Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.02.2001, Az.: 2 L 437/99

Anerkenntnis; Beamter; Besoldung; Fürsorgepflicht; Fürsorgepflichtverletzung; Schaden; Schadensersatz; Schuldanerkenntnis; Zinsen; Zinsschaden

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.02.2001
Aktenzeichen
2 L 437/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40468
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.08.1998 - AZ: 7 A 7205/96

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zahlt eine Behörde einem Beamten nachträglich Besoldung als Schadensersatz, so liegt darin ein (deklaratorisches) Anerkenntnis eines Schadensersatzanspruches dem Grunde nach.

2. Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ersatz eines Darlehenszinsschadens wegen verspäteter Besoldungszahlung.

Tatbestand:

1

Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung durch verspätete Zahlung einer Amtszulage in Höhe von noch 11.646,53 DM geltend; in Höhe von weiteren 4.855,96 DM hat er seine Berufung zurückgenommen.

2

Der Kläger ist seit April 1981 Realschulrektor in V.. In der Zeit vom Amtsantritt bis zum Ende Januar 1995 erhielt er Bezüge der Besoldungsgruppe A 14 BBesO. Die von ihm begehrte Einweisung in eine höherwertige Planstelle (A 14 + Zulage) -- die mit der Zahlung einer entsprechenden Amtszulage verbunden gewesen wäre -- wurde ihm zunächst mit der Begründung versagt, dem stünde die Prognose über die Entwicklung der Schülerzahlen entgegen. Langfristig, nämlich spätestens ab dem Schuljahr 1986/87, werde nämlich die Schülerzahl unter den -- für die Übertragung einer höherwertigen Planstelle erforderlichen -- Schwellenwert von 181 absinken. Deshalb könne ihm keine höherwertige Planstelle übertragen werden.

3

Die hiergegen von dem Kläger erhobene Klage hatte im zweiten Rechtszug mit der Feststellung Erfolg, dass die Ablehnung der Beklagten, ihn 1981 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage einzuweisen, rechtswidrig gewesen ist (Urt. d. Sen. v. 27.7.1993 -- 2 L 140/89 --). Der Senat hatte in diesem Urteil zur Begründung u.a. ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Einreihung des Amtes eines Realschulrektors in die Besoldungsgruppe A 14 mit Amtszulage erfüllt habe. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, darauf hinzuwirken, dass eine entsprechende Planstelle weiterhin (der Amtsvorgänger des Klägers hatte eine solche Planstelle inne) vorgehalten bliebe. Dass die Beklagte schuldlos gehandelt habe, habe sie nicht nachgewiesen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf dieses Urteil verwiesen (vgl. Beiakte A).

4

Im Laufe des sich anschließenden Verwaltungsverfahrens legte der Landkreis G. Prognosen über die Entwicklung der Schülerzahlen an der Realschule V. bis zum Jahre 2000 vor. Danach sollte der für die Einreihung des Amtes als Realschulrektor in die Besoldungsgruppe A 14 + Z BBesO maßgebende Schwellenwert von mehr als 180 Schülern ab Schuljahresbeginn 1994/95, und zwar voraussichtlich auf Dauer, überschritten werden. Daraufhin wurde der Kläger mit Wirkung ab dem 1. Februar 1995 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 + Z eingewiesen.

5

Mit Schreiben vom 24. Oktober 1994 teilte die Beklagte unter Bezugnahme auf einen Erlass des Nds. Kultusministeriums dem jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers darüber hinaus Folgendes mit: "Ab dem 1.8.1988 bis zum Zeitpunkt der Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 + Z BBesO wird Ihrem Mandanten der Unterschiedsbetrag der Dienstbezüge nach Besoldungsgruppe A 14 BBesO und der Dienstbezüge nach Besoldungsgruppe A 14 + Z BBesO als Schadenersatz im Wege einer Gehaltsnachzahlung geleistet. Ein Schadenersatzanspruch wegen eventueller steuerlicher Nachteile sowie Verzugszinsen besteht nicht und wird abgelehnt."

6

Mit Wirkung vom 1. Februar 1995 erhielt der Kläger daraufhin eine Nachzahlung in Höhe von brutto 20.155,21 DM für den Zeitraum vom 1. August 1988 bis Ende Januar 1995; eine weitere Nachzahlung in Höhe von brutto 18.599,95 DM für den Zeitraum vom 1. April 1981 bis zum 31. Juli 1988 -- dem Zeitpunkt, ab dem die Schülerzahlen der Realschule V. vorübergehend unter den besoldungsrechtlich erheblichen Schwellenwert von 181 Schülern abgesunken war -- hatte der Kläger bereits zuvor auf der Grundlage eines Schreibens der Beklagten vom 19. Januar 1994 erhalten. Beide Nachzahlungen erfolgten unter Abzug von Einkommensteuer; von der Milderungsmöglichkeit des § 34 Einkommensteuergesetz (besonderer Steuersatz auf Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit) wurde dabei Gebrauch gemacht. Weitergehende Ersatzleistungen, insbesondere den Ausgleich von eventuellen steuerlichen Nachteilen und die Zahlung von Verzugszinsen, lehnte die Beklagte mehrfach mit Schreiben -- ohne Rechtsmittelbelehrung -- ab.

7

Damit war der Kläger nicht einverstanden. Er bezifferte den ihm seiner Ansicht nach noch zustehenden Anspruch mit Schreiben vom 15. März 1996 auf insgesamt 16.502,49 DM. Dieser Betrag setzte sich aus drei Positionen zusammen: Erstens einem Zinsschaden in Höhe von 11.074,13 DM. In dieser Höhe hätte er nach seinen Angaben Darlehenszinsen gespart, wenn er die Amtszulage zeitgerecht erhalten hätte. Bei fristgerechter Zahlung wäre zweitens der erst seit dem Jahre 1995 erhobene Solidaritätszuschlag in Höhe von 579,73 DM nicht angefallen. Drittens sei ihm ein weiterer Steuerschaden entstanden, weil er die Zulage nicht laufend, sondern in den zuvor genannten zwei Nachzahlungen erhalten habe; dadurch seien ihm weitere Steuernachteile für 1994 in Höhe von 2.362,-- DM und für 1995 in Höhe von 2.486,63 DM entstanden.

8

Nachdem die von dem Kläger gesetzte Frist für eine Stellungnahme abgelaufen war, hat er am 12. Juli 1996 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, ihm 16.502,49 DM nebst 4 % Prozesszinsen zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte hat den Anspruch dem Grunde nach bestritten und darüber hinaus insbesondere bestritten, dass der Kläger -- wie erforderlich -- den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch hinreichend konkret dargelegt habe.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Urteil vom 25. August 1998 mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte zwar fürsorgepflichtwidrig gehandelt habe, es aber an dem notwendigen Verschulden fehle. Ein Verschulden des betroffenen Amtswalters sei nämlich grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die streitige Maßnahme von einem Kollegialgericht gebilligt worden sei. Dies sei vorliegend der Fall. Die Kammer als Kollegialgericht habe nämlich in ihrem Urteil aus dem Jahre 1989 (vgl. Beiakte A) die Klage auf Einweisung in die höhere Planstelle abgewiesen, also die Entscheidung der Beklagten gebilligt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom Juli 1993.

14

Gegen dieses, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat er am 23. November 1998 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 29. Januar 1999 -- 2 L 5268/98 -- entsprochen. Die vorprozessual von der Beklagten an den Kläger geleisteten Zahlungen dürften als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen seien; danach könne sich die Beklagte nicht mehr auf ein fehlendes Verschulden berufen.

15

Der Kläger tritt dieser Ansicht bei und trägt ergänzend zu dem von ihm noch geltend gemachten Schadenspositionen, insbesondere dem Zinsschaden in Höhe von 11.074,13 DM vor. Bei fristgerechter Zahlung der Amtszulage hätte er -- wie er in der Anlage zum Schriftsatz vom 15. Januar 2001 (vgl. Bl. 186 d. GA) noch einmal ausführt -- jeweils zum Jahresanfang des folgenden Jahres Darlehensschulden für die Finanzierung seines Wohnhauses getilgt, wobei der durchschnittliche jährliche Zinssatz 7 % betragen hätte. Bei seiner Berechnung sei er bereits von den Nettobeträgen ausgegangen. Für die vorzeitige Darlehenstilgungen wären keine Vorfälligkeitsentschädigungen zu zahlen gewesen. Ebenso wenig hätte er die Darlehenzinsen für das selbstgenutzte Wohnhaus steuermindernd geltend machen können. Die maßgebenden Darlehen habe er allein getilgt.

16

Auf der Grundlage einer Alternativberechnung (vgl. Anlage zum Schriftsatz v. 15.1.2001, Bl. 217 d. GA) ist der Kläger hingegen zu der Überzeugung gekommen, dass ihm durch die Nachzahlung der Amtszulage in zwei Beträgen in den Jahren 1994 und 1995 doch kein steuerlicher Nachteil entstanden sei; der Einkommensteuertarif sei nämlich ab 1990 gesenkt worden. In der Höhe von insgesamt 4.848,63 DM hat der Kläger deshalb seine Berufung zurückgenommen (vgl. Bl. 153 d. GA).

17

Auf der Grundlage einer Mitteilung des NLBV vom 30. September 1999 (Bl. 166 d. GA), wonach anteilig auf den Januar 1995 ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 7,33 DM entfällt, hat der Kläger schließlich seine insoweit geltend gemachte Forderung um diese 7,33 DM von 579,73 DM auf 572,40 DM reduziert (vgl. Bl. 167 d. GA).

18

Er beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, noch 11.646,53 DM nebst 4 % Prozesszinsen zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie hält weiterhin an ihrer Ansicht fest, dass sich weder aus ihren Schreiben vom 19. Januar und 24. Oktober 1994 noch aus den Nachzahlungen ein Schuldanerkenntnis entnehmen lasse. Im Übrigen habe der Kläger nach wie vor den Schaden nicht hinreichend substantiiert. Es sei schon unklar, in welchem Umfang neben ihm auch seine Ehefrau zur Tilgung der streitigen Darlehen hätte beitragen müssen. Im Übrigen gebe es keine Vermutung dahingehend, dass der Kläger die Amtszulage (insgesamt) zur Tilgung von Darlehen verwendet hätte.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der Beiakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Das Berufungsverfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger -- in Höhe von 4.855,96 DM -- die Berufung zurückgenommen hat.

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2. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der noch geltend gemachten 11.646, 53 DM (2.1) nebst 4 % Zinsen (2.2.) hierauf, ist die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch in dieser Höhe zu:

26

2.1 Voraussetzung für den zutreffend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruch des Klägers wegen einer Fürsorgepflichtverletzung ist grundsätzlich, dass die Beklagte eine entsprechende Verpflichtung ihm gegenüber verletzt hat, dass dies schuldhaft geschah, die geltend gemachten Schäden kausal (und zurechenbar) auf diese Verletzung zurückzuführen sind und dem Kläger kein überwiegendes Mitverschulden trifft (vgl. z.B. Urt. d. BVerwG v. 17.10.1985 -- 2 C 12.82 --, NVwZ 1986, 481 ff.; Urt. d. Sen. v. 28.11.2000 -- 2 L 4819/97 --, S. 10 d. UA).

27

a) Ob diese Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung gegeben sind, braucht allerdings dann nicht geklärt zu werden, wenn die Beklagte einen solchen Anspruch dem Grunde nach bereits anerkannt hat. Dass eine Behörde grundsätzlich auch den Anspruch eines Bürgers anerkennen kann, ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, wird aber in den §§ 87 a Abs. 1 Nr. 2 und 156 VwGO vorausgesetzt (vgl. Gerichtsbescheid d. BVerwG v. 7.1.1997 -- 4 A 20.95 --, NVwZ 1997, 576).

28

Die Schreiben der Beklagten vom 19. Januar 1994 und vom 24. Oktober 1994 sowie die darauf beruhenden Nachzahlungen der Amtszulage sind als ein solches Anerkenntnis eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach anzusehen. Zwar findet sich in diesen Schreiben jeweils nicht ausdrücklich der Satz, dass "ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach anerkannt wird". Dies war auch nicht erforderlich; ein solches Anerkenntnis kann vielmehr auch konkludent erfolgen. Ein solches konkludentes Anerkenntnis ergibt sich jedoch eindeutig aus dem Inhalt der o.a. Schreiben und den darauf beruhenden Nachzahlungen (vgl. auch Marburger, in: Staudinger, BGB-Kommentar, 12. Auflage, § 781, Rdn. 45 m.w.N., wonach jede behördliche Festsetzung einer Entschädigung auch ein Anerkenntnis dem Grunde nach enthält).

29

Die Beklagte hat nämlich mit diesen Schreiben dem Kläger vom Zeitpunkt seiner Einweisung in die Planstelle A 14 (ohne Amtszulage) an, also ab dem 1. April 1981, nachträglich diese Amtszulage gezahlt, obwohl er tatsächlich im gesamten streitigen Zeitraum vom 1. April 1981 bis zum Monatsende Januar 1995 nicht in eine entsprechende Planstelle eingewiesen worden war. Da er keine entsprechende Planstelle hatte und ihm rückwirkend auch eine solche nicht übertragen werden durfte, stand der Nachzahlung der Besoldungsdifferenz grundsätzlich das gesetzliche Verbot in § 2 Abs. 2 BBesG entgegen. Danach dürfen über die im Bundesbesoldungsgesetz geregelte Besoldung, die insoweit gerade eine Einweisung in die Planstelle voraussetzt, keine weitergehenden Zahlungen geleistet werden; ein Ermessen, Zahlungen aus "Kulanz" -- wie von der Beklagten nunmehr vorgetragen wird -- zu leisten, bestand demnach nicht. Eine solche Zahlung war vielmehr nur aus einem anderen Rechtsgrund zulässig. Als solcher Rechtsgrund kommt aber allein ein Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung in Betracht. Gerade einen solchen wollte die Beklagte aber mit ihren Zahlungen erfüllen und damit dem Grunde nach anerkennen. Dieser Vorgehensweise hatte zuvor das Nds. Kultusministerium ausdrücklich durch die Erlasse vom 14. Januar und 12. Oktober 1994 zugestimmt; danach war ein Schadenersatzanspruch -- wenn auch in der Höhe begrenzt -- "anzuerkennen". Dementsprechend hat die Beklagte die Zahlungen auch jeweils ausdrücklich als Schadensersatz ausgewiesen.

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Dass sie weitergehende Zahlungen, insbesondere die Erstattung des geltend gemachten Steuerschadens und eine Verzinsung der nachgezahlten Zulage jeweils ausdrücklich abgelehnt hat, steht der Annahme eines Anerkenntnisses nicht entgegen. Ein Anerkenntnis kann sich nämlich auch auf einen Grund der Forderung beschränken. In diesem Fall erkennt die Behörde an, dass sie grundsätzlich die dem Bürger entstandenen Schäden zu ersetzen hat, bestreitet diesen Anspruch aber der Höhe nach, d.h. stellt in Frage, ob alle von dem Bürger geltend gemachten Schäden tatsächlich oder sächlich auf eine Fürsorgepflichtverletzung zurückzuführen und deshalb erstattungsfähig sind. So liegt es hier. Die Beklagte hat mit ihren Schreiben lediglich noch die Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Schadens bestritten -- wie u.a. durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 3 Abs. 6 BBesG in dem Schreiben vom 19. Januar 1994 zum Ausdruck kommt --, aber keine Einwendungen gegen die Berechtigung des Anspruchs dem Grunde nach mehr geltend gemacht; daher kann sie sich nunmehr nicht mehr auf ein fehlendes Verschulden oder eine (teilweise) Verjährung des Anspruchs (vgl. dazu Urteile des Nds. OVG v. 30.4.1996 -- 5 L 7421/94 -- NdsRpfl. 1996, 243 und v. 22.10.1996 -- 2 L 4536/94 --) berufen.

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b) Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch in der noch streitigen Höhe von 11.646,53 DM nebst 4 % Prozesszinsen zu; einen Schaden in dieser Höhe hat er hinreichend konkret dargelegt und nachgewiesen.

32

§ 3 Abs. 6 BBesG schließt ausdrücklich einen Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 BGB wegen verspäteter Zahlung von Besoldung -- hierzu zählt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BBesG die Amtszulage -- aus. Die Vorschrift ist zwar nicht so zu verstehen, dass damit jeglicher Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Zahlung von Besoldung ausgeschlossen ist. Ihr ist jedoch zu entnehmen, dass an die Darlegung eines entsprechenden Schadens erhöhte Anforderungen zu stellen sind und eine allgemeine Pauschalierung, etwa die Geltendmachung von 4 % Zinsen pro Jahr, unzulässig ist und dies auch -- wie hier -- für einen Schadenersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung durch verspätete Zahlung von Besoldung gilt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies zutreffend wie folgt begründet:

33

"Eine Klage auf Schadensersatz wegen einer auf Fürsorgepflichtverletzung beruhenden verspäteten Zahlung von Dienstbezügen kann nur Erfolg haben, wenn mit ihr der Ersatz eines konkreten Schadens verlangt wird. § 288 Abs. 1 BGB ist hier nicht entsprechend anwendbar. Diese Vorschrift weicht von den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts ab und erläßt dem Gläubiger einer Geldschuld -- aber auch nur diesem -- den Nachweis der Entstehung und der Höhe des Schadens sowie von dessen Verursachung durch die rechtswidrige verspätete Zahlung und fingiert einen Mindestschaden, weil allgemein angenommen werden kann, daß die Geldschuld bei rechtzeitiger Zahlung zu einem Zinssatz von 4 v.H. hätte angelegt werden können. Diese Fiktion kann bei der Geltendmachung eines Schadensersatzes wegen Verletzung der Fürsorgepflicht schon deswegen nicht entsprechend gelten, weil die der Alimentierung dienenden Dienst- und Versorgungsbezüge im allgemeinen nicht verzinslich angelegt, sondern verbraucht werden, so daß nicht einmal ein prima-facie-Beweis für einen regelmäßig eintretenden Zinsverlust in Betracht kommen könnte, geschweige denn eine gesetzliche Fiktion eines solchen Schadens" (BVerwGE 24, 186/192 f.; vgl. ebenso BVerwGE 103, 111, 115 sowie Schinkel/Seifert in Fürst (Hrsg.), GKÖD, III K § 3 Rdn. 34 mwN).

34

aa) Dem Kläger ist durch die verspätete Zahlung der Amtszulage im Jahr 1995 ein Schaden in Höhe von 572,40 DM entstanden. In dieser Höhe ist nämlich auf die Nachzahlung im Jahr 1995 ein Solidaritätszuschlag erhoben worden. Bei fristgerechter Zahlung der Zulage bis zum Jahresende 1994 wäre ein entsprechender Zuschlag nicht angefallen, da der Solidaritätszuschlag nach Art. 31 des Gesetzes vom 23. Juni 1993 -- Solidaritätszuschlaggesetz 1995 -- (BGBl. I S. 944, 975) erst für den Veranlagungszeitraum ab 1995 erhoben wird.

35

bb) Außerdem ist dem Kläger ein erstattungsfähiger Zinsschaden in Höhe von weiteren 11.074,13 DM entstanden.

36

Aus den o.a. Ausführungen folgt, dass der Beamte einen geltend gemachten Schaden, der durch die Zahlung von Darlehenszinsen eingetreten sein soll, nicht pauschal gelten machen kann, sondern konkretisieren muss (vgl. auch Urteil des VGH München v. 26.1.1994 -- 3 B 93.1983 -- NVwZ-RR 1995, 288 f.), und zwar nach Ansicht des Senats wie folgt:

37

Zunächst ist darzulegen, welche Schulden er im Streitzeitraum überhaupt hatte und welcher Zinssatz insoweit jeweils zu zahlen war (s. dazu (1)). In einem zweiten Schritt ist anzugeben, wann und in welcher Höhe der Beamte die verspätet erhaltene Besoldung zur Tilgung dieser Schulden eingesetzt und welche Zinsen er sich dadurch erspart hätte (2a); gegenzurechnen sind dabei etwaige zusätzliche Belastungen bei vorzeitiger Darlehenstilgung wie eine Vorfälligkeitsentschädigung oder eine erhöhte Steuerlast (2b). Schließlich hat der Beamte drittens Indizien dafür vorzutragen, dass er tatsächlich zu dem von ihm genannten Zeitpunkt und in der von ihm angeführten Höhe die zusätzliche Besoldung zur Darlehenstilgung verwandt hätte. Da er das Geld tatsächlich nicht hatte, kann er einen unmittelbaren Beweis zwar nicht führen; die Angabe von Indizien kann und muss aber von ihm verlangt werden. Andernfalls würde man -- entgegen den vorherigen Ausführungen -- letztlich doch von einer durch § 3 Abs. 6 BBesG ausgeschlossenen Fiktion zu Gunsten des Beamten ausgehen (3). Diesen Anforderungen hat der Kläger mit seiner, in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläuterten Berechnung (vgl. Anlage zur Klageschrift und zum Schriftsatz vom 15. Januar 2001) entsprochen. Es ist auch nachgewiesen, dass der Vortrag des Klägers zu den vorstehend genannten Punkten zutreffend ist.

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(1) Wie in der Berechnung ausgewiesen, hatte er im berücksichtigen Zeitraum vom Jahresbeginn 1982 bis zum Ende des Monats Januar 1995 durchgängig Darlehen mit einem durchschnittlichen Zinssatz von (mindestens) 7 % zu tilgen.

39

Bis Ende Februar 1991 bestanden gegenüber der Sparkasse des Landkreises G. in S. Darlehenverpflichtungen mit einem Mindestzinssatz von 7,25 %, und zwar belegt durch den im Jahr 1985 getilgten Darlehensvertrag mit der Endziffer "241" im Jahre 1985 (vgl. Bl. 158 d. GA), den im Jahre 1989 getilgten Darlehensvertrag mit der Endziffer "571" (vgl. Bl. 160 d. GA) und schließlich den Ende Februar 1991 getilgten Darlehensvertrag mit der Endziffer "557" (vgl. Bl. 162 f. d. GA).

40

Daneben hatte der Kläger über das Jahr 1995 hinaus laufende Bauspardarlehen (Vertrag mit der Nummer 730726 G) beim BHW mit einem Zinssatz von 5,79 % aufgenommen (vgl. Bl. 164 GA).

41

Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung näher erläutert hat, ergab sich bei Zusammenfassung der o.a. Darlehen der in seine Berechnung eingeflossene Durchschnittszinssatz von 7%. Dass der variable Darlehenssatz gegenüber der Sparkasse in der Hochzinsphase z.T. erheblich höher lag, ist dabei noch unberücksichtigt geblieben.

42

Schließlich hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch dargelegt und nachgewiesen, dass er im Innenverhältnis zu seiner Ehefrau die o.a. Darlehen allein zu tilgen hatte; seine Ehefrau hatte eigene Bausparverträge abgeschlossen.

43

(2 a) Aus der Berechnung des Klägers ergibt sich weiterhin, dass er mit den Mitteln, die ihm bei laufender Zahlung der Amtszulage nach Abzug des -- nach den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden -- durchschnittlich 26,7 % betragenden Einkommensteuersatzes zusätzlich zur Verfügung gestanden hätten, bei jährlich zum Jahresende erfolgender Tilgung der o.a., mit 7 % verzinsten Darlehen insgesamt 11.074,13 DM Zinsen eingespart hätte.

44

(2 b) Wie sich aus den vorgelegten Bescheinigungen der Sparkasse vom 30.8.1999 (vgl. Bl. 163 GA) ergibt, konnte er diese Darlehen ohne Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorzeitig tilgen. Gleiches gilt auf Grund der allgemeinen Bausparbedingungen für die vorzeitige Tilgung des beim BHW in Anspruch genommenen Bauspardarlehens.

45

Eine höhere Einkommensteuer hätte der Kläger bei vorzeitiger Darlehenstilgung nicht zahlen müssen. Die hier berücksichtigten Darlehen dienten nämlich der Finanzierung des selbst genutzten Wohnhauses und haben sich deshalb (wegen des bereits ausgeschöpften Abzugshöchstbetrages) nicht mehr steuermindernd ausgewirkt. Dies wird durch die Bescheinigung des Finanzamtes G. vom 22. März 1999 (Bl. 132 GA) belegt.

46

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den -- in den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden jeweils ausgewiesenen -- "Verlusten aus Vermietung und Verpachtung". Dem lagen zwar steuermindernd berücksichtigte Darlehen zu Grunde. Es handelte sich aber nicht um die hier streitigen Verträge, sondern um zusätzliche Darlehen, die der Kläger zur Finanzierung einer fremdgenutzten Eigentumswohnung aufgenommen hatte.

47

(3) Schließlich hat der Kläger auch den Indizienbeweis geführt, dass er die Amtszulage -- wie in seiner o.a. Berechnung zu Grunde gelegt -- bei monatlicher Zahlung jeweils zum Jahresende gesammelt zur Sondertilgung der zur Eigenheimfinanzierung aufgenommenen Darlehen verwandt hätte.

48

Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger die Amtszulage zur Sicherstellung des laufenden Lebensbedarfs benötigte. Denn immerhin erhielt er Bezüge nach A 14 BBesO. Außerdem war auch seine Ehefrau berufstätig. Wenn der Kläger seine Dienstbezüge zur Sicherstellung des Lebensbedarfs benötigt hätte, hätte er im übrigen wohl auch keine (weitere) Eigentumswohnung kaufen und finanzieren können.

49

Dass der Kläger die Amtszulage nicht für den laufenden Lebensbedarf benötigte, besagt allerdings noch nicht zwingend, dass er damit auch tatsächlich die hier maßgebenden Darlehen getilgt hätte. Dies folgt für den Senat aber aus den vom Kläger belegten erheblichen Sondertilgungen (vgl. dazu die Anlagen zu den Schriftsätzen vom 10. September 1999 und vom 23. Januar 2001, vorgelegt in der mündlichen Verhandlung). Wenn er schon aus seinen laufend gezahlten Bezügen in erheblichem Umfang Sonderzahlungen auf die Darlehen geleistet hat, so spricht dies nämlich dafür, dass er die Amtszulage zum gleichen Zweck verwandt hätte. Da der Kläger das Darlehen zur Finanzierung der fremdgenutzten Eigentumswohnung einkommensteuermindernd geltend machen konnte, hätte es sich für ihn auch nicht gelohnt, mit der Amtszulage dieses Darlehen vorzeitig zu tilgen und nicht die hier maßgeblichen Darlehen (mit einem Zinssatz von durchschnittlich 7 %) zur Finanzierung des selbstgenutzten Wohnhauses. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Amtszulage anderweitig als zur Schuldentilgung, etwa zur Finanzierung eines teuren Hobbies oder aufwendiger Reisen, verwandt hätte, liegen nicht vor. Die verbleibende Unsicherheit, ob der Kläger die Amtszulage gerade jeweils zum Jahresende gesammelt und in vollem Umfang zur Darlehenstilgung verwandt hätte, ist im Rahmen der hier nur möglichen hypothetischen Betrachtungsweise hinzunehmen, zumal sich bei Einbeziehung der z.T. deutlich höheren Darlehenszinsen als der maximal berücksichtigten 7,5 % und bei Annahme z.B. einer jeweils halbjährlichen oder gar monatlichen Sondertilgung ein noch höherer Schadensbetrag ergeben hätte.

50

2.2 Hinzuzurechnen sind 4 % Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 BGB in entsprechender Anwendung ab Rechtshängigkeit. Da der Kläger eine Leistungsklage auf einen bezifferten Betrag erhoben hat, besteht ein solcher Anspruch auf Prozesszinsen auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; der Ausschluss von Verzugszinsen nach § 3 Abs. 6 BBesG bezieht sich nicht auf Prozesszinsen (vgl. Urteil des BVerwG v. 28.5.1998 -- 2 C 28/97 -- DVBl 1998, 1082 f.).

51

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

52

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG i.V.m. § 193 NBG sind nicht gegeben.