Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 14.01.2003, Az.: 71 II 325/02
Fensteraustausch als modernisierende Instandsetzung; Rollladengeräusche als im Rahmen der Sozialadäquanz hinzunehmende Geräusche; Abstellung für die Beurteilung einer optischen Beeinträchtigung auf den umgebenden Gesamteindruck; Folgen einer Einladung zu einer Eigentümerversammlung durch Unberechtigten
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 14.01.2003
- Aktenzeichen
- 71 II 325/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 26527
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2003:0114.71II325.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG
- § 22 Abs. 1 Nr. 1 WEG
- § 22 Abs. 1 S. 2 WEG
- § 21 Abs. 3 WEG
Fundstellen
- ZMR 2003, 963-964 (Volltext mit red. LS)
- ZfIR 2003, 264-265 (red. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Beseitigung und Wiederherstellung
In der Wohnungseigentumssache
hat das Amtsgericht Hannover, Abteilung für WEG-Sachen,
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2003
durch
Richter am Amtsgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Antragsteller und Antragsgegnerin sind Mitglieder der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft, wobei die Antragsgegnerin Eigentümerin seit dem 01.08.2002 einer Erdgeschosswohnung im Hause ... Hannover ist, der Antragssteller Eigentümer der darüber liegenden Wohnung im ersten Obergeschoss.
Nachdem die Antragsgegnerin mit notariellem Kaufvertrag aus Juli 2002 die Eigentumswohnung erworben hatte, kündigte sie mit Schreiben vom 28.06.2002 (Blatt 4 der Akten) den übrigen Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft an, dass sie beabsichtige, die alten Holzfenster der von ihr gekauften Wohnung durch Kunststofffenster mit Rolläden auszutauschen und schlug vor, entsprechende Zustimmungserklärungen bei dem Notartermin zwecks Kaufvertragszustimmung am 15.07.2002 gleich mit zu unterschreiben. Mit Schreiben vom 29.06.2002 (Blatt 5 der Akten) erklärte der Antragsteller bereits seine Ablehnung und monierte zugleich die von dem Voreigentümer ... eigenmächtig im Kellerbereich installierte Gasuhr. Im Hinblick auf den Notartermin wurden die Eigentümer von dem Voreigentümer ... angeschrieben (Blatt 23 der Akten). Ausweislich des Protokolls wurde bei diesem Termin mehrheitlich der Beschlussantrag auf den angekündigten Fensteraustausch inklusive Rolläden genehmigt (Blatt 24 der Akten). Mit Schreiben vom 15.08.2002 (Blatt 7 der Akte) wandte sich der Antragsteller gegen die Zustimmungen.
Insoweit ist er der Auffassung, dass eine bauliche Veränderung vorliege, die eine einstimmige Beschlussfassung erforderlich gemacht hätte. Hierzu behauptet er, die Fensterglasfläche sei angesichts der Rolläden um ca. 20 cm reduziert, woraus sich eine optische Beeinträchtigung ergebe, zumal - unstreitig - keine weitere Eigentumswohnung im Hause Nr. 19 über Rolläden verfüge. Er behauptet, es käme angesichts der Motorengeräusche der Rolläden zu Geräuschbelästigungen. Weiterhin behauptet der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe im August 2002 einen Deckendurchbruch für Zuleitungen zu Heizungen in der im Gemeinschaftseigentum stehenden Waschküche veranlasst ohne vorherige Genehmigung der übrigen Miteigentümer.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen,
- 1.
die eigenmächtig und wider besseres Wissen in den oberen Teil ihrer Fenster sowie in die Balkontür eingebauten Rolläden umgehend auszubauen und in die Fensterrahmen wieder solche Scheiben einzubauen, die das äußere Bild des Hauses ... nicht verändert,
- 2.
den Durchbruch der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Decken wieder zu schließen, die Installation ihrer privaten Heizung sowie ihrer Wasser- und Gasversorgung aus dem gemeinschaftlichen Eigentum zu entfernen und in ihre eigene Wohnung zurückzuverlegen, wie dies bei allen andere Wohnungen auch der Fall ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen,
Sie meint, bei dem Austausch der Fenster handele es sich lediglich um eine modernisierende Instandsetzung. Insoweit sei im Rahmen des Notartermins vom 15.07.2002, der als Eigentümerversammlung aufzufassen sei, der erforderliche Mehrheitsbeschluss zur Legitimation der Maßnahme gefasst worden. Dieser Beschluss ist unstreitig nicht angefochten worden. Sie bestreitet eine Geräuschbelästigung, da die Motoren kaum wahrnehmbar seien. Auch ergäbe sich keine optische Beeinträchtigung, da sich in den Häusern 15 und 17 der Eigentümergemeinschaft bereits Eigentumswohnungen mit (genehmigten) Rolläden befänden. Hinsichtlich des Deckendurchbruchs behauptet sie, die Verhältnisse so vom Voreigentümer Schippert übernommen zu haben. Wegen der Einzelheiten nimmt sie Bezug auf dessen Erklärung vom 10.09.2002 (Blatt 25 der Akten). Es sei lediglich die Heizung modernisiert worden inklusive Leitungsaustausch, neue Durchbrüche seien von ihr aus nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Die Anträge gemäß § 43 Abs. 1 Ziffer 4 WEG sind unbegründet.
Hinsichtlich der Fenster mit Rolläden besteht kein Rückbauanspruch, weil der Fensteraustausch mit ausreichender Mehrheit von den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft am 15.07.2002 gebilligt wurde.
Es handelt sich bei dem Fensteraustausch um keine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 Ziffer 1 WEG, sondern lediglich um eine sog. modernisierende Instandhaltung bzw. -setzung. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG bedeuten bauliche Veränderungen nur solche Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung öder Instandsetzung desgemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Eine ordnungsgemäße Instandsetzung liegt nach allgemeiner Meinung auch dann vor, wenn eine technisch bessere modernere Lösung wirtschaftlich sinnvoll ist; dies kann auch über die Wiederherstellung des mangelfreien Zustands hinausgehen (Weitnauer, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage, § 21 Rnr. 34 m.w.N.). Was den Austausch der Holz durch die Kunststofffenster betrifft, liegt zweifellos eine Instandsetzung vor. Dies gilt aber auch hinsichtlich der Rolläden, da es sich hierbei um die technisch bessere und modernere Lösung handelt, die letztlich auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Denn bei der Wohnung der Antragsgegnerin handelt es sich um eine Parterrewohnung. Rolläden bieten über einen Sichtschutz hinaus auch einen Einbruchschutz sowie eine effektivere Wärmedämmung.
Im Übrigen ist auch zweifelhaft die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG erforderliche Beeinträchtigung des Antragstellers. Zum einen handelt es sich bei Rollädengeräusche um übliche Geräusche, die im Rahmen der Sozialadäquanz hinzunehmen sind. Besondere, d.h. über das Normale hinausgehende Geräuschbeeinträchtigungen sind nicht nachvollziehbar dargelegt. Auch ist die vom Antragsteller monierte optische Beeinträchtigung im Bereich des Unerheblichen anzusiedeln. Zum einen ergibt sich nur eine geringfügig optische Veränderung, da die Fenster im Übrigen optisch nicht von den anderen Fenstern zu unterscheiden sind, zum anderen ist unstreitig, dass teilweise Wohnungen der beiden anderen Häuser der Wohnungseigentumsanlage bereits über Wohnungen mit Rolläden verfügen; für die Beurteilung der optischen Beeinträchtigung ist nicht auf das einzelne Haus, sondern den umgebenden Gesamteindruck, insbesondere auf die übrigen Häuser der Wohnungseigentumsanlage abzustellen.
Die nach dem Vorstehenden durchgeführte ordnungsgemäße Instandsetzung als modernisierende Instandsetzung ist wirksam durch einen mehrheitlichen Beschluss gemäß § 21 Abs. 3 WEG legitimiert. Zu dem Notartermin am 15.07.2002 ist eine Vielzahl der Wohnungseigentümer erschienen. Hierzu ist eingeladen worden. Selbst wenn die Einladung durch einen Unberechtigten erfolgte, kann dies rechtliche Folgen nur haben im Falle einer Beschlussanfechtung. Dies ist unstreitig nicht geschehen, so dass der Beschluss gemäß § 21 Abs. 3 WEG bestandskräftig geworden ist. Bei der Zusammenkunft am 15.07.2002 handelte sich auch um eine Eigentümerversammlung gemäß § 23 WEG. Wie bereits erwähnt, sind formelle Mängel nicht innerhalb der Monatsfrist gerichtlich geltend gemacht worden. Bei dem Notartermin waren so viele Eigentümer anwesend, dass es zu einer Beschlussfähigkeit gemäß § 25 Abs. 3 WEG kam. Es wurde wie bei jeder Eigentümerversammlung über einen bestimmten Beschlussgegenstand abgestimmt. Dass dies auch im schriftlichen Wege erfolgte, ist unschädlich. Es handelt sich um keinen sog. Umlaufbeschluss gemäß § 23 Abs. 3 WEG, der die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich gemacht hätte, weil, wie bereits dargestellt, eine Versammlung der Eigentümer gemäß § 23 ff. WEG vorlag.
Damit war der Antrag zu 1. zurückzuweisen. Das Gleiche gilt auch für den Antrag zu 2.
Insoweit ist von der Antragsgegnerin bestritten worden, die vom Antragsteller behaupteten Durchbrüche etc. vorgenommen zu haben. Insoweit ist der Antragsteller beweisfällig geblieben. Auch wenn im WEG-Verfahren das Amtsermittlungsverfahren gemäß § 12 FGG gilt, entspricht es jedoch ständiger Rechtsprechung, dass dessen ungeachtet die Verfahrensbeteiligten eine Prozessförderungspflicht trifft mit der Folge von Darlegungslasten, mit der weiteren Folge, auch der Pflicht zur Benennung geeigneter Beweismittel.
Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 47 WEG. Danach hat der unterlegene Antragsteller die Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt gemäß § 48 Abs. 3 WEG in Verbindung mit § 30 Abs. 2 Kostenordnung (Regelgeschäftswert).