Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.08.2003, Az.: 4 ME 484/02
Abschlag; bewohnerbezogener Aufwendungszuschuss; Instandhaltung; Modernisierung; Pacht; Rechtsweg; Vergütungsvereinbarung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.08.2003
- Aktenzeichen
- 4 ME 484/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48520
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 01.10.2002 - AZ: 3 B 3978/02
Rechtsgrundlagen
- § 93 Abs 7 S 4 BSHG
- § 82 Abs 3 SGB 6
- § 86b Abs 2 S 2 SGG
- § 123 Abs 1 S 2 VwGO
- PflegeG ND
- § 15 PflegeGDV ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Begehrt ein Heimträger im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes Abschläge auf bewohnerbezogene Aufwendungszuschüsse nach § 13 NPflegeG und auf Vergütungen aus Vereinbarungen nach § 93 Abs. 7 Satz 4 BSHG, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Diesem Begehren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nicht im Hinblick darauf, dass der Heimträger beim Sozialgericht beantragen kann, die zuständige Landesbehörde im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, nach § 82 Abs. 3 SGB XI gesondert zu berechnenden Investitionsaufwendungen in der beantragten Höhe vorläufig zuzustimmen.
Zur Höhe der betriebsnotwendigen Aufwendungen für Pacht bei bestandsgeschützten Einrichtungen nach § 15 DVO-NPflegeG und zur Berücksichtigung von Aufwendungen für Modernisierung und Instandhaltung.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist nach §§ 146 Abs. 4, 147 VwGO zulässig. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie kann nicht auf die Erlangung effektiveren und umfassenderen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht verwiesen werden. Dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit so vorgegangen ist, nach einer rechtskräftigen Festsetzung der Höhe der Investitionsfolgekosten im Rahmen der Bescheide zur Zustimmung zur gesonderten Berechnung der Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs. 3 SGB XI i.V.m. § 19 NPflegeG die bestandskräftigen Bescheide über die bewohnerbezogenen Aufwendungszuschüsse nach § 13 NPflegeG über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens von Amts wegen anzupassen, rechtfertigt diese Annahme nicht. Das folgt schon daraus, dass eine solche Vorgehensweise rechtlich nicht zwingend geboten und einvernehmlich nur so lange praktikabel ist, wie die Zustimmung zu der gesonderten Berechnung der Investitionsaufwendungen für einen Betrag erteilt wird, der den Vorstellungen des Einrichtungsträgers entspricht. Im Übrigen kann die Antragstellerin auch deshalb nicht auf eine solche Vorgehensweise verwiesen werden, weil sich aus den unterschiedlichen Rechtswegzuweisungen innerhalb des Gesamtkomplexes der Investitionskosten, die der Gesetzgeber des SGB XI aus der Pflegevergütung herausgenommen und der Landesförderung oder der Sozialhilfe übertragen hat, Unzuträglichkeiten ergeben, die der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. Februar 2001 (- 4 O 3818/00 -, NdsRpfl. 2001, 245 = NDV-RD 2001, 92) zur Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten nach § 82 Abs. 3 SGB XI und neuerdings in seinen Beschlüssen vom 29. Juli 2003 (4 OB 268/03 und 4 OB 269/03) zur Frage des Rechtswegs für Streitigkeiten nach § 82 Abs. 4 SGB XI aufgezeigt hat. Eine Verweisung auf die vom Verwaltungsgericht vorgesehene Vorgehensweise erscheint auch deshalb nicht sachgerecht, weil die Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses (§ 13 NPflegeG) nach Auffassung des Senats keine öffentliche Förderung im Sinne von § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI ist. Denn der Gesetzgeber hat zum Begriff der öffentlichen Förderung mit der Verweisung auf § 9 SGB XI deutlich gemacht, dass in erster Linie Investitionsförderung gemeint ist. Dies aber bedeutet institutionelle oder auch Objektförderung, d.h. Förderung der Einrichtung selbst. Der Senat hat hierzu in seinem Urteil vom 22. Januar 2003 (- 4 LB 172/02 -), das nach Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2003 (- BVerwG 3 B 40.03 -), rechtskräftig geworden ist (ebenso wie das Urteil vom 22. Januar 2003 in dem Parallelverfahren 4 LC 146/02 nach dem Beschluss vom 27. Mai 2003 - BVerwG 3 B 41.03 -), ausgeführt:
"Der bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss ist hingegen eine Subjektförderung: Sinn und Zweck der Regelungen über den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss ist, dass einem Heimbewohner zwar grundsätzlich die Beteiligung an den Investitionskosten für eine Einrichtung mit einem Eigenbetrag aus seinem Einkommen zuzumuten ist, dass dieser aber, wenn sein Einkommen zur vollständigen Deckung der Kosten nicht ausreicht, nicht der Sozialhilfe anheim fallen, sondern der - weitere - Bedarf durch die Förderung gedeckt werden soll (Begründung zum NPflegeG, LT-Drucks. 13/1705, S. 41 ff.). Auch wenn somit vorrangiges Ziel die Förderung nach Bedürftigkeit der Pflegebedürftigen ist, um diese von der Inanspruchnahme von Sozialhilfe freizuhalten (Begründung zum NPflegeG, LT-Drucks. 13/1705, S. 20) und es sich somit um eine subjektbezogene Förderung handelt (Wilde in Hauck/Wilde, SGB XI, a.a.O.), trägt die Vorschrift des § 13 NPflegeG dem Gedanken der objektbezogenen Förderung von Einrichtungen zur stationären Dauerpflege dadurch Rechnung, dass der Einrichtungsträger den Zuschuss beantragen kann und erhält (vgl. zum Vorstehenden: Urteile d. Sen. v. 11.12.2002 - 4 LB 131/02 u. 4 LB 130/02 -, s. auch Urt. v. 10.4.2002 - 4 LB 4/02 - zur Rückforderung des Zuschusses vom Heimträger). Wenn der Aufwendungszuschuss damit der Pflegeeinrichtung auch zugute kommt, handelt es sich deshalb noch nicht um eine objektbezogene Förderung. Denn maßgeblich dafür, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungszuschuss gewährt wird, ist allein die subjektbezogene Bedürftigkeit des jeweiligen Heimbewohners, auf dessen finanzielle Verhältnisse die Pflegeeinrichtung keinen Einfluss hat. Der Aufwendungszuschuss tritt also lediglich an die Stelle der Eigenbeteiligung des Heimbewohners, soweit dieser bedürftig ist und seinen Anteil nicht leisten kann. Der Sache nach handelt es sich damit eine von Bedürftigkeit abhängige Sozialleistung an den Heimbewohner, die nur unmittelbar an das Heim ausbezahlt wird. Allein diese vom niedersächsischen Gesetzgeber gewählte Konstruktion macht den Aufwendungszuschuss nicht zu einer objektbezogenen Förderung der Einrichtung."
Die Antragstellerin hat danach zur Durchsetzung ihres Begehrens im Hinblick auf bewohnerbezogene Aufwendungszuschüsse und Vergütungen aus Vereinbarungen nach den §§ 93 ff. BSHG zu Recht den Verwaltungsrechtsweg beschritten.
Die Beschwerde ist auch mit der Maßgabe begründet, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin über die derzeit gewährten Zahlungen hinaus Abschlagszahlungen auf die bewohnerbezogenen Aufwendungszuschüsse nach § 13 NPflegeG und die Vergütungen aus Vereinbarungen nach §§ 93 ff. BSHG zu gewähren hat. Nach § 13 Abs. 1 NPflegeG erhalten Träger von vollstationären Einrichtungen der Dauerpflege bewohnerbezogene Zuschüsse zu den Aufwendungen nach § 9 NPflegeG für diejenigen nach § 8 Abs. 3 NPflegeG zu berücksichtigenden Pflegebedürftigen, die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder den Vorschriften über die Kriegsopferfürsorge erhalten oder ohne den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss erhalten würden und im Zeitpunkt der Aufnahme und in den letzten zwei Monaten vor der Aufnahme in die Einrichtung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen hatten. § 9 Abs. 1 Nr. 2 NPflegeG bestimmt u.a., dass eine Förderung nach § 13 NPflegeG gewährt wird für Aufwendungen für Pacht, soweit ein durch Verordnung nach § 14 Nr. 4 NPflegeG bestimmter Höchstbetrag nicht überschritten wird. § 8 Abs. 1 DVO-NPflegeG bestimmt hierzu, dass der jeweilige Höchstbetrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 NPflegeG die in einer Vergleichsberechnung zu ermittelnde Summe der anderenfalls entstehenden Investitionsfolgeaufwendungen im Sinne von § 9 Abs. 2 NPflegeG ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bemisst sich der hier zu berücksichtigende Pachtzins aber nicht nach einer Vergleichsberechnung nach der genannten Vorschrift. Denn die Übergangsvorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 DVO-NPflegeG regelt, dass § 8 DVO-NPflegeG für Pflegeeinrichtungen, die - wie hier - zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits bestanden, mit der Maßgabe gilt, dass eine Vergleichsberechnung nicht erforderlich ist, wenn und soweit die Aufwendungen für die Pacht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung mit dem Sozialhilfeträger vereinbart sind. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Denn - unstreitig - bestand zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass die in dem Pachtvertrag zwischen der Antragstellerin und dem Sozialgewerk für Handwerker der Stadt B. eG vom 15. Dezember 1992 vereinbarte Pachtzins übernommen werden sollte. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin führt der Umstand, dass die Antragstellerin mit ihrer Verpächterin unter dem 17. August 2000 einen "neuen" Pachtvertrag geschlossen hat, nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Pachtvertrag vom 17. August 2000 enthält in § 3 die Regelung, dass der Pachtzins bei Abschluss dieses Vertrags 999.775,-- DM beträgt. Weiter ist dort geregelt, dass er sich ab dem 1.1.2001 um 1,5 % jährlich und ab dem 1.1.2003 um 2 % jährlich erhöht. Hierbei handelt es sich aber nach Auffassung des Senats nicht um eine Änderung, die die Anwendung der Übergangsvorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 DVO-NPflegeG ausschließt. Denn maßgeblich ist insoweit, dass die Aufwendungen für die Pacht mit dem Sozialhilfeträger vereinbart sind. Es kommt damit entscheidend auf die Höhe des Pachtzinses an. Die Höhe des Pachtzinses betrug nach dem "alten" Pachtvertrag 1.074.560,-- DM jährlich (§ 6 Nr. 1 des Pachtvertrages), wobei abweichend hiervon in § 6 Nr. 7 bestimmt ist, dass die Pachthöhe "nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen mit der Landeshauptstadt B. ab 1.1.1993 940.000,-- DM per anno für ein Jahr mit jährlicher Steigerung (beträgt)".Auch der "alte" Pachtvertrag sah danach eine regelmäßige Erhöhung des Pachtpreises vor, die dann in der Folgezeit auch erfolgt ist. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Berechnung der bewohnerbezogenen Aufwendungszuschüsse für die Einrichtung der Antragstellerin bis zum 31. August 2000 den bis dahin gegenüber der Verpächterin geschuldeten Pachtzins in Höhe von 985.000,-- DM in voller Höhe anerkannt. Vor diesem Hintergrund stellt die nunmehr nach erfolgter Pachtzinserhöhung geschuldete Summe in Höhe von 1.050.592,90 DM für das Jahr 2003 eine Änderung, die dazu führt, dass § 15 Abs. 1 Satz 2 DVO-NPflegeG nicht mehr anwendbar ist, nicht dar. Danach ist der gegenwärtig geschuldete Pachtzins von der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Soweit dem Anspruch der Antragstellerin der Höhe nach im Rahmen des § 13 Abs. 1 NPflegeG nicht in vollem Umfang Rechnung getragen werden kann, weil § 13 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass die Zuschüsse bei täglicher Abrechnung der Leistungen nach § 43 SGB XI 18,-- € je Tag, bei monatlicher Abrechnung 550,-- € je Monat, nicht übersteigen dürfen, wird die Antragsgegnerin die Aufwendungen der Antragstellerin für den Pachtzins im Rahmen der nach §§ 93 ff. BSHG zu treffenden Vereinbarungen zu berücksichtigen haben. Da - wie oben dargelegt - eine Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses keine öffentliche Förderung im Sinne von § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XI ist, findet hier § 93 Abs. 7 Satz 4 BSHG Anwendung. Danach ist der Träger der Sozialhilfe zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch nur verpflichtet, wenn hierüber entsprechende Vereinbarungen nach Abschnitt 7 getroffen worden sind.
Die Beschwerde der Antragstellerin bleibt dagegen erfolglos, soweit sie im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Berücksichtigung von Aufwendungen für Modernisierungsmaßnahmen begehrt. Zwar können solche Aufwendungen grundsätzlich berücksichtigt werden (vgl. §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 12, 13 Abs. 2 NPflegeG). Die Klärung der Frage, ob und in welcher Höhe die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten für die Vergangenheit berücksichtigt werden müssen, bedarf jedoch nach Auffassung des Senats einer Klärung im vorliegenden Verfahren nicht. Diese Frage kann vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Insoweit ist eine Vorwegnahme der Hauptsache (die Deckung eines Nachholbedarfs) nicht notwendig, um von der Antragstellerin wesentliche Nachteile im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO abzuwenden. Der Senat geht hierbei davon aus, dass die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Berücksichtigung des gegenwärtig gezahlten Pachtzinses bei der Berechnung des an die Antragstellerin zu zahlenden Betrages die von ihr (der Antragstellerin) angeführte finanzielle Unterdeckung jedenfalls so weit ausgleicht, dass eine akute Gefährdung ihrer Existenz nicht gegeben ist. Die Berücksichtigung von Aufwendungen für derzeit durchgeführte oder geplante Modernisierungsmaßnahmen ist nicht Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich entsprechenden Maßnahmen verschließt. Sie hat vielmehr ihre grundsätzliche Bereitschaft bekundet, Maßnahmen, die über bloße Instandhaltungsmaßnahmen hinaus gehen, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen.
Der Senat hält es für angemessen, die Antragsgegnerin zur Berücksichtigung des aus dem im "neuen" Pachtvertrag resultierenden Pachtzinses ab dem 1. Januar 2003 zu verpflichteten, um hierdurch der von der Antragstellerin vorgetragenen finanziellen monatlichen Unterdeckung hinreichend Rechnung zu tragen.
Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).