Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.06.2016, Az.: 21 F 1/16

Entschädigung; Entschädigungsklage; Krankheit; Strukturelle Mängel; Überlänge; Vorläufige Vollstreckbarkeit, Leistungsklage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.06.2016
Aktenzeichen
21 F 1/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43439
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Überlänge einer durchschnittlichen verwaltungsgerichtlichen Baunachbarklage.

2. Krankheitsbedingte Ausfälle können die Überlänge eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich nicht rechtfertigen (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 27/12 D -)

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.

Im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2.250 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2015 zu zahlen.

Die Klägerin trägt 1/10, der Beklagte 9/10 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens, dessen Überlänge die Klägerin rügt, war eine Nachbarklage gegen eine ihr von der Stadt Osnabrück erteilte Baugenehmigung vom 29. April 2010 in der Fassung einer Nachtragsbaugenehmigung vom 19. August 2010.

Inhalt der Baugenehmigung war die Erweiterung des Gebäudes auf dem im Miteigentum der Klägerin stehenden Grundstück C. D. in E.. Das Gebäude wird bislang im Erdgeschoss für die getrennten Rechtsanwaltskanzleien der Klägerin sowie ihres Ehemannes und ergänzend als Familienwohnung genutzt; auf dem Grundstück befinden sich fünf Garagen. Nach der Baugenehmigung sollen die Kanzleiräume vergrößert und neuer Wohnraum geschaffen werden; die Klägerin will mit ihrer Familie einen Teil des erweiterten Wohnraums nutzen. Daneben sind weitere Wohnungen und Studentenappartements geplant. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich.

Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch den am 15. September 2010 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 2. September 2010 erhob der gutachterlich als Architekt tätige Eigentümer des nordöstlich des klägerischen Grundstücks gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks F. am 14. Oktober 2010 beim Verwaltungsgericht Osnabrück Klage gegen die Baugenehmigung; die Klage wurde bei der zweiten Kammer unter dem Aktenzeichen 2 A 116/10 geführt.

Zur Klagebegründung wurde in der Klageschrift vorgetragen, dass sich der von der Klägerin in diesem Verfahren geplante Anbau nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, insbesondere bezogen auf die Grundflächenzahl, aber auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung sowie der Bauweise. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gelte dies, weil der Anteil der freiberuflichen Nutzung auf Grund fehlerhafter Einbeziehung des Bestandes zu Unrecht die Wohnnutzung übertreffe. Das genehmigte Gebäude mit knapp 700 qm Nutzfläche weise faktisch vier Vollgeschosse auf;  so große Anlagen seien in der näheren Umgebung nicht vorhanden.  Das ca. drei Meter niedriger als das Baugrundstück gelegene Grundstück des im Ausgangsverfahren klagenden Nachbarn werde durch den geplanten Ausbau verschattet und erdrückt. Die Grenzabstandsvorschriften zum sog. G. weg seien nicht gewahrt worden. Zu Unrecht erfolge über den G. weg die Zufahrt zu den notwendigen Stellplätzen, die zudem nicht in hinreichender Zahl vorhanden seien und nicht den Vorgaben der Stellplatzverordnung genügten. Das genehmigte Vorhaben sei deshalb dem klagenden Nachbarn gegenüber rücksichtslos.

Die beklagte Stadt Osnabrück beantragte am 24. November 2010, die Klage abzuweisen. Da zur Klagebegründung im Wesentlichen die bisherigen Argumente wiederholt worden seien, wurde auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheides vom 2. September 2010 Bezug genommen. Der G. weg sei gewidmet und damit abstandsrechtlich zu Recht als Verkehrsfläche eingestuft worden. Nachbarrechte würden auch durch die Anordnung der Stellplätze nicht verletzt. In der näheren Umgebung befänden sich mehrere größere Objekte, u.a. ein Senioren- und Pflegeheim.

Die jetzige Klägerin, die mit Eingang zum Ausgangsverfahren beigeladen worden war, zeigte am 28. November 2010 an, dass sie sich am Verfahren beteiligen werde, sandte die ihrem Prozessbevollmächtigten (Ehemann) am 2. Dezember 2010 übersandten Verwaltungsvorgänge am 30. Dezember 2010 zurück und beantragte in der Sache am 8. Februar 2011, die Klage abzuweisen. Sie verwies darauf, dass ihr Grundstück und das des Klägers über keine gemeinsame Grenze verfügten, aber auch zum dazwischen liegenden G. weg der erforderliche Abstand gewahrt werde. In der näheren Umgebung seien zahlreiche Gebäude vorhanden, die größer als das von ihr geplante seien und intensiver u. a. von Publikum genutzt würden. Die vorgesehene Wohnfläche von rd. 411 qm (für drei Wohnungen und zwei Studentenappartements) werde auch zukünftig die freiberufliche Nutzung von knapp 200 qm bei weitem übersteigen; eine geplante Aufteilung nach dem WEG sei insoweit unerheblich. Ihr Gebäude werde für den Kläger auch nach dem Ausbau nicht erdrückend sein. Eine wechselseitige Einsichtsmöglichkeit sei ortsüblich, die Zahl und Anordnung der Stellplätze nicht zu beanstanden, insbesondere nicht vom Kläger; insoweit werde an den Bestand der 1989 genehmigten Garagen angeknüpft. Das Vorhaben füge sich nach dem Maß der Bebauung in die nähere Umgebung ein. Der Schriftsatz endete mit dem Verweis darauf, „dass die Angelegenheit auch vor dem Hintergrund des umfassenden Widerspruchsverfahrens ausgeschrieben“ sei. Die Kammer wurde um Prüfung einer zeitnahen Terminierung gebeten.

Der Schriftsatz wurde den übrigen Beteiligten zur evtl. Stellungnahme übersandt und am 11. Februar 2011 im Übrigen die Wiedervorlage auf Abruf verfügt.

Die Beigeladene trug am 9. Mai 2011 zur gewerblichen Nutzung von Nachbargrundstücken kurz weiter vor und bat um Terminierung. Der Berichterstatter verwies am Folgetag darauf, dass wegen der Geschäftslage der Kammer ein solcher Termin nicht absehbar sei. Eine weitere Nachfrage der Beigeladenen erfolgte am 8. Juli 2011, woraufhin vom Berichterstatter als neuer Termin zur Wiedervorlage der 1. Oktober 2011 und nachfolgend am 14. Oktober 2011 der 20. November 2011 mit dem Klammerzusatz: „T?“ notiert wurden.

Am 27. Juli 2012 bat die Beigeladene erneut um Terminierung, die wiederum unter Bezug auf die Kammerbelastung nicht in Aussicht gestellt wurde. Ergänzend verwies die Beigeladene am 2. August 2012 darauf, dass sich das teilweise zu finanzierende Investitionsvolumen auf mindestens 500.000 EUR belaufe und deshalb trotz der Vollziehbarkeit der Genehmigung deren Bestandskraft abgewartet werde. Dies sei misslich, weil die vorhandenen Räumlichkeiten mittelfristig weder für den Kanzleibetrieb ausreichten noch ihren privaten Wohnbedarf nach der Geburt des zweiten Kindes abdeckten. Gerichtlich wurde eine Wiedervorlage für Ende November 2012 notiert.

Mit Fax vom 18. September 2012 verwies der Kläger auf einen Zeugen vom Hörensagen, wonach in dem für die Beigeladene tätigen Architekturbüro die Grundstückseinmessungen für die Baugenehmigung gefälscht worden seien, und regte insoweit die Überprüfung anhand der Originalunterlagen, hilfsweise die Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Mit weiterem Schriftsatz vom 26. Oktober 2012 ergänzte der klagende Nachbar, dass die Vermessungsergebnisse zwecks Vergrößerung des Baugrundstücks manipuliert worden seien. Nach internen Anmerkungen mit Bleistift hielt der Berichterstatter eine Beweiserhebung insoweit nicht für notwendig; weiter wurde vermerkt, dass nach Einsicht in die Verfahrensakte auch des Parallelverfahrens, das sich zunächst gesondert auf den o.a. Nachtrag vom 19. August 2010 zur Baugenehmigung bezog, „nichts zu veranlassen sei“.

Am 25. September 2012 erhob die Beigeladene eine Verzögerungsrüge und erwiderte zugleich auf die - ihr unbekannten - Manipulationsvorwürfe. Die genehmigten Zeichnungen beruhten auf den Vermessungsergebnissen eines öffentlich bestellten und vereidigten Ingenieurs. (Spätere) Tatsächliche Abweichungen hiervon seien für das vorliegende Verfahren unerheblich.

Auf die Erheblichkeit allein der mit den Plänen eingereichten und von ihr genehmigten richtigen Unterlagen verwies auch die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. November 2012.

Parallel hierzu forderte die Staatsanwaltschaft am 13. November 2012 die „kurzfristige Übersendung der Akten“ an, die am 14. November 2012 erfolgte; der Berichterstatter notierte eine Frist zur Wiedervorlage in drei Monaten. Nach einer erneuten telefonischen Sachstandsanfrage der Beigeladenen am 27. März 2013 unter Verweis auf die erforderlichen neuen Zimmer für ihre Kinder erfolgte am 28. März 2013 eine gerichtliche Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft, die daraufhin am 9. April 2013 die Akten zurücksandte. Der genaue Gegenstand sowie der Ausgang des Ermittlungsverfahrens sind unbekannt.

Daraufhin verfügte der Berichterstatter am 9. April 2013 eine Wiedervorlage für den 20. April 2013 mit dem Klammerzusatz „ET“. Am 30. April 2013, abgesandt am 17. Mai 2013, folgte die Anhörung zu einer Einzelrichterübertragung, der alle Beteiligten, zuletzt am 11. Juni 2013 der Kläger, zustimmten. Am 13. Juni 2013 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Dieser bestimmte unter dem 21. Februar 2014 den 3. April 2014 als Termin zur Beweisaufnahme durch Augenscheinseinnahme auf dem Grundstück des Klägers. Am 3. April 2014 fand der Termin statt, in dessen Verlauf der Kläger u. a. ergebnislos aufgefordert wurde, vor Ort die geltend gemachte erdrückende Wirkung näher zu erläutern. Der Kläger machte stattdessen geltend, dass das auf dem Grundstück der Beigeladenen vorhandene Gebäude um 78 cm tiefer als nach der Baugenehmigung vorgesehen errichtet worden sei und sich dadurch Grenzabstandsverletzungen zum G. weg ergeben würden. „Nachdem die Erfolgsaussichten der Klage im Einzelnen besprochen worden waren“, erklärte sich die Beigeladene „im Sinne der Gestaltung eines möglichst störungsfreien nachbarschaftlichen Verhältnisses“ zu baulichen Veränderungen ihres Vorhabens bereit. Die Umplanung sollte binnen Monatsfrist erfolgen, dann unter den Beteiligten abgestimmt und schließlich der Rechtsstreit einvernehmlich beigelegt werden. Am 19. Mai 2014 informierte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen den Berichterstatter darüber, dass sich die entsprechend geänderte Planung der Beigeladenen beim Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten befinde. Nachdem dieser am 22. Mai 2014 sein Einverständnis erklärt hatte, bat die Beigeladene am Folgetag erneut um Terminierung, um das Verfahren durch einen Vergleich zu beenden.

Am 5. Juni 2014 unterbreitete die nunmehr zuständig gewordene Berichterstatterin auf dieser Grundlage schriftlich einen Vergleichsvorschlag und lud vorsorglich für den 26. Juni 2014. Kläger und Beigeladene erklärten sich mit dem Vorschlag einverstanden, aber die Beklagte widersprach am 17. Juni 2014. Das nunmehr vorgesehene Maß der baulichen Nutzung füge sich nicht ein. Wegen Erkrankung der Berichterstatterin wurde am 25. Juni 2014 der Termin zunächst auf den 15. Juli 2014 verlegt und dann wegen Verhinderung der Beigeladenen aufgehoben. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärte sich der Kläger wegen fortbestehender Vergleichsbemühungen nicht einverstanden.

Parallel dazu beantragte die Beigeladene für eine nochmals modifizierte Planung die Erteilung eines Bauvorbescheides, den die Beklagte am 25. Juni 2014 in Aussicht stellte und am 10. Juli 2014 mit Maßgaben erteilte; auch der Kläger signalisierte seine Zustimmung. Am 18. Juli 2014 erfolgte die erneute Ladung, diesmal zum 3. September 2014. Der Termin wurde u.a. wegen Erkrankung der Berichterstatterin aufgehoben. Nachdem der Bauvorbescheid bestandskräftig geworden war, war die Beigeladene zunächst nicht mehr vergleichsbereit, sondern erwartete eine Klagerücknahme. Die übrigen Beteiligten zeigten sich hingegen „bei Kostenaufhebung“ weiter vergleichsbereit. Die Beigeladene verwies am 21. November 2014 darauf, dass noch nicht endgültig feststehe, welche Variante des Vorhabens verwirklicht und damit auch Vergleichsgegenstand werden solle; es werde an Bauantragsunterlagen zur Umsetzung des bestandskräftigen Vorbescheides vom 10. Juli 2014 gearbeitet. Die Beigeladene reichte diese Unterlagen am 8. April 2015 bei der Beklagten ein. Mit diesem Bauantrag erklärte sich der Kläger am 8. Mai 2015 einverstanden und bat um einen entsprechenden Vergleich bei Kostenaufhebung. Nachdem die Beigeladene am 30. April 2015 ein Ende von Einigungsbemühungen i. S. d. § 198 GVG mit Wirkung ab dem 13. Mai 2015 angekündigt und um Terminierung gebeten hatte, schlug die Berichterstatterin am 11. Mai 2015 einen Vergleich vor.

Der Kläger stimmte dem Vergleichsvorschlag uneingeschränkt zu. Die Beigeladene erklärte zunächst am 15. Mai 2015 ihre Zustimmung mit Maßgaben und am 26. Mai 2015 ihre Ablehnung, nachdem die Beklagte der Erteilung einer Baugenehmigung entsprechend dem Antrag vom 8. bzw. nach ihren Angaben vom 13. April 2015 ablehnend gegenüberstand. Die Beklagte erläuterte am 5. Juni 2015 schriftlich ihre Bedenken gegen den Bauantrag und ihre darauf beruhende Ablehnung des Vergleichs.

Zwischenzeitlich war am 1. Juni 2015 für den 2. Juli 2015 erneut terminiert worden. Der Termin wurde am 22. Juni 2015 wegen Verhinderung der Bevollmächtigten des Klägers auf den 9. Juli 2015 verlegt. Am 6. Juli 2015 bat die Bevollmächtigte des Klägers unter Verweis auf eine nochmals geänderte Planung der Beigeladenen, die kurz vor dem Abschluss stehe, und eine erfolgte Abstimmung mit der Beklagten um eine erneute Aufhebung. Wegen der Verfahrensdauer erfolgte keine Aufhebung, sondern letztmals eine Verlegung auf den 10. September 2015. Gegen diese Verlegung wandte sich die Beigeladene am 15. Juli 2015 unter erneuter Erhebung der Verzögerungsrüge. Auch die Beklagte habe nunmehr ein Interesse an der Verfahrensbeendigung. Dem  Kläger stehe bezüglich der (neuen) Planung der Beigeladenen kein Mitspracherecht zu.

Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2015 wurde die Klage gegen die Baugenehmigung i. d. F. vom 19. August 2010 durch jeweils am 16. September 2015 zugestelltes Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Baugenehmigung in dieser Fassung Streitgegenstand des Klageverfahrens geworden sei. Sie sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in den allein geschützten Nachbarrechten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wurde nach § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend ausgeführt: Eine etwaige Wertminderung des klägerischen Grundstücks sei als solche unerheblich. Dem Vorhaben komme keine Vorbildwirkung für weitere Baugenehmigungsverfahren zu, so dass der Kläger nicht befürchten müsse, zukünftig würden zu seinen Lasten sämtlichen Anwohnern Anbauten genehmigt. Zudem sei insoweit lediglich das nicht nachbarschützende Maß der baulichen Nutzung betroffen. Die vorhandenen Garagen seien mit Zustimmung der Nachbareigentümer und damit rechtmäßig errichtet worden. Die Anordnung der nicht unmittelbar an das Grundstück des Klägers angrenzenden Stellplätze sei nicht zu beanstanden. Im rückwärtigen Grundstücksbereich sei nämlich bereits zuvor nicht nur auf dem Baugrundstück, sondern auch auf Grundstücken in der näheren Umgebung PKW-Verkehr legalisiert worden und damit eine entsprechende, schutzmindernd zu berücksichtigende Vorbelastung gegeben. Die Kosten der Beigeladenen wurden für erstattungsfähig erklärt. Das Urteil ist rechtkräftig.

Am 31. Dezember 2015 hat die Klägerin die vorliegende Entschädigungsklage erhoben. Sie hat ursprünglich einen Entschädigungsbetrag von insgesamt 2.550 EUR geltend gemacht.

Einen Teilbetrag von 2.250 EUR sieht sie darin begründet, dass das o.a. Klageverfahren ab der Erhebung der ersten Verzögerungsrüge Ende September 2012 bis zum 3. Juni 2014, dem Beginn von ihr mitgetragener Vergleichsverhandlungen, für 20,5 Monate sowie nachfolgend für weitere zwei Monate vom 15. Juli bis zum 16. September 2015 nicht hinreichend betrieben worden sei. Abzüge seien nicht vorzunehmen, da das Verfahren im September 2012 bereits knapp zwei Jahre alt und damit verzögert gewesen sei. Es habe sich, zumal für die spezialisierte Baukammer, um ein „Allerweltsverfahren“ gehandelt. Dies komme auch in der bereits im Jahr 2013 erfolgten Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter und weiter darin zum Ausdruck, dass im Urteil zur Begründung im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen werde. Die eigenständigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts bezögen sich auf die Einwendungen eines anderen Nachbarn gegen die im Jahr 2015 erteilte neue Baugenehmigung. Dementsprechend habe sich zwischen Herbst 2012 und September 2015 im Klageverfahren abgesehen von den Vergleichsverhandlungen nichts wesentlich Neues ergeben; die Dauer der Verhandlungen habe sie aus der Klageforderung ausgenommen. Dass sie auf Grund des Todes ihrer Architektin, der guten Entwicklung der beiden Kanzleien und der Geburt dreier Kinder ihre Planung aktualisiert habe, sei mangels Änderung des Streitgegenstandes unerheblich; hätte das Verwaltungsgericht bereits im Jahr 2011 entschieden, wäre von der streitgegenständlichen Baugenehmigung Gebrauch gemacht worden. Für das Ermittlungsverfahren hätten die Gerichtsakten angesichts der bereits eingetretenen Verzögerung höchstens für zwei Wochen zur Verfügung stehen dürfen. Die allgemeine Belastung des Verwaltungsgerichts Osnabrück sei schon nicht hinreichend differenziert dargelegt worden; wegen der Einzelheiten insoweit und zur Belastung der Mitglieder der 2. Kammer des Gerichts wird auf den Schriftsatz vom 3. April 2016 Bezug genommen. Auch für halbe Monate sei anteilig eine Entschädigung (von 50 EUR) zu gewähren.

Weitere 100 EUR hat die Klägerin ursprünglich für die zumindest einen Monat verspätet erfolgte Entscheidung über ihren Kostenfestsetzungsantrag vom 17. September 2015 und schließlich weitere 200 EUR für die zu Unrecht noch ausstehende Entscheidung über ihre Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 16. September 2015 gefordert. Auch Kostenfestsetzungsverfahren seien vom Anwendungsbereich des § 198 GVG nicht ausgeschlossen. Nach richterlichem Hinweis ist die Klage hinsichtlich dieser 300 EUR für die „Kostenverfahren“ am 3. Juni 2016 zurückgenommen worden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in Höhe von 2.250,- EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Gestaltung des nach Schwierigkeitsgrad und Bedeutung durchschnittlichen Verfahrens halte sich bis zum September 2012, ab dem die Klägerin selbst erst ihren Anspruch geltend mache, noch im üblichen verwaltungsgerichtlichen Rahmen. Dabei müsse die dem Gericht zustehende Überlegungsfrist berücksichtigt werden. Anschließend seien bis zum November 2012 erneut Schriftsätze ausgetauscht worden. Dass der Berichterstatter das Klageverfahren danach bis zur Rückgabe der Akten durch die Staatsanwaltschaft Anfang April 2013 nicht weiter gefördert habe, sei nicht zu beanstanden. Im Anschluss daran sei die im Juni 2013 erfolgte Einzelrichterübertragung vorbereitet worden. Dass das Verfahren danach bis Mitte Februar 2014 nicht erkennbar vorangetrieben worden sei, beruhe auf der Überlastung der Kammer und des Gerichts sowie krankheitsbedingten Ausfällen; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Anlagen zur Klageerwiderung vom 29. März 2016 verwiesen. Aufgrund des Beweisbeschlusses vom 21. Februar 2014 sei am 3. April 2014 Beweis erhoben worden und im Anschluss daran bis zum Erlass des Urteils vom 10. September 2015 kontinuierlich an einer einvernehmlichen Lösung durch Vergleich gearbeitet worden. Die von der Klägerin angegriffene letzte Terminsverlegung vom 9. Juli auf den 10. September 2015 sei nicht zu beanstanden, da insoweit vom Kläger und von der Beklagtenseite nochmals „Signale“ für einen Vergleich ausgegangen seien. Verzögerungen, die auf unerwarteten, mehrmonatigen krankheitsbedingten Ausfällen von Richtern beruhten, seien organisatorisch nicht zu verhindern und könnten damit keinen strukturellen Mangel begründen, den sich der Staat zurechnen lassen müsse. In jedem Fall müsse ein mehrmonatiger Entscheidungszeitraum ab Entscheidungsreife berücksichtigt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren war nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Klage zurückgenommen worden ist.

Über die Klage im Übrigen entscheidet der Senat nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid  nach § 84 VwGO, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

§ 84 VwGO ist gemäß § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG auf Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht nach dem 17. Titel des GVG anzuwenden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17.6.2013 - 13 D 23/13 -, juris, Rn. 17 f.; Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 173 VwGO, Rn. 4 und 15). Dem steht nicht entgegen, dass im Gesetzgebungsverfahren angenommen worden ist, in diesen Verfahren komme in der Regel eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht in Betracht (vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/3802, S. 19). Denn diese Annahme hat im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Sie ist zudem nur auf den Regelfall bezogen, der unter den in § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmten Voraussetzungen nicht gegeben ist. Bei der Senatsentscheidung durch Gerichtsbescheid wirken gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG keine ehrenamtlichen Richter mit.

Die Klage hat in dem noch fortgeführten Umfang, d.h. bezogen auf die Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Klageverfahrens 2 A 116/10, Erfolg.

Die Klage ist  zulässig.

Die Klagefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der das „Hauptsacheverfahren“ beendenden Entscheidung i. S. d. § 173 Satz 2 VwGO, § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG hat die Klägerin gewahrt. Das das Klageverfahren beendende Urteil stammt vom 16. September 2015, am 31. Dezember 2015 ist die vorliegende Leistungsklage erhoben worden.

Die Leistungsklage ist von der Klägerin nach §§ 67, 173 Satz 2 VwGO, §§ 200, 201 Abs. 1 GVG zu Recht durch ihren postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten vor dem erkennenden Gericht gegen den Beklagten erhoben worden, der nach Ziffer VIII Nr. 1 d) des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien vom 12. Juli 2012 (Nds. Rpfl. 273) durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle vertreten wird.

Eines vorherigen (abschlägig oder nicht beschiedenen) Antrages beim späteren Beklagten bedarf es zur Zulässigkeit der Leistungsklage nicht (vgl. Senatsurt. v. 4.9.2014 - 21 F 1/13 -, juris, Rn. 27; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.9.2015 - 13 D 27/14 -, juris, Rn. 22, jeweils m. w. N.).

Die Klage ist bezogen auf den Entschädigungsanspruch von 2.250 EUR wegen „Überlänge“ des Klageverfahrens auch begründet.

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens „unangemessen“ im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist (zum Folgenden: Senatsurt. v. 4.9.2014 - 21 F 1/13 - , a.a.O., unter Bezug auf BVerwG, Urt. v. 27.2.2014 - 5 C 1/13 D -, Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3; juris, Rn. 18 f., m. w. N.), richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Die Aufzählung in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nicht abschließend. Bei der Bestimmung der relevanten Einzelfallumstände ist an die Maßstäbe anzuknüpfen, die das Bundesverfassungsgericht (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 27.9.2011 - 1 BvR 232/11 -, juris, Rn. 16) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Steinbeiß-Winkelmann, a.a.O., Einführung, Rn. 26 ff.) im Zusammenhang mit der Beurteilung überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelt haben (BVerfG, Beschwerdekammer, Beschl. v. 1.10.2012 - 1 BvR 170/06 - Vz 1/12 -, juris, Rn. 21). Dementsprechend ist die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen, verdichtet sich dabei mit zunehmender Verfahrensdauer (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.7. 2013 - 5 C 23/12 D -, BVerwGE 147, 146 ff.; Rn. 39, m. w. N.). Je größer der zeitliche Abstand von der Einleitung bis zur Entscheidungsreife des Verfahrens ist, desto stärker ist das Gericht gehalten, anschließend auf eine zügige Erledigung der Sache hinzuwirken.

Bei einer Betrachtung und Bewertung der dem jeweiligen Gericht obliegenden Verfahrenshandlungen ist eine Überlänge des gerichtlichen Verfahrens nicht jeweils bereits ab Entscheidungsreife zu bejahen. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) obliegt die Verfahrensgestaltung in erster Linie dem mit der Sache befassten Gericht. Ihm steht ein Spielraum hinsichtlich der Entscheidung zu, wann und wie es eine bestimmte Sache in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen terminiert oder sonst fördert (BVerwG, Urt. v. 11.7.2013, a.a.O., Rn. 39). Dieser Spielraum berücksichtigt weiter, dass das Gericht vor einer verfahrensfördernden Handlung oder Entscheidung zur Sache Zeit zur rechtlichen Durchdringung benötigt, um dem rechtsstaatlichen Anliegen zu genügen, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes vorzunehmen. Der ab Eintritt der Entscheidungsreife zugestandene Zeitraum ist im Einzelfall in Relation zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Kriterien zu bestimmen. Maßgeblich ist insoweit - genauso wie hinsichtlich der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG aufgeführten Umstände -, wie die Gerichte im Ausgangsverfahren die Lage aus ihrer ex-ante-Sicht einschätzen durften. Wie der Bundesfinanzhof (Urt. v. 19.3.2014 - X K 3/13 -, juris, Rn. 18) zutreffend ergänzt, spricht hierfür auch die nicht zu beanstandende gerichtsorganisatorische Grundentscheidung, einem Richter mehr als ein Verfahren gleichzeitig zuzuweisen, weil die begrenzten staatlichen Ressourcen möglichst effizient eingesetzt werden sollen. Sind parallel stets auch zahlreiche andere Verfahren zu bearbeiten, so ist vom verfassungsrechtlichen Spielraum auch die Entscheidung gedeckt, bestimmte Verfahren zu bündeln oder einzelne etwa wegen wichtigerer Verfahren zurückzustellen. Schließlich folgt bereits aus dem Wortlaut „unangemessen“ lang, dass nicht die optimale oder „richtige“ Länge des Gerichtsverfahrens zu bestimmen ist, sondern eine solche, die den Rahmen des noch Angemessenen überschreitet.

Hingegen ist eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder des konkreten Ausgangsgerichts bzw. Spruchkörpers für die Bemessung des richterlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Sie gehört zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.2.2016 - 5 C 31/15 D -, juris, Rn. 24, m. w. N.). Dies gilt auch für die vom Beklagten vorgetragenen Überlastungen auf Grund von länger andauernden Krankheiten, während krankheitsbedingte Ausfälle im Umfang von bis zu 30 Diensttagen im Jahr, d.h. entsprechend dem üblichen Jahresurlaub, grundsätzlich ungeeignet sind, eine regelmäßig bezogen auf Klageverfahren mindestens mehrere Monate betragende Überlänge zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.7.2013 - 5 C 27/12 D -, juris, Rn. 44).

Hieran gemessen steht der Klägerin für eine Überlänge des Klageverfahrens von 23 Monaten der insoweit geltend gemachte Anspruch in Höhe von 2.250 EUR zu:

a)Das Klageverfahren hatte einen für verwaltungsgerichtliche Verfahren durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad. Es betraf eine Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung für ein Gebäude mit überwiegender Wohnnutzung im unbeplanten Innenbereich und damit eine übliche Verfahrensmaterie. Schwierige Rechtsfragen waren nicht zu beantworten, wie sich auch aus der weitgehenden Bezugnahme im Urteil auf den Widerspruchsbescheid ergibt. Der anwaltlich vertretene, klagende Nachbar hatte zwar umfassend vorgetragen, seine Einwände bezogen sich aber überwiegend auf die vermeintliche Verletzung ihn nicht nachbarschützender Vorschriften. Der vormals zuständige Berichterstatter hatte eine Ortsbesichtigung durchgeführt. Ihr Ergebnis ist aber nicht in das spätere Urteil eingeflossen, so dass es für die Urteilsfindung danach auch keiner aufwendigen Beweisaufnahme bedurfte.  Schließlich spricht auch die im Einvernehmen mit den Beteiligten des Ausgangsverfahrens erfolgte Übertragung des Rechtsstreits auf den Berichterstatter als Einzelrichter indiziell für die Einstufung des Verfahrens als allenfalls durchschnittlich schwierig (vgl. § 6 Abs. 1 VwGO).

b) Die Klage hatte für die Klägerin jedenfalls eine - am oberen Rand liegende - mittlere Bedeutung.

Entscheidend ist dabei eine objektive, nicht aber die subjektive Beurteilung des jeweiligen Klägers, d.h. es kommt auf den verständigen Betroffenen an (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 18; Ott, a. a. O., § 198, Rn. 109). Die Rechte, in die eingegriffen worden sein soll bzw. um die gestritten wird, müssen gegenüber dem Ausgangsgericht geltend gemacht worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.14, a. a. O., Rn. 22) oder für dieses sonst erkennbar gewesen sein und sind objektiv aus der ex-ante Sicht zu bewerten.

Wie sich aus den Bauantragsunterlagen und ergänzend aus dem Vorbringen der vom Ausgangsgericht Beigeladenen und jetzigen Klägerin ergab, hatte der von ihr geplante, teilfinanzierte Umbau ein Investitionsvolumen von über 500.000 EUR. Die Kanzleiräume u. a. des Ehemannes sowie die Familienwohnung für nachgeborene Kinder sollten erweitert und zusätzlicher Wohnraum u.a. in Form von Studentenappartements geschaffen werden. Einschränkend ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach § 212a Abs. 1 BauGB grundsätzlich von der Baugenehmigung hätte Gebrauch machen können, im Laufe des Verfahren selbst mehrfach das ursprüngliche Vorhaben umgeplant hat und danach offen geblieben ist, ob von der Baugenehmigung in der angefochtenen Fassung überhaupt noch Gebrauch gemacht werden wird.

c) Das Verhalten der Verfahrensbeteiligten hat für den Zeitraum vom 3. April 2014 bis zum 5. Juni 2015 zur Verzögerung des Rechtsstreits beigetragen. Denn in dem Ortstermin vom 3. April 2014 hatte sich die damalige Beigeladene und Klägerin in diesem Verfahren zu einer Umplanung bereit erklärt, auf deren Basis der Rechtsstreit einvernehmlich beigelegt werden sollte. Diese Vergleichsbemühungen zogen sich zumindest bis zum 5. Juni 2015 hin, als die beklagte Stadt Osnabrück als Bauaufsichtsbehörde  den letzten Vergleichsvorschlag des Gerichts wegen der aus ihrer Sicht fehlenden Übereinstimmung des Bauantrages vom April 2015 mit dem Bauvorbescheid vom Juli 2014 ablehnte.

Ausgehend von den diesen und den weiteren allgemeinen o.a. Vorgaben für die Beurteilung der (Un-)Angemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer ergibt sich danach folgendes Bild:

Mit dem Schriftsatz der damaligen Beigeladenen vom 8. Februar 2011 war das Klageverfahren zwar ggf. im Hinblick auf die nachfolgend vom Berichterstatter als Einzelrichter vorgenommene Ortsbesichtigung noch nicht entscheidungsreif, aber jedenfalls „ausgeschrieben“. Hierauf hatte die Beigeladene ausdrücklich hingewiesen, ohne dass ihr die anderen Beteiligten widersprachen oder nachfolgend noch erhebliches neues Vorbringen erfolgte. Auch der Berichterstatter hat keinen weiteren schriftlichen Aufklärungsbedarf gesehen. Dies ergibt sich aus der Übersendung des Schriftsatzes vom 8. Februar 2011 zur lediglich evtl. Stellungnahme an die übrigen Verfahrensbeteiligten sowie der am 11. Februar 2011 zunächst verfügten Wiedervorlage „auf Abruf“. Der nachgereichte Schriftsatz der damaligen Beigeladenen vom 9. Mai 2011 vertiefte das bisherige Vorbringen lediglich und bot daher dem Gericht keinen Anlass zu weitergehenden Maßnahmen. Deshalb erfolgte auf die Nachfrage der Beigeladenen am 14. Oktober 2011 eine Wiedervorlage zum 20. November 2011 mit dem Zusatz „T?“ für Termin; entsprechende Aktenvermerke sind berücksichtigungsfähig (vgl. Heine, MDR, 2014, 1008, 1011).

Die „durchschnittliche“ Baunachbarklage (vgl. zu deren üblicher Laufzeit in Niedersachsen die Angaben in der Landtagsdrucksache 17/3756) hätte daher unter Berücksichtigung des bezeichneten richterlichen Überdenkens- und Entscheidungsspielraums spätestens innerhalb eines weiteren Jahres, d.h. bis zum Ende Februar 2012, gefördert werden müssen (vgl. zur Herausbildung solcher „weicher“ Richtwerte für einzelne Fallgruppen von verwaltungsgerichtlichen Verfahren Maidowski, jM 2014, 81, 83, sowie zu vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten angeführten, weitergehenden „Faustregeln“ in sozialgerichtlichen Verfahren Stotz, jurisPR-SozR 10/2015, Anm. 1, C, bzw. in finanzgerichtlichen Verfahren: Kulosa, jM 2014, 293, 298, und zu den insoweit bestehenden Grenzen der Typisierung in verwaltungsgerichtlichen Verfahren aus neuerer Zeit: Bayrischer VGH, Urt. v. 10.12.2015 - 23 A 14/2252 -, juris, Rn. 28 ff., m. w. N.). Da dies unterblieben ist, begann ab dem März 2012 die - als kleinste Einheit in Monaten zu bemessende (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.2.2015 - 5 C 5/14 D -, juris, Rn. 55) - unangemessene Dauer des Klageverfahrens. Dem steht weder entgegen, dass die Klägerin erst am 25. September 2012 eine Verzögerungsrüge erhoben hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.2.2016 - 5 C 31/15 D -, juris, Leitsatz 2), noch, dass sie ihren Entschädigungsanspruch selbst erst zum 20. September 2012 einsetzen lässt. Denn damit ist keine für das Gericht maßgebende Eingrenzung des Streitgegenstandes auf den danach liegenden Zeitraum verbunden - so dass die Zulässigkeit einer solchen Eingrenzung offen bleiben kann (vgl. zur jedenfalls prozessual zulässigen Begrenzung der Entschädigungsklage auf eine von mehreren Instanzen, BVerwG, Urt. v. 27.2.2014, a.a.O., Leitsatz 1) -, sondern lediglich ein aus Sicht der Klägerin „vorsichtiger“ Anfangszeitpunkt als Begründungselement der Klage bezeichnet worden; dies wird auch dadurch deutlich, dass sie in der Klagebegründung selbst ausdrücklich darauf verwiesen hat, das Klageverfahren sei schon vor dem September 2012 verzögert gewesen.

Durch die Übersendung der Schriftsätze des Klägers vom 18. September 2012 und 26. Oktober 2012 ist das Verfahren nicht sachlich gefördert, d.h. die bis dahin eingetretene Verzögerung unterbrochen worden. Denn der Austausch von Schriftsätzen zu einem Vorbringen, das aus der grundsätzlich maßgeblichen Sicht des Ausgangsgerichts unerheblich ist, rechtfertigt eine weitere Verzögerung nicht. So liegt es hier. Denn die in den Schriftsätzen des Klägers vom 18. September 2012 und 26. Oktober 2012 enthaltenen Mutmaßungen über eine etwaige Fälschung der Bauantragsunterlagen hinsichtlich der Größe des Baugrundstücks sind sowohl vom damals zuständigen Berichterstatter als auch von seiner Dezernatsnachfolgerin für unerheblich erachtet worden. So hat der Berichterstatter nach seinen Vermerken in den Gerichtsakten keinen weiteren Aufklärungsbedarf gesehen. Dementsprechend ist der Vorwurf nachfolgend nicht weiter aufgeklärt worden und nicht einmal in den Tatbestand des Urteils vom 10. September 2015 aufgenommen worden.

In dem sich anschließenden Zeitraum bis zur Vorbereitung des Ortstermins am 3. April 2014 sind Akten an die Staatsanwaltschaft übersandt worden; außerdem ist das Verfahren auf den Einzelrichter übertragen worden. Beide Maßnahmen zusammen durften angesichts der bereits eingetretenen Verzögerung und der sich damit verstärkenden richterlichen Verpflichtung, auf eine zügige Erledigung der Sache hinzuwirken, höchstens einen Zeitraum von einem Monat einnehmen. Da dem Verwaltungsgericht der Gegenstand und der Ausgang des Ermittlungsverfahrens unbekannt sind und hierauf bei der Urteilsfindung nicht abgestellt worden ist, bestand aus seiner maßgebenden Sicht insbesondere kein Grund, wegen vermeintlicher Vorgreiflichkeit des Ermittlungsverfahrens das Klageverfahren nicht weiter zu fördern. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der Staatsanwaltschaft für mehr als zwei Wochen die Originalakten zur Verfügung gestellt werden mussten bzw. warum andernfalls beim Verwaltungsgericht kein hinreichendes Retent mit Kopien angelegt worden ist, auf dessen Grundlage das Verfahren hätte fortgeführt werden können. Nach dem Urteil vom 10. September 2015 kam es auf die Einzelheiten der Bauunterlagen ersichtlich nicht an. Für die Anhörung der Beteiligten zur Einzelrichterübertragung war in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium ebenfalls ein Zeitraum von maximal zwei Wochen noch angemessen.

Für die Vorbereitung des am 3. April 2014 durch den Einzelrichter durchgeführten Ortstermins reichte angesichts der bis dahin bereits eingetretenen erheblichen Verzögerung ein Monat aus.

Damit ergibt sich für die Zeitspanne vom März 2012 bis Ende Februar 2014 unter Abzug des o.a. Zeitraums von einem Monat eine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens von 23 Monaten.

Die vom Beklagten unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Präsidenten des Verwaltungsgerichts und des Kammervorsitzenden vorgetragenen Gründe für die Verzögerung in diesem Zeitraum rechtfertigen diese nicht. Vorrangig wird dabei auf eine Überlastung des Gerichts im Allgemeinen u.a. durch Abordnungen und der Kammer im Besonderen, hierbei bedingt durch die sog. Modulationsklagen (vgl. dazu den über die homepage des erkennenden Gerichts im Internet abrufbaren Geschäftsbericht für die niedersächsische Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013) sowie eine vorübergehende Unterbesetzung, verwiesen; eine so begründete Überlastung ist aber aus den vorgenannten Gründen strukturell bedingt und damit unerheblich. Die aufgezeigte Verzögerung kann auch nicht auf die Krankheiten von Kammermitgliedern zurückgeführt werden. Denn die Förderung des Verfahrens oblag in dem maßgebenden Zeitraum dem Berichterstatter und nachfolgenden Einzelrichter. Er war nach Aktenlage aber „nur“ im Jahr 2014 an sieben Tagen dienstunfähig. Selbst wenn man eine Zusatzbelastung durch die Vertretung des im Jahr 2013 an 29 Tagen dienstunfähigen Vorsitzenden einbezieht, hielt sich damit die krankheitsbedingte Zusatzbelastung des Berichterstatters im üblichen, ggf. durch vorübergehende Mehrleistung auszugleichenden Rahmen. Auf die weiterhin geltend gemachte längerfristige Erkrankung eines weiteren Kammermitgliedes ab dem Sommer 2014 kommt es aus den folgenden Gründen nicht an.

Denn ab dem März 2014 ist es zu keiner weiteren relevanten Verzögerung gekommen. Bis zum 3. April 2014 war der Ortstermin vorzubereiten. Danach schlossen sich jedenfalls bis zum 5. Juni 2015 die angeführten Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten an.

Entgegen der Annahme der Klägerin war der weitere Verfahrensablauf bis zum Erlass des Urteils auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2015 ebenfalls nicht unangemessen lang:

Die Einzelrichterin hatte bereits unter dem 1. Juni 2015 wegen der sich abzeichnenden Ablehnung ihres Vergleichsvorschlages vom 11. Mai 2015 durch die Beklagte einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2015 bestimmt, den sie wegen Verhinderung der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22. Juni 2015 um eine Woche auf den 9. Juli 2015 verlegen musste. Am 6. Juli 2015 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers wegen nochmals geänderter Planungen der Beigeladenen eine Verlegung dieses Termins erbeten. Dieser Bitte entsprach die Einzelrichterin am Folgetag mit einer „letztmaligen“ Verlegung auf den 10. September 2015, um noch die aktuellen Planungen der damaligen Beigeladenen berücksichtigten zu können.  Entgegen der Annahme der ursprünglich Beigeladenen und jetzigen Klägerin lag diese Verlegung noch innerhalb des richterlichen Gestaltungsspielraums. Denn auch sie hat als damalige Beigeladene im Ausgangsverfahren trotz ausführlicher Darlegung der Gründe in der Umladung vom 7. Juli 2015 nicht bestritten, dass sie nochmals an einer Änderung ihrer Bauunterlagen arbeite. Sie hat auch nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es ihr ungeachtet dessen allein um die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung aus dem Jahr 2010 gehe. Vielmehr hat sie ihre Ablehnung der erneuten Verlegung darauf gestützt, dass sich der Kläger zu Unrecht ein Mitspracherecht an ihren Planungen anmaße und unzutreffende Angaben über ein Einverständnis der Beklagten mit der Verlegung gemacht habe. Musste daher die Einzelrichterin davon ausgehen, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung ggf. nicht mehr realisiert, sondern durch eine aktualisierte Planung ersetzt werden sollte und diese ggf. noch in das Verfahren zur abschließenden Streitbeilegung einfließen konnte, so rechtfertigte dieser Gesichtspunkt auch angesichts der nunmehr außergewöhnlich langen Verfahrenslaufzeit eine letztmalige Terminsverlegung um zwei Monate.

Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2015 ergangene Urteil ist den Beteiligten am 16. September 2016 zugestellt worden. Darin liegt ersichtlich keine weitere Verzögerung des Verfahrens.

Da gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts keine Rechtsmittel eingelegt worden sind und sich somit keine zweite Instanz angeschlossen hat, stellt sich nicht die Frage, inwieweit eine Überlänge des erstinstanzlichen Verfahrens durch ein beschleunigt durchgeführtes Verfahren in einer höheren Instanz ganz oder teilweise kompensiert worden ist (vgl. zu dieser Kompensationsmöglichkeit: BVerwG, Urt. v. 27.2.2014, a.a.O., juris, Rn. 12, m. w. N.).

Durch die Verzögerung von 23 Monaten hat die Klägerin einen immateriellen Nachteil erlitten, der durch Entschädigung wiedergutzumachen ist (vgl. zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 29.2.16, a.a.O., Rn. 45 ff., m. w. N.).

Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Weder ist diese Vermutung vorliegend widerlegt noch eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ausgeschlossen. Danach entfällt eine Entschädigung, soweit nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. Eine solche bloße Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist hier jedoch mit Blick auf den erheblichen Umfang der Verzögerung des vom Schwierigkeitsgrad durchschnittlich gelagerten Falles und wegen der zumindest durchschnittlichen Bedeutung des Verfahrens für die Klägerin nicht ausreichend.

Die Klägerin ist in Höhe von 2.250 EUR zu entschädigen.

Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1.200 EUR für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Für Zeiträume unter einem Jahr lässt diese Regelung - wie zuvor ausgeführt - eine zeitanteilige, monatliche Berechnung zu. Nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1.200 EUR nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Demnach ergibt sich für den Verzögerungszeitraum von 23 Monaten ein Betrag in Höhe von 2.300 EUR, von denen der Klägerin nach § 201 Abs. 2 GVG, §§ 173 Satz 3, 88 VwGO die insoweit allein geltend gemachten 2.250,- EUR zuzusprechen sind. Die Bindung an die ausdrücklich geltend gemachte Klageforderung entfällt nicht dadurch, dass ein Kläger nicht verpflichtet ist, den beanspruchten Entschädigungsbetrag exakt zu beziffern (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.2.2015, a.a.O., juris, Rn. 15 f. sowie dazu Störmer, jurisPR-BVerwG 19/2015, Anm. 2, C 1). Wegen des jeweils unterschiedlichen Streitgegenstandes wäre auch eine Teilsaldierung mit den ursprünglich ergänzend für eine Verzögerung der „Kostenverfahren“ geforderten 300 EUR nicht in Betracht gekommen.

Der zuerkannte (Prozess-)Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.2014, a.a.O., Rn. 46).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO. § 167 Abs. 2 VwGO ist jedenfalls auf die vorliegende, auf eine Geldleistung gerichtete Leistungsklage nicht entsprechend anwendbar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 167, Rn. 11, m. w. N.).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.