Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.09.2009, Az.: 16 U 61/09

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.09.2009
Aktenzeichen
16 U 61/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 41681
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0917.16U61.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 30.08.2007 - AZ: 5 O 104/07
OLG Celle - 07.02.2008 - AZ: 8 U 203/07
BGH - 27.03.2009 - AZ: V ZR 30/08
nachfolgend
BGH - 12.11.2010 - AZ: V ZR 181/09

Fundstelle

  • BauR 2009, 1943

In dem Rechtsstreit

...

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Kläger gegen das am 30. August 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz und Feststellung weiterer Ersatzpflicht hinsichtlich der Sanierungskosten aus einem Kaufvertrag über ein Hausgrundstück in O. vom 4. Oktober 2006. Das Wohnhaus war im Jahre 1980 in Fertigbauweise errichtet worden, wobei in der Fassade Asbestzementplatten verwendet wurden, was den Beklagten bekannt war.

2

Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagten seien - nach erfolgloser Aufforderung zur Nacherfüllung - zum Schadensersatz verpflichtet, weil das Haus einen Sachmangel aufweise. Zudem hätten sie auf die Verwendung von Asbest hinweisen müssen.

3

Die Klage ist beim Landgericht und Oberlandesgericht (8. Zivilsenat) ohne Erfolg geblieben. Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Urteil des OLG Celle vom 7. Februar 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

4

Die Kläger beantragen,

  1. unter Abänderung des am 30. August 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Lüneburg

    1. 1.

      die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 38.455,34 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2007 zu zahlen,

    2. 2.

      festzustellen, dass die Beklagten den Klägern alle darüber hinausgehenden mit der Sanierung des Hauses S. in W. OT O. von Asbestfaserzementplatten verbundenen Schäden zu erstatten haben.

5

Die Beklagten beantragen,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

6

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des 8. Zivilsenats (Bl. 171 ff.) sowie des BGH vom 27. März 2009 (Bd. II, Bl. 58 ff.) verwiesen. Der Senat hat den Kläger als Partei angehört und den Beklagten zu 1 als Partei vernommen und Beweis durch Vernehmung des Zeugen N. erhoben. Insoweit wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 9. Juli und 3. September 2009 (Bl. 79 ff. und 95 ff. Bd. II) verwiesen.

7

II.

Die Berufung der Kläger ist nicht begründet.

8

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme können weder die Voraussetzungen eines Anspruches auf Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB noch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss aus § 280 i.V.m. § 311 Abs. 2

9

Nr. 1 BGB festgestellt werden. Wegen des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses kommt eine Haftung der Beklagten nur bei arglistigem Handeln in Betracht ( § 444 BGB ). Dies gilt auch für einen Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB, der nur bei arglistigem (vorsätzlichem) Verhalten des Verkäufers neben den kaufrechtlichen Regelungen anwendbar ist. In jedem Fall haben die Kläger arglistiges Verhalten der Beklagten im Hinblick auf die Verwendung von Asbestplatten darzulegen und zu beweisen. Das ist ihnen indessen nicht gelungen (unten zu 2.).

10

1. Nach der Entscheidung des BGH (a.a.O. Rz. 6 ff.) kann eine Haftung auf Schadensersatz nach §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB zwar nicht mit der Begründung verneint werden, die Verwendung von Asbestzementplatten in der Fassade des 1980 errichteten Hauses stelle keinen (offenbarungspflichtigen) Sachmangel im Sinne des § 434 BGB dar. Vielmehr können Baustoffe, die bei der Errichtung des Wohnhauses gebräuchlich waren, später aber als gesundheitsschädlich erkannt worden sind, einen offenbarungspflichtigen Mangel der Kaufsache begründen. Dabei kommt es nicht auf das Baujahr des verkauften Hauses (hier 1980) an; entscheidend ist vielmehr, ob der Rechtsverkehr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (hier 2006) ein älteres Wohnhaus, dessen Fassade aus Asbestzementplatten besteht, als uneingeschränkt geeignet ansieht für die gewöhnliche bzw. nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung. Danach kann bei der Frage des Sachmangels zwar nicht allein auf das abstrakte Gefährdungspotential der verwendeten Asbestzementplatten abgestellt werden (a.a.O. Rz. 9); vielmehr ist nach Auffassung des BGH, der sich der Senat anschließt, von einem Sachmangel erst, aber auch schon dann auszugehen, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potential im Rahmen der üblichen Nutzung des Kaufobjekts austreten. Eine in diesem Sinne erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit liegt auch dann vor, wenn übliche Umgestaltungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden können.

11

Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall ein aufklärungspflichtiger Sachmangel zu bejahen, weil mit Bohrungen an der Hausfassade eines Wohngebäudes auch durch einen Laien stets zu rechnen ist. Die in der Fassade verwendeten Asbestzementplatten schränken deshalb die Nutzbarkeit des Hauses zu Wohnzwecken in erheblicher Weise ein, weil dazu auch die Möglichkeit gehört, im üblichen Umfang Umgestaltungen, bauliche Veränderungen oder Renovierungen ohne gravierende Gesundheitsgefahren vornehmen zu können. Dies haben die Kläger auch geltend gemacht.

12

Soweit der BGH in seiner Entscheidung (Rz. 10 und 25) die vom Berufungsgericht als streitig festgestellte Behauptung der Kläger als entscheidungserheblich bezeichnet und das Vorliegen eines Sachmangels "auf der Grundlage des - jedenfalls in dem Berufungsurteil als streitig dargestellten - tatsächlichen Vorbringens der Kläger" bejaht, handelt es sich um den Vortrag der Kläger, dass es zu einer Belastung mit Asbeststaub bei Arbeiten an der Fassade (Öffnungen und Bohrungen) kommen könne (OLGU 7, Bl. 177, Bl. 6 der Klageschrift). Dieser Vortrag ist allerdings entgegen der Darstellung im Urteil des OLG Celle, 8. Zivilsenat, nicht streitig, sondern unstreitig, denn die Beklagten sind dem nicht entgegen getreten. Abgesehen davon liegt es auch auf der Hand, dass bei den von den Klägern beschriebenen Arbeiten an der Fassade notwendigerweise Asbeststaub austritt und deshalb darauf beruhende Gesundheitsgefahren nur durch besondere Schutzmaßnahmen zu vermeiden wären. Gerade dies ist aber nach der Entscheidung des BGH der Grund, einen aufklärungspflichtigen Sachmangel zu bejahen.

13

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Beklagten die Kläger arglistig getäuscht haben.

14

Zu der von den Klägern behaupteten Nachfrage vor Vertragsschluss, aus welchem Material die Fassade sei, hat der Senat den Kläger als Partei angehört und den Beklagten als Partei vernommen. Danach kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass der Beklagte falsche Angaben über die Beschaffenheit der Fassade gemacht hat.

15

Der Kläger zu 1 hat im Rahmen seiner Anhörung zwar erklärt, er habe anlässlich der Besichtigung des Hauses den Beklagten zu 1 gefragt, welche Beschaffenheit die Außenfassade aufweise. Daraufhin habe der Beklagte zu 1 geäußert, er wisse es nicht. Demgegenüber hat der Beklagte zu 1 - als Partei vernommen - ausgesagt, eine Frage nach der Beschaffenheit der Fassade könne er ausschließen; eine derartige Frage habe es mit Sicherheit nicht gegeben. Das Haus sei zunächst zu einem Kaufpreis von 114 000 € angeboten worden. Nachdem jedoch ein Interessent wegen der aus der Baubeschreibung der Firma O. ersichtlichen Verwendung von Asbestzementplatten vom Kauf Abstand genommen hatte, habe er ein Sanierungsangebot von der o. eingeholt, das auf etwa 17 000 € lautete, sowie ein Angebot zur Sanierung der Heizung in Höhe von 7 000 €. Man habe daraufhin den Kaufpreis auf 90 000 € gesenkt und sich gegen eine eigenhändige Sanierung des Objektes entschieden, weil dies gegebenenfalls nicht den Vorstellungen eines möglichen Käufers entsprochen hätte. Für die Beklagten sei klar gewesen, dass die Kläger Kenntnis von der Asbesthaltigkeit der Fassade durch den Makler oder die noch im Haus wohnende Schwiegermutter erlangt hatten.

16

Der Senat vermag nicht zu entscheiden, welche der beiden sich in der Kernaussage widersprechenden Angaben zutrifft. Beide Aussagen erscheinen glaubhaft. Insbesondere bestehen keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beklagten zu 1. Seine Aussage ist in sich widerspruchsfrei. Gerade weil der Kaufpreis auf Grund der Beschaffenheit der Außenfassade bereits gesenkt worden war, bestand hiernach kein begründeter Anlass falsche Angaben gegenüber weiteren Kaufinteressenten zu machen. Es erscheint auch nachvollziehbar, dass die Beklagten davon ausgingen, die Kläger hätten ohnehin bereits Kenntnis von der Asbestbelastung der Fassade durch Information seitens des Maklers.

17

Eine Haftung wegen arglistigen Verschweigens eines aufklärungspflichtigen Sachmangels scheidet darüber hinaus deshalb aus, weil die Kläger nicht zu beweisen vermochten, dass sie vor Vertragsschluss nicht über die Verwendung von Asbestplatten bei dem Bau des Hauses hinreichend aufgeklärt worden sind.

18

Nach der Vernehmung des Zeugen N. kann nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass die Kläger keine Kenntnis von den verwendeten Asbestplatten durch Übergabe der Baubeschreibung erlangt haben. Der Zeuge N. hat ausgesagt, am 27. September 2006 mit den Klägern abends einen Bürotermin gehabt zu haben. Hierbei seien die Personaldaten aufgenommen und die Finanzierungsunterlagen ausgehändigt worden. Die Baubeschreibung des Hauses sei Teil der Finanzierungsunterlagen gewesen. Die Kläger seien nach dem Termin zu ihrem Finanzdienstleister gefahren, an dessen Namen sich der Zeuge zutreffend noch erinnern konnte. Die Baubeschreibung des Hauses sei wesentliche Grundlage für die Finanzierungsentscheidung der Bank. Der Zeuge hat im Termin die von ihm bezeichneten Finanzierungsunterlagen zur Akte übergeben. Aus der Baubeschreibung ist auf der ersten Seite die Verwendung von Asbestzementtafeln ersichtlich. Dies war somit auch für die Kläger ohne weiteres erkennbar. Der Senat hat keinen vernünftigen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der von dem Zeugen gemachten Angaben, die er sich zur Vorbereitung des Termins aus seinen Kalenderaufzeichnungen, der zum Objekt gehörenden Akte und den EDV-Aufzeichnungen zuvor vergegenwärtigt hatte. Jedenfalls lässt sich mit der Aussage dieses Zeugen nicht feststellen, dass eine Aufklärung der Kläger unterblieben ist. Den ihnen obliegenden Beweis eines arglistigen Verschweigens haben die Kläger im Ergebnis nicht zu führen vermocht.

19

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

20

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543