Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.05.2014, Az.: 4 LA 136/13

Verletzung eines allein anspruchsberechtigten Personensorgeberechtigten in seinen Rechten im Falle der Kürzung des Pflegegeldes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.05.2014
Aktenzeichen
4 LA 136/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 14951
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0512.4LA136.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 12.04.2013 - AZ: 3 A 3070/10

Fundstellen

  • DÖV 2014, 679
  • Jugendhilfe 2015, 146

Amtlicher Leitsatz

Auch im Falle der Kürzung des Pflegegeldes gemäß § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII kann nur der nach § 39 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 33 SGB VIII allein anspruchsberechtigte Personensorgeberechtigte in seinen Rechten verletzt sein.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichterin der 3. Kammer - vom 12. April 2013 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf

Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts

hat keinen Erfolg. Denn die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen, soweit das Verfahren nicht im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt worden ist. Die Klägerin ist nämlich bereits nicht klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, worauf der Beklagte in seiner Erwiderung auf den Zulassungsantrag der Klägerin zutreffend hingewiesen hat. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Hier kann die Klägerin nicht geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 9. Juni 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 7. Juni 2011 in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die insoweit ausreichende Möglichkeit einer Verletzung der Rechte der Klägerin ergibt sich nicht aus § 39 SGB VIII. Denn der Anspruch auf Leistungen zum Unterhalt des Kindes bzw. Jugendlichen in Vollzeitpflege (sogenanntes "Pflegegeld") nach § 39 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 33 SGB VIII steht als "Annex-Anspruch" zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung allein dem Personensorgeberechtigten und damit nicht der Pflegeperson zu (BVerwG, Urteile vom 4.9.1997 - 5 C 11.96 - und 12.9.1996 - 5 C 31.95 -; Senatsbeschlüsse vom 5.5.2014 - 4 LA 115/14 - und 28.2.2011 - 4 LC 280/09 - m.w.N.). Dementsprechend kann auch nur der Personensorgeberechtigte - hier die allein sorgeberechtigte Kindesmutter - in seinen Rechten aus § 39 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 33 SGB VIII verletzt sein, wenn das ihm nach diesen Vorschriften zustehende "Pflegegeld" gekürzt wird. Insoweit ist es unerheblich, dass die Kürzung des "Pflegegeldes" nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII voraussetzt, dass die Pflegeperson in gerader Linie mit dem Kind oder Jugendlichen verwandt ist (hier ist die Klägerin die Großmutter des Kindes) und diesem unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Verpflichtungen ohne Gefährdung ihres angemessenen Unterhalts Unterhalt gewähren kann. Denn dies ändert nichts daran, dass der Anspruch auf Gewährung des "Pflegegeldes" allein dem Personensorgeberechtigten zusteht und folglich auch nur dieser im Falle einer Kürzung des "Pflegegeldes" in seinen Rechten verletzt sein kann. Die Möglichkeit einer Verletzung der Rechte der Pflegeperson ergibt sich auch nicht aus deren Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind, da durch die Kürzung des "Pflegegeldes" nach § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII eine Unterhaltsverpflichtung der Pflegeperson gegenüber dem Kind weder begründet noch (unterhaltsrechtlich) verbindlich festgestellt wird.

Rechte der Klägerin, die durch die Kürzung des "Pflegegeldes" verletzt sein könnten, sind hier auch nicht durch einen Bescheid des Beklagten begründet worden. Der Beklagte hat der Kindesmutter mit dem Bescheid vom 8. September 2009 aufgrund deren Antrag vom 31. März 2009 "Jugendhilfe gemäß §§ 27 ff. SGB VIII in Form von Vollzeitpflege" für die Zeit ab dem 31. März 2009 gewährt. Die "Kosten der bewilligten Jugendhilfemaßnahme" sollten "direkt mit dem Leistungserbringer abgerechnet" werden. Das "Pflegegeld" nach § 39 SGB VIII ist dementsprechend für die Zeit ab dem 31. März 2009 an die Klägerin als Pflegeperson ausgezahlt worden. Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin jedoch keinen Bescheid erlassen, aufgrund dessen dieser Leistungen nach § 39 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 33 SGB VIII gewährt worden sind. Soweit in dem Anhörungsschreiben des Beklagten vom 22. März 2010 davon die Rede ist, dass der Klägerin ab dem 31. März 2009 Jugendhilfe in Form von Vollzeitpflege "gewährt" worden sei, bezieht sich dies offenbar auf die tatsächliche Auszahlung des "Pflegegeldes" an die Klägerin für die Zeit ab dem 31. März 2009. Soweit (u. a.) durch den Bescheid des Beklagten vom 6. Januar 2012 (rechtswidrig) nicht der Kindesmutter, sondern der Klägerin "Jugendhilfe gemäß §§ 27 ff. SGB VIII in Form einer flexiblen Erziehungshilfe" gewährt worden ist, betrifft dies nicht die hier streitgegenständliche Gewährung des "Pflegegeldes" nach § 39 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 33 SGB VIII. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung eines "Pflegegeldes", in den durch die Kürzung des "Pflegegeldes" eingegriffen worden sein könnte, ergibt sich daher auch nicht aus einem entsprechenden Bescheid des Beklagten.

Die durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 9. Juni 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 7. Juni 2011 gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kürzung des "Pflegegeldes" entfaltet folglich weder gegenüber der nach dem oben Gesagten unter keinem Gesichtspunkt anspruchsberechtigten und durch die Kürzung in keiner rechtlich geschützten Position betroffenen Klägerin noch gegenüber der Kindesmutter rechtliche Wirkungen, da diese zwar anspruchsberechtigt, aber wegen der Adressierung der Bescheide an die Klägerin und deren Bekanntgabe gegenüber der Klägerin durch diese ebenfalls nicht in ihren Rechten berührt wird. Die Kürzung des "Pflegegeldes" durch den Bescheid des Beklagten vom 9. Juni 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 7. Juni 2011 ist daher gegenstandslos und geht gleichsam "ins Leere". Es ist deshalb von vornherein ausgeschlossen, dass die Rechte der Klägerin durch diese Bescheide verletzt sein können. Eine Klagebefugnis der Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO ist nach allem zu verneinen.

Ist demnach die Klage schon wegen der fehlenden Klagebefugnis der Klägerin abzuweisen gewesen, so sind die von der Klägerin zur Begründung ihres Zulassungsantrages angeführten, das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Enkelkind und die Berechnung ihrer "unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit" betreffenden Einwände nicht entscheidungserheblich und begründen daher keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

Die Berufung kann auch nicht wegen der von der Klägerin ferner geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden, da die nach dem oben Gesagten entscheidungserheblichen Fragen keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.