Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 12.06.2007, Az.: 8 T 47/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 12.06.2007
- Aktenzeichen
- 8 T 47/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 60802
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2007:0612.8T47.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 2 Satz 1 FGG
- § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG
- § 22 Abs. 1 Satz 2 FGG
- § 56g FGG
Fundstellen
- BtPrax 2007, 186-187 (Volltext mit amtl. LS)
- FamRZ 2007, 1843-1844 (Volltext mit amtl. LS)
- Rpfleger 2007, 468-469 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen an den Bezirksrevisor im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - hier eines Beschlusses über die Festsetzung der Vergütung und des Aufwendungsersatzes des Betreuers nach § 56 g FGG - erfolgt durch Übersendung der Akten einschließlich der Urschrift der betreffenden Entscheidung. Jedoch hat die Aktenübersendung gezielt zum Zwecke der Zustellung zu erfolgen, wohingegen die Übersendung in anderem Zusammenhang, die lediglich die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Entscheidung durch den Bezirksrevisor eröffnet, nicht ausreicht.
- 2.
Die Zustellung ist in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem die Akten am Dienstsitz des Bezirksrevisors eingehen. Die spätere Vorlage der Akten an den Bezirksrevisor ist hingegen unerheblich.
Tatbestand:
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 28.10.2004 wurde der Beschwerdeführer zum vorläufigen Betreuer des mittlerweile verstorbenen Betroffenen, Herrn ..., bestellt. Die vorläufige Betreuung endete am 27.04.2005. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 28.10.2004 (Bl. ... d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 20.10.2005 beantragte der Beschwerdeführer, einen Gesamtbetrag von 2 735,04 € an Aufwendungsersatz und Vergütung nebst Umsatzsteuer für seine Tätigkeit als vorläufiger Betreuer vom 28.10.2004 bis zum 30.06.2005 gegen die Staatskasse festzusetzen. Insoweit wird auf Bl. ... ff. d. A. Bezug genommen. Dem folgte das Amtsgericht S. mit Beschluss vom 26.10.2005 (Bl. ... d. A.). Hier heißt es u. a.: "Der Betreute ist mittellos, der festgesetzte Gesamtbetrag in Höhe von 2 735,04 € ist aus der Staatskasse zu erstatten."
Mit Verfügung vom 04.05.2006 übersandte der zuständige Rechtspfleger die Betreuungsakten dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Lüneburg. In der Verfügung heißt es: Die Betreuung lief am 27.04.2005 aus, Vergütung wurde darüber hinaus festgesetzt, Bl. ..."." Insoweit wird auf Bl. ... d. A. verwiesen. Ausweislich Bl. ... d. A. sind diese am 08.05.2006 beim Landgericht Lüneburg eingegangen. Mit Fax-Schreiben vom 24.05.2006, eingegangen beim Amtsgericht S. am gleichen Tag, legte der Bezirksrevisor gegen den Beschluss vom 26.10.2005 sofortige Beschwerde mit dem Antrag ein, den Beschluss aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. In der Beschwerdeschrift heißt es u. a.: "Die Akte ist mir erstmals am 10.05.2005 zugegangen.",wobei offensichtlich der 10.05 2006 gemeint war. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf Bl. ... d. A. verwiesen. Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 12.04.2007 hob das Amtsgericht S. den Festsetzungsbeschluss vom 26.10.2005 auf und setzte den dem Betreuer zu zahlenden Betrag an Vergütung und Auslagen auf zusammen 2 233,68 € fest, wobei der Betrag aus dem Vermögen bzw. aus dem Nachlass des Betreuten zu zahlen sei. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 13.04.2007 zugestellt (Bl. ... d. A.).
Mit Schreiben vom 16.04.2007, eingegangen beim Amtsgericht am 17.04.2007, legte der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 12.04.2007 Beschwerde mit dem Antrag ein, den Beschluss aufzuheben. Diese Beschwerde begründete er mit Schreiben vom 25.05.2007, in dem er u. a. die Ansicht vertritt, die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors vom 24.05.2006 sei verfristet gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. ... ff. d. A. verwiesen. Das Amtsgericht S. hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Diese hat dem Bezirksrevisor beim Landgericht Lüneburg Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf die Stellungnahme vom 08.06.2007 (Bl. ... ff. d. A.) wird Bezug genommen.
Gründe
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 56 g Abs. 5 S. 1 FGG als sofortige Beschwerde statthaft, da der Beschwerdewert 150,00 € übersteigt. Sie ist auch rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist des § 22 Abs. 1 S. 1 FGG beim Amtsgericht S. eingegangen.
Sie ist auch begründet. Denn unabhängig von der Frage, ob der Betroffene mittellos war und die Festsetzung daher zu Lasten der Staatskasse erfolgen musste, sowie ungeachtet der weiteren Frage, ob die Vergütung auf den Zeitraum bis zum 27.04.2005, dem Ende der vorläufigen Betreuung, zu begrenzen war, ist der angefochtene Beschluss vom 12.04.2007 bereits aufgrund eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers aufzuheben. Daher hat der ursprüngliche Festsetzungsbeschluss vom 26.10.2005 weiterhin Bestand.
Im einzelnen:
Dem Amtsgericht S. ist bei der Handhabung des Festsetzungsantrages des Beschwerdeführers ein schwerwiegender Verfahrensfehler unterlaufen. Es hätte nämlich der sofortigen Beschwerde des Bezirksrevisors vom 24.05.2006 gegen den ursprünglichen Festsetzungsbeschluss vom 26.10.2005 nach Maßgabe von § 18 Abs. 2 FGG gar nicht abhelfen dürfen. Es wäre stattdessen verpflichtet gewesen, die Akten umgehend der Kammer als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorzulegen (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl. 2003, § 56 g FGG Rdn. 31). Dies folgt aus der Natur des Rechtsbehelfs als sofortiger Beschwerde, die sich aus § 56 g Abs. 5 S. 1 FGG ergibt.
Sodann wäre bei einer verfahrensfehlerfreien Handhabung dieser Sache in der Beschwerdeinstanz zunächst die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Bezirksrevisors vom 24.05.2006 geprüft worden. Dies hätte zu dem Ergebnis geführt, dass der Rechtsbehelf als unzulässig weil verfristet zurückgewiesen worden wäre, worauf der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung vom 25.05.2007 zu Recht hinweist. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 FGG galt nämlich auch gegenüber dem Bezirksrevisor die zweiwöchige Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss vom 26.10.2005. Fristbeginn war gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 FGG der Zeitpunkt der Bekanntmachung des Beschlusses vom 26.10.2005 gegenüber dem Bezirksrevisor. Dies war hier der 08.05.2006, ein Montag, der Tag des Eingangs der Betreuungsakten beim Landgericht Lüneburg, wie er sich aus dem Eingangsstempel von Bl. ... d. A. ergibt. Demnach lief die zweiwöchige Beschwerdefrist im vorliegenden Fall am Montag, den 22.05.2006, ab. Die erst zwei Tage später am 24.05.2006 beim Amtsgericht S. per Fax eingegangene sofortige Beschwerde war mithin verspätet.
Dem steht nicht im Wege, dass dem Bezirksrevisor nach eigenen Angaben die Akten nach dem Eingang beim Landgericht am 08.05.2006 erst zwei Tage später, am 10.05.2006, zugegangen sind. Es ist nämlich auf den Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Landgericht abzustellen und nicht auf die individuelle Vorlage der Akten bei dem zuständigen Bezirksrevisor. Letzteres würde nämlich zu Unwägbarkeiten und Unsicherheiten bei der Frage des zutreffenden Zustellungszeitpunktes führen, da nur der Zeitpunkt des Eingangs der Akten beim Landgericht durch einen Eingangsstempel nachgewiesen wird, nicht hingegen der Zeitpunkt der Vorlage beim Bezirksrevisor. Im übrigen würden, folgte man hier einer anderen Betrachtungsweise, Verzögerungen in der Sachbearbeitung, die allein in den Verantwortungsbereich des Bezirksrevisors fallen, zu einer Ausdehnung der Beschwerdefrist führen. Dies ist im Interesse der Rechtssicherheit und einer raschen Verfahrensführung nicht hinzunehmen.
Ebenso wenig kann der Bezirksrevisor damit gehört werden, dass mangels förmlicher Zustellung des Beschlusses vom 26.10.2005 an seine Person die Beschwerdefrist noch gar nicht zu laufen begonnen habe. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 FGG die Bekanntmachung durch Zustellung nach den Vorschriften der §§ 166 ff. ZPO erfolgt, wenn mit ihr der Lauf einer Frist beginnt. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch erfüllt. Die förmliche Zustellung eines Festsetzungsbeschlusses an die Landeskasse, mithin an den jeweils zuständigen Bezirksrevisor, setzt nämlich auch nach Maßgabe von § 16 Abs. 2 S. 1 FGG nicht die Zustellung durch eingeschriebenen Brief oder durch Zustellungsurkunde voraus. Im zwischenbehördlichen Verkehr, hier also zwischen dem Amtsgericht und dem Landgericht als Dienstsitz des Bezirksrevisors, reicht für eine förmliche Zustellung vielmehr die Übersendung der Akten mit der Urschrift der betreffenden Entscheidung.
Dies folgt zunächst aus dem Rechtsgedanken des § 41 S. 1 StPO, der bei der Zustellung zwischen Strafgericht und Staatsanwaltschaft die "Vorlegung der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks" verlangt, was in aller Regel durch Übersendung der Akten erfolgt. Im Verfahren nach dem FGG kann nichts anderes gelten, zumal die §§ 166 ff. ZPO, auf die § 16 Abs. 2 S. 1 FGG Bezug nimmt, keine Regelung für den Fall der Zustellung im zwischenbehördlichen Verkehr enthalten (so im Ergebnis auch LG Göttingen, Rpfleger 2001, 30, 31 [BGH 31.08.2000 - XII ZB 217/99]).
Dass im vorliegenden Fall die Übersendung der Akten mit der Urschrift des betreffenden Beschlusses an den Bezirksrevisor ausreichen muss, ergibt sich des weiteren aus einem Vergleich mit dem Recht der Prozesskostenhilfe. Hier ist es anerkannt, dass die Zustellung eines Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses an die Staatskasse, der unter bestimmten Umständen ein Beschwerderecht nach § 127 Abs. 3 S. 1 ZPO zusteht, durch Übersendung der Akten an den Bezirksrevisor als deren Vertreter erfolgt. Mit Eingang der Akten beim Bezirksrevisor, also an seinem Dienstsitz, dem Landgericht, beginnt dort die einmonatige Beschwerdefrist gegen die Prozesskostenhilfebewilligung (vgl. dazu Zöller/Philippi, 26. Aufl. 2007, § 127 ZPO Rdn. 16, 31). Es sind keine Gründe ersichtlich, warum an die Bekanntgabe einer die Staatskasse betreffenden Entscheidung im Prozesskostenhilferecht weniger strenge Anforderungen zu stellen sein sollten, als im Betreuungsrecht bei der Zustellung des Festsetzungsbeschlusses betreffend die Betreuervergütung.
Voraussetzung für eine wirksame Zustellung ist indes, dass die Übersendung der Akten an den Adressaten, hier also den Bezirksrevisor, gerade zum Zwecke der Zustellung der betreffenden Entscheidung erfolgt. Die Übersendung der Akten im anderen sachlichen Zusammenhang, die lediglich die Gelegenheit zur Kenntnisnahme der betreffenden Entscheidung eröffnet, reicht hingegen für eine wirksame Zustellung nicht aus (vgl. LG Göttingen, Rpfleger 2001, 30, 31 [BGH 31.08.2000 - XII ZB 217/99]).
Eine so verstandene förmliche Zustellung an den Bezirksrevisor ist hier erfolgt. Ausweislich der Verfügung des Rechtspflegers vom 04.05.2006 (Bl. ... d. A.), wurden die Akten dem Bezirksrevisor ausdrücklich unter Hinweis auf den Beschluss vom 26.10.2005 auf Bl. ... d. A. übersandt. Somit hatte die Übersendung einzig und allein den Zweck, die Zustellung des betreffenden Beschlusses an den Bezirksrevisor zu bewirken. Dass in der Übersendungsverfügung eine Formulierung wie "zum Zwecke der Zustellung..." fehlt, ist hingegen unschädlich. Dies zu verlangen wäre eine unnötige Förmelei und auch nicht mit dem Sinn und Zweck der Zustellungsvorschriften vereinbar, der darin zu sehen ist, dem Adressaten auf gesichertem Weg die Kenntnisnahme einer bestimmten Entscheidung zu ermöglichen. Dies ist im zwischenbehördlichen Verkehr durch die Übersendung der Akten samt Urschrift der betreffenden Entscheidung zum Zwecke der Kenntnisnahme derselben erfüllt.
(...)
Somit hätte ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Bezirksrevisors vom 24.05.2006 als verfristet und damit als unzulässig geführt. Der Festsetzungsbeschluss vom 26.10.2005 wäre daher rechtskräftig und keiner weiteren Änderung mehr zugänglich gewesen. Die trotz alledem erfolgte Aufhebung und Neufestsetzung durch das Amtsgericht in Gestalt des angefochtenen Beschlusses vom 12.04.2007 ist daher als grob verfahrensfehlerhaft anzusehen, so dass er aufzuheben und der ursprüngliche Beschluss vom 26.10.2005 wieder herzustellen war.
(...)