Landgericht Lüneburg
Urt. v. 31.01.2007, Az.: 4 O 232/06
Verpflichtung eines durch Hoheitsakt bestellten Verwalters zur ordentlichen Verwaltung und Wahrung fremden Vermögens; Pflicht des Schuldners zur Abtretung der pfändbaren Bezüge an den Treuhänder; Pflicht des Treuhänders zur Überprüfung der Höhe der ihm vom Schuldner überwiesenen Beträge und der Wirksamkeit der Abtretung der pfändbaren Bezüge; Anwendbarkeit des § 60 Insolvenzordnung (InsO) für einen Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 31.01.2007
- Aktenzeichen
- 4 O 232/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 41190
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2007:0131.4O232.06.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 InsO
- § 292 InsO
- § 292 Abs. 1 S. 3 InsO
- § 293 InsO
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2007
durch
die Richterin am Amtsgericht Kubis als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz an die Klägerin wegen der Verletzung von Pflichten als Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode im Rahmen eines Restschuldbefreiungsverfahrens. Die Klägerin war verschuldet. Es wurde ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchgeführt. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 09.08.2000 eingestellt. Die Wohlverhaltensperiode endete am 08.08.2005. Die Restschuldbefreiung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 31.08.2005, rechtskräftig seit dem 31.10.2005, erteilt. Während des Restschuldbefreiungsverfahrens war der Beklagte verwaltender Treuhänder.
Die Klägerin ist Angestellte. Während des Restschuldbefreiungsverfahrens bezog sie laufend Gehalt. Der Beklagte zeigte der Arbeitgeberin der Klägerin die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin an und ließ in der Folgezeit die pfändbaren Teile der Vergütung der Klägerin auf das gesonderte Treuhandkonto überweisen. Beginnend mit dem 14.02.2000 leistete die Arbeitgeberin der Klägerin Zahlungen auf das Treuhandkonto. Dabei führte die Arbeitgeberin der Klägerin zu hohe Vergütungsanteile an die Treuhandmasse ab. Dabei errechnete die Arbeitgeberin der Klägerin allerdings die pfändbaren Vergütungsanteile bis einschließlich Mai 2004 unzutreffend. Es wurde allmonatlich zu viel Geld abgeführt. Darauf wurde der Beklagte seitens eines Rechtspflegers des Amtsgerichts Celle hingewiesen. Der Beklagte teilte den Sachverhalt der Klägerin am 14.06.2004 mit. Die an die Gläubiger geleisteten Überzahlungen forderte der Beklagte nicht zurück.
Die Klägerin meint, der Beklagte hafte entsprechend § 60 InsO. Er habe eine ihr gegenüber bestehende Pflicht verletzt, denn er habe als Treuhänder die eingehenden Beträge zu überprüfen, bevor er sie an die Gläubiger verteile. Alles in allem sei ihr dadurch ein Schaden in Höhe von 5.094,11 EUR entstanden. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift vom 01.08.2006 sowie in der Anlage hierzu (Bl. 76 d. A.).
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.094,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, § 60 InsO sei weder direkt noch analog anwendbar. Auch liege keine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin vor. Eine Pflicht, das Privatvermögen der Klägerin zu überwachen und zu verwalten, habe nicht bestanden. Zu viel abgeführt worden seien statt 8.571,20 EUR (Bl. 76 d. A.) lediglich 7.300,12 EUR. Abzüglich ausgezahlter Beträge sei ein Restschaden in Höhe von 3.520,95 EUR gegeben. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Beklagten in der Klagerwiderung vom 01.10.2006 (Bl. 100 ff, 105 d.A.). Wegen eines Betrages in Höhe von 1.560,35 EUR beruft sich der Beklagte auf Verjährung. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Klagerwiderung (Bl. 104 d. A.).
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den beklagten Treuhänder besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf einen Anspruch aus § 60 InsO berufen. Diese Vorschrift ist direkt nicht anwendbar, da sie für den Insolvenzverwalter gilt, § 292 InsO hingegen hinsichtlich des Treuhänders nicht auf diese Vorschrift verweist. § 60 InsO ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entsprechend anwendbar. § 292 InsO verweist auf §§ 58 f InsO und § 293 InsO verweist auf §§ 64 f InsO, auf § 60 InsO wird hingegen nicht verwiesen. Das spricht aus Sicht des Gerichts - wohl entsprechend auch der herrschenden Meinung in der Literatur zu dieser Frage - dafür, dass der Gesetzgeber bewusst, wohl auf Grund des eingeschränkten Aufgaben- und Verantwortungsbereichs des Treuhänders, § 60 InsO nicht für den Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode übernehmen wollte (Grote, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2006, § 292 Rz. 29; Vallander, Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 292 Rz. 72, § 60 Rz. 11 m. w. N.).
Auch eine Haftung des Beklagten nach allgemeinen Grundsätzen und Vorschriften ist vorliegend nicht gegeben. Denn der Beklagte hat nicht eine ihm der Klägerin gegenüber obliegende Pflicht verletzt.
Ohne Frage kann ein Schuldner im Rahmen der Wohlverhaltensperiode vom Treuhänder verlangen, dass die Vorschrift des § 292 Abs. 1 S. 3 InsO, die den Schuldner begünstigt, beachtet wird und der "Motivationsselbstbehalt" berücksichtigt wird, auf dass der Schuldner nicht zu viel zahle; dass der Beklagte allerdings gegen diese Vorschriften verstoßen hätte, ist von der Klägerin nicht gerügt und vorgetragen worden.
Auch sonstige Verpflichtungen gegenüber der Klägerin hat der Beklagte nicht verletzt. Zwar ist es ein Grundsatz des deutschen Rechts, dass ein durch Hoheitsakt bestellter Verwalter fremden Vermögens - wie wohl auch der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode - zu einer ordentlichen Verwaltung verpflichtet ist und dem Inhaber des Vermögens ggf. haftet. So ist auch der Treuhänder unstreitig zur pfleglichen Behandlung des ihm anvertrauten Vermögens verpflichtet (Grote, a. a. O., Rz. 31). Gegen diese Verpflichtung hat der Beklagte indessen vorliegend nicht verstoßen, denn dass er zur pfleglichen Behandlung des ihm anvertrauten Vermögens verpflichtet ist, bedeutet nicht zugleich, dass er auch verpflichtet wäre, zu überprüfen, ob ihm nicht etwa zu viel Vermögen anvertraut worden ist. So weit reicht die gegenüber dem Schuldner bestehende Pflicht des Treuhänders zur sorgfältigen Vermögensverwaltung nicht. Der Treuhänder ist gegenüber dem Schuldner zweifellos verpflichtet, die ihm überlassenen Tilgungsmittel zur Begleichung der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen einzusetzen (Vallander, a. a. O., § 292 Rz. 6). Das hat der Beklagte hier allerdings auch getan, die Gläubiger sind mit den überwiesenen Mitteln bedient worden. Dass dies in einem zu hohen Maße geschehen ist, begründet keine Pflichtverletzung des Beklagten. Der Schuldner ist verpflichtet, während der Wohlverhaltensperiode die pfändbaren Bezüge an den Treuhänder abzutreten; ob diese Abtretung wirksam ist, braucht der Treuhänder dem Schuldner gegenüber nicht zu prüfen (Vallander, a. a. O., § 292 Rz. 21), und ebenso wenig braucht er zu überprüfen, ob die ihm überwiesenen Beträge eventuell zu hoch sind, solange sie nur nicht zu niedrig sind. Letzteres hat er im Interesse der Gläubiger zu prüfen mit der Folge, dass er bei Verzug oder Minderleistungen im Interesse der Gläubiger und der Schuldenbegleichung auf eine ordnungsgemäße Zahlung hinzuwirken hat (Vallander, a. a. O., Rz. 22). Der Treuhänder ist auch nicht verpflichtet, einseitige Treuhändertätigkeit für den Schuldner in der Weise zu übernehmen, dass er überwiesene Tilgungsmittel nur unter Vorbehalt entgegennimmt und mit ihnen nach Weisung des Schuldners verfährt (Vallander, a. a. O., Rz. 30).
Schließlich ist es nicht die Pflicht des Beklagten gewesen, die überzahlten Beträge von den Gläubigern zurückzufordern. Es ist Aufgabe der Klägerin selbst, dafür Sorge zu tragen, dass das Geld, was eventuell zu Unrecht an Gläubiger ausgezahlt worden ist, zurückzufordern und wieder ihrem Privatvermögen einzuverleiben. Eine derartige Pflicht zur Verwaltung und Wahrung des Privatvermögens der Klägerin trifft nicht den Beklagten. Die Klägerin hat den Beklagten mit der Verwaltung ihres Privatvermögens nicht beauftragt. Sie hat ihn dafür auch nicht bezahlt. Seine Vergütung bezieht der Beklagte für die Verwaltungstätigkeit im Hinblick auf die Treuhandmasse.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.