.000,- Euro. Dabei wurde ein Gewährleistungsausschluss für Sachmängel vereinbart; ausgenommen wurde der Anspruch auf Schadensersatz bei Vorsatz des Verkäufers. Zudem versicherten die Beklagten, dass ihnen keine versteckten Mängel bekannt seien. Das Haus ist im Jahr 1980 in Fertigbauweise errichtet worden. In der Außenfassade sind Asbestzementtafeln verarbeitet. Dies war den Beklagten bekannt, sie haben diesen Umstand den Klägern aber weder bei den Vertragsverhandlungen noch bei Abschluss des Kaufvertrags mitgeteilt. Die Kläger forderten die Beklagten erfolglos auf, die Fassade im Wege der Nacherfüllung zu sanieren.

3

Die Kläger sind der Ansicht, bei der Verarbeitung von Asbest handle es sich um einen Sachmangel. Die Beklagten hätten vor Vertragsabschluss darauf hinweisen müssen. Die Beklagten hätten wissen müssen, dass die Belastung mit Asbest ein kaufentscheidender Punkt für die Kläger war, da ein vorheriger Kaufinteressent, was unstreitig ist, wegen der Asbestverarbeitung sein Kaufinteresse zurückzog und die Beklagten daraufhin den Kaufpreis senkten. Sie behaupten, die Beklagten hätten ihnen einen "Hausordner" mit Unterlagen zum Objekt übergeben, aus dem ein vom den Beklagten zuvor eingeholtes Angebot zur Asbestsanierung entfernt worden war.

4

Sie beantragen,

  1. 1.

    die Beklagte als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 38.455,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2007 zu zahlen,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Beklagten ihnen alle darüber hinausgehenden mit der Sanierung des Hauses ... in ... OT ... von Asbestfaserzementplatten verbundenen Schäden zu erstatten haben.

5

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

6

Sie sind der Ansicht, der vorhandene Asbestzement stelle keinen Mangel dar. Eine Verpflichtung, ungefragt auf Asbest hinzuweisen, habe nicht bestanden.

7

Wegen des weiterten Vorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz der Kosten für die Asbestsanierung des streitgegenständlichen Einfamilienhauses.

9

Die Verwendung von Asbestzementplatten in der Außenfassade des Fertighauses stellt keinen Mangel dar, den die Beklagten den Klägern ungefragt hätten offenbaren müssen.

10

Eine allgemeine und ungefragte Hinweispflicht auf die Verwendung asbesthaltiger Baustoffe beim Verkauf älterer Häuser gibt es nicht (OLG Celle vom 10.05.2007 - 8 U 11/07 -, für ein 1980 erbautes Fertighaus; OLG Celle OLGR, 1996, 51 für ein 1975 errichtetes Haus; LG Magdeburg vom 15.01.2002 - 9 O 2665/01 -, für ein 1973 in der DDR errichtetes Haus). Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein im Jahr 1980 errichtetes Fertighaus. Damals war die Verwendung von Asbest gerade im Außenbereich an Häusern noch allgemein üblich. Insofern konnten die Kläger nicht davon ausgehen, dass das von ihnen erworbene Haus dem heutigen Standard an die Verwendung von nicht gesundheitsschädlichen Materialien entspricht. Bis heute gibt es keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die bei eigengenutzten Wohnhäusern die Beseitigung von Asbest vorschreiben, so dass die Kläger damit rechnen mussten, dass hier As-best verarbeitet war.

11

Eine Offenbarungspflicht ergibt sich entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht aus Treu und Glauben. Es ist unerheblich, dass die Beklagten von der Asbestverarbeitung wussten und ein Verkaufsversuch an einen anderen Interessenten deswegen zuvor gescheitert war. Welche Eigenschaften eines Kaufobjekts für den Käufer erheblich sind, kann nur dieser selbst bestimmen. Wenn die Kaufentscheidung der Kläger von vorhandener Asbestverarbeitung abhängig gewesen wäre, hätten sie die Beklagten selbst danach fragen müssen. Insoweit kann auch dahinstehen, ob die Beklagten tatsächlich aus dem "Hausordner" ein Sanierungsangebot entfernten. Über Tatsachen, die man nicht ungefragt offenbaren muss, kann man nicht täuschen. Es ist ach nicht ersichtlich, dass die Beklagten vertraglich oder in sonstiger Weise zur Übergabe eines vollständigen "Hausordners" verpflichtet gewesen wären.

12

Als unstreitig zu behandeln ist, dass die Kläger hinsichtlich des verbauten Materials in der Fassade bei den Beklagten nicht nachgefragt haben. Die Beklagten haben bereits mit der Klagerwiderung vorgetragen, eine diesbezügliche Nachfrage habe es nicht gegeben. Soweit die Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung am 02.08.2007 unter Beweisantritt vorgetragen haben, der Beklagte zu 1) habe vor Vertragsschluss auf zweimaliges Nachfragen angegeben, nicht zu wissen, aus welchem Material die Fassade sei, wird dieser Vortrag gem. §§296 Abs. 2, 282 ZPO als verspätet zurückgewiesen.

13

Die Kläger haben diese Angriffsmittel nicht so rechtzeitig, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht, vorgetragen, §282 Abs. 1 ZPO. Bereits mit Klagerwiderung vom 25.05.2007, die dem Klägervertreter am 31.07.2007 zugestellt wurde, haben die Beklagten mit Bezugnahme auf obergerichtliche Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung nicht bestehe und die Kläger vor Vertragsschluss nicht nach Verwendung gesundheitsschädlicher Baumaterialien gefragt hätten. Bei sorgfältiger Prozessführung hätten die Kläger, auch wenn sie die Ansicht einer unbedingten Offenbarungspflicht vertraten, in den weiteren Schriftsätzen vom 21.06.2007 und 27.07.2007 vor der mündlichen Verhandlung am 02.08.2007 zumindest hilfsweise zu den ausdrücklichen Nachfragen vortragen müssen.

14

Deine Zulassung dieses Vortrags hätte nach Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Maßgeblich ist dabei der Vergleich, ob der Rechtsstreit allein durch Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei seiner Zurückverweisung (BGHZ 75, 138; 86, 31). Der Rechtsstreit war ohne das verspätete Vorbringen nach der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif, bei Zulassung des neuen Vorbringens wäre zumindest ein neuer Termin für eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen. Es war nicht mehr möglich, den Beklagten zu 1), dessen persönliches Erscheinen zum Termin nicht angeordnet war, zwecks Parteivernehmung kurzfristig zu laden, um so einen weiteren Termin zu verhindern.

15

Die Verspätung beruhte auch auf grober Nachlässigkeit der Kläger. Es war offensichtlich, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist, ob die Kläger hinsichtlich der Verwendung von gesundheitsschädlichen Baumaterialien bei den Beklagten nachgefragt haben. Gründe, die das verspätete Vorbringen entschuldigen könnten, wurden nicht vorgetragen.

16

Das weitere neue Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung ist, soweit es überhaupt erheblich sein könnte, aus denselben Gründen nicht zu berücksichtigen.

17

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 709 ZPO.