Landgericht Lüneburg
Urt. v. 07.12.2007, Az.: 4 O 263/07

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
07.12.2007
Aktenzeichen
4 O 263/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 60800
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2007:1207.4O263.07.0A

Fundstelle

  • MDR 2008, 528-529 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Aufhebung einer einstweiligen Verfügung

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

1

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn und streiten um die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände.

2

Die Beklagten erwirkten gegen die Kläger in einem einstweiligen Verfügungsverfahren umgekehrten Rubrums mit Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 11.06.2007 (Az. 13 C 1117/07 (16f)) eine Baustopp dahingehend, dass die Kläger auf ihrem Grundstück ... in einem Bereich von bis zu 2 m von der Grenze zum Grundstück der Beklagten ... jegliche Baumaßnahmen solange zu unterlassen haben, bis an der zum Grundstück der Kläger angrenzenden Kellerwand des Hauses der Beklagten eine ordnungs- und fachgerechte Abdichtung nach DIN 18195-4 gegen Bodenfeuchte und nicht stauendes Sickerwasser hergestellt ist, und zwar mindestens bis zur Höhe der auf dem Bauvorhaben der Kläger herzustellenden (und mittlerweile hergestellten) Bodenplatte. Hintergrund war, dass zuvor auf der gemeinsamen Grundstücksgrenze unmittelbar nebeneinander zwei ca. 140 Jahre alte, teilunterkellerte Gebäude gestanden haben, von denen das eine den Klägern und damaligen Verfügungsbeklagten sowie das andere den Beklagten und damaligen Verfügungsklägern gehört hat. Sodann haben die Kläger ihr Gebäude in der Absicht abgebrochen, ihren ehemaligen Keller zu verfüllen und das Grundstück neu zu bebauen, so dass das Gebäude der Beklagten einschließlich der zuvor unmittelbar an das Gebäude der Kläger angrenzenden Kellerwand frei stehend zurück geblieben ist.

3

Die einstweilige Verfügung vom 11.06.2007 bestätigte die Kammer in dem darauf folgenden Rechtfertigungs- und Widerspruchsverfahren vor dem Landgericht Lüneburg mit Urteil vom 18.07.2007 (Az. 4 O 141/07). In dem von den Klägern angestrengten Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Celle (Az. 4 U 137/07) wies der Senat mit Beschluss vom 27.09.2007 darauf hin, dass er beabsichtige, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Am 09.10.2007 legten die Kläger die Kelleraußenwand des Gebäudes der Beklagten, an der die streitige Abdichtung vorgenommen werden soll, wieder frei, nachdem diese im Zuge der angelaufenen und seit Erlass der einstweiligen Verfügung unterbrochenen Bauarbeiten mit Sand verfüllt worden war. Hierfür durchbohrten sie die bereits gegossene Bodenplatte ihres Neubaus, die an die Kellerwand angrenzt, an einigen Stellen auf, saugten den eingebrachten Sand an der Kellerwand ab und schufen auf diese Weise einen Hohlraum bzw. Gang mit einer im einzelnen zwischen den Parteien streitigen Breite zwischen 50 cm und 60 cm. Insoweit wird auf die Lichtbilder in der Anlage zur Klageschrift vom 22.10.2007 (Bl. 22 f.d.A.) verwiesen. Diesen Umstand trugen die Kläger mit Schriftsatz vom 12.10.2007 auch in dem Berufungsverfahren beim Oberlandesgericht Celle vor. Mit Schriftsatz vom 25.10.2007 nahmen sie die Berufung gleichwohl zurück, woraufhin das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 29.10.2007 den Verlust des Rechtsmittels für die Kläger feststellte.

4

Die Kläger behaupten, durch den nun geschaffenen und 55-60 cm breiten Hohlraum sei der ursprüngliche Zustand an der Kellerwand der Beklagten wieder vorhanden. Auch könne dort die von den Beklagten verlangte Abdichtung fachgerecht ausgeführt werden. Sie meinen, damit sei der zugunsten der Beklagten angenommene Verfügungsanspruch bzw. -grund wegen "veränderter Umstände" entfallen.

5

Sie beantragen,

  1. 1.

    die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Celle vom 11.06.2007 - 13 C 1117/07 (16f) - in der Fassung des Urteils des Landgerichts Lüneburg vom 18.07.2007 - 4 O 141/07 - aufzuheben,

  2. 2.

    anzuordnen, dass die Vollziehbarkeit der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Celle vom 11.06.2007 aufgehoben wird.

6

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage sowie den Antrag auf Aufhebung der Vollziehbarkeit der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

7

Sie rügen die Unzulässigkeit der Klage, da der von den Klägern als "veränderter Umstand" vorgebrachte Hohlraum an der Kellerwand - was unstreitig ist - bereits während des laufenden Berufungsverfahrens geschaffen und dort auch vorgetragen worden sei. Sie behaupten vorsorglich, der "unkontrollierbare, geschlossene" Hohlraum entspreche nicht dem zuvor vorhandenen, "benutzten, belüfteten und kontrollierbaren" Kellerraum unter dem ehemaligem Haus der Kläger. Es bestehe die Gefahr, dass "unkontrolliert Feuchtigkeit oder gar Wasser eindringt und, mangels jedweder Belüftung, Pilz/oder Schwammbefall verursacht". Im übrigen sei der Hohlraum für fachgerechte Abdichtungsarbeiten mit allenfalls 50 cm zu schmal und lasse die erforderlichen Sicherheitsstandards vermissen.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist bereits unzulässig.

10

Nach Maßgabe von §§ 936, 927 ZPO kann auch nach Bestätigung einer einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände die Aufhebung derselben beantragt werden.

11

Damit ist das Aufhebungsverfahren grundsätzlich als "Nachverfahren" des Anordnungsverfahrens angelegt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 65. Aufl. 2007, § 927 ZPO Rdn. 1 sowie OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 188), wobei es anerkannt ist, dass es dem Schuldner vor Eintritt der (beschränkten) Rechtskraft der einstweiligen Verfügung frei steht, ob er die "veränderten Umstände" im Wege des Widerspruchsverfahrens, der Berufung oder des Antrags nach §§ 936, 927 ZPO geltend macht (vgl. OLG Hamburg AnwBl. 1985, 642; OLG Koblenz GRUR 1989, 373; OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 188; Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 927 ZPO Rdn. 2 sowie Stein/Jonas-Grunsky, 22. Aufl. 2002, § 927 ZPO Rdn. 1). Auch besteht Einigkeit dahingehend, dass zu den "veränderten Umständen" in diesem Sinne abweichend von § 323 ZPO solche zählen, die vor oder nach Erlass oder Bestätigung der einstweiligen Verfügung eingetreten sind, von denen der Schuldner aber erst nach dem Erlass erfahren hat (vgl. OLG Koblenz GRUR 1986, 94 [OLG Koblenz 18.04.1985 - 6 U 156/84]; Stein/Jonas-Grunsky, 22. Aufl. 2002, § 927 ZPO Rdn. 3 sowie Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 65. Aufl. 2007, § 927 ZPO Rdn. 3). Hat der Schuldner die "veränderten Umstände" hingegen bereits zum Gegenstand eines anderen auf Beseitigung der einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahrens gemacht, etwa einer Berufung gegen die einstweilige Verfügung, so steht dies der Zulässigkeit eines auf den gleichen Grund gestützten Aufhebungsverfahrens nach §§ 936, 927 ZPO entgegen. Dies ist in Literatur und Rechtsprechung im Ergebnis anerkannt, wobei lediglich die Begründungsansätze auseinandergehen.

12

Während zum Teil vertreten wird, in diesem Falle stehe dem Aufhebungsverfahren i.S.d. §§ 936, 927 ZPO die Rechtshängigkeit bzw. - nach Abschluss - die Rechtskraft des vorangegangenen Verfahrens bzw. seiner abschließenden Entscheidung entgegen (so Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 927 ZPO Rdn. 2 und § 924 ZPO Rdn. 3 sowie Stein/Jonas-Grunsky, 22. Aufl. 2002, § 927 ZPO Rdn. 1), stützt eine andere Auffassung die Unzulässigkeit der Aufhebungsklage in dieser Konstellation auf den Gedanken des fehlenden Rechtsschutzinteresses (vgl. insb. OLG Koblenz GRUR 1989, 373). Hier wie dort wird die Unzulässigkeit des Aufhebungsantrages im Kern damit begründet, dass die verschiedenen Rechtsbehelfe - also das Widerspruchs-, das Berufungs- und das Aufhebungsverfahren - dem Schuldner zwar nebeneinander, jedoch nicht gleichzeitig zur Verfügung stehen und ein "doppelter Angriff" gegen die einstweilige Verfügung aus ein und demselben Grund verhindert werden soll (vgl. Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 927 ZPO Rdn. 2). Vielmehr muss sich der Schuldner von vornherein entscheiden, mit welchem Rechtsbehelf er aufgrund des "veränderten Umstandes" gegen die einstweilige Verfügung vorgehen will (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1988, 188 [OLG Düsseldorf 15.07.1987 - 2 U 77/87]). Die Möglichkeit, den Umstand sowohl in einem Widerspruchs- oder Berufungsverfahren geltend zu machen, als auch in einer nachgeschalteten Aufhebungsklage, ist ihm hingegen versperrt.

13

Da beide Ansichten zur Unzulässigkeit der Klage und damit letztendlich zu demselben Ergebnis gelangen, bedarf es keiner Entscheidung durch den erkennenden Einzelrichter, welcher Ansatz den Vorzug verdient.

14

Die vorstehenden Überlegungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu und führen daher zur Unzulässigkeit der Klage. Die Kläger stützten sich auf den am 09.10.2007 geschaffenen Hohlraum an der Kelleraußenwand der Beklagten und sehen darin den "veränderten Umstand" i.S.d. §§ 936, 927 ZPO. Diese bauliche Veränderung an der Grundstücksgrenze haben sie jedoch bereits mit Schriftsatz vom 12.10.2007 im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Celle vorgetragen und damit zum Gegenstand des dortigen Rechtsmittels gemacht. Dieser neue Vortrag in der zweiten Instanz wäre auch durchaus gem. § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO berücksichtigungsfähig gewesen, da es sich um einen Umstand handelt, der erst nach Erlass des landgerichtlichen Urteils vom 18.07.2007 und damit innerhalb des Berufungsverfahrens eingetreten ist. Dass diese Änderung der Sachlage in der Berufungsinstanz dennoch tatsächlich unberücksichtigt geblieben ist, spielt bei, alledem keine Rolle, zumal dies darauf zurück zu führen ist, dass die Kläger ihr Rechtsmittel nach Einführung dieses Umstands doch noch freiwillig zurückgenommen haben. Ob der Senat, der bei seinem Beschluss vom 27.09.2007 zu Recht noch von einer verfüllten Kellerwand ausgegangen ist, die Erfolgsaussicht der Berufung anders eingeschätzt hätte, wenn die Kläger auf den veränderten Umstand beharrt hätten, ist daher offen. Soweit sie sich in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 30.112007 insoweit auf ein Telefonat mit dem Berichterstatter des Senats beziehen, der die Kläger auf einen Antrag nach § 927 ZPO verwiesen haben soll, so rechtfertigt dies ebenfalls keine abweichende Beurteilung. Schließlich ist dieses Gespräch im einstweiligen Verfügungsverfahren weder aktenkundig, noch dürfte es sich hierbei um eine verbindliche Äußerung gehandelt haben. Es bleibt daher nach alledem dabei, dass der Umstand "Hohlraum" bereits Gegenstand des Berufungsverfahrens war und daher zulässigerweise nicht erneut im nunmehr angestrengten Aufhebungsverfahren geltend gemacht werden kann.

15

Weitere "veränderte Umstände" i.S.d. §§ 936, 927 ZPO sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

16

Mangels Zulässigkeit der Aufhebungsklage konnte auch der zusätzlich gestellte Antrag auf Aufhebung der Vollziehbarkeit der einstweiligen Verfügung gem. §§ 936, 924 Abs. 3 S. 2 ZPO analog (vgl. dazu OLG Braunschweig MDR 1956, 557 [OLG Braunschweig 26.01.1956 - 1 W 1/56]) keinen Erfolg haben.

17

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 11 Alt. 2, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.