Landgericht Lüneburg
Urt. v. 23.05.2007, Az.: 2 O 59/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 23.05.2007
- Aktenzeichen
- 2 O 59/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71785
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 13.05.2008 - AZ: 1 U 68/07
- BGH - 09.06.2009 - AZ: VI ZR 138/08
Tenor:
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 25.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2002 zu zahlen.
Die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger alle zukünftig noch entstehenden zurzeit nicht sicher vorhersehbaren immateriellen Schäden sowie alle zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden aus der ärztlichen Behandlung des Klägers im Krankenhaus der Beklagten zu 1. im Zeitraum vom 03.08.2001 bis 05.03.2002 zu ersetzen, soweit die materiellen Ansprüche nicht auf Träger der Sozialversicherung oder anderweitige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagten zu ¾.
4. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
5. Der Streitwert wird auf 42.449,95 € festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer behaupteten ärztlichen Fehlbehandlung in Anspruch.
Nach einem Reitunfall im Jahre 1959, der zunächst eine operative Oberschenkelhalsnagelung erforderlich machte, ließ der Kläger im Krankenhaus der Beklagten zu 1) am 11.10.1999 eine zementfreie Hüft-Totalendprothese aus Keramik implantieren. Am 03.08.2001 war eine erneute Operation des Klägers wegen eines Bruchs des Keramikkopfes erforderlich. Der operative Eingriff mit Wechsel des Kopfes erfolgte im Krankenhaus der Beklagten zu 1) durch den Beklagten zu 2). Der zerbrochene Keramikkopf wurde gegen einen neuen Kopf aus Metall, aus Chrom-Kobalt ausgetauscht. In der Folgezeit, rund vier Wochen nach der Operation am 03.08.2001 verschlechterte sich der Allgemeinzustand des Klägers zunehmend. Der Kläger entwickelte Fieber mit immer wiederkehrenden Fieberschüben, denen trotz einer längerfristigen Antibiotikabehandlung kein Einhalt zu gebieten war. Er litt unter Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit, Müdigkeit sowie zunehmender Schmerzen im Bereich der rechten Hüfte. Der unerklärliche zunehmend schlechter werdende Allgemeinzustand des Klägers gab Anlass zu einer erfolglosen Suche nach einer Krebserkrankung. Der Kläger litt jedoch – wie sich erst später herausstellte – unter einer Schwermetallintoxikation.
Am 04.12.2001 wurde die sichtbare Schwellung des Hüftgelenkes punktiert und hierbei eine nicht unerhebliche Menge an schwarz-grünlicher Flüssigkeit gewonnen. Der Beklagte zu 2) veranlasste ein bakteriologische Untersuchung, die ein negatives Ergebnis hatte. Auf Grund der zunehmenden Beschwerden des Klägers und der ausgeprägten Schwellung über dem rechten Hüftgelenk erfolgte am 14.12.2001 durch den Beklagten zu 2) eine operative Eröffnung des Hüftgelenkes. Hierbei stellte der Beklagte zu 2) eine schwarz-grünliche Flüssigkeitsansammlung in einem großen um das gesamte Gelenk herumreichenden Schleimhautsack – Pseudobursa – fest. Der Schleimhautsack wurde entfernt und einer pathologischen Untersuchung zugeführt. Nach Entfernung der Bursa wurde der Operationsbereich ausgiebig gespült. Eine Luxation des Hüftkopfes erfolgte nicht. Die bakteriologischen Untersuchungen der Bursa bzw. der gewonnenen Flüssigkeiten ergaben keine Befunde. Der pathologische Untersuchungsbefund vom 19.12.2001 enthielt die Feststellung Metallose.
Am 08.01.2002 wurde der Kläger wegen zunehmender Kopfschmerzen und Hörminderung in der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses der Beklagten zu 1) aufgenommen. Die zahlreichen diagnostischen Maßnahmen konnte keine überzeugende Ursache aufdecken. Wegen eines schnellen Herzschlages, Erregtheit und allgemeinen Symptomen erfolgte am 19.01.2001 die Verlegung in die Innere Abteilung. Während dieses stationären Aufenthaltes wurde echokardiographisch eine globale Verringerung der Herzkontraktion sowie ein kleiner Herzbeutelerguss festgestellt. Am 15.02.2002 erfolgte eine erneute operative Revision des rechten Hüftgelenkes. Wiederum wurden umfangreiche, jetzt gräulich-schwärzliche Flüssigkeitsansammlung in Pseudobursen sowie schwärzliche Verfärbungen des Gewebes festgestellt und entfernt. Nach Luxation der Hüfte, d. h. Auskugelung aus der Hüftpfanne, stellte der Beklagte zu 2) einen deutlichen Abrieb des metallischen Hüftkopfes sowie eine schwärzliche Verfärbung der Pfanne fest. Etwa ein Drittel des Metallkopfes war abgerieben. Der Kopf wurde gegen einen neuen Metallkopf ausgewechselt. Ebenfalls wurde das Inlay ausgewechselt. Im Gewebe wurden kleinere Keramiksplitter gefunden, entfernt und anschließend die Wunde ausgiebig gespült. Am 20.02.2002 wurde zum ersten Mal in den Krankenakten der Verdacht einer Kobalt-Chrom-Vergiftung geäußert. Die Konzentrationswerte von Kobalt lagen im Blut um das 700fache, im Urin um das 16.000fache höher als bei den Grenzwerten (Normalwerte). In den nächsten vier Monaten nach der Revisionsoperation gingen die Kobaltwerte um 99 % in Blut und Urin zurück. In der Folgezeit erfolgten stationäre Anschlussheilbehandlungen; insbesondere in der Medizinischen Hochschule Hannover wurde die Schwermetallintoxikation des Klägers behandelt.
Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten im Rahmen seiner Krankenhausbehandlungen mehrere ärztliche Fehler begangen. Zunächst sei eine offenbar fehlerhafte Keramikprothese am 11.10.1999 eingesetzt worden. Auf Grund eines mangelhaften Produktes sei der Prothesenkopf zerbrochen. Zudem hätten die Beklagten ihn – den Kläger – nicht über die Möglichkeiten eines Materialbruchs aufgeklärt. Noch gravierender sei der Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) während der Operation vom 03.08.2001. Der Beklagte zu 2) habe offenbar das Operationsgebiet nicht gründlich genug ausgeräumt und nicht alle Keramiksplitter des zerbrochenen Hüftgelenkkopfes entfernt. Ohne diese Keramiksplitter in der Nähe der neu eingesetzten Metallprothese wäre es zu einer Schädigung des Metallkopfes und letztlich zu der Metallintoxikation nicht gekommen.
Weiterhin behauptet der Kläger, der Beklagte zu 2) hätte die Metallose und die Metallvergiftung frühzeitiger erkennen können und müssen. Die im Rahmen der Punktionen des Hüftgelenkes vorgefundenen schwarz-grünlichen Flüssigkeiten hätten ebenso wie das im Rahmen der Operation am 14.12. vorgefundene Operationsbild einer schwarzverfärbten Bursa eine Entfernung des Metallkopfes und eine Behandlung der Schwermetallintoxikation zur Folge haben müssen.
Der Kläger behauptet, die Folgen der Metallvergiftung – insbesondere die Zerstörung der periarterikulären Muskel- und Sehnenanteile, schlechter Allgemeinzustand sowie die Erkrankungen seines Herzmuskels –, Ergebnis der ärztlichen Fehlbehandlung des Beklagten zu 2), machten sich auch in Zukunft noch bemerkbar. Er müsse in dem Bewusstsein leben, dass durch die nicht zu entfernenden Giftstoffe in seinem Körper seine Lebenserwartung gravierend verkürzt werde. Seit Bekanntwerden dieser Umstände leide er unter depressiven Verstimmungen, da er als vormals sehr aktiver Mensch nunmehr in seinen körperlichen Fähigkeiten stark eingeschränkt sei. Darüber hinaus habe die kardiale Symptomatik über den hohen Ruhepuls und die ausgeprägte innere Unruhe zu einer Wesensveränderung des Klägers geführt, so dass auch die psychischen Folgen sich in einer Leistungsminderung äußerten. Vor diesem Hintergrund und die durchlebten Schmerzen sei ein Schmerzensgeld von 25.000 € angemessen. Darüber hinaus seien ihm Fahrtkosten zu den einzelnen Ärzten bzw. Krankengymnastik in Höhe von 311,27 € und ein erheblicher Haushaltsführungsschaden in Höhe von 12.138,68 € entstanden. Ihm – dem Kläger – stünde für die vor der Erkrankung durchgeführten 21,5 Stunden Haushaltsarbeit pro Woche ein monatlicher Haushaltsführungsschaden in Höhe von 714,04 € für die Monate September 2001 bis Januar 2003 zu.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn ein der Höhe nach ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2002 zu zahlen, wobei ein Betrag von mindestens 25.000 € als angemessen anzusehen ist,
2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 12.449,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2002 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm jeglichen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der sich aus der Behandlung bei den Beklagten im Zeitraum vom 03.08.2001 bis 05.03.2002 ergibt, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder anderweitige Dritte übergegangen ist.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, ein ärztlicher Fehler liege bei der Behandlung des Klägers nicht vor. Das Einsetzen der Keramikprothese im Rahmen der Operation am 11.10.1999 sei fachgerecht durchgeführt worden. Der Bruch des Keramikkopfes sei sehr außergewöhnlich und für die behandelnden Ärzte nicht vorhersehbar gewesen. Die Keramikkopfsplitter seien sorgfältig aus der Gelenkhöhle durch ihn – den Beklagten zu 2) – entfernt worden. Dieser Vorgang gestalte sich allerdings als äußerst schwierig, da der gesamte Operationsbereich an dieser Stelle sehr eng und im Rahmen der Operation auch blutig sei. Durch die anschließenden mehrfach ausgedehnten Spülungen sei jedoch das Keramiksplittermaterial bzw. der Keramikstaub entfernt worden. Die bei dem Kläger festzustellenden körperlichen Beeinträchtigungen nach der Operation am 03.08.2001 seien ohne Weiteres auch medizinisch mit der Pneumonie bzw. der Schilddrüsensymptomatik in Verbindung zu bringen gewesen, hätten also nicht zwangsläufig auf eine Metallvergiftung hinweisen müssen. Im Rahmen der Operation am 14.12.2001 habe er – der Beklagte zu 2) – den mit schwarz-grünlich gefärbter Flüssigkeit gefüllten Schleimbeutel sorgfältig entfernt und das gesamte Operationsgebiet ausgiebig gespült. Weitere Maßnahmen hätten nicht ergriffen werden müssen. Auch die im Rahmen der Operation vom 14.12.2001 festgestellten Umstände hätten nicht den Schluss auf eine Schwermetallvergiftung zulassen müssen.
Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 23.09.2003 (Bl. 118 d.A.) i.V.m. dem Beschluss vom 23.10.2003 (Bl. 130 d.A.) sowie gemäß Beweisbeschluss vom 8.02.2006 i.V.m. dem Beschluss vom 30.03.2006 (Bl. 358 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Prof. Dr. S. sowie eines pharmakologisch-toxikologischen Gutachtens des Prof. Dr. E.. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. S. vom 25.07.2005 (Bl. 158 d.A.) und das schriftliche Gutachten des Prof. Dr. E. vom 18.07.2006 (Bl. 379 d.A.) sowie die mündlichen Anhörungen des Prof. Dr. S. vom 14.12.2005 (Bl. 290 d.A.) und 28.03.2007 (Bl. 534 d.A.) sowie die Anhörung des Prof. Dr. E. vom 28.03.2007 (Bl. 534 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000 €.
Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte zu 2) einen groben ärztlichen Behandlungsfehler begangen hat.
Nach Einholung des orthopädischen Gutachtens des Prof. Dr. S. sowie des pharmakologisch-toxikologischen Gutachtens des Prof. Dr. E. ist die Kammer davon überzeugt, dass das Unterlassen der Einberufung eines Konzils mit einem Internisten und einem Toxikologen spätestens am 20.12.2001 grob fehlerhaft war.
Der grobe Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) zeigt sich nach mehreren Schritten im Rahmen einer Gesamtschau.
1. Der Beklagte zu 2) hatte durch den Austausch des zerbrochenen Keramikkopfes und dem Einsetzen eines neuen Metallkopfes in der Operation am 03.08.2001 Kenntnis von den Gesamtumständen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. S. in seinem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt hat, ist eine 100%ige Säuberung und Entfernung aller noch so kleinen Keramikfragmente im blutigen und zudem engen Operationsfeld nicht möglich. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. E. nachvollziehbar in seinem schriftlichen Gutachten so geschildert, dass bei dem Bruch des Keramikkopfes nicht nur grobe Stücke abbrechen, sondern auf Grund der starken mechanischen Belastung in dem Gelenk eine Art Keramikstaub entsteht, der sich überall im Weichteilgewebe festsetzt und aus diesem später wieder freigesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand – und dies musste dem Beklagten zu 2) auch klar sein –, dass die Reste des Keramikmaterials sodann in der Folge in dem Plastikmaterial des Pfanneninlays sich festsetzen und dort eine raue Oberfläche schaffen, die wie eine Art Sandpapier den neu eingesetzten Metallkopf abreibt. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hat in diesem Zusammenhang eindrucksvoll dargelegt und mittels Internetrecherche aufgezeigt, dass es seit 1990 zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen über diese Problematik von Metallabrieb im Zusammenhang mit Keramikbrüchen und Einsetzen von Metallköpfen sowie dabei entstehenden Metallose gibt. Zwar sind die in der Literatur diskutierten Probleme naturgemäß Einzelfälle und nicht eins zu eins mit dem vorliegenden Sachverhalt gleichzusetzen, dies gilt etwa im Hinblick auf das verwendete konkrete Material Chrom-Kobalt im Gegensatz zu einer wissenschaftlichen Erörterung, die rostfreien Stahl betraf. Allerdings hätte – dies hat der Sachverständige Prof. Dr. E. im Rahmen seiner mündlichen Anhörung nachvollziehbar geschildert – das Problembewusstsein geschärft sein müssen. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige Prof. Dr. S. klar bestätigt, dass das Problem des vermehrten Metallabriebes bei dem Verbleib von Keramikresten im Operationsbereich unter Chirurgen bekannt gewesen sei. Im Hinblick auf den feinen Keramikstaub spricht der Sachverständige Prof. Dr. S. in diesem Zusammenhang von der Qualität von Schmirgelpapier.
Der Beklagte zu 2) musste insbesondere mit seiner langjährigen Erfahrung in dem Bereich des Hüftkopf-Prothesenwechsels in Form von Keramik und Metallköpfen dieses Problembewusstsein haben.
2. Einhergehend mit diesem Problembewusstsein kannte der Beklagte zu 2) den stetig sich verschlechternden Allgemeinzustand des Klägers mit seinem diffusen Krankheitsbild. Der Beklagte zu 2) wusste, dass die immer wiederkehrenden Fieberschübe des Klägers, die zunächst als Pneumonie gedeutet worden waren, trotz einer längerfristigen Antibiotikabehandlung nicht verschwanden. Weiter feststellbar waren massiver Gewichtsverlust, Abgeschlagenheit und Müdigkeit sowie zunehmende Schmerzen des Klägers im Bereich der rechten Hüfte. Auch die im September/Oktober 2001 festgestellte Schilddrüsenunterfunktion war nicht Grund für dieses sich zunehmend verschlechternde Allgemeinbefinden des Klägers, da sich trotz der Gabe von Medikamenten gegen die Schilddrüsenunterfunktion der Gesundheitszustand des Klägers nicht besserte. Der Beklagte zu 2) hat den Grund für diesen schlechten Gesundheitszustand des Klägers, nämlich die naheliegende Metallvergiftung nicht erkannt. In diesem Zusammenhang hat Prof. Dr. E. eindrucksvoll dargelegt, dass es seines Erachtens unter Medizinern Allgemeingut sei, dass die Symptome, die bei dem Kläger festgestellt worden sind, zu einer Metallvergiftung passen.
3. Besonders offenkundig war sodann die Punktion des operierten Hüftgelenkes des Klägers durch den Beklagten zu 2) am 04.12.2001, mit der bei dem Kläger nicht unerhebliche Mengen einer schwärzlich-grünen Flüssigkeit gewonnen werden konnten. In diesem Zusammenhang hat Prof. Dr. E. dargelegt, dass die schwarz-grüne Flüssigkeit theoretisch drei mögliche Ursachen hätte haben könne. Zum einen habe es sich um altes Blut handeln können. Zwar sei dieses auch schwarz, allerdings könne man nicht derart große Mengen davon gewinnen, wie dies tatsächlich bei dem Kläger erfolgt sei. Sodann könne es sich als zweite Möglichkeit um eine Infektion handeln, die allerdings ausgeschlossen worden sei. Letztlich verbleibt nach Ansicht des Sachverständigen Prof. Dr. E. nur die Möglichkeit einer Metallose. Dieser Erkenntnis hat Prof. Dr. S. zugestimmt. Die in diesem Zusammenhang von dem Beklagten zu 2) angesprochene Möglichkeit, die schwarz-grüne Flüssigkeit könne auch von den Merselinfäden stammen, hat der Sachverständige Prof. Dr. S. eine Absage erteilt. Dieser hat ausgeführt, dass die Merselinfäden, wenn überhaupt, jedenfalls nicht grünliche Flüssigkeit in einer derart großen Menge entstehen ließen.
Angesichts des Problembewusstseins hinsichtlich des Metallabriebes durch Keramikbruchstücke und der Kenntnis des stetig sich verschlechternden Allgemeinzustandes des Klägers mit diffusem Krankheitsbild und der Gewinnung von schwärzlich-grüner Flüssigkeit bei der Punktion des Hüftgelenkes lag es auf der Hand, dass der Metallkopf in dem Hüftgelenk des Klägers abgerieben und dabei eine örtliche Gewebsveränderung verursacht, mit anderen Worten, dass eine Metallose entstanden ist. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte zu 2) die schwärzlich-grüne Flüssigkeit des Punktats sowie das Blut und den Urin des Klägers – labortechnisch auf Metalle – untersuchen lassen müssen.
4. Der vierte Schritt auf dem Weg zum groben Behandlungsfehler des Beklagten zu 2) ist dann die Operation des Klägers am 14.12.2001. Bei der operativen Eröffnung des Hüftgelenkes wurden schwarz-grünliche Flüssigkeitsansammlungen in einem großen um das gesamte Gelenk herumreichenden Schleimhautsack festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt musste der Beklagte zu 2) zwingend wissen, dass es sich um eine Metallose handelte. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige Prof. Dr. S. ausgeführt, dass eine Metallose naheliegend sei, wenn ein schwarz verfärbtes Gewebe vorgefunden wird und ein Metallimplantat vorliegt. Noch klarer sagte er an anderer Stelle, wenn man ein solches verfärbtes Gewebe sehe, wisse man als Chirurg, dass Ursache dafür Metall sei. Im Rahmen dieser Operation hätte der Beklagte zu 2) weitere Maßnahmen ergreifen müssen, als lediglich die Bursa zu entfernen und das Operationsgebiet auszuspülen. Der Beklagte zu 2) hat es versäumt, eine konsequente Ursachenforschung und Ursachenbeseitigung durchzuführen. Der Beklagte zu 2) hat das Hüftgelenk, um das sich der mit schwarz-grünlicher Flüssigkeit gefüllte Schleimhautsack befand, lediglich unvollständig inspiziert, aber nicht luxiert. Nur bei einer Luxation hätte der Metallkopf auf Metallabrieb und das Plastikmaterial des Pfanneninlays auf eine raue mit Keramikteilchen bestückte Oberfläche überprüft werden können. In diesem Zusammenhang kommt der Sachverständige Prof. Dr. S. zu der Einschätzung, er hätte anstelle des Beklagten zu 2) eine Luxation vielleicht gemacht. Allgemein hat der Sachverständige Prof. Dr. S. dargelegt, dass grundsätzlich bei dem Vorfinden einer Metallose auch Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung unternommen werden müssen, was vorliegend nicht geschehen sei. Grundsätzlich müsse eine technisch-mechanische Prüfung stattfinden, ob es irgendwo Veränderungen im Bereich des Gelenkes, des Metallimplantates vorliege. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hat noch klarer dargetan, dass durch die Entfernung der Bursa und das Ausspülen des Operationsgebietes die Quelle der Vergiftung nicht beseitigt werden konnte. Das hätte nur dadurch geschehen können, dass das Metall entfernt worden wäre.
5. Die fünfte und letzte Erkenntnisquelle für den Beklagten zu 2) war der pathologische Untersuchungsbericht vom 19.12.2001, in dem ausdrücklich der Begriff „Metallose“ fiel. Allerspätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Beklagte zu 2) die ihm vorliegenden Informationen zusammenfügen und ein ärztliches Konzil einberufen müssen. Zu diesem Zeitpunkt kannte der Beklagte zu 2) die Problematik von Metallabrieb im Zusammenhang mit Keramikbrüchen und Einsetzen von Metallköpfen, das Vorhandensein einer mit erheblichen Mengen schwärzlich-grüner Flüssigkeit beinhalteten Bursa um das operierte Hüftgelenk des Klägers herum, einhergehend mit dem auch verbal artikulierten Verdacht Metallose sowie dem stetig sich verschlechternden Allgemeinzustand des Klägers mit einem vollkommen diffusen Krankheitsbild. Der Beklagte zu 2) hätte spätestens am Tag nach dem Erhalt des pathologischen Befundes ein ärztliches Konzil mit einem Internisten und einem Toxikologen einberufen müssen, um diesen das Krankheitsbild des Klägers, den operativen Werdegang und die Feststellung der Metallose eingehend zu schildern. Es ist objektiv nicht mehr verständlich und darf einem Arzt wie dem Beklagten zu 2) – mit seiner Erfahrung und seinen Qualitäten, auch im wissenschaftlichen Bereich – schlechterdings nicht unterlaufen, in einer solchen Situation abzuwarten und keine derartige Schritte zur Einberufung eines großen Konzils zu unternehmen. In diesem Zusammenhang war das weitere Vorgehen des Beklagten zu 2) im Januar 2002 – als sich der Gesundheitszustand des Klägers dramatisch verschlechtert hatte –, etwa die Dermatologie und Kardiologie zu bemühen, lediglich ein Versuch der Symptombekämpfung, ohne die im Grunde genommen offensichtliche Ursache zu ermitteln und zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang hat nicht nur der Sachverständige Prof. Dr. E. in seinem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten bzw. in der mündlichen Erläuterung ausgeführt, der Beklagte zu 2) hätte sich an seine Kollegen wenden müssen, um mit diesen die Situation zu besprechen, sondern auch der Sachverständige Prof. Dr. S.. Dieser hat im Hinblick auf die Vorgeschichte des Klägers, insbesondere dessen diversen Beschwerden mit unklarer Ursache, festgehalten, der Beklagte zu 2) hätte das Geschehen mit seinen Kollegen diskutieren müssen. Er – so der Sachverständige Prof. Dr. S. – hätte einen Konziliar hinzugezogen, einen Internisten, und hätte diesen auf die Diagnose Metallose hingewiesen.
Das Ergebnis eines ärztlichen Konzil wäre zwangsläufig der konkrete Verdacht einer Metallvergiftung und eine toxikologische Untersuchung des Blutes bzw. des Urins des Klägers gewesen. Da das verwendete Material Chrom-Kobalt bekannt war, hätte auch konkret eine Metallbestimmung in den Körperflüssigkeiten des Klägers erfolgen können, so dass zeitnah die Klarheit des Vorliegens einer Metallintoxikation hätte gestellt werden können und müssen.
Auch wenn der orthopädische Sachverständige Prof. Dr. S. im Gegensatz zu dem pharmakologisch-toxikologischen Sachverständigen Prof. Dr. E. in seinen Antworten sehr vorsichtig und zurückhaltend war, hat er doch der Kammer die zur Beurteilung eines groben Behandlungsfehlers führenden Nachlässigkeiten des Beklagten zu 2) hinreichend deutlich vor Augen geführt. Auch vor dem Hintergrund des ebenfalls gut nachvollziehbaren und sehr ausführlichen Gutachtens des Prof. Dr. E. und nach eigener kritischer Würdigung hat die Kammer keinen Zweifel am Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers des Beklagten zu 2). Vor diesem Hintergrund war die Einholung eines fachorthopädischen Obergutachtens nicht angezeigt.
II.
In seinem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten hat der Sachverständige Prof. Dr. E. nachvollziehbar ausgeführt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sich die Schmerzen des Klägers in seiner Hüfte, die wiederkehrenden Ergüsse ebenso wie die Zerstörung der periartikulären Muskel- und Sehnenanteile auf die Metallose zurückzuführen sei; die langanhaltenden massiv erhöhten Kobalt- und Chromkonzentrationen im Körper des Klägers machten diesen Zusammenhang sehr wahrscheinlich. Der Sachverständige hat weiter überzeugend ausgeführt, dass die bei dem Kläger eingetretene Herzerkrankung sowie die Allgemeinsymptome – Gewichtsabnahme, Müdigkeit, Abgeschlagenheit – sowie der Kopfschmerz und die Hörminderung – wahrscheinlich ebenfalls auf die Metallvergiftung zurückzuführen seien.
Inwiefern diese Beeinträchtigungen des Klägers durch eine zwingend im Anschluss an ein ärztliches Konzil, das spätestens am 20.12.2001 hätte erfolgen müssen, unmittelbar danach durchzuführende Revisionsoperation in wesentlich geringerem Umfang bzw. gar nicht vorgelegen hätten, konnte der Sachverständige Prof. Dr. E. nicht eindeutig beantworten. Dies sei möglich, sei aber spekulativ. Jedenfalls sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass nach der operativen Revision des Hüftgelenkes am 15.02.2002 die Kobaltwerte im Urin des Klägers um 99 % zurückgegangen sind. Im Hinblick auf den festgestellten groben Behandlungsfehler ist es damit den Beklagten nicht gelungen, eine nicht bestehende Kausalität zwischen Behandlungsfehler und gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzuweisen.
III.
Die Kammer hat ein Schmerzensgeld von 25.000 € als angemessen angesehen. Hier spielen insbesondere die erheblichen Schmerzen und körperlichen Beeinträchtigungen eine Rolle, die der Kläger im Zeitraum Ende Dezember 2001 bis zur erneuten operativen Revision Mitte Februar 2002, insbesondere massive Kopfschmerzen, beidseitige Schwerhörigkeit und die Herzerkrankung erleiden musste. An den Folgeerscheinungen leidet er noch heute. Hierbei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Kläger seit 1997 auf Grund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere in Folge des Reitunfalles eine Erwerbsunfähigkeits- und Unfallrente bezieht und die MDE 50 % betrug.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes war auch die nicht unerhebliche psychische Beeinträchtigung des Klägers, die diesem auch erkennbar in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2007 anzumerken war, von Bedeutung. Insbesondere die Angst vor Dauerschäden ist präsent und nicht von der Hand zu weisen. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hat hierzu ausgeführt, Dauerschäden seien möglich, es ließen sich jedoch keine sicheren Aussagen machen. Zu diesen möglichen gravierenden Dauerschäden gehört nicht nur die Herzproblematik des Klägers, sondern auch eine – wenngleich mit geringem Risiko – Krebserkrankung. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hat zwar dargelegt, dass eine neue wissenschaftliche Arbeit den Verdacht, dass Kobalt krebserzeugend ist, nicht bestätigt hat. Allerdings hat er auch ausgeführt, dass bei Lungentumoren eine leichte Erhöhung der Rate bei chronischer Kobaltexposition – wie vorliegend bei dem Kläger – erkennbar sei.
IV.
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz. Die geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 311,27 € hat der Kläger trotz Bestreitens der Beklagten nicht substantiiert, etwa durch Nennung von Tagen, dargelegt oder aber die angesprochenen Bestätigungen der Behandlungstermine durch die einzelnen Behandler vorgelegt.
Im Hinblick auf den geltend gemachten Haushaltsführungsschaden hat der Kläger nach dem zulässigen Bestreiten der Beklagten nicht substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er tatsächlich 21,5 Stunden pro Woche Haushaltsarbeiten verrichtet hat. Die in der Klageschrift insofern erfolgten Beweisangebote zielen zum einen auf die Höhe des monatlichen Haushaltsführungsschadens durch Benennung einer Tabelle bei Schulz-Borck/Hofmann sowie im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger nach der Revisionsoperation seinen Haushaltsverpflichtungen nicht nachkommt durch Benennung seiner Ehefrau als Zeugin. Da nicht dargelegt und unter Beweis gestellt wurde, inwiefern der Kläger vor den Operationen trotz seiner Vorschädigungen, die zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 % führten, wann und welche Arbeiten im Haushalt durchgeführt hat, war der Schadensersatzanspruch nicht erfolgreich.
Eines gerichtlichen Hinweises bedurfte es angesichts des eindeutigen Bestreitens der Beklagten nicht.
V.
Der Feststellungsantrag des Klägers hat Erfolg. Der Kläger hat seine Schwermetallintoxikation nicht vollständig überwunden. Nach den überzeugenden Angaben des Prof. Dr. E. in seinem pharmakologisch-toxikologischen Gutachten sind – nicht in allen Einzelheiten vorhersehbare – Dauerschäden denkbar, so dass vor diesem Hintergrund im Hinblick auf den festgestellten groben Behandlungsfehler der Beklagten der Feststellungsantrag zulässig und begründet ist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.