Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.02.2001, Az.: 4 O 3818/00

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.02.2001
Aktenzeichen
4 O 3818/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 34560
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2001:0208.4O3818.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 27.09.2000 - AZ: 6 A 132/00

Fundstellen

  • DVBl 2001, 587 (amtl. Leitsatz)
  • NDV-RD 2001, 92-94

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Förderung nach dem NPflegeG

- Rechtsweg -

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - am 8. Februar 2001 beschlossen:

Tenor:

  1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 27. September 2000 wird aufgehoben.

  2. Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger betreibt eine zugelassene und nach dem Niedersächsischen Pflegegesetz - NPflegeG - geförderte stationäre Pflegeeinrichtung in N.. Im November 1998 beantragte er die Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI i.V.m. § 19 Abs. 3 NPflegeG zur gesonderten Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen in Höhe von täglich 40,35 DM je Pflegeplatz. Der Beklagte stimmte mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 nur einem Betrag von 39,17 DM zu. Einen gegen die Kürzung erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Weser-Ems mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2000 zurück. Der Kläger hat am 8. September 2000 beim Verwaltungsgericht Osnabrück Klage erhoben.

2

Das Verwaltungsgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 27. September 2000, zugestellt am 29. September, den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht O. verwiesen. Es hat ausgeführt: Hier liege eine Streitigkeit in Angelegenheiten nach dem SGB XI vor, über die gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entschieden. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit aus dem Bereich der Investitionsförderung von Pflegeeinrichtungen, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu den Angelegenheiten des SGB XI im Sinne von § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG gehöre. Die Kammer schließe sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an, dass eine Verknüpfung der Fragen nach Notwendigkeit und Umfang einer Zustimmung zu einer gesonderten Berechnung gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI mit Rechtsfragen der Investitionsförderung nicht bestehe. Dies ergebe sich daraus, dass die Pflegeeinrichtung den Pflegebedürftigen gerade den Teil der Aufwendungen gesondert berechnen könne, der nicht staatlich gefördert werde, Ziel der Regelung sei vielmehr, dem Heimträger eine Refinanzierungsmöglichkeit zu Lasten der Heimbewohner zu eröffnen.

3

Der Beklagte hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts am 12. Oktober 2000 Beschwerde erhoben.

4

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§§ 146 Abs. 1 VwGO, 17a Abs. 4 Satz 3 GVG), zulässig und auch begründet.

5

Der Senat nimmt an, dass für Rechtsstreitigkeiten - wie hier - im Zusammenhang mit einer Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI wegen des Sachzusammenhangs mit dem Investitionsförderungsrecht der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben ist.

6

Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem SGB XI entstehen. Eine derartige Angelegenheit liegt allerdings nur vor, wenn der Streitfall zum Regelungsbereich des SGB XI gehört. Das Rechtsverhältnis, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, muss dem genannten Gesetz unterfallen. Dies trifft für die Investitionsförderung der Länder zugunsten von Pflegeeinrichtungen nicht zu, obwohl sich auch hierzu Regelungen in § 9 SGB XI finden ( BVerwG, Beschl.v. 23. Dezember 1998 - 3 B 22.98 - NVwZ-RR 1999, S. 316).

7

Nach der Ansicht des Bundessozialgerichts (Beschl.v. 31. Januar 2000 - B3 SF 1/99 R -), der sich das Verwaltungsgericht angeschlossen hat (ähnlich OVG Brandenburg, Urt.v. 29. Juni 2000 - 4 D 35/98.NE -) gilt die vom Bundesverwaltungsgericht angenommene verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten über die Investitionsförderung jedoch nicht für Rechtsstreitigkeiten über die Notwendigkeit und den Umfang einer Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI für die gesonderte Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen, da hier ein Zusammenhang mit der Investitionsförderung nicht bestehe.

8

Der Senat nimmt demgegenüber einen auch über die Frage des Rechtswegs entscheidenden Sachzusammenhang zwischen der Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI und der Investitionsförderung im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des SGB XI und der Verknüpfung der Regelungsinhalte an.

9

Die Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen erfuhr im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses zum SGB XI einen grundlegenden Wandel. Der ursprüngliche Vorschlag, auch diese Aufwendungen über die Pflegevergütung zu finanzieren und dabei auf einen Finanzierungsbeitrag der Länder zurückzugreifen (sog. monistische Finanzierung) fand im Vermittlungsverfahren nicht die Zustimmung der Länder. Statt dessen einigten sich Bund und Länder auf ein duales Finanzierungssystem, wobei die Vorhaltung einer Infrastruktur zur pflegerischen Versorgung der Bevölkerung allein in die Kompetenz der Länder fiel (vgl. Udsching, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, Kommentar, 2. Aufl. 2000, vor §§ 82-92, Rdnr. 4). Anders als bei der Krankenhausfinanzierung setzte das Gesetz einen Anspruch auf Förderung allerdings nicht gesetzlich fest, sondern deutete mit § 9 SGB XI die Förderpflicht der Länder nur an. Statt dessen eröffneten die Absätze 3 und 4 des § 82 SGB XI den Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, betriebsnotwendige Investitionen, für die eine Förderung durch die Länder nicht erreicht werden könne, den Pflegebedürftigen gesondert in Rechnung zu stellen. Dies erfordert bei Einrichtungen, die zwar grundsätzlich, aber hinsichtlich der Investitionskosten nicht vollständig gefördert werden, gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI die Zustimmung der zuständigen Landesbehörde zu den gesondert berechneten Aufwendungen für betriebsnotwendige Investitionskosten. Für nicht geförderte Einrichtungen reicht gemäß § 82 Abs. 4 SGB XI die Mitteilung der gesonderten Berechnung aus. Erst die Einführung des dualen Finanzierungssystems und der Verzicht auf die Normierung eines konkreten Anspruchs auf Förderung zog folglich die hier im Streit befindliche Regelung der Zustimmung zur gesonderten Berechnung von Aufwendungen gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI nach sich. Es handelt sich um ein Instrument der Landesbehörden zur Prüfung und Kontrolle der von dem Pflegebedürftigen zu entrichtenden Pflegeentgelte. Die Landesbehörden sollen damit unabhängig von der Gewährung von Aufwendungszuschüssen, in Niedersachsen nach § 13 NPflegeG, sicherstellen, dass in geförderten Einrichtungen nur betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI oder Aufwendungen für Miete, Pacht, Nutzung oder Mitbenutzung von Gebäuden oder sonstige abschreibungsfähige Anlagegüter nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI in die Berechnung des Pflegeentgelts einließen. Die gesetzliche Regelung des Zustimmungserfordernisses nimmt damit aber teil an der durch das duale Finanzierungssystem erfolgten Abkoppelung der Investitionsförderung von dem Bereich der Pflegeversicherung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in dem erwähnten Beschluss vom Dezember 1998 gesehen hat. Folglich wäre das Zustimmungserfordernis nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI auch nicht mehr von dem Bereich der Sozialversicherung umfasst, der nach § 51 Abs. 1 SGG die Zuständigkeit der Sozialgerichte begründet. Diese allgemeine Rechtswegzuweisung wird zwar durch die spezielle Regelung von § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG für Angelegenheiten nach dem SGB XI verdrängt. Zu beachten ist jedoch, dass diese Sonderregelung deshalb für erforderlich erachtet wurde, weil auch der Bereich der privaten Pflegeversicherung den Sozialgerichten zugewiesen werden sollte (vgl. Udsching, a.a.O., Einleitung Rdnr. 10). Der Senat sieht sich deshalb nicht gehindert, die für den Rechtsweg entscheidende Abkoppelung der Investitionsförderung von dem Bereich der Pflegeversicherung auch für das Zustimmungserfordernis nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI anzunehmen, da der Gesetzgeber dieses Erfordernis im Zusammenhang und in Abhängigkeit von der im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erfolgten Neuregelung der Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen in das Gesetz aufgenommen hat.

10

Die sich aus dem Gesetzgebungsverfahren ergebende Nähe des Zustimmungserfordernisses zur Investitionsförderung und dem für entsprechende Rechtsstreitigkeiten eröffneten Verwaltungsrechtsweg wird bestätigt durch materielle Zusammenhänge. So ist nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI der von der Pflegeeinrichtung gesondert berechenbare Teil der Aufwendungen durch die nach § 9 SGB XI erfolgte Förderung begrenzt mit der Folge, dass dann, wenn - den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesene - Streitigkeiten über die Höhe der Förderung nach § 9 SGB XI bestehen, auch über die gesonderte Berechnung der Aufwendungen nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI nicht entschieden werden kann. Besteht darüber hinaus Streit über die Notwendigkeit oder den Umfang eines bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses nach § 13 NPflegeG, hinge diese Entscheidung wiederum von der Gültigkeit eines Zustimmungsbescheides gemäß § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI ab. Es besteht mithin ein direkter materieller Zusammenhang zwischen der Höhe einer Förderung nach § 9 SGB XI, der Höhe der gesondert zu berechneten Aufwendungen nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI und der Höhe eines bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses nach § 13 NPflegeG. Entsprechende Streitigkeiten sind nach der in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Ansicht aber nur hinsichtlich der Höhe der Förderung nach § 9 SGB XI und der Höhe des Aufwendungszuschusses nach § 13 NPflegeG den Verwaltungsgerichten zugewiesen, wahrend über die Notwendigkeit und den Umfang einer Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI die Sozialgerichte zu entscheiden hätten. In der Praxis könnte dies dazu führen, dass zunächst von den Sozialgerichten eine Entscheidung der Verwaltungsgerichte zur Höhe einer Förderung nach § 9 SGB XI abgewartet werden müsste, bevor über die Höhe einer Zustimmung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI entschieden werden könnte, während nunmehr die Verwaltungsgerichte auf diese Entscheidung der Sozialgerichte zu warten hätten, bevor dann letztlich die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über die Höhe eines bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses nach § 13 NPflegeG ergehen könnte. Auch das Verwaltungsgericht erachtet aufgrund dieser Interdependenzen in dem Beschluss in einem Parallelverfahren vom 18. Dezember 2000 - Az.: 6 A 178/99 (Beschwerdeverfahren: 4 OB 427/01) - einen einheitlichen Rechtsweg für sinnvoll. Der Senat nimmt wegen der dargelegten Zusammenhänge an, dass § 51 Abs. 2 Satz 2 SGB XI einer derartigen sinnvollen Interpretation nicht im Wege steht, mithin nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten auch im Zusammenhang mit dem Zustimmungserfordernis nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI gegeben ist.

11

Gestützt wird dieses Anliegen noch durch folgende Überlegung: In den Fällen des § 82 Abs. 4 SGB XI ist der Träger der Sozialhilfe nach § 93 Abs. 7 Satz 4 BSHG zur Übernahme dieser gesondert berechneten Investitionskosten nur verpflichtet, wenn hierüber mit dem Einrichtungsträger Vereinbarungen nach Abschnitt 7 des Bundessozialhilfegesetzes getroffen worden sind. Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Partei die Schiedsstelle nach § 94 BSHG. Gegen deren Entscheidung ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben (§ 93b Abs. 1 Satz 3 BSHG). Es zeigt sich also, dass in allen Fällen, in denen streitig ist, ob und in welchem Umfang Investitionskosten, die nicht Teil der Pflegevergütung sind und nicht von der Pflegeversicherung getragen werden, aus Landesmitteln zu fördern oder aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen sind, der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Dann ist aber nicht anzunehmen, dass Streitigkeiten um ein Teilstück dieses Gesamtkomplexes, nämlich um die Zustimmung der zuständigen Landesbehörde nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XI zur gesonderten Berechnung der nicht vollständig aus Landesmitteln geförderten Investitionskosten, in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fallen sollen. Die vom Bundessozialgericht für seine gegenteilige Auffassung letztlich angestellte Überlegung, der Zweck des Zustimmungserfordernisses - Schutz der Pflegebedürftigen vor Übervorteilung und Verhütung des Missbrauchs öffentlicher Gelder - weise Sachnähe zu der dem SGB XI zuzuordnenden Ermittlung der Vergütung von Pflegeeinrichtungen (§§ 82 Abs. 1 und 2, 83 ff. SGB XI) auf und - so das Bundessozialgericht sinngemäß - die Sozialgerichte seien daher in besonderer Weise geeignet und in der Lage, die genannten Schutzzwecke zu gewährleisten, überzeugt nicht. Denn - erstens - sind die Investitionskosten aus der Pflegevergütung gerade herausgenommen, -zweitens - setzt das Zustimmungserfordernis eine partielle Landesförderung voraus und - drittens - besteht sehr wohl auch Sachnähe zwischen den genannten Schutzzwecken und solchen gesetzlichen Regelungen, für deren Prüfung im Streitfall die Verwaltungsgerichte zuständig sind, wie für die Heimaufsicht nach dem Heimgesetz, für Vereinbarungen und Schiedsstellenentscheidungen nach den §§ 93 ff. BSHG und für Ansprüche Pflegebedürftiger gegen Sozialhilfeträger auf Übernahme der mit Pflegeeinrichtungen vereinbarten Entgelte. Es besteht nach allem auch unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des Zustimmungserfordernisses kein überzeugender Grund dafür, ein Teilstück aus dem Gesamtkomplex der Investitionskosten, die der Gesetzgeber aus der Pflegevergütung herausgenommen und der Landesförderung oder der Sozialhilfe übertragen hat, doch wieder in die Zuständigkeit der Sozialgerichte zurückzuführen.

12

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 152 Abs. 1 VwGO, 17a Abs. 4, 5 GVG zuzulassen, da der Senat von der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts abweicht.

Klay
Willikonsky
Riemann