Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.08.2007, Az.: 8 T 59/07
Erfolgsaussichten einer Beschwerde eines Betreuers gegen einen amtsgerichtlichen Abgabebeschluss nach Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts des Betroffenen
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 13.08.2007
- Aktenzeichen
- 8 T 59/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 55758
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2007:0813.8T59.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Uelzen - 09.05.2007 - AZ: 9 XVII M 31
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 1 S. 1 FGG
- § 65a FGG
Fundstellen
- BtPrax 2007, 265-266 (Volltext mit amtl. LS)
- FamRZ 2008, 443 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Auf die Beschwerde des Betreuers vom 22.05.2007 wird der Abgabebeschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 09.05.2007 aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Beim Amtsgericht Uelzen wird seit 1991 ein Betreuungsverfahren bezüglich des Betroffenen geführt. Der Beschwerdeführer, der Bruder des Betroffenen, ist aktueller Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge. Im Mai 1998 teilte der Betreuer mit, dass der Betroffene nach ... (Amtsgerichtsbezirk ...) verzogen sei. Das Verfahren verblieb dennoch bis zum 09.05.2007, also genau 9 Jahre, beim Amtsgericht Uelzen. Unter diesem Datum hat das Amtsgericht das Verfahren gemäß §§46 Abs. 1 S. 1, 65 a FGG nach schriftlicher Anhörung des Betroffenen und des Betreuers, der der Abgabe widersprochen hatte, an das Amtsgericht ... abgegeben. Hiergegen richtet sich der "Widerspruch" des Betreuers vom 22.05.2007.
II.
Der als Beschwerde auszulegende Widerspruch des Betreuers ist zulässig und begründet.
Der Abgabebeschluss vom 09.05.2007 ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
Gemäß §46 Abs. 1 S. 1, 65 a Abs. 1 S. 1 FGG kann ein Betreuungsverfahren bei Vorliegen eines wichtigen Grundes an ein anderes Gericht abgegeben werden, wenn sich dieses zur Übernahme bereit erklärt. Nach Maßgabe von §65 a Abs. 1 S. 2 FGG ist es in der Regel als ein wichtiger Grund in diesem Sinne anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Insbesondere rechtfertigt der Wohnort des Betroffenen in ... im Amtsgerichtsbezirk ... keine Abgabe nach dort. Sie lässt sich auch nicht auf §65 a Abs. 1 S. 2 FGG stützen, da diese Vorschrift aufgrund ihres Wortlauts sowie nach ihrem Sinn und Zweck eine Abgabe im nahen zeitlichen Zusammenhang zu einem Umzug des Betroffenen voraussetzt. Dies ergibt sich aus den Formulierungen " ... geänderthat..." sowie " ...neuen Aufenthaltsort ...". Außerdem dient diese Regelung dazu, eine flexible Reaktion des Vormundschaftsgerichts auf räumliche Veränderungen des Betroffenen zu ermöglichen und somit durch die "in der Regel" vorgesehene Abgabe an das neue Wohnortgericht zugunsten des Betroffenen und seiner Interessen eine möglichst ortsnahe Verfahrensführung zu gewährleisten. Wenn - wie es hier der Fall war - das Verfahren jedoch noch ganze 9 Jahre (!) und somit fast ein Jahrzehnt nach dem Umzug des Betroffenen am bisherigen Gericht fortgeführt wird, ohne dass es zu erkennbaren Schwierigkeiten oder entfernungsbedingten Problemen beim Gericht oder bei der Aufgabenerfüllung des Betreuers kommt, so besteht keinerlei Veranlassung mehr, das Verfahren quasi "aus dem Nichts heraus" an das Wohnortgericht des Betroffenen abzugeben. Dies hat der vormals zuständige Betreuungsrichter beim Amtsgericht Uelzen im März 2002 auch bereits erkannt und von der damals bereits beabsichtigten Abgabe nach ... auf die Bitte des Betreuers ausdrücklich abgesehen (vgl. Bl. 8, 9, 9 R Band II d.A.). Warum nunmehr eine Abgabe doch noch angezeigt sein sollte, erschließt sich der Kammer daher umso weniger.
Da somit bereits die Voraussetzung des zeitnahen Wohnortwechsels des Betroffenen nicht vorliegt, kann es dahinstehen, ob hier die weitere Voraussetzung einer Abgabe, also die Erfüllung der wesentlichen Betreueraufgaben am neuen Wohnort des Betroffenen, zu bejahen ist. Auch dies wäre hier im übrigen zweifelhaft gewesen. Dass die persönliche Anhörung des Betroffenen in ... "ortsnah besser und kostengünstiger erledigt werden" kann, wie es das Amtsgericht in seinem Abgabebeschluss meint, wäre hierbei jedenfalls von untergeordneter Bedeutung, da es in erster Linie auf die Aufgabenerfüllung des Betreuers und nicht des Gerichts ankommt. Im übrigen hat der Betreuer in seinem Schreiben vom 02.05.2007 und in der Beschwerde vom 22.05.2007 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anhörungen des Betroffenen in der Vergangenheit ohnehin nicht an seinem Wohnort in ... stattgefunden haben, wobei es in Zukunft wohl auch bleiben dürfte. Selbst wenn aber Anhörungen zum Teil in ... stattfinden müssten, ergäbe sich keine andere Einschätzung.
Denn die räumliche Entfernung zum Gerichtsort ist nicht unzumutbar groß.
Eine Abgabe lässt sich entgegen der Ansicht des Amtsgericht im Nichtabhilfevermerk vom 29.06.2007 auch nicht durch die Erwägung rechtfertigen, dass bei einer Abgabe im Wege der Rechtshilfe "der nach Pebbsy relevante Bestand in diesem Verfahren hier in Uelzen verbleibt." Schließlich haben die Interessen der beteiligten Gerichte, insbesondere deren Belastungssituation, bei der Abgabeentscheidung außer Betracht zu bleiben (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl. 2003, §65 a FGG Rdn. 3).
Andere Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund zur Abgabe sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§131 Abs. 3 KostO, 13 a FGG.