Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.02.2001, Az.: 12 L 3923/00

Anrechnung; Arbeitstraining; Arbeitstrainingsprämie; Ausbildungsgeld; Berufsausbildungsmaßnahme; Eingliederungshilfe; Einkommen; Kostenbeitrag; Sozialhilfe; Sozialhilfeleistung; Werkstatt für Behinderte; Zweckbindung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.02.2001
Aktenzeichen
12 L 3923/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40455
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.09.2000 - AZ: 1 A 230/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ausbildungsgeld für eine Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer anerkannten Werkstatt für Behinderte nach §§ 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III ist keine Leistung für einen besonderen Zweck i.S. von § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre.

2. Zum angemessenen Umfang der Heranziehung nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung seines Ausbildungsgeldes als Kostenbeitrag zu der ihm gewährten Eingliederungshilfe.

2

Der am 10. Juli 1979 geborene Kläger ist geistig behindert und wird seit April 1997 im Wohnheim S. in W. betreut. In dem Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis zum 1. Februar 2000 wohnte der Kläger in einer betreuten Außenwohngruppe in W., wird jedoch aufgrund dort aufgetretener Konflikte seit Februar 2000 wieder im Wohnheim S. betreut. Die Kosten der stationären Betreuung trägt der Beklagte im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach dem Bundessozialhilfegesetz. Seit 1. September 1999 ist der Kläger (befristet bis 31. August 2001) im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt S., einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt. Für diese Tätigkeit erhielt er ein Ausbildungsgeld vom Arbeitsamt B. von monatlich 105,- DM bis 31. August 2000, danach 125,- DM.

3

Der Beklagte forderte von dem Kläger mit Bescheid vom 29. Juli 1999 einen Kostenbeitrag in Höhe des Ausbildungsgeldes und teilte ihm mit, dass beabsichtigt sei, den Anspruch gegenüber dem Arbeitsamt für die Zukunft auf ihn, den Beklagten überzuleiten. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass das Ausbildungsgeld zum Einkommen gehöre, das der Kläger als zweckgleiche Leistung in voller Höhe zur Teildeckung der Heimpflegekosten einzusetzen habe, was entsprechend dem Nachrangprinzip der Sozialhilfe auch zuzumuten sei.

4

Gegen diesen Bescheid legt der Kläger Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren machte er Folgendes gelten: Der Sozialhilfeträger sei lediglich berechtigt, einen Kostenbeitrag in "angemessenem Umfang" zu verlangen. Die Ermittlung des angemessenen Umfanges setze eine Ermessensbetätigung voraus und ermögliche die Freilassung eines Teilbetrages des Ausbildungsgeldes. Das Ausbildungsgeld werde nur gezahlt, wenn sich ein vollstationär Betreuter bereit finde, an einem Arbeitstraining teilzunehmen. Wie bei einer Lehrlingsvergütung solle damit auch der Arbeitseinsatz belohnt werden und nicht nur die Kosten des Lebensunterhalts gedeckt werden.

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Den Widerspruch wies das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben mit Bescheid vom 19. Januar 2000 zurück und führte aus:

6

Bei dem gewährten Ausbildungsgeld handele es sich um Einkommen, das gemäß §§ 79, 81 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) unter der Einkommensgrenze liege. Nach § 85 BSHG könne die Aufbringung der Mittel für die Gewährung der Hilfe in dem Wohnheim von dem Kläger auch aus unter der Einkommensgrenze liegendem Einkommen verlangt werden. Der Umfang der Heranziehung richte sich nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Danach könne die Aufbringung der Mittel verlangt werden, soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck gewährt werden, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. Bei dem Ausbildungsgeld handele es sich um eine Leistung der Arbeitsverwaltung nach dem Sozialgesetzbuch III (SGB III), die völlig unabhängig von einer Arbeitsleistung während der Durchführung der teilstationären Betreuungsmaßnahme zur beruflichen Eingliederung zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes gewährt werde. Das Ausbildungsgeld diene demselben Zweck wie die gewährte Eingliederungshilfe. Anspruchsgrundlage sei § 104 in Verbindung mit § 107 SGB III. Gemäß § 104 Abs. 2 SGB III seien die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend anzuwenden. § 11 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sehe vor, dass Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet werde. Das Ausbildungsgeld sei jedoch ausschließlich eine Leistung zum Lebensunterhalt. Da im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe in stationärer Form der gesamte Lebensbedarf einschließlich Barbetrag durch den Träger der Sozialhilfe sichergestellt werde, handele es sich bei dem Ausbildungsgeld um eine zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Die Heranziehung des Ausbildungsgeldes in vollem Umfang sei gerechtfertigt, da es sich bei diesem Einkommen des Klägers nicht um Einkommen aus einer entgeltlichen Beschäftigung gemäß § 85 Abs. 2 BSHG handele, sondern um Sozialleistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften mit Lohnersatzfunktion. Hilfsweise sei § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG einschlägig.

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Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Ihn zum Einsatz des Ausbildungsgeldes in vollem Umfang heranzuziehen, sei nicht angemessen im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG. Diese Vorschrift müsse hier Anwendung finden. Der Einsatz des gesamten Ausbildungsgeldes als Kostenbeitrag führe zu einer Demotivation gerade derjenigen Personen, die über ein Arbeitstraining zur Arbeitsleistung motiviert werden sollten. Das Ausbildungsgeld sei dagegen keine Leistung für einen besonderen Zweck im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. Der besondere Zweck der Leistung der Bundesanstalt für Arbeit bestehe in der Unterstützung während der Dauer des Arbeitstrainings, während die vom Beklagten gewährte Eingliederungshilfe keine Leistung sei, die das Ausbildungsgeld ersetzen könnte. Es fehle an der Zweckidentität zwischen dem Ausbildungsgeld und der Eingliederungshilfe.

8

Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 1999 sowie den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 19. Januar 2000 aufzuheben,

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hilfsweise,

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den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für seine stationäre Betreuung im Wohnheim S. unter Aufhebung der genannten Bescheide in ungekürzter Höhe zu übernehmen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen, und ergänzend zu seinen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vorgetragen:

14

Die Forderung des Kostenbeitrages stütze sich auf § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, so dass § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG nicht anzuwenden sei. Selbst wenn § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG die zutreffende Vorschrift sei, wäre nach deren Satz 2 das Einkommen in voller Höhe in Anspruch zu nehmen. Das ergebe sich aus Ziffer 5.5.2 des Runderlasses des Sozialministeriums vom 7. April 1998 (Nds. MBl. S. 674). Besondere Gründe von dieser Regelung abzuweichen, seien weder erkennbar noch vorgetragen.

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Mit Urteil vom 11. September 2000 hat das Verwaltungsgericht Stade die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der Kläger habe nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BSHG zu den Kosten der Hilfe beizutragen, soweit ihm dies zuzumuten sei. Dem Kläger sei die Beteiligung an den Kosten in angemessenem Umfang gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zuzumuten. Er könne nicht geltend machen, dass von seinen Einkünften ein Teilbetrag gemäß § 85 Abs. 2 BSHG anrechnungsfrei bleibe, da die Freilassung eines Betrages bei derartigen Lohnersatzleistungen oder Sozialleistungen wie dem Ausbildungsgeld nicht in Betracht komme. Nach § 85 Abs. 2 BSHG sei nur Einkommen, das der Hilfeempfänger aus einer entgeltlichen Beschäftigung erziele, in Höhe eines bestimmten Freibetrages geschützt. Das Ausbildungsgeld werde aber als Sozialleistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschrift gewährt, so dass sein Einsatz zur Deckung einer dem Hilfeempfänger gewährten Sozialhilfeleistung nicht eingeschränkt sei.

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Gegen das ihm am 14. September 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 13. Oktober 2000 eingegangenem Schriftsatz die Zulassung der Berufung beantragt. Mit der durch Senatsbeschluss vom 13. November 2000 - 12 L 3569/00 - zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Das Ausbildungsgeld sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil nicht zweckgleich im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG. Der Einsatz des Ausbildungsgeldes könne daher nur über § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG verlangt werden. Dabei sei der unbestimmte Rechtsbegriff "in angemessenem Umfang" in § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG besonders zu werten. Ziel der Aufnahme in den Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt sei es, die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen so zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederherzustellen, dass er danach ein  Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbaren Arbeitsleistungen erbringen und dann in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für Behinderte aufgenommen werden könne. Das Arbeitstraining umfasse damit maßgeblich auch die Entwicklung des Arbeitswillens und der Arbeitsbereitschaft des behinderten Menschen, sich beruflich auf Dauer eingliedern zu lassen. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass für den durchschnittlich behinderten Menschen gerade das Arbeitstraining wegen des neuen sozialen Umfeldes, des veränderten Anforderungsprofils und wegen der längeren Dauer der Tätigkeit eine erhebliche Belastung darstelle. Im Arbeitsbereich einer Werkstatt für Behinderte werde die Erhaltung des Arbeitswillens bei der Heranziehung zu einem Kostenbeitrag durch einen entsprechenden Freibetrag im Rahmen der Angemessenheitsprüfung b ei § 85 Abs. 2 BSHG berücksichtigt. Dieses müsse gleichermaßen auch für das Vorfeld, das Arbeitstraining, gelten. § 85 Abs. 2 BSHG sei zwar nicht direkt anzuwenden, aber der Rechtsgedanke sei im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG gleichermaßen zu berücksichtigen und zu übertragen, so dass dem Kläger ein Teil des Ausbildungsgeldes verbleiben müsse, um seine Arbeitsmotivation zu erhalten.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 11. September 2000 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 29. Juli 1999 sowie den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 19. Januar 2000 aufzuheben,

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hilfsweise,

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den Beklagten zu verpflichten, die Kosten für seine stationäre Betreuung im Wohnheim S. unter Aufhebung der genannten Bescheid in ungekürzter Höhe zu übernehmen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

23

Er hält in der Sache die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil für zutreffend. Das Ausbildungsgeld diene der (teilweisen) Deckung des Lebensunterhaltes, der durch die gleichzeitige stationäre Betreuung und die Gewährung eines Barbetrages zur freien Verfügung bereits vollständig aus Sozialhilfemitteln abgedeckt sei.

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Der Kläger könne sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG stützen. Nach Satz 2 dieser Norm hätte es keiner besonderen Ermessensentscheidung, ob der Kläger überhaupt zur Kostenbeteiligung durch Einsatz des Ausbildungsgeldes heranzuziehen gewesen sei, bedurft. Durch die Verwendung des Wortes "soll" sei vom Gesetzgeber bereits festgelegt, dass im Regelfall ein Hilfeempfänger sein Einkommen einzusetzen habe. Zudem sei auch nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG der volle Einsatz des Ausbildungsgeldes angemessen. Der Kläger erhalte nach § 21 Abs. 3 BSHG einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung, der sich durch den Einsatz des Ausbildungsgeldes noch erhöhe, so dass er über ausreichende Mittel verfüge, um die gewöhnlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 85 Abs. 1 BSHG sei es, den Nachrang der Sozialhilfe möglichst weitgehend zu verwirklichen. Vorhandenes Einkommen eines Hilfesuchenden sei deshalb grundsätzlich in einem solchen Umfang zur Deckung der dem Träger der Sozialhilfe für die Sicherstellung seines Lebensunterhaltes entstehenden Kosten heranzuziehen, dass dem Hilfesuchenden kein wirtschaftlicher Vorteil erwachse. Der volle Einsatz des Ausbildungsgeldes widerspreche auch nicht dem Ziel der Sozialhilfe, Hilfe zur Selbsthilfe zu sein. Es sei nicht zu erwarten, dass das Selbsthilfestreben des Klägers dadurch gelähmt werde oder ihn veranlassen könnte, eine Teilnahme an der Maßnahme zu beenden. Hinreichende Motivation zur Teilnahme an dem Arbeitstraining sei bereits die Chance, hierdurch Zugang zu einer Beschäftigung mit Arbeitseinkommen zu finden.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat insoweit Erfolg, als der Kläger das erhaltene Ausbildungsgeld nur zur Hälfte als Kostenbeitrag zur Deckung der ihm geleisteten Eingliederungshilfe einsetzen muss.

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Zutreffend ist die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger zu den Kosten der Hilfe beitragen muss, soweit ihm die Aufbringung der Mittel zuzumuten ist (§ 43 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Der Umfang der Heranziehung bestimmt sich hier nach § 85 BSHG, der den Einsatz des unter der Einkommensgrenze nach § 79, 81 BSHG liegenden Einkommens regelt. Bei dem Ausbildungsgeld in Höhe von 105,- DM monatlich, das dem Kläger vom Arbeitsamt für die Teilnahme an einer Maßnahme im Arbeitstraining in einer Werkstatt für Behinderte nach den §§ 102 Abs. 2 Nr. 2, 104 Abs. 1 Nr. 2, 107 SGB III gewährt worden ist, handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 85 BSHG.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht in dem dem Kläger gewährten Ausbildungsgeld allerdings kein Arbeits- oder Erwerbseinkommen aufgrund einer entgeltlichen Beschäftigung gesehen. Der Ausbildungsgeld beziehende Kläger erhält kein Entgelt für seine Arbeitsleistungen, sondern eine Sozialleistung aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Teilnahme an einer Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich. Die Freilassung eines Freibetrages kommt daher in untermittelbarer Anwendung des § 85 Abs. 2 BSHG nicht in Betracht (vgl. für das Übergangsgeld: BVerwG, Urt. v. 12.19.1995 - 5 C 27.93 - FEVS 46, 309 ff).

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Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG anzuwenden sei, da die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen. Vielmehr ist § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG die einschlägige Vorschrift, auf die hier abzustellen ist:

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Nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG kann die Aufbringung von Mitteln unter der Einkommensgrenze verlangt werden, soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck gewährt werden, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre. § 85 Abs. 1 Nr. 1 BSHG setzt somit Zweckidentität der Leistungen voraus, die hier nicht gegeben ist. Das Ausbildungsgeld ist eine Leistung für einen besonderen Zweck (vgl. dazu Krahmer in LPK-BSHG, 5. Aufl. , § 85 RdNr. 3; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 85 RdNr. 8). Nach § 102 Abs. 2 Nr. 2 SGB III werden Leistungen für die Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich in anerkannten Werkstätten für Behinderte erbracht, um die Leistungsfähigkeit oder Erwerbsfähigkeit des Behinderten so weit wie möglich zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen, wenn erwartet werden kann, dass der Behinderte nach Teilnahme an diesen Maßnahmen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 54 des Schwerbehindertengesetzes zu erbringen. Die besondere Zweckbestimmung der Gewährung von Ausbildungsgeld liegt gerade darin, dass es für die Teilnahme des Behinderten an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich in einer Werkstatt für Behinderte geleistet wird.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat auch für das insoweit vergleichbare Übergangsgeld und das Unterhaltsgeld die konkrete Zweckbestimmung der Sozialleistung in der Teilnahme an einer berufsfördernden Maßnahme gesehen (BVerwG, Urt. v. 19.12.1995 - 5 C 27.93 -, FEVS 46, 309, 311; BVerwG, Urt. v. 21.7.1994 - 5 C 32.91 -, BVerwGE 96, 246, 249).

32

Ausbildungsgeld wird danach nicht für einen Zweck geleistet, für den sonst Sozialhilfe zu gewähren wäre, denn für die Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich würden keine Leistungen nach dem BSHG gezahlt werden (vgl. Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., § 85 RdNr. 13; Brühl in ZfF 1999, 105 ff). Das Ausbildungsgeld ist seinem Charakter nach keine Leistung zur Bestreitung des Lebensunterhalts, ihm kommt eher die Funktion einer Arbeitstrainingsprämie ("Belohnung") zu (Lauterbach in Gagel, SGB III - Arbeitsförderung - Kommentar, Stand 2000, § 104 RdNr. 4, § 107 RdNr. 4). So hat das Bundessozialgericht in einer Entscheidung vom 26. September 1990 (- 9b/7 RAr 100/89 -, FEVS 41, 468, 472) auch ausgeführt, dass das Ausbildungsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die für den persönlichen Bedarf frei verfügbaren Mittel erhöhen und dadurch die Motivation für Berufsausbildungsmaßnahme fördern solle.

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Der Einsatz des Ausbildungsgeldes kann nur auf § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel verlangt werden von Personen, die auf voraussichtlich längere Zeit der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung bedürfen, solange sie nicht einen anderen überwiegend unterhalten. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG, so dass er in angemessenem Umfang zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden soll. Allerdings entspricht die Forderung des Beklagten, der Kläger habe das gesamte Ausbildungsgeld einzusetzen, nicht einer Heranziehung "in angemessenem Umfang". Der Senat hält es für angemessen in diesem Sinne, wenn dem Kläger die Hälfte des ihm gewährten Ausbildungsgeldes neben dem nach § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG erhöhten Barbetrag in Höhe von 5 % seines Einkommens zur Erhaltung der Motivation für die Berufsausbildungsmaßnahme verbleibt.

34

Der Begriff "in angemessenem Umfang" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der  Behörde keinen Beurteilungsspielraum einräumt, vielmehr der uneingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist der Senat auch nicht an die Regelungen im Runderlass des Sozialministeriums vom 7. April 1998 (Nds. MBl. S. 674) gebunden. Bei der Prüfung, in welchem Umfang die Aufbringung der Mittel angemessen ist, sind vor allem die Art des Bedarfs, die Dauer und die Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen des Hilfeempfängers zu berücksichtigen. Das ergibt sich aus den in § 84 Abs. 1 Satz 2 BSHG genannten Angemessenheitskriterien (BVerwG, Urt. v. 26.10.1089 - 5 C 30.86 -, FEVS 39, 93; Urt. v. 6.4.1995 - 5 C 5.93 -, FEVS 46, 45).

35

Zu beachten ist bei der Auslegung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG ferner, dass die Regelung des § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG den in § 2 BSHG allgemein beschriebenen Nachrang der Sozialhilfe konkretisiert. Der Hilfesuchende soll nach Maßgabe des Gesetzes zunächst sein eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen, bevor er Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Dies gilt auch für den in § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG erfassten Personenkreis, denn Nr. 3 verfolgt gerade das Anliegen, dem Hilfesuchenden keinen wirtschaftlichen Vorteil daraus erwachsen zu lassen, dass er auf Kosten der Allgemeinheit in einer seinen Lebensunterhalt und seine umfassende Betreuung sicherstellenden Weise untergebracht ist (BVerwG, Urt. v. 6.4.1995 - 5 C 5.93 -, FEVS 46, 45).

36

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "in angemessenem Umfang" ist zudem die Aufgabe der Sozialhilfe zu berücksichtigen, dem Hilfeempfänger die Möglichkeit zu geben, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht und ihn soweit wie möglich zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfe zu leben und ihn dazu anzuspornen (§ 1 Abs. 2 BSHG). Art, Form und Maß der Sozialhilfe haben sich gemäß § 3 Abs. 1 BSHG nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten, vor allem nach der Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen. Diesen Grundsätzen wird bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "in angemessenem Umfang" Rechnung getragen, wenn der Umfang des Einsatzes des Einkommens unter der Einkommensgrenze mit den in § 1 Abs. 2 BSHG beschriebenen Aufgaben der Sozialhilfe im Rahmen der gewährten Eingliederungshilfe in diesem Einzelfall vereinbar ist.

37

Der Einsatz des Einkommens in angemessenem Umfang schließt es hier aber aus, dass der Einsatz des gesamten Ausbildungsgeldes von dem Beklagten beansprucht werden kann. Das würde dem Ziel der Sozialhilfe als Hilfe zur Selbsthilfe zuwiderlaufen, denn dadurch könnte das Selbsthilfestreben des Klägers gelähmt werden und der Kläger könnte sogar veranlasst werden, das Arbeitstraining abzubrechen. Das Ausbildungsgeld wird dem Kläger nur gewährt, wenn und solange er am Arbeitstraining teilnimmt.

38

Eine Heranziehung "in angemessenem Umfang" ist deshalb nur dann gegeben, wenn die Motivation des Klägers aufrechterhalten bleibt an der Maßnahme Arbeitstraining weiter teilzunehmen und er dadurch zur Arbeitsleistung angespornt wird. Ihrem Charakter nach handelt es sich bei den Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich um berufsvorbereitende Maßnahmen (Lauterbach, in: Gagel, SGB III - Arbeitsförderung - Kommentar, Stand 2000, § 102 RdNr. 28). Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit des Behinderten so zu entwickeln, dass er danach ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen und später in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für Behinderte aufgenommen werden kann. Diese Anreizfunktion, den Arbeitswillen und die Arbeitsbereitschaft des Behinderten zu fördern und zu erhalten ist erst dann erfüllt, wenn dem Kläger von dem Ausbildungsgeld ein bedeutender Teilbetrag verbleibt, der ihm zusätzlich zu dem Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG zur Verfügung steht und dadurch die Motivation für die Berufsausbildungsnahme fördert (vgl. BSG, Urt. v. 26.9.1990 - 9 b/7 RAr 100/89 -, FEVS 41, 468, 472). Bei einer vollen Inanspruchnahme verlöre das Ausbildungsgeld diese Funktion gänzlich. Erst wenn man ihm einen Teilbetrag des Ausbildungsgeldes belässt, besteht für den Kläger ein beachtlicher finanzieller Anreiz, an der berufsfördernden Maßnahme weiterhin teilzunehmen. Zugleich wird die Bereitschaft erhöht, sich in absehbarer Zeit auf Dauer beruflich eingliedern zu lassen. Die zusätzlichen finanziellen Mittel in Höhe der Hälfte des Ausbildungsgeldes reichen auch aus, den Kläger zu motivieren, sich durch die Teilnahme am Arbeitstraining auf eine künftige, auch qualifiziertere Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte vorzubereiten und ein höheres Arbeitseinkommen zu erzielen.

39

Der Kläger hat während der Teilnahme an der Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich zwar einen erhöhten Barbetrag in Höhe von 5 % des Einkommens nach § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG erhalten, der sich auf 5,- DM monatlich beläuft. Dabei handelt es sich jedoch um einen so geringen, kaum spürbaren Betrag, der allein nicht tauglich ist, die Motivation des Klägers für die Berufsbildungsmaßnahme zu fördern und den Arbeitswillen zu erhalten. Beließe man es ausschließlich bei dem erhöhten Barbetrag, so bestände die Gefahr, dass der Kläger ohne den zusätzlichen finanziellen Anreiz und der damit einhergehenden Belohnung seines Arbeitseinsatzes die Maßnahme vorzeitig abbrechen könnte.

40

Auch die Chance, durch die Teilnahme an dem Arbeitstraining Zugang zu einer Beschäftigung mit Arbeitseinkommen zu finden, ist ebenfalls für sich gesehen nicht geeignet, die Motivation des Klägers in gleichem Maße zu fördern. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Arbeitstraining für den Behinderten aufgrund der veränderten Anforderungen, die an ihn gestellt werden, auch eine Belastung darstellt. Er wird um so eher geneigt sein, diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, wenn ihm dafür auch ein merklicher finanzieller Anreiz gewährt wird.

41

Gleichzeitig wird der Kläger aber, wenn ihm ein Teilbetrag belassen bleibt, auch nicht besser gestellt als jemand, der in einer Werkstatt für Behinderte arbeitet und damit einer entgeltlichen Beschäftigung nachgeht und ein Arbeitseinkommen erhält. Für diesen Fall sieht § 85 Abs. 2 BSHG einen näher geregelten Einkommensfreibetrag vor, der bei einem Arbeitseinkommen aus entgeltlicher Beschäftigung in Höhe von ca. 105,- DM nach Abzug der Arbeitsmittelpauschale von 10,- DM bei 73,31 DM läge.

42

Soweit es um die Anwendung der Sollvorschrift geht, folgt aus dem Gesagten, dass das Ermessen des Beklagten auf "Null" reduziert ist.