Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.08.2017, Az.: 10 A 1489/17

Drittortauseinandersetzung; Fußballbezogene Gewalt; Ingewahrsamnahme; Ultra

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.08.2017
Aktenzeichen
10 A 1489/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53716
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Polizeikosten.

Am Freitag, den 4. November 2016, wurde die Klägerin auf der Zufahrt zu einem Parkplatz eines Baumarktes in der Nähe von Hildesheim um 21:00 Uhr angetroffen.

Am Sonntag, den 6. November 2016, um 13:30 Uhr fand in Braunschweig ein Fußballspiel der 2. Fußballbundesliga zwischen B-Stadt 96 und Eintracht Braunschweig statt. Die Spielbegegnung wurde von der Polizei im Vorfeld als Spiel mit besonderem Risiko eingestuft, weil das Verhältnis zwischen den Anhängern beider Vereine nach den Erfahrungen der Vergangenheit durch eine wachsende Rivalität und Gewaltsbereitschaft geprägt war, die immer häufiger in körperliche Auseinandersetzungen mündete. Die polizeilichen Beobachtung durch szenekundigen Beamte richtete sich daher ab Freitag, den 4. November 2016, auf die Ausforschung und Verhinderung von gewalttätigen Zusammentreffen von Angehörigen der Hooligan-/Ultraszene beider Vereine außerhalb des eigentlichen Spielaustragungsorts, eine sogenannte Drittortauseinandersetzung.

Polizeiliche Aufklärungskräfte beobachteten am 4. November 2016 gegen 19:25 Uhr, dass es auf einem Tankstellengelände in Gleidingen an der Bundesstraße 6 zwischen B-Stadt und Hildesheim zu einem Treffen von 6 Personen kam, die verteilt auf 4 Fahrzeuge augenscheinlich der Hooligan-/Ultraszene angehörten. Unter den Fahrzeugen befand sich mindestens eines, welches ein Kennzeichen aus dem Zulassungsbezirk Braunschweig aufwies. Die Personengruppe blickte gemeinsam auf eine auf der Motorhaube eines der PKW ausgebreitete Landkarte. Nach einer etwa 5-minütigen Besprechung verteilten sich die Personen wieder auf die Fahrzeuge und verließen die Tankstelle in Richtung Gleidingen. Gegen 20:15 Uhr stellten polizeiliche Aufklärungskräfte fest, dass sich eine Kolonne von 15 bis 20, augenscheinlich mit gewaltbereiten Risikofans besetzten Fahrzeugen von B-Stadt in Richtung Hildesheim bewegte. Um 20:53 Uhr befand sich die Fahrzeugkolonne auf der Bundesstraße 1 kurz vor Hildesheim. Im Bereich des - zu dieser Zeit geschlossenen - C. baumarkts, D., kam es ab 20:30 Uhr zu einer sukzessive anwachsenden Versammlung von ganz überwiegend schwarz gekleideten Personen. Die Anreise erfolgte mittels PKW und Kleinbussen. Gegen 20:45 Uhr waren es deutlich über 100 Personen, die weiteren Zulauf bekamen und sich gegenüber standen. Um 20:57 Uhr erweckte die Personengruppe den Anschein sich zu formieren. Neben weiteren ankommenden Fahrzeugen bewegten sich mehrere Personen zu Fuß über die angrenzenden Felder und Kleingärten auf den Parkplatz des Baumarkts zu.

Als die Personen den mittlerweile eingesetzten Polizeihubschrauber bemerkten, versuchten sie eilig den Parkplatz zu verlassen. Die zu diesem Zeitpunkt eintreffenden Polizeikräfte sperrten unter anderem die einzige Zufahrtsstraße zu dem Parkplatz ab. Als die Personen auf dem Parkplatz die Polizeikräfte erkannten, liefen sie zu einem großen Teil in die entgegengesetzte Richtung davon bzw. versuchten, mit Fahrzeugen die Polizeisperren zu passieren. Über den Lautsprecher des Polizeihubschrauber wurde um 21:02 Uhr die Anordnung der Ingewahrsamnahme aller auf dem Parkplatz befindlichen Personen bekannt gegeben. Während der Durchführung der weiteren polizeilichen Maßnahmen wurden auf dem Parkplatz unter den dort abgestellten Fahrzeugen weit mehr als 20 Schlagwerkzeuge und Vermummungsgegenstände aufgefunden. Insgesamt stellte die Polizei 177 Personen fest. Hierzu gehörte auch der Kläger.

Auf Antrag der Beklagten ordnete das Amtsgericht B-Stadt die Ingewahrsamnahme der Klägerin bis höchstens 6. November 2016, 20:00 Uhr, an. Die Beklagte beförderte die Klägerin in den Gewahrsam im Zellentrakt des Polizeipräsidiums B-Stadt und brachte sie dort zum 6. November 2016, 20:00 Uhr, unter.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2017 setzte die Beklagte Polizeikosten für die Beförderung zur Ingewahrsamnahme in Höhe von 45 € und die Unterbringung im Polizeigewahrsam für 2 Tage in Höhe von 50 €, insgesamt 95 €, gegen die Klägerin fest.

Die Klägerin hat am 10. Februar 2017 Klage erhoben. Sie verweist darauf, dass die Ingewahrsamnahme über die Dauer von 48 Stunden rechtswidrig gewesen sei. Sie habe gegen den Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt hierüber jedoch keine Beschwerde eingelegt, gleichwohl sei die Frage der Rechtmäßigkeit der Unterbringung insgesamt zu prüfen. Bei ihrer habe sich um eine längerfristig geplante „Aktion“ der Polizeibehörden gehandelt, die es in ihrer Ausgestaltung unumgänglich gemacht habe, dass sich die „Fachgerichte“ eben der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der rechtlichen Würdigung in Gänze befasst hätten. Es seien so viele Beamte und Gerätschaften eingesetzt worden, dass es schlicht unmöglich gewesen sei, solch einen Polizeieinsatz kurzfristig zu organisieren und in dem tatsächlichen Umfang durchzuführen. Es sei davon auszugehen, dass auch die einbezogenen Amtsgerichte frühzeitig in die Planung eingebunden worden sein. Es sei auch das nicht das Amtsgericht B-Stadt, sondern das Amtsgericht Hildesheim zuständig gewesen. Es sei rechtlich nicht zu tolerieren, dass sie durch die gewillkürte Zuständigkeit des Amtsgerichts B-Stadt dem gesetzlichen Richter entzogen wurde. Außerdem hätte man Personen, die weder in Braunschweig noch in B-Stadt hätten untergebracht werden können, nach Hause geschickt. Hierbei handele es sich um einen Grundrechtsverstoß. Eine Auseinandersetzung habe auch nicht unmittelbar bevorgestanden, da ist an den Gegnern aus Braunschweig gefehlt habe. Außerdem entspräche die Zelle, in der die Klägerin in Gewahrsam genommen worden sei, nicht den Anforderungen an die Menschenwürde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2017 aufzuheben

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe im Vorfeld die Erkenntnis gewonnen, dass es am Freitagabend oder in den Nachtstunden zu massiven körperlichen Auseinandersetzungen zwischen ca. 200 gewaltbereiten Hooligans/Ultras der Hannoveraner und einer gleich großen Anzahl aus der Braunschweiger Fanszene kommen solle. Die beiden Gruppen sollten sich an einer unbekannten Örtlichkeit treffen, sich dort gesondert sammeln und dann auf ein bestimmtes Signal hin aufeinander zulaufen und sich mit massiver körperlicher Gewalt auseinandersetzen. Nach den bisherigen Erfahrungen in „Derbyspielen“ habe eine gegenwärtige Lebensgefahr für die Beteiligten nicht ausgeschlossen werden.

Das Gericht hat Beweis durch Inaugenscheinnahme der Haftzelle erhoben, in der die Klägerin in Gewahrsam genommen worden war. Auf das hierüber aufgenommene Protokoll wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage der Klägerin ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Januar 2017, mit dem die Klägerin zu den Kosten ihrer Ingewahrsamnahme in Höhe von 95,-- EUR herangezogen wird, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin sind die §§ 1, 3 und 5 NVwKostG i.V.m. Ziff. 108.2.2 der Anlage zu der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen - AllGO - für die Ingewahrsamnahme und Ziffer 108.2.1 für die Beförderung zur Ingewahrsamnahme. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NVwKostG werden für Amtshandlungen in Angelegenheiten der Landesverwaltung Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Kostenschuldner ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Die Klägerin hat zu einer gebührenpflichtigen Amtshandlung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG Anlass gegeben. Nach Ziff. 108.2.2 der Anlage zur AllGO ist für die „Unterbringung im Polizeigewahrsam je angefangener Tag (24 Stunden)“ eine Gebühr von 25,-- EUR zu erheben. Die Klägerin war am 5. und 6. November 2016 vorübergehend im Gewahrsam der Beklagten, einer Polizeibehörde im Bereich der Landesverwaltung, untergebracht.

Die zugrunde liegende Ingewahrsamnahme ist rechtmäßig. Erledigt sich - wie hier - die polizeiliche Ingewahrsamnahme vor Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist, so gebietet es die Gewährleistung gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, im Rahmen der Überprüfung des Heranziehungsbescheides auch die die Erhebung verursachende Amtshandlung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BVerfG, Beschl. v. 29.7.2010 - 1 BvR 1634/04 -, NVwZ 2010, 1482, juris, Rn. 49 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 27.9.2004 - 1 S 2206/03 -, NVwZ-RR 2005, 540, juris, Rn. 57, und Urt. v. 17.3.2011 - 1 S 2513/10 -, DVBl. 2011, 626, juris, Rn. 22; VG Oldenburg, Urt. v. 26.6.2012 - 7 A 2830/12 -, juris, Rn. 15; Nds. OVG, Urt. v. 26.1.2012 - 11 LB 226/11 -, NordÖR 2012, 355, juris, Rn. 22, zur Kostenpflicht bei polizeilicher Beförderung einer hilflosen Person). Zugunsten der Klägerin wendet das Gericht diese Rechtsprechung auch auf den - hier gegebenen - Fall an, dass sich die Ingewahrsamnahme der Klägerin mit ihrer Entlassung am 6. November 2016 erledigt hatte und eine amtsrichterliche Entscheidung über den Gewahrsam gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG getroffen worden war, deren Rechtmäßigkeit aber nicht im Beschwerdeverfahren überprüft wurde.

Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme der Klägerin gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann u.a. die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern. § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG ist nicht verfassungswidrig (BVerfG, Entscheidung v. 29.7.2010 - 1 BvR 1634/04 -, juris, Rn. 57), indem er die polizeiliche Ingewahrsamnahme zur Verhinderung einer „unmittelbar“ bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zulässt und die Maßnahme „unerlässlich“ sein muss. Weitere Begrenzungen ergeben sich daraus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß § 4 Nds. SOG zu beachten ist.

Die Klägerin wurde am 5. November 2016 in den polizeilichen Gewahrsam genommen. Bei der Ingewahrsamnahme handelt es sich um eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 GG (BVerfG, Beschl. v. 15.5.2002 - 2 BvR 2292/00 -, BVerfGE 105, 239, juris, Rn. 23 und 28). Der Klägerin wurde am Vorfallswochenende für 46 Stunden vorübergehend die Freiheit entzogen.

Mit der Ingewahrsamnahme der Klägerin wurde die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat verhindert. Der Begriff der „unmittelbar bevorstehenden Begehung“ einer Straftat ist vor dem Hintergrund des hohen Ranges der Freiheit der Person auszulegen. Zu den Belangen des Gemeinwohls, gegenüber denen die Freiheit des Einzelnen unter Umständen zurücktreten muss, gehört der Schutz der Allgemeinheit und einzelner vor mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten. Der Begriff „unmittelbar bevorstehend“ ist gleichzusetzen mit „unmittelbar bevorstehende Gefahr“ oder „gegenwärtige Gefahr“ im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchst. b Nds. SOG. Hieraus ergeben sich besondere Anforderungen an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts. Darüber hinaus stellt der Begriff im Regelfall strengere Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad. Demgemäß müssen nachvollziehbare, bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird (BVerwG, Urt. v. 26.2.1974 - I C 31.72 -, a.a.O., juris, Rn. 32; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8.12.2011 - 5 A 1045/09 -, juris, Rn. 37; OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2017 – 22 W 4/17).

Die Klägerin gehörte einer Gruppe an, die sich auf einem (abgelegenen) Parkplatz zusammen gefunden hatte. Es lagen bei objektiver Betrachtung im Zeitpunkt der Anordnung der Ingewahrsamnahme hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Begehung einer Straftat durch die Klägerin in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Dies folgt aus der Situation, in der die Polizei vor Ort ihre Entscheidung zu treffen hatte. Hierbei ist zu beachten, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretender Schaden ist (sogenannte Je-desto-Formel: Denninger, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizei rechts, 4. Aufl. je Rn. 52). Dieser Grundsatz gilt auch bei der Anordnung von Gewahrsam. Indes darf bei seiner Anwendung auf unmittelbare Eingriffe der Polizei in die Freiheit der Person nicht außer Acht gelassen werden, dass hier die Eingriffsschwelle aus verfassungsrechtlichen Gründen wesentlich höher liegt als etwa bei Verwaltungsakten nach der Generalermächtigung des Polizei und Ordnungsrechts. Denn eine Ingewahrsamnahme ist eine der einschneidenden polizeilichen Standardmaßnahmen, nämlich eine die Freiheit der Person nicht nur beschränkende, sondern aufhebende Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 Abs. 2 Grundgesetz. Daher ist bei der Überprüfung ihrer Anordnung ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2017, a. a. O.). Wenn die Klägerin dabei angetroffen wurde, als sie mit ihrem Fahrzeug das Parkplatzgelände verließ, spricht das nicht dagegen, dass sie sich an der Drittortauseinandersetzung beteiligen oder diese wenigstens unterstützen wollte. Das Herunterfahren von dem Parkplatz lässt sich zwangslos damit erklären, dass nach dem Auftauchen des Polizeihubschraubers die auf dem Platz Versammelten die Flucht ergriffen.

Hiernach bestanden Anhaltspunkte für den Eintritt eines so großen und folgenschweren Schadens, dass dadurch die besonderen Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit im Sinne des oben genannten Grundsatzes erfüllt waren, als Polizeikräfte die Klägerin auf dem Parkplatz des Baumarktes antrafen.

Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht der handelnden Polizeibeamten war davon auszugehen, dass die Personengruppe, der die Klägerin angehörte, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hannoversche Ultras-/Hooligans waren, die sich dort sammelten, um unmittelbar im Anschluss eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Braunschweiger Fans zu suchen, bei der nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit wechselseitige Körperverletzung mit erheblichen Folgen für die körperliche Unversehrtheit der Beteiligten wahrscheinlich waren und dies aufgrund des der unbeherrschbaren Dynamik solche Ereignisse sogar zu schweren körperlichen Beeinträchtigung bis hin zur Todesgefahr kommen konnte. Für das unmittelbar Bevorstehen einer solchen Auseinandersetzung sprachen die örtlichen und zeitlichen Umstände des Treffens, die Größe, Bekleidung und das Verhalten der Gruppe sowie die kurz zuvor auf dem Tankstellengelände bei Gleidingen beobachtete Besprechung zwischen - nach dem Kennzeichen der Fahrzeuge zu urteilen – Personen aus B-Stadt und Braunschweig unter gemeinsamer Betrachtung einer Landkarte. Der Umstand, dass unter den in Gewahrsam genommenen Personen keine Anhänger von Braunschweig festzustellen waren, steht dem nicht entgegen. Dies lässt sich zwanglos dadurch erklären, dass sie - im Gegensatz zu den hannoverschen Anhängern – mit der Örtlichkeit weniger vertraut oder noch nicht eingetroffen waren oder sich - von der Polizei unbemerkt - an anderer Stelle sammelten oder aber auch dadurch, dass ihnen die Flucht gelungen war. Jedenfalls war ex ante - und ist auch im Nachhinein – schlichtweg ein anderer Grund dafür nicht erkennbar, warum sich eine Personengruppe dieser Größe in einer aus 15 bis 20 Fahrzeugen bestehende Kolonne geschlossen von B-Stadt nach Hildesheim begeben und sich dort nach Ladenschluss auf einem in einem Gewerbegebiet gelegenen Parkplatz eines Baumarktes mit weiteren überwiegend schwarz gekleideten Personen, die zum Teil zu Fuß über angrenzende Felder ankommen, treffen sollte als der von der Polizei angenommene. Für den Zweck dieser Zusammenkunft als letzte Vorstufe einer in allernächster Zeit bevorstehenden Drittortauseinandersetzung mit rivalisierenden Braunschweiger Hooligans/Ultras im Hinblick auf das bevorstehende Fußballspiel sprechen zudem das bei Eintreffen der Polizei gezeigte Auseinanderstürmen der Person und die zurückgelassenen Schlagwerkzeuge, Zahnschutzschienen und Tape-Bandagen.

Die vor Ort eingesetzten Polizeibeamten mussten auch davon ausgehen, dass die Klägerin als Angehörige dieser Personengruppe sich an der gewalttätigen Auseinandersetzung und damit der Begehung von Straftaten wie körperliche wie vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) und Landfriedensbruch (Paragraf 125 StGB) beteiligen würde. Zwar rechtfertigt im Allgemeinen das Bevorstehen von Straftaten aus einer Gruppe heraus nicht den Gewahrsam gegen jedes Gruppenmitglied; anders ist dies allerdings zu beurteilen, wenn es Anhaltspunkte für einen kollektiven Vorsatz gibt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2017, a.a.O.). Dies war hier der Fall, denn sowohl die Hooligans als auch die Ultras aus B-Stadt sind bekanntermaßen den Gruppierungen zuzurechnen, die Konflikte mit an Fußballmannschaften anhängenden Hooligans und Ultras mit Gewalt austragen wollen und Straftaten der vorgenannten Art nach dem typischen Erscheinungsbild aus einer homogenen Gruppe heraus begehen (Nds. OVG, Urt. v. 24.2.2014 – 11 LC 228/12 -, NVwZ-RR 2014, 552).

Von der Klägerin war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Tatbeitrag bei der Begehung weiterer Straftaten zu erwarten. Bezogen auf die Ereignisse auf dem Parkplatz war zu befürchten, dass sich die Klägerin nach einer Flucht vom Parkplatz anderen Orts erneut mit Mitgliedern der hannoverschen Ultras oder Hooligans zur Verabredung und Verwirklichung weiterer Straftaten einfinden würde, bevor das Zweitligaspiel am 6. November 2016 beendet sein würde. Als Mitglied der hannoverschen Ultras oder Hooligans gehört sie einem Personenkreis an, der regelmäßig durch Gewaltbereitschaft insbesondere gegenüber ebenfalls gewaltbereiten Fans einzelner anderer Fußballmannschaften auffällt. Kennzeichnend für solche Gruppierungen ist der große Zusammenhalt ihrer Mitglieder untereinander und ihr geschlossenes Auftreten nach außen. Wenn die Klägerin beanstandet, die Polizeikräfte hätten bei ihr nicht festgestellt, dass sie selbst die Absicht zum Begehen von Straftaten gehabt habe, ist die aus der ex-ante-Sicht der Polizeikräfte nicht erforderlich. Für die Sorge, die Klägerin werde Straftaten begehen, reicht es aus, dass sie sich auf dem Parkplatz befand und nicht erkennbar ist, was sie dort anderes zu tun beabsichtigte, als sich an den von der Gruppe zu besorgenden Straftaten zu beteiligen.

Die Ingewahrsamnahme der Klägerin war auch „unerlässlich“ im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Nds. SOG. Der Begriff „unerlässlich“ bedeutet, dass das Mittel der polizeilichen Ingewahrsamnahme nur angewendet werden darf, wenn es zur Verhinderung der befürchteten Straftat geeignet und erforderlich ist. Wenn die mit Strafe bedrohte Handlung durch eine polizeiliche Maßnahme verhütet werden kann, die den Einzelnen und die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt, ist die polizeiliche Ingewahrsamnahme nicht erforderlich und daher auch nicht unerlässlich (BVerwG, Urt. v. 26.2.1974 - I C 31.72 -, juris, Rn. 29). Solche Alternativmaßnahmen standen nicht zur Verfügung. Insbesondere wäre etwa ein Aufenthaltsverbot gemäß § 17 Abs. 4 Nds. SOG, welches erforderlichenfalls im Wege des unmittelbaren Zwangs hätte durchgesetzt werden müssen, bei der Gefahr, dass eine Gruppe von über 100 hannoverschen Ultras/Hooligans erneut auf eine ähnliche Anzahl Braunschweiger Ultras/Hooligans trifft, jedenfalls nicht gleichermaßen geeignet gewesen, Straftaten zu verhindern. Denn es wäre nicht möglich, ein Aufenthaltsverbot effektiv zu kontrollieren und durchzusetzen (Nds. OVG, Urt. v. 14.2.2014, a.a.O.), zumal die möglichen Austragungsorte von Drittortauseinandersetzung im Vorhinein kaum festzustellen sind.

Angesichts des Ausmaßes der zu erwartenden Störung der öffentlichen Sicherheit war die Ingewahrsamnahme der Klägerin auch im übrigen verhältnismäßig (§ 4 Nds. SOG). Die Rechtmäßigkeit der vorangegangen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert zwar nicht schon die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Es ist vielmehr zu prüfen, ob im Fall der Freilassung weiterhin die Gefahr bestand, dass die Klägerin eine Straftat begehen wird. Anhaltspunkte, hiervon bis zum Abschluss des Fußballspieles nicht auszugehen, sind dem Gericht nicht ersichtlich.

Der Gewahrsamnahme kann nicht entgegenhalten werden, dass eine konkrete Gefahr einer unmittelbar bevorstehenden Begehung einer Straftat nach der Ingewahrsamnahme der Klägerin nicht mehr bestand und sie damit hätte entlassen werden müssen, bevor das Fußballspiel begonnen hat. Im Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung kann es auf das Merkmal der Gegenwärtigkeit bei der Gefahrenprognosen nicht mehr ankommen, weil durch die Freiheitsentziehung immer die akute Situation, die zur Ingewahrsamnahme des Betroffenen geführt hat, beendet worden ist. Würde man weiter eine gegenwärtige Gefahr verlangen, käme in keinem Fall eine richterliche Anordnung der Fortdauer des Gewahrsams in Betracht. Entscheidend ist daher auf dieser Prüfungsebene, ob die Tatbereitschaft fortbesteht, der Betroffene sich also an entsprechenden zukünftigen - zur Zeit noch unbekannten - Aktionen beteiligen würde (OLG Celle, Beschl. v. 3.7.2017, a. a. O.). Hierfür sprachen die Gesamtumstände. Die Klägerin ist mit einem geringen zeitlichen Abstand zum Ende des Bundesligaspiels zwischen B-Stadt 96 und Eintracht Braunschweig aus dem Gewahrsam entlassen worden.

Der Gewahrsam der Klägerin verstößt nicht gegen die Pflicht zur unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung. Kommt es aufgrund einer Maßnahme nach § 18 Nds. SOG zu einer Freiheitsentziehung, so hat die Polizei nach § 19 Abs. 1 Satz 1 der genannten Bestimmung unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung zu beantragen. Dies ist geschehen.

Die Ingewahrsamnahme in dem Gebäude der Beklagten ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Das Gericht teilt nach der Beweisaufnahme nicht die Einschätzung der Klägerin, die Haftzelle, in der sie untergebracht worden war, Stock 2, Zelle 23, genüge nicht menschenwürdigen Anforderungen.

Soweit die Klägerin beanstandet, bei ihrer Unterbringung hätten sich die Fenster der Zelle nicht öffnen lassen, entspricht dies nicht dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Danach sind die Fenster geöffnet gewesen, waren allerdings durch ein Lochblech vor den Zugriffen des Internierten geschützt, so dass dieser das Fenster nicht selbst öffnen und schließen kann. Dies dürfte für eine Ingewahrsamzelle nicht zu beanstanden sein. Eine Belüftung war jedoch sichergestellt. Zwar mag diesbezüglich in der hannoverschen Presse vom 4. April 2012 berichtet worden sein, dass die Zellen seinerzeit nicht belüftet waren, doch hat auf die Beanstandung der fehlenden Belüftbarkeit durch die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter nach deren Besuch vom April 2011 das niedersächsische Innenministerium erklärt, dass dieser Mangel abgestellt werde (http://www.nationale-stelle.de/fileadmin/dateiablage/Dokumente/Berichte/Jahresberichte/Jahresbericht2010-11.pdf, S. 81). Dies konnte das Gericht anlässlich der Beweisaufnahme auch feststellen.

Soweit die Klägerin beanstandet, es habe keine ausreichenden Brandschutzvorrichtungen bei ihrer Unterbringung gegeben, hat das Gericht bei der Beweisaufnahme festgestellt, dass die Decke des Unterbringungsgebäudes mit Rauchmeldern versehen ist. Warum dieser Brandschutz nicht genügen soll, hat die Klägerin in der Verhandlung vor Ort nicht ausgeführt.

Soweit die Klägerin beanstandet, sie habe sich in einem völlig leeren Zelle befunden, ist dies in der Beweisaufnahme nicht bestätigt worden. In ihrer Zelle befand sich ein Bett mit einer ca. 8 cm dicken Matratze. Der Vortrag der Klägerin macht nicht deutlich, warum es für einen kurzzeitigen Aufenthalt in einer Haftzelle einer weiteren Möblierung des Raums bedarf.

Das Gericht kann nicht feststellen, dass die Zelle, in der die Klägerin untergebracht war, mit einer Größe von ca. 4 m² (ca. 1,20 m x 3,50 m) ungeeignet zur kurzfristigen Unterbringung von in Gewahrsam zu Nehmenden ist. Die Nationale Stelle hat in ihrem Bericht (a.a.O. S. 80 f.) beanstandet, dass Zellen in solcher Größe für „längere Unterbringungen“ als solche von wenigen Stunden nicht geeignet seien. Die Kammer geht davon aus, dass ein Zeitraum von 46 Stunden, in dem die Klägerin in der Zelle bis zum Ende des Spiels B-Stadt 96 gegen Eintracht Braunschweig verbringen musste, solch eine „längere Unterbringung“ darstellt. Insofern wurde die Zelle über einen längeren Zeitraum als von den meisten in Gewahrsam Genommenen genutzt, für die das Innenministerium in seiner Antwort an die Nationale Stelle (Bericht der Nationalen Stelle, a.a.O. S. 80 f.) die Zelle als Schlafstelle für zumutbar hielt, weil sie im Wesentlichen als Schlafstelle genutzt werde.

Das Gericht hält die Zellengröße auch für eine 46-stündige Unterbringung für hinnehmbar.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner ständigen Rechtsprechung, die erst im Oktober 2016 durch eine Grundsatzentscheidung der großen Kammer des Gerichts (EGMR, Urt. der großen Kammer vom 20.10.2016 - 7334/13, Mursic/Kroatien, Rdnr. 91 ff.) bestätigt und konkretisiert worden ist, sowie in seiner Entscheidung vom 14. Februar 2017 (EGMR, Urteil vom 14.02.2017 - 14249/07, Lazar/Rumänien, Rdnr. 36) die Prüfungsmaßstäbe dafür aufgestellt, unter welchen Umständen eine starke Vermutung für eine unmenschliche Behandlung während des Strafvollzuges anzunehmen ist und zugleich klargestellt, dass diese Vermutung im Einzelfall im Hinblick auf bestimmte kompensatorische Maßnahmen widerlegt werden kann.

Nach der durch die Große Kammer des Gerichtshofs (EGMR, Urt. v. 20.10.2016, a.a.O. Rn. 122 ff.) bestätigten und konkretisierten Rechtsprechung des EGMR liegt dann kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vor, wenn die Haftraumgröße einer mit mehreren Gefangenen belegten Zelle geringer ist als 3 m² pro dort untergebrachtem Gefangenen. Dieser Auffassung (s. a. OLG Celle, Beschl. v. 31.03.2017 – 2 AR (Ausl) 15/17 –, Rn. 25, juris) schließt sich das Gericht an.

Von diesen rein rechnerischen Vorgaben lässt sich das Bundesverfassungsgericht, das im Streit um eine Einzelzelle eine Größe von nur 4,5 m² für einen Langzeitinhaftierten unzureichend hält, nicht leiten (Beschluss vom 22. März 2016 - 2 BvR 566/12 -, http://www.bverfg.de/e/rk20160322_2bvr056615.html, Rn. 26 ff.):

Die zitierte Entscheidung des Gerichtshofs vom 12. Juli 2007 (EGMR, Testa v. Kroatien, Nr. 20877/04, EuGRZ 2008, S. 21) betrifft die Unterbringung in einem Gemeinschaftshaftraum. Ob sich der darin genannte Orientierungswert auf Einzelhafträume übertragen lässt, erscheint zweifelhaft. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) hat bei Einzelräumen für Aufenthalte von Gefangenen von mehr als einigen Stunden Dauer eine Mindestgröße von 7 m² für wünschenswert erklärt, auch wenn es ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass es sich hierbei nicht um einen Minimalstandard handele (CPT-Standards, CPT/Inf/E [2002] 1 - Rev. 2010, S. 8). In seinem Jahresbericht 2010/2011 hat das Komitee betont, dass für die Unterbringung von Gefangenen kein Raum mit weniger als 6 m² verwendet werden solle (21st General Report vom 10. November 2011, CPT/Inf [2011] 28, S. 47). Im Übrigen sind die sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Mindeststandards nicht notwendig identisch mit den Anforderungen des Grundgesetzes. Insbesondere darf der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz durch die Europäische Menschenrechtskonvention nicht eingeschränkt werden; das schließt auch die Konvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK, siehe BVerfGE 128, 326 <371>).

Bei der Belegung und Ausgestaltung der Hafträume sind dem Ermessen der Justizvollzugsanstalt durch das Recht des Gefangenen auf Achtung seiner Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG Grenzen gesetzt (vgl. BVerfGK 12, 417 <419 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, juris, Rn. 14; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, juris, Rn. 17; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, juris, Rn. 29; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 - juris, Rn. 37; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, juris, Rn. 17). Ob die Art und Weise der Unterbringung eines Strafgefangenen die Menschenwürde verletzt, ist von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängig (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, juris, Rn. 18; vgl. auch VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris, Rn. 26). Als Faktoren, die eine aus den räumlichen Haftbedingungen resultierende Verletzung der Menschenwürde indizieren, kommen in erster Linie die Bodenfläche pro Gefangenem und die Situation der sanitären Anlagen, namentlich die Abtrennung und Belüftung der Toilette, in Betracht, wobei als ein die Haftsituation abmildernder Faktor die Verkürzung der täglichen Einschlusszeiten berücksichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Februar 2011 - 1 BvR 409/09 -, juris, Rn. 30; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. November 2011 - 1 BvR 1403/09 -, juris, Rn. 38). Darüber hinaus kann die Dauer der Unterbringung maßgeblich sein, sofern die Unterbringung für eine Übergangszeit zumutbar erscheint (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris, Rn. 32). In Fällen einer nur vorübergehenden Unterbringung ist zudem zu berücksichtigen, ob die begrenzte Dauer für den Betroffenen von vornherein absehbar war (vgl. VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris, Rn. 33). Im Einzelfall können weitere Umstände von Bedeutung sein, etwa die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums und die hygienischen Verhältnisse. Mit Blick auf die Mindestgröße von Einzelhafträumen hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass eine Grundfläche von nur wenig über 6 m² an der unteren Grenze des Hinnehmbaren liege (BVerfGK 20, 125 <125>). Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die Auffassung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin (VerfGH Berlin, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 -, juris) gebilligt, wonach eine Unterbringung für einen Zeitraum von knapp drei Monaten in einem Einzelhaftraum mit einer Bodenfläche von 5,25 m² bei einer Gesamtschau der dortigen Umstände die Menschenwürde verletze (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 2015 - 1 BvR 1127/14 -, juris, Rn. 18; vgl. zur Mindestgröße von Einzelhafträumen ferner schon BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Oktober 1993 - 2 BvR 1778/93 -, juris, Rn. 9).

Eine dauerhafte Unterbringung in einem Haftraum mit einer Größe - wie sie im vorliegenden Fall in Rede steht - von etwa 4,5 m² wäre mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.

Legt man diesen Maßstab zugrunde sind im Falle der Klägerin von der zu fordernden „Mindestgröße“ Abstriche zu machen.

Zunächst sind die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts für einen Langzeitinhaftierten entwickelt, hierzu gehört die Klägerin nicht, dem deutlich war, dass sie lediglich bis zum Spielende in Gewahrsam verweilen müsse und nicht vorläufig sein Leben auf den Aufenthalt in der Zelle einrichten müsste. Die Maßstäbe sind auch für Zellen entwickelt, die neben der Schlafgelegenheit noch Wascheinrichtungen und Toiletten beinhalten, deren Raumbedarf über einem m² liegen dürfte, so dass der gleichsam von der vom Bundesverfassungsgericht ermittelten „Mindestgröße“ „abgezogen“ werden kann. In Fällen einer nur vorübergehenden Unterbringung ist zudem zu berücksichtigen, ob die begrenzte Dauer für den Betroffenen von vornherein absehbar war (vgl. VerfGH Berlin, Beschl. v. 3.11.2009 - 184/07 -, juris, Rn. 33). Im Einzelfall können weitere Umstände von Bedeutung sein, etwa die Lage und Größe des Fensters, die Ausstattung und Belüftung des Haftraums und die hygienischen Verhältnisse.

Die nunmehr von dem Bundesverfassungsgericht verlangte „Gesamtschau“, ob die Art und Weise der Unterbringung eines in Gewahrsam Genommenen die Menschenwürde verletzt, ist von einer Gesamtschau der tatsächlichen, die Haftsituation bestimmenden Umstände abhängig. Die Klägerin macht mit ihrem Schriftsatz vom 21. August 2017 geltend, „seelische und körperliche Belastungen“ erfahren zu haben, ohne diese im Einzelnen zu umschreiben. Die Gewahrsamsbedingungen sind der Klägerin unabhängig von der zur Verfügung stehenden Grundfläche der Zelle durch zahlreiche Faktoren erleichtert worden:

- Die Zelle hat eine beträchtliche Raumhöhe, so dass sie laut Beschriftung der Zellentür ca. 13 m³ Luft fassen kann.

- Die Zelle war vollkommen sauber und gereinigt.

- Die Zelle ist in sehr hellen Farben gestrichen, die Wände in klarem Weiß lassen den Raum größer erscheinen als er tatsächlich ist.

- Die Zelle war gut belüftet.

- Der Klägerin war es möglich, sich durch die zahlreichen Öffnungen der Zelle zu dem inneren Verbindungsgang aus ihrer Zelle heraus mit anderen zu verständigen. Dass sie persönliche Gegenstände, die sie bei der Gewahrsamnahme bei sich führte, in der Zelle entbehren musste, trägt sie nicht vor.

- Der Klägerin war von vornherein absehbar, dass ihr Aufenthalt mit Spielende beendet sein würde und die Dauer ihres Aufenthalts nur von dem von ihr selbst gewählte Tag abhängig war, an dem sie den Anlass für ihre Ingewahrsamnahme setzte,.

Wenn die Klägerin meint, die Polizeikräfte hätten ihn „sehenden Auges“ in die Notwendigkeit gebracht, ihn in Gewahrsam nehmen zu müssen, weil der Einsatz von langer Hand vorher geplant war, ist dem Gericht nicht ersichtlich, warum dieser Gedanke die Rechtmäßigkeit der Gewahrsamnahme in Frage stellen kann. Die Klägerin irrt, wenn sie sich in einem Wettstreit mit der Polizei sieht, für die die „sportlichen“ Grundsätze des „fairen Wettkampfs“ gelten sollten.

Der Einwand der Klägerin, die Polizeikräfte hätten - mangels in B-Stadt und Braunschweig vorhandener Gewahrsamzellen - nicht alle auf dem Parkplatz Festgestellten in Gewahrsam genommen, legt ebenfalls keine Mängel dar. Die Polizeikräften verfolgten die Absicht, Drittortauseinandersetzungen - und später: direkte Auseinandersetzungen um das Fußballspiel herum - zu verhindern. Wirksam hierfür ist bereits, wenn die Zahl potentieller Teilnehmer hieran entscheidend reduziert wird. Dies war augenscheinlich der Fall.

Die Kosten des Transports zur Gewahrsamszelle hat die Klägerin nach Tarifstelle 108.2.1 als „Beförderung einer in Gewahrsam zu nehmenden Person mit einem Polizeifahrzeug“ zu tragen. Sie beträgt danach 45 Euro.

Die Klägerin ist auch Kostenschulderin i.S.d. Verwaltungskostenrechts. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 NVwKostG werden für Amtshandlungen in Angelegenheiten der Landesverwaltung Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Der Veranlasser ist Kostenschuldner, § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG.

Die Berufung war weder gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, weil die Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweicht. Die Kammer hat aufgrund der von dem Bundesverfassungsgericht geforderten „Gesamtschau“ die der Klägerin zur Verfügung gestellte Gewahrsamzelle als noch hinreichend groß für eine unter 48-stündige Unterbringung angesehen. Dies ist keine Abweichung von verfassungsrechtlicher Rechtsprechung noch wirft die Auffassung neue rechtsgrundsätzliche Fragen auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.