Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.02.2001, Az.: 12 L 3001/00

Erstattung; Jugendhilfeträger; Kosten; Kostenerstattung; Träger der Jugendhilfe; Wechsel; Zuständigkeitswechsel; örtliche Zuständigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.02.2001
Aktenzeichen
12 L 3001/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40471
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 14.11.2002 - AZ: BVerwG 5 C 57/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der nunmehr zuständige örtliche Träger der Jugendhilfe setzt nach einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit die Leistung erst dann fort, wenn er nicht nur Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege vorhält, sondern wenn er dem Personensorgeberechtigten ein bestimmtes konkretes Angebot zur Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege aufzeigt.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Jugendhilfeaufwendungen für einen Zeitraum von zehn Monaten, in dem die Familie ..., wohnte.

2

Der ... 1987 geborene ... und der ... 1990 geborene ... leben im Haushalt ihrer allein sorgeberechtigten Mutter (im folgenden Frau T.). Die Kinder wurden ganztags in einem Kindertagesheim im Bereich der Klägerin betreut. Die Klägerin als Trägerin der Jugendhilfe betreute die Kinder seit dem 29. Juli 1991. Die Kinder waren fortlaufend in der Tageseinrichtung der Klägerin untergebracht.

3

Während einer Umschulung von Frau T. zur beruflichen Rehabilitation, die das Arbeitsamt Hamburg für den Zeitraum vom 01. Februar 1995 bis zum 14. Mai 1996 bewilligt hatte, zog Frau T. mit ihren Kindern am 01. Juli 1995 in den Landkreis ..., von wo aus sie am 01. Mai 1996 sich wieder nach Hamburg zurückbegab. Die Kinder wurden durchgehend im Kindertagesheim ... betreut. Träger der Tageseinrichtung ... ist die Klägerin. Mit Bewilligungsbescheid vom 25. April 1995 teilte die Klägerin Frau T. anläßlich deren bevorstehenden Umzuges in den Landkreis ... mit, dass ihre, die Zuständigkeit der Klägerin, dann ende.

4

Am 30. Juni 1995 setzte sich Frau T. telefonisch mit dem Beklagten in Verbindung und teilte mit, dass die Samtgemeinde ..., deren Mitgliedsgemeinde ... ist, ihr keine Ganztagesplätze für ihre Kinder vermitteln könne. Einer in dem Telefonat vereinbarten Vorsprache beim Beklagten, um die Unterbringung der Kinder zu regeln, kam Frau T. nicht nach.

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Mit Schreiben vom 4. Juli 1995 teilte die Klägerin Frau T. mit, dass sie ihr die beiden Kindertagesheimplätze bis zum 31. August 1995 weiter bewilligt habe, um ihr aufgrund ihrer besonderen Situation eine Übergangsfrist für die Suche nach Betreuungsplätzen im Landkreis ..., dem neuen Zuständigkeitsbereich, zu ermöglichen. Gleichzeitig wies die Klägerin darauf hin, dass sie die Kosten für die Unterbringung ab dem 01. Juli 1995 nicht mehr übernehme. Sie habe Frau T. am 30. Juni 1995 gebeten, einen Antrag auf Kostenübernahme beim zuständigen Kreisjugendamt zu stellen. Ebenfalls mit Schreiben vom 04. Juli 1995, gerichtet an die Samtgemeinde ..., forderte die Klägerin den Beklagten auf, die Betreuung beider Kinder in einer Tagesheimeinrichtung zu übernehmen. Gleichzeitig beantragte die Klägerin Kostenerstattung nach § 89 c Sozialgesetzbuch Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) ab dem Zeitpunkt der Zuständigkeit des Beklagten bis zur Übernahme des Hilfefalles durch den Beklagten. Dieses Schreiben wurde an den Beklagten weitergeleitet. Von beiden Schreiben erhielt der Beklagte außerdem eine Durchschrift.

6

Am 31. August 1995 nahm die Klägerin telefonisch Kontakt mit dem Beklagten auf, um den aktuellen Sachstand zu erfragen. Der Beklagte teilte mit, dass derzeit die Zuständigkeiten zwischen den Gemeinden und dem Kreis innerhalb seines Bereiches geklärt würden.

7

Im Oktober sowie im Dezember 1995 teilte Frau T. einer Bediensteten der Klägerin jeweils mit, dass sie bisher keine geeignete Betreuung für ihre Kinder im Landkreis ... gefunden habe.

8

Mit Bescheid vom 14. Dezember 1995 bewilligte die Klägerin die weitere Unterbringung der Kinder in der Tageseinrichtung ... in H bis zum 14. Mai 1996, dem Tag der Beendigung der Umschulungsmaßnahme der Frau T., und setzte einen Teilnahmebeitrag in Höhe von 60 DM für jedes Kind fest.

9

Mit Schreiben vom 29. Dezember 1995 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die Hilfe in einer seiner Einrichtungen fortzusetzen. Dabei wies sie auf die Umschulung der Frau T. und den damit einhergehenden Betreuungsbedarf der Kinder hin. Ausnahmsweise sei die Klägerin bereit, die Hilfe bis längstens 14. Mai 1996 fortzusetzen, der Kostenerstattungsanspruch nach § 89 c SGB VIII werde aufrecht erhalten. Sie bat nachdrücklich, nunmehr unverzüglich tätig zu werden und auch die Kostenerstattungspflicht anzuerkennen.

10

Mit Schreiben vom 29. Februar 1996 teilte der Beklagte Frau T. mit, dass er sich außerstande sehe, Kosten an die Klägerin zu erstatten, da in seinem Bereich Möglichkeiten zur Betreuung der Kinder vorgehalten würden. Er forderte Frau T. auf, die Zuweisung von Kindergartenplätzen in seinem Bereich zum nächstmöglichen Termin zu beantragen.

11

Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29. Januar 1997 gegenüber der Klägerin eine Erstattung der Kosten für den Tagesheimbesuch der Kinder ab und führte aus: Er sei vom Tag des Zuzugs an der örtlich zuständige Jugendhilfeträger gewesen und sei auch jederzeit bereit gewesen, den Fall in seine Zuständigkeit zu übernehmen. Frau T. habe sich jedoch lediglich telefonisch gemeldet, sei dann aber nicht mehr auf von ihm vorgeschlagene Lösungen zurückgekommen. Es bestehe keine Möglichkeit, die Eltern zu veranlassen, ihr Kind in eine Tagesheimeinrichtung in seinem Bereich zu geben, es würden jedoch genügend Kindergarten- und Tagespflegeplätze vorgehalten. Die Leistungsberechtigten hätten zwar ein Wunsch- und Wahlrecht, was jedoch nicht dazu führen könne, dass er verpflichtet sei, im Rahmen der Kostenerstattung das Leistungsangebot anderer Jugendhilfeträger mit zu finanzieren. Der Jugendhilfeträger sei generell verpflichtet, Kindergartenplätze für seinen Bereich anzubieten. Die zugrundeliegenden Bestimmungen der §§ 2, 22 und 24 SGB VIII würden jedoch lediglich Rahmenvorschriften darstellen, die keinen Individualanspruch auslösten, so dass es sich bei diesen grundsätzlichen Angeboten nicht um erstattungsfähige Kosten im Rahmen des § 89 c SGB VIII handeln könne. Die Leistung im Einzelfall ergebe sich aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII. Frau T. habe bei dem Beklagten nicht die Übernahme der Beiträge beantragt. Es sei Frau T. zuzumuten gewesen, ihre Kinder in eine Einrichtung im Bereich des Beklagten zu geben, so dass keine Notwendigkeit für die Klägerin bestanden habe, die Hilfegewährung trotz Unzuständigkeit fortzusetzen.

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Ihre am 11. Juli 1997 beim Verwaltungsgericht Lüneburg eingegangene Klage auf Zahlung der in der Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. April 1996 entstandenen Jugendhilfekosten für die Betreuung beider Kinder hat die Klägerin wie folgt begründet: Die Leistung des Jugendhilfeträgers nach § 22 SGB VIII umfasse die Betreuung, Bildung und Erziehung eines Kindes. Für die Erbringung der Leistung würden Teilnahmebeiträge oder Gebühren festgesetzt, so dass die mögliche Übernahme von Kosten eine Annexleistung zur primären Förderung nach § 22 SGB VIII darstelle. Die Zuständigkeit auch für diese Leistung richte sich nach den allgemeinen Regelungen des SGB VIII, so dass bei einem Zuständigkeitswechsel § 86 c SGB VIII maßgeblich sei. Ziel der Regelung des § 86 c SGB VIII sei die Sicherung der Hilfekontinuität, d.h. die Nahtlosigkeit der Hilfegewährung sicherzustellen. Der Beklagte habe ihr zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass er die Hilfe übernehme. Hätte der Beklagte sie informiert, dass er die Hilfe weitergewähre, wäre die Leistung von ihr sofort beendet worden. Selbst wenn Frau T. keinen der vorgehaltenen Kindertagesheimplätze im Bereich des Beklagten habe in Anspruch nehmen wollen, hätte dieser eine Entscheidung über die Fortführung einer Hilfe nach Zuständigkeitswechsel treffen und sie informieren müssen. In Kenntnis der Tatsache, dass sie, die Klägerin, nicht mehr zuständig und zur fortgesetzten Leistung nicht mehr verpflichtet wäre, wenn die Tagesheimplätze Frau T. tatsächlich nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten, hätte diese auf Angebote des Beklagten eingehen müssen. Der Beklagte habe die Kosten gemäß § 89 c SGB VIII zu erstatten. Es sei kein Grund erkennbar, die Leistungen nach § 22 SGB VIII von der Kostenerstattung auszuschließen.

13

Mit Urteil vom 29. Mai 2000 hat das Verwaltungsgericht Lüneburg die Klage abgewiesen und in den Gründen im wesentlichen ausgeführt: Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Die Voraussetzungen des § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII seien nicht erfüllt, weil die Klägerin nicht als örtlicher Träger der Jugendhilfe im Rahmen einer Zuständigkeit nach § 86 c SGB VIII in Bezug auf die Kinder tätig geworden sei, als diese mit ihrer Mutter im Bereich des Beklagten gewohnt hätten. Zwar habe in Folge des Umzuges der gewöhnliche Aufenthalt der Familie gewechselt, so dass der Beklagte für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VIII zuständig gewesen sei, dieser sei der ihm obliegenden Leistungsverpflichtung jedoch nachgekommen. Die Betreuung, die ... währenddessen im Bereich der Klägerin erhalten hätten, sei keine Leistung, die der Beklagte im Sinne von § 86 c SGB VIII hätte fortsetzen können. Denn die Leistungsverpflichtung des örtlichen Jugendhilfeträgers durch die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen bestehe darin, insoweit Angebote vorzuhalten. Derartige Angebote hätten im Bereich des Beklagten aber ganz offensichtlich bestanden. In § 22 SGB VIII sei demgemäß auch nicht die Gewährung einer individuellen Hilfeleistung geregelt. Dort seien vielmehr nur die erzieherischen Grundsätze festgelegt. Auch aus § 24 SGB VIII ergebe sich kein Individualanspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung für eine ganztägige Betreuung. § 24 Abs. 1 SGB VIII regele nur den generellen Anspruch eines Kindes auf den Besuch eines Kindergartens, ohne dass dieser Anspruch im einzelnen konkretisiert worden sei. Insoweit bestehe nur eine "Hinwirkungspflicht" des Trägers der Jugendhilfe. Sichere dieser dem Kind einen Platz in einem Tagesheim, das gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 (gemeint ist wohl § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3) SGB VIII als Angebot vorhanden sei, so sei dies keine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch, für die die Zuständigkeits- und Erstattungsregelungen der §§ 86, 86c, 89c, 89f SGB VIII gälten.

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Soweit Kindertagesstätten von Eltern in Anspruch genommen würden, greife in Bezug auf die von dem Kind oder den Eltern grundsätzlich zu erbringenden Aufwendungen § 90 SGB VIII ein. Eine individuelle Leistung der Jugendhilfe sei nur in Bezug auf den in § 90 Abs. 3 SGB VIII geregelten (Teil-) Erlass oder die Übernahme einer für die Betreuung zu entrichtenden Gebühr oder eines Teilnahmebeitrages denkbar. Auf die Übernahme der Zahlung habe Frau T. bei dem Beklagten keinen Antrag gestellt. Diese Teilnahmeentgelte seien nicht gleichzusetzen mit dem von der Klägerin geltend gemachten Pflegesatz für die Förderung der Einrichtung. Dafür bestehe keine gesetzliche Grundlage.

15

Gegen das ihr am 19. Juni 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 17. Juli 2000 eingegangenem Schriftsatz die Zulassung der Berufung beantragt. Mit der durch Senatsbeschluss vom 15. August 2000 -- 12 L 2606/00 zugelassenen Berufung vertieft die Klägerin ihren bisherigen Vortrag.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg --4 A 106/97-- vom 29.05.2000 zu verurteilen, der Klägerin die in der Zeit vom 1.7.1995 bis 30.04.1996 für die Betreuung von ... im Kindertagesheim ... in ... entstandenen Jugendhilfekosten in Höhe von DM 19.608,40 zu erstatten.

18

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

20

Er verteidigt die Auffassung des Verwaltungsgerichts und macht geltend: Der Jugendhilfeträger sei verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagesplätzen zur Verfügung stehe, § 24 Satz 3 SGB VIII. Mehr als diese Verpflichtung sei nicht geregelt, so dass § 86 Abs. 1 Satz 1 und § 86 c SGB VIII sich auch nur auf diese Verpflichtung beziehen könnten. Es dürfe nicht übersehen werden, dass es in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB VIII "Angebot" heiße, während in Nr. 4 bis 6 von "Hilfen" die Rede sei. Auch daraus ergebe sich, dass der Beklagte seine Leistungsverpflichtung durch die Vorhaltung der erforderlichen Angebote erfüllt habe.

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Die Zuständigkeit des bisherigen örtlichen Trägers habe allenfalls dann fortdauern können, wenn der Beklagte nicht bereit gewesen wäre, eine der bisherigen Leistung entsprechende Leistung zu erbringen. Er sei bereit gewesen eine Unterbringung in einem Halbtagskindergarten mit zusätzlicher Tagespflege zu gewährleisten. Damit habe er Frau T. eine gleichwertige Leistung angeboten, diese habe das Angebot nicht einmal geprüft.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der ihr durch die Betreuung der Kinder ... im Kindertagesheim ... entstandenen Jugendhilfekosten gemäß § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Danach sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen seiner Verpflichtungen nach § 86 c aufgebracht hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist.

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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klägerin nach dem Umzug der Familie T. als örtlicher Träger der Jugendhilfe gemäß § 86 c SGB VIII leistungsverpflichtet geblieben. Denn der Beklagte ist der ihm obliegenden Leistungsverpflichtung als örtlich zuständiger Träger der Jugendhilfe in Kenntnis seiner Zuständigkeit nicht nachgekommen. Nach § 86 c SGB VIII bleibt bei einem Zuständigkeitswechsel der bisher zuständige örtliche Träger solange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige Träger die Leistung fortsetzt.

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Vor dem Zuständigkeitswechsel hat die Klägerin die Leistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit den §§ 24 und 22 SGB VIII erbracht. Die Kinder wurden in der Tageseinrichtung Horner Weg in Hamburg betreut. Mit dem Umzug der Frau T. am 01. Juli 1995 begründete die Familie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Beklagten. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Beklagte ab diesem Zeitpunkt für die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zuständig geworden sei. Der Senat teilt jedoch nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, wonach die Betreuung, die die Kinder im Bereich der Klägerin erhalten hätten, keine Leistung gewesen sei, die der Beklagte im Sinne von § 86 c SGB VIII hätte fortsetzen können, und er vielmehr der ihm obliegenden Leistungsverpflichtung bereits dadurch nachgekommen sei, dass er in Bezug auf die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen Angebote tatsächlich vorgehalten habe.

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Der Leistungsbegriff des Sozialgesetzbuches Achtes Buch ist einheitlich zu verstehen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber den Begriff der Leistung in den allgemeinen Vorschriften des SGB VIII anders verstehen wollte als im Abschnitt des Gesetzes über die örtliche Zuständigkeit des Hilfeträgers (VGH Baden --Württemberg, Urteil vom 15. September 1997 --9 S 174/96--, FEVS, 48, 131 (133f.)). Die Vorschrift § 86 SGB VIII stellt die Grundnorm für die örtliche Zuständigkeit für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) dar und gilt jedenfalls für den hier im Streit stehenden Leistungsbereich der Jugendhilfe. Zu diesem Ergebnis führt die systematische Auslegung der in diesem Zusammenhang relevanten Normen des Sozialgesetzbuches Achtes Buch. Die Vorschriften des Ersten Unterabschnittes des Zweiten Abschnittes im Siebten Kapitel des SGB VIII regeln die örtliche Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII. Demgegenüber bestimmen die Normen des Zweiten Unterabschnittes des Zweiten Abschnittes im Siebten Kapitel die örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB VIII. Auch hieran wird deutlich, dass auch § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII von den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit der §§ 86 und 86 c SGB VIII mitumfaßt ist. Mit der Bestimmung des zuständigen örtlichen Trägers wird wegen der örtlichen Finanzierung zugleich der Kostenträger festgelegt. Die Regelungen der Kostenerstattung sind dann im Anschluß im Dritten Abschnitt des Siebten Kapitels des SGB VIII geregelt (Wiesner, in Wiesner/Kaufmann/Mörsberger/Oberkloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl., vor § 86 Rdnr. 1). Sinn und Zweck der Regelung des § 86 c SGB VIII ist es, sicherzustellen, dass ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nicht zu einer Unterbrechung oder einem Ausfall der Gewährung der Jugendhilfeleistung führt (Stähr, in Hauck SGB VIII, Stand 2000, K § 89 c Rdnr. 6, Wiesner, in Wiesner/Kaufmann/Mörsberger/Oberkloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl., § 86 c Rdnr. 1). Anderweitige Interpretationen (Zentrale Spruchstelle, Schiedsspruch v. 18.06.1998 -- B 164/97 --; VG Hamburg, Beschl. v. 11.10.1995 -- 8 VG 3570/95 --) beachten den Wortlaut der §§ 2, 86, 89 SGB VIII nicht hinreichend, an den aber jede Auslegung ihre Grenze findet.

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Auf dieser Grundlage sind allerdings die Differenzierungen des in § 2 SGB XIII definierten Leistungsbegriffes nicht zu übersehen. § 2 Abs. 2 SGB VIII beschreibt, dass Leistungen in der Jugendhilfe u.a. Hilfe zu Erziehung und ergänzende Leistungen (Nr. 4 aaO), Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (Nr. 5 aaO) sowie Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (Nr. 6 aaO) sind und unterscheidet hiervon Leistungen der Jugendhilfe, die Angebote sind (u.a. Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (Nr. 3 aaO). Diese Unterscheidung ist dahin zu beachten, dass trotz des einheitlichen Leistungsbegriffs in § 2 Abs. 2 SGB VIII zwischen Leistungen, die Hilfe und Leistungen, die Angebote sind, zu differenzieren ist. Angebote in diesem Sinne stellen jedoch nicht schon und allein das Bereithalten von Einrichtungen und Maßnahmen dar, wie etwa Tageseinrichtungen und Tagespflege. Das Angebot i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII ist vielmehr dahin zu verstehen, dass zu dem Bereithalten von Einrichtungen und Maßnahmen ein konkretes Angebot des Trägers der Jugendhilfe treten muss, das die Förderung konkret umsetzt. Das heißt mit anderen Worten: Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII ist nicht dahin zu interpretieren, dass es nur maßgeblich ist, ob in dem Bereich des Trägers der Jugendhilfe entsprechende Einrichtungen und Maßnahmen vorhanden sind, maßgeblich ist vielmehr, dass solche Leistungen von dem Träger der Jugendhilfe konkret angeboten werden und zwar mit einer solchen Konkretheit, die es erlaubt, dass die Kinder (die Personensorgeberechtigten) ohne Weiteres auf die Einrichtung oder Maßnahme zugreifen können. Nur diese Auslegung wird dem Sinn und Zweck des Gesetzes gerecht, da nur diese Auslegung des Leistungsbegriffes die Kontinuität der Hilfe sichert und dem Programm des Gesetzes gerecht wird, das -- siehe auch § 16 SGB VIII -- Angebote in einer Form vorsieht, die dazu beitragen, dass Mütter, Väter u.a. Erziehungsberechtigte ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können. Diese Beratungspflicht des Trägers der Jugendhilfe erschöpft sich nicht darin, ein Angebot vage zu umreißen, er muss konkret und kooperativ an der Realisierung eines solches Angebotes mitwirken (§ 23 Abs. 1 und 3 SGB VIII: Vermittlung einer Tagespflegeperson). Diese Bewertung sichert zugleich, dass der Planungsverantwortung des zuständigen Trägers der Jugendhilfe (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. v. 27.1.2000 -- BVerwG 5 C 19.99 -- FEVS 51, 347) hinreichend Rechnung getragen wird.

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Ein hinreichend konkretes Angebot hat der Beklagte nicht unterbreitet. Seine Aktivitäten beschränkten sich darauf (Aktenvermerk vom 30. Juni 1995) ein Gespräch über die Möglichkeiten der Betreuung der Kinder im Bereich des Beklagten vorzusehen. Seiner Förderungspflicht ist der Beklagte aber auch deshalb nicht hinreichend nicht nachgekommen, weil er sich nicht darum bemüht hat, Frau T. konkret entsprechende (hier nur in Betracht kommende) Tagespflegeplätze nachzuweisen. Das schlichte Abwarten, ob sich Frau T. wieder an den Beklagten als Träger der Jugendhilfe wenden würde, reichte nach dem beschriebenen Maßstab nicht aus, es war vielmehr erforderlich, dass der Träger der Jugendhilfe Frau T. konkrete Angebote über Tagespflege unterbreitete. Das ist trotz der nachdrücklichen Aufforderung durch die Klägerin unterblieben. Die fehlende Konkretheit eines entsprechenden Angebotes wird zudem durch das an Frau T. gerichtete Formularschreiben des Beklagten vom 29. Februar 1996 bekräftigt. In diesem Schreiben wird Frau T. -- nur -- aufgefordert, Kindergartenplätze bei der Gemeindeverwaltung zu beantragen, der in Rede stehende Bedarf an Tagespflege ist in diesem Schreiben nicht angesprochen. Das Verhalten der Frau T., die sich allerdings nach dem 30. Juni 1995 nicht mehr an den Beklagten gewandt hatte, ist für den Ablauf der Ereignisse nicht als kausal zu bewerten, da sich der Beklagte trotz der Aufforderungen durch die Klägerin nicht hinreichend bemüht hat, ein konkretes Angebot, das Frau T. hätte realisieren können, zu unterbreiten.

29

In diesem Zusammenhang weist der Senat zu Verdeutlichung darauf hin, dass er seinen Erwägungen zum Tatsachenstoff den Akteninhalt und das Ergebnis der Anhörung der Kreisamtfrau ... zugrunde legt. Wie sich aus der Niederschrift über mündliche Verhandlung ergibt, hat der Senat einen Beweisantrag des Beklagten auf Vernehmung der Frau ... abgelehnt, indessen hat die von der betreffenden Bediensteten unter Hinweis auf ihre dienstliche Wahrheitspflicht auf der Grundlage der Aktenvermerke in der mündlichen Verhandlung abgegebene dienstliche Äußerung denselben Beweiswert, zumal der Senat seiner Bewertung der Rechtslage uneingeschränkt die Äußerungen der Kreisamtfrau ... zugrunde legt.

30

Die Klägerin hat den Beklagten vom Wechsel der Zuständigkeit unverzüglich im Sinne des § 86 c SGB VIII unterrichtet. Sinn dieser Unterrichtungspflicht ist es, die faktische Leistungsgewährung sobald wie möglich der geänderten Zuständigkeit anzupassen (Wiesner, in Wiesner/Kaufmann/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl., § 86 c Rdnr. 6). Dieser Pflicht zur Unterrichtung ist die Klägerin ohne schuldhaftes Zögern nachgekommen.

31

Der Umfang der Kostenerstattung richtet sich nach § 89 f SGB VIII.

32

Bei dem Erstattungsanspruch nach § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII handelt es sich um einen eigenständigen Anspruch, der nicht von der unverzüglichen Unterrichtung im Sinne des § 86 c Satz 2 SGB VIII abhängig ist (Jens/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 89 c Rdnr. 7; Wiesner, in Wiesner/Kaufmann/Mörsberger/Oberloskamp/Struck, SGB VIII, 2. Aufl., § 89 c Rdnr. 3). Der Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung entstand somit mit dem 01. Juli 1995.

33

Der Senat teilt nicht die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass mit den zu erstattenden Kosten nicht der aufzuwendende Pflegesatz, sondern nur der Teilnahmebeitrag (§ 90 SGB VIII) gemeint sei und eine individuelle Leistung der Jugendhilfe nur durch einen Erlass oder die Übernahme der für die Betreuung zu entrichtenden Teilnahmebeiträge erfolgen könne. Die Klägerin kann gemäß § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vom Beklagten die Erstattung der Kosten verlangen, die sie im Rahmen ihrer nach ! 86 c SGB VIII bestehenden Verpflichtung in der Zeit vom 01. Juli 1995 bis zum 30. April 1996 aufgewendet hat. § 89 c Abs. 1 Satz 1 knüpft den Erstattungsanspruch an den kraft Gesetzes eingetretenen Zuständigkeitswechsel (Jens/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 89 c Rdnr. 4). Bei der Erstattung der Kosten gelten nach § 89 f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden. Die Erfüllung der Aufgaben entsprach auch den Vorschriften des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (§ 89 f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). § 89 f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII regelt, dass die Rechtslage am Ort des erstattungsberechtigten Trägers maßgeblich für den Umfang der Kostenerstattung ist. In Hamburg ist die Kindertagesbetreuung als Pflegesatzfinanzierung nach § 77 SGB VIII gestaltet. Eine Vereinbarung im Sinne des § 77 SGB VIII ist hier der Pflegesatz der Einrichtung (Münder u.a., Frankfurter LPK-KJHG 3. Aufl., 1998 § 77 Rdnr. 4).

34

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO, §§ 167 Abs. 1 VwGO, 709 ZPO.

35

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.