Landgericht Lüneburg
Urt. v. 25.10.2007, Az.: 4 O 160/07

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
25.10.2007
Aktenzeichen
4 O 160/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71789
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Aus Verträgen, die der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG mit Sachverständigen abschließt, wird nur der Betriebsrat selbst verpflichtet.
2. Der Betriebsrat ist insofern teilrechtsfähig.
3. Für Streitigkeiten aus dem Vertrag mit dem Sachverständigen sind die ordentlichen Gerichte zuständig.

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil für die Beklagte vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus ihrer Tätigkeit als Sachverständige geltend.

Im November 2005 suchte die Beklagte, den Betriebsrat in ihrem Unternehmen zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu bewegen, um durch einen Gehalts- und Lohnverzicht die Personalkosten reduzieren. Zu diesem Zweck übermittelte die Beklagte dem Betriebsrat Unterlagen zum Beleg für von ihr behauptete Verluste im operativen Geschäft.

Der Betriebsrat, der sich nicht in der Lage sah, aus eigenem Sachverstand die Mitteilungen der Geschäftsführung zu prüfen, beschloss auf einer außerordentlichen Sitzung, den Steuer- und Wirtschaftsprüfer B., Gesellschafter der Klägerin, „gemäß § 80 Abs. 3 Betriebsverfassungsrecht“ mit der Prüfung der Bilanzen zu beauftragen. Die Klägerin übersandte daraufhin mit als „persönlich/vertraulich“ deklarierter Post dem Betriebsratvorsitzenden eine Auftragsbestätigung. Zur Annahme des Auftrags sandte dieser am 30.11.2005 eine Einverständniserklärung zurück, die er mit „i.A. O.“ unterschrieb. Dabei fügte er seiner Unterschrift den Zusatz „- Betriebsrat - Firma M.“ hinzu.

Mit Schreiben vom 09.12.2005 an den Betriebsrat erklärte sich die Geschäftsleitung der Beklagten dem Betriebsrat gegenüber bereit, die Kosten für die Beauftragung in Höhe von 2.500,00 EUR zu übernehmen.

Im Januar 2006 führte die Klägerin sodann Prüfungen im Unternehmen der Beklagten durch. Dabei kam es auch zu Gesprächen mit der Geschäftsführung der Beklagten, deren Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist. Im Nachgang zu einem der Gespräche übersandte die Beklagte mit Fax vom 23.01.2006 prüfungsrelevante Unterlagen an die Klägerin. In dem Schreiben heißt es: „Wir gehen davon aus, dass wir das Ergebnis ihrer Prüfung in den nächsten Tagen zur Kenntnis erhalten.“

Die Beklagte zahlte an die Klägerin einen Vorschuss in Höhe von 2.500,00 EUR entsprechend der Zusicherung gegenüber dem eigenen Betriebsrat. Die Klägerin stellte der Beklagten am 12.06.2006 darüber hinaus Leistungen im Umfang von 6.983,20 EUR vergeblich in Rechnung.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte und nicht deren Betriebsrat schulde den Rechnungsbetrag. Sie behauptet, sie habe sämtliche in Rechnung gestellte Leistungen erbracht. Dies sei mit Wissen und Billigung der Beklagten erfolgt, wie sich mittelbar auch aus dem Fax vom 23.01.2006 ergebe. Sie bestreitet, dass die Beklagte es gegenüber dem eigenen Betriebsrat verbindlich abgelehnt habe, Kosten zu übernehmen, die den Betrag von 2.500 EUR übersteigen. Im Übrigen sei ihre Tätigkeit zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich gewesen. Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.983,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat zunächst die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten gerügt und die Ansicht vertreten, die Arbeitsgerichtsbarkeit sei zuständig. Mit Schriftsatz vom 17.07.2007 hat die Beklagte aber sodann erklärt, gegen die Entscheidungsbefugnis des Landgerichts Lüneburg keine Einwände mehr zu erheben. Sie beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, nur der Betriebsrat sei Vertragspartner der Klägerin geworden.

Das zunächst angerufene Landgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 27.06.2007 auf Antrag der Klägerin den Rechtsstreit an das Landgericht Lüneburg verwiesen.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gemäß § 13 GVG eröffnet. Da die Beklagte die Rüge der Unzulässigkeit des Rechtswegs mit Schriftsatz vom 17.07.2007 fallen gelassen hat, war hierüber nicht mehr gemäß § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG vorab zu entscheiden.

Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für welche die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Abdrängende Sonderzuweisungen sind nicht einschlägig. Entgegen der vom LG Frankfurt am Main vertretenen Auffassung (Beschluss vom 03.12.1993, 2/10 O 436/92, zitiert nach juris) besteht keine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts.

Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte regeln die §§ 2 ff. Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Die Klägerin tritt der Beklagten in diesem Rechtsstreit nicht als eine der in § 2 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG genannten Personen gegenüber. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 ArbGG liegen ebenso wenig vor wie die des § 2 Abs. 4 ArbGG.

Es liegt auch keine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor, die die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eröffnen würde. Ungeachtet der Tatsache, dass die Beauftragung der Klägerin in engem Zusammenhang mit der Regelung des § 80 Abs. 3 BetrVG steht, handelt es sich nicht um einen Streit um die „Ordnung des Betriebes und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger dieser Ordnung“ (vgl. BAG, 16.07.1985, 1 ABR 9/83). Die Klägerin zählt nicht zu den Betriebspartnern.

Allein aus der Tatsache, dass die Beauftragung der Klägerin im Hinblick auf § 80 Abs. 3 BetrVG erfolgte, folgt nichts Gegenteiliges. Entgegen der Ansicht des LG Frankfurt a.M. wird der hier eingeklagte Anspruch nicht zu einem solchen, der seine Grundlage in § 80 Abs. 3 BetrVG hat. Die Klägerin macht einen Anspruch aus einem Dienstvertrag, mithin auf der Grundlage des § 611 Abs. 1 BGB, geltend. § 80 Abs. 3 BetrVG betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Betriebsrat und Betrieb.

Die zulässige Klage ist aber unbegründet.

Die Beklagte ist nicht Anspruchsgegner eines Anspruchs der Klägerin aus § 611 Abs. 1 BGB. Ein Dienstvertrag ist allein zwischen der Klägerin und dem Betriebsrat der Beklagten zustande gekommen.

Auf den außerordentlichen Beschluss des Betriebsrates hin hat die Klägerin ihre Auftragsbestätigung ausdrücklich persönlich an den Betriebsratsvorsitzenden übersandt. Dieser hat den Auftrag namens des Betriebsrats angenommen, wie sich aus der Einverständniserklärung vom 30.11.2005 ergibt. Der Zusatz „i.A.“ für „im Auftrag“ kann unter Berücksichtigung des weiteren Zusatzes „- Betriebsrat - Firma W.“ nur so verstanden werden, dass der Betriebsratsvorsitzende - tatsächlich in Vertretung und nicht lediglich im Auftrag - für den Betriebsrat eine Willenserklärung abgeben wollte.

Der Betriebsrat kann auch aus einem solchen Vertrag zumindest dann verpflichtet werden, wenn er ihn - wie hier - in Ausübung der Befugnis aus § 80 Abs. 3 BetrVG abschließt.

Soweit in der Literatur und zum Teil in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Ansicht vertreten wird, der Betriebsrat habe keine Rechtspersönlichkeit und könne nicht Inhaber von Vermögensrechten (Koch in: Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, § 220, Rn. 1), zumindest aber nicht Schuldner einer privatrechtlichen Forderung sein (BAG, Beschluss vom 26.01.1994, 7 ABR 27/93, Rn. 25 zitiert nach juris), vermag sich die Kammer dem nicht in dieser Allgemeinheit anzuschließen.

Der Betriebsrat ist teilrechtsfähig (vgl. BAG, 29.09.2004, 1 ABR 30/03 sowie explizit zu § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in der bis zum 27.07.2001 geltenden Fassung: BAG, 13.05.1998, 7 ABR 65/96, m.w.N.). Eine Teilrechtsfähigkeit liegt immer schon dann vor, wenn eine Person, eine Personenmehrheit oder eine Stelle Zuordnungssubjekt mindestens eines Rechtssatzes ist, der diesem Subjekt eine Pflicht oder ein Recht endgültig zuordnet. Die Rechtssubjektivität beschränkt sich dabei nicht nur auf die zugeordneten materiellrechtlichen Befugnisse als solche, sondern sie erstreckt sich auch auf diejenigen, die mit eben diesem Handeln unmittelbar und notwendig zusammenhängen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.03.1992, 6 P 11/90).

§ 80 Abs. 3 BetrVG räumt dem Betriebsrat ausdrücklich die Möglichkeit ein, bei der Durchführung seiner Aufgaben nach § 80 Abs. 1 BetrVG Sachverständige hinzuzuziehen. Insofern berechtigt zwar die Norm den Betriebsrat zunächst nur, sich zur Aufgabenerfüllung der Hilfe Dritter zu bedienen. Nach den oben genannten Erwägungen ist damit aber zugleich die Kompetenz verbunden, als Betriebsrat mit dem Sachverständigen einen Honorarvertrag zu schließen. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist nämlich mit der Hinzuziehung unmittelbar und notwendig verbunden.

Der Betriebsrat ist ferner nicht vermögenslos, so dass eine Zwangsvollstreckung von vornherein aussichtslos wäre. Die Klägerin kann sich gegebenenfalls den Freistellungsanspruch des Betriebsrats gegen die Beklagte gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zur Einziehung überweisen lassen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich im Übrigen nicht aus § 40 Abs. 1 BetrVG, dass der Anspruch gegen die Beklagte geltend gemacht werden kann. § 40 Abs. 1 BetrVG ordnet keine gesetzliche Übernahme von vom Betriebsrat begründeten Verpflichtungen an, sondern statuiert lediglich einen Kostenerstattungsanspruch des Betriebsrats gegen die Beklagte.

Der Freistellungsanspruch kann sich zwar nach Abtretung in den Händen der Klägerin in einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte wandeln. Dass eine Abtretung durch den Betriebsrat erfolgt ist, ist aber weder aus den eingereichten Schriftwechseln ersichtlich, noch von der Klägerin trotz des wiederholten Hinweises auf Bedenken bezüglich der Passivlegitimation dargelegt worden.

Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an. Es kann dahin stehen, ob die Beklagte mit dem eigenen Betriebsrat verbindlich eine Obergrenze der von ihr zu übernehmenden Sachverständigenkosten vereinbarte. Ebenso ist ohne Bedeutung, ob die Beauftragung der Klägerin erforderlich im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG war.

Die Beklagte ist auch nicht gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB Partei des Vertrages mit der Klägerin geworden. Dem steht schon entgegen, dass der Betriebsratsvorsitzende die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen ausdrücklich im Namen des Betriebsrats und nicht der Beklagten abgegeben hat. Mangels Offenkundigkeit kann daher auch aus den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht nichts zugunsten der Klägerin hergeleitet werden. Es kann daher dahin stehen, ob die Beklagte bei Übersendung der Unterlagen am 23.01.2006 oder bereits zuvor Kenntnis davon hatte, dass - wie die Klägerin behauptet - die bis dahin bezahlten Leistungen bereits erbracht worden sind. Ebenso kann in der Zahlung der Beklagten von 2.500,00 EUR keine Genehmigung im Sinne des § 177 Abs. 1 BGB gesehen werden. Ohnehin wäre die Zahlung auch in Erfüllung des Freistellungsanspruchs gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG erfolgt.

§ 80 Abs. 3 BetrVG begründet ferner keine gesetzliche Vertretungsmacht des Betriebsrats für den Arbeitgeber (unter Verzicht auf die Offenlegung des Handelns in fremden Namen). Der Betriebsrat ist lediglich ein innerbetriebliches Verfassungsorgan. Aus der Gesamtschau der Vorschriften des BetrVG lässt sich nicht entnehmen, dass er auch als ein nach außen fungierendes mit Handlungsvollmachten ausgestattetes Organ des Arbeitgebers sein soll (vgl. für den Personalrat BVerwG, Beschluss vom 09.03.1992, 6 P 11/90, Rn. 38 zitiert nach juris).

Das Fernschreiben vom 23.01.2006 kann zudem nicht als Angebot der Beklagten aufgefasst werden, nunmehr statt für den Betriebsrat der Beklagten für diese selber tätig zu werden. Dies ergibt die Auslegung des Schreibens aus der Sicht eines objektiven, mit den Umständen vertrauten Empfängers gemäß den §§ 133, 157 BGB. Die Beklagte verband die Übersendung der Unterlagen mit der Erwartung, das Ergebnis der Prüfung durch die Klägerin „zur Kenntnis“ zu erhalten. Dies belegt, dass die Beklagte nach wie vor davon ausging, dass die Prüfung für eine andere Person erfolgte als für sie selbst. Die Beklagte hatte überdies kein Interesse an der Tätigkeit des Betriebsrats. Sie erachtete vielmehr den Einsatz der Klägerin von vornherein für entbehrlich und versuchte gegenüber dem Betriebsrat, die entstehenden und von ihr letztlich im Wege der Freistellung zu tragenden Kosten zu minimieren. Dies war der Klägerin im Grundsatz bekannt, wie sich aus dem von ihr selbst zur Akte gereichten Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 09.12.2005 ergibt. Soweit die Beklagte der Klägerin Unterlagen zur Verfügung stellte, kann dies ebenfalls nicht gemäß den §§ 133, 157 BGB als entsprechendes Angebot aufgefasst werden. Die Beklagte ist damit zunächst einmal ihrer gegenüber dem Betriebsrat bestehenden Pflicht zur Unterrichtung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nachgekommen. Überdies dürfte die Zusammenarbeit mit der Klägerin als Beauftragter des Betriebsrats dem innerbetrieblichen Klima dienlich gewesen sein.

Da gegen die Beklagte schon dem Grunde nach kein Anspruch gemäß § 611 Abs. 1 BGB gegeben ist, bedurfte es keiner Beweisaufnahme zum Umfang der von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.