Amtsgericht Hannover
Urt. v. 07.02.2003, Az.: 535 C 8222/02
Tatsächliches Angebot auf Rückgabe der Mietsache (Wohnung); Üblicher Mietzins als Nutzungsentschädigung; Recht zur Besitzaufgabe; Zurückbehalten eines Schlüssels
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 07.02.2003
- Aktenzeichen
- 535 C 8222/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 26835
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2003:0207.535C8222.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 557 BGB
- § 556 Abs. 1 BGB
- § 294 BGB
- § 295 BGB
- § 303 BGB
- § 242 BGB
Fundstelle
- WuM 2003, 335-337 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Im vorliegenden Fall hat der Vermieter das tatsächliche Angebot des Mieters, die Wohnung zu übergeben, nicht angenommen. Mit Beginn dieses Annahmeverzugs liegt keine verspätete Rückgabe der Mietsache mehr vor. Der Mieter ist nicht verpflichtet, den üblichen Mietzins als Nutzungsentschädigung weiterzuzahlen.
- 2.
Der Mieter kann durch Besitzaufgabe seiner Rückgabeverpflichtung hinreichend nachkommen, wenn sich der Vermieter in Annahmeverzug befindet. Die Besitzaufgabe muss explizit angedroht werden. Die Androhung kann aber unnötig sein, wenn der Vermieter die Rücknahme des Objekts unberechtigterweise verweigert.
- 3.
Die Rückgabe des Mietobjektes erfolgt auch dann, wenn der Mieter dem Vermieter nicht sämtliche Schlüssel überlässt, der Vermieter aber mit weiteren Schlüsseln einverständlich über die Mietsache verfügen kann.
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 535 -
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2003
durch
den Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 409,42 EUR zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2002 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis zwischen dem Kläger als Mieter und dem Beklagten als Vermieter der Wohnung in der ... in Hannover.
Der Kläger war ab dem 01.02.1993 zusammen mit seiner ehemaligen Freundin ... Mieter der im Eigentum des Beklagten stehenden Wohnung im ... in Hannover. Frau ... zog vorzeitig aus der gemeinsamen Wohnung aus und trat sämtliche ihr aus dem Mietverhältnis zustehenden Ansprüche an den Kläger ab. Zu Beginn des Mietverhältnisses entrichtete der Kläger eine Mietkaution in Höhe von 2.295,00 DM, die gemäß § 7 des Mietvertrages mit einem Zinssatz von 1,5 % zu verzinsen war. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis zum 31.05.2001 fristgemäß und räumte die Wohnung zu diesem Zeitpunkt. Am 11.06.2001 führte der Kläger zusammen mit dem Architekten ... eine Wohnungsabnahme durch. Sie lasen die Zählerstände ab und hielten weiter fest, dass der Kläger von dem Beklagten für einen im Badezimmer eingebauten Waschtisch 350,00 DM erhalten sollte. Um diesen Anspruch durchsetzen zu können, behielt der Kläger einen Wohnungsschlüssel nach Übergabe der Wohnung für sich. Die Wohnung war insgesamt mangelfrei, soweit der Kläger dafür die Verantwortung zu tragen hatte. Der Kläger erhielt von dem Beklagten die Erlaubnis, den Mietzins für die Monate April und Mai 2001 gegenüber seinem Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution zu verrechnen. Da die Mietkaution 1.173,41 EUR, die Zinsen vom 01.02.1993 bis zum 31.05.2001 155,04 EUR und der vereinbarten Preis für den Waschtisch 178,95 EUR ausmachten, verblieb nach Ansicht des Klägers abzüglich der beiden Mieten für April und Mai 2001 von je 548,99 EUR ein überschießender Betrag in Höhe von 409,42 EUR zu seinen Gunsten. Mit Schreiben vom 25.02.2002 forderte der Kläger den Beklagten mit Fristsetzung zum 07.03.2002 zur Rückzahlung dieses Betrages auf. Der Kläger reagierte hierauf nicht.
Der Kläger behauptet, er habe die Wohnungsschlüssel gemäß einer Vereinbarung mit der Sekretärin des für den Beklagten auftretenden Wohnungsmaklers ... bereits am 28.05.01 bei dem im selben Haus befindlichen Sonnenstudio ... hinterlegt. Hierüber sei Einigkeit zwischen ihm und dem Wohnungsmaklerl ... erzielt worden. Den zweiten Wohnungsschlüssel habe er vereinbarungsgemäß nach der Wohnungsübergabe wieder in dem Sonnenstudio hinterlegt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, 409,42 EUR zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2002 an den Kläger zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, nach der Übergabe am 11.06.2001 sei der Kläger noch weiter in der Wohnung gesehen worden. Der Architekt ... habe ferner den Kläger im Rahmen der Wohnungsübergabe am 11.06.2001 darauf hingewiesen, dass die Miete bis zur vollständigen Übergabe gezahlt werden müsse. Der Kläger habe die Schlüssel zur Wohnung dennoch behalten. Mitte Juni bis Anfang Juli habe der Beklagte den Kläger noch einmal darauf hingewiesen, dass sein Objekt nicht weitervermietet werden könne, da der Kläger nicht die Schlüssel vollständig herausgegeben habe. Der Kläger habe aber weiter nicht bekannt gegeben, wo sich die Schlüssel befänden, dies habe er erst am 27.07.2001 erfahren.
Der Beklagte ist der Ansicht, er könne aus diesen Gründen ein Nutzungsentgelt für die Monate Juni und Juli 2001 von je 548,99 EUR vom Kläger beanspruchen. Von dieser Gesamtforderung in Höhe von 1.097,98 EUR zieht der Beklagte die vom Kläger geltend gemachten 409,42 EUR ab und beantragt widerklagend,
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 688,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 01.09.2001 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Amtsgericht Hannover hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2003 über die Frage der Übergabemodalitäten der Wohnung in der ... zwischen dem Kläger und dem Architekten ... durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen ... Beweis erhoben. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 17.01.2003 (Blatt 52 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, die Widerklage unbegründet.
1.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch in Höhe von 409,42 EUR aus der dem Beklagten überlassenen Kaution sowie im Hinblick auf den zurückgelassenen Waschtisch in der Wohnung des Beklagten.
Sowohl der Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 230,47 EUR als auch der kaufvertragliche Anspruch über den Waschtisch in Höhe von 178,95 EUR zugunsten des Klägers sind unstreitig fällig und durchsetzbar.
2.
Dem Beklagten steht hingegen kein Nutzungsanspruch gemäß § 557 BGB a. F. in Höhe von 1.097,98 EUR gegen den Kläger zu.
a)
Ein solcher Anspruch auf Nutzungsentschädigung im Sinne des § 557 BGB a. F. ist nicht bis zur Wohnungsübergabe am 11.06.2001 entstanden. Der Kläger war im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB a. F. verpflichtet, die Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses am 31.05.2001 dem Beklagten zurückzugeben. Unstreitig hatte der Beklagte die Wohnung zu diesem Zeitpunkt bereits geräumt. Vom Beklagten bestritten ist hingegen, dass der Kläger die Wohnungsschlüssel in dem Sonnenstudio ... hinterlegt haben will, wovon der Wohnungsmakler ... als Vertreter des Klägers Kenntnis gehabt haben soll. Hierauf kommt es indes nicht an. Zum Zeitpunkt der Wohnungsübergabe am 11.6.2001 befand sich der Beklagte bereits im Annahmeverzug, denn der Kläger wollte dem Beklagten die Wohnung bereits zum 31.5.2001 übergeben. Diese Bereitschaft des Klägers stellt ein tatsächliches Angebot im Sinne des § 294 BGB dar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger dem Beklagten ein solches Angebot zur Wohnungsrückgabe abgegeben hatte. Die Übergabe ist aber erst zum 11.06.2001 zustande gekommen, da der Wohnungsmakler ... als Vertreter des Klägers keinen früheren Termin zur Verfügung hatte. Dies hat der Zeuge ... in seiner Vernehmung so bekundet. Für das Gericht ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, warum dem Zeugen ... nicht geglaubt werden sollte. Aufgrund des Angebots des Klägers brauchte der Beklagte nichts weiter zu tun, als die vom Kläger angebotene Wohnung anzunehmen. Dass der Vertreter des Beklagten hierzu vor dem 11.06. nicht in der Lage war, geht nicht zu Lasten des Klägers. Denn der Beklagte geriet im Sinne des § 295 BGB allein dadurch in Annahmeverzug, dass er die angebotene Leistung nicht annahm. Aus welchem Grund dies geschah und ob er die Nichtannahme zu vertreten hatte, ist ohne Belang, weil der Annahmeverzug kein Verschulden des Gläubigers voraussetzt. Mit Beginn des Annahmeverzugs lag aber keine verspätete Rückgabe im Sinne des § 557 BGB mehr vor, so dass der Kläger auch nicht verpflichtet war, den üblichen Mietzins als Nutzungsentschädigung bis zum 11.06.2001 weiterzuzahlen.
b)
Dem Beklagten steht auch kein Nutzungsersatzanspruch aus § 557 a. F. gegen den Kläger für die Zeit vom 12.06.2001 bis zum 31.07.2001 zu. Denn der Kläger hat im Sinne des § 303 BGB mit der Wohnungsübergabe den Besitz an der von ihm gemieteten Wohnung aufgegeben.
aa)
Die in § 303 BGB geregelte Lösung kommt dem Kläger zugute. Die Vorschrift ist auf den vertraglichen Herausgabe- und Räumungsanspruch gemäß § 556 Abs. 1 BGB anwendbar, soweit er, wie hier, auf die Rückgabe gemieteter Wohnräume gerichtet ist. Durch die Besitzaufgabe im Sinne des § 303 BGB ist der Kläger der Rückgabeverpflichtung der Mietwohnung im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB a. F. hinreichend nachgekommen. Während der Rückgabeschuldner bei einer beweglichen Sache die Möglichkeit hat, sich durch Hinterlegung (§ 372 BGB) von seiner Verpflichtung zu befreien, gibt § 303 BGB demjenigen, der zur Herausgabe eines Grundstückes verpflichtet ist, im Falle des Annahmeverzuges des Gläubigers statt dessen ein Recht zur Besitzaufgabe. Wird es ausgeübt, wobei grundsätzlich eine Androhung vorauszugehen hat (§ 303 Satz 2 BGB), so tritt gleichfalls eine schuldbefreiende Wirkung ein. Nach der Besitzaufgabe (Preisgabe) kann der Gläubiger keine Herausgabe mehr verlangen, geschweige denn Ansprüche aus § 557 BGB a. F. geltend machen.
bb)
Der Beklagte geriet mit der Übergabe der Mietwohnung am 11.06.2001 im Annahmeverzug gemäß § 293 BGB. Denn der Kläger hat dem Vertreter des Beklagten den unbeschränkten Zutritt zu der vom ihm vollständig geräumten Wohnung ordnungsgemäß im Sinne des § 293 BGB angeboten. Unstreitig hat der Kläger zu diesem Termin dem Zeugen ... die Wohnung leergeräumt übergeben. Zwar gehört zur Rückgabe der Wohnung nicht nur, dass der Mieter die Wohnung räumt, sondern ebenso, dass die Schlüssel herausgegeben werden. Hierfür ist die Rückgabe der Schlüssel tatsächlich anzumieten (§ 294 BGB). Falls der Vermieter allerdings die Annahme zu Unrecht ablehnt, gerät er in Annahmeverzug (LG Osnabrück, WuM 1984, S. 2). Der Zeuge ... hat glaubhaft bekundet, dass er die vom Kläger angebotenen Schlüssel nicht annehmen wollte, da er sich nicht selbst mit der Rückgabe der Schlüssel an den Beklagten belasten mochte. Da der Architekt ... bei der Wohnungsübergabe als Vertreter im Sinne des § 164 BGB für den Beklagten auftrat, muss sich der Beklagte dieses Verhalten zurechnen lassen. Mithin hat der Beklagte durch dieses Verhalten das tatsächliche Angebot der Übergabe der Verfügungsgewalt über die Wohnung im Sinne des § 294 BGB seitens des Klägers nicht angenommen.
cc)
Durch die Übergabe geräumten Wohnung und dem Angebot an den Zeugen ... den zweiten Schlüssel zu übergeben, hat der Kläger den Besitz an der Mietwohnung im Sinne des § 856 BGB aufgegeben. Dies war auch für den Zeugen ... ersichtlich. Hierbei ist es unschädlich, dass sich der Kläger vorbehielt, bis zur vollständigen Bezahlung des Waschtisches noch einen Wohnungsschlüssel zu behalten. Die Rückgabe des Mietobjektes ist nämlich auch dann erfolgt, wenn der Mieter dem Vermieter nicht sämtliche Schlüssel überlässt, der Vermieter aber mit weiteren Schlüsseln einverständlich über die Mietsache verfügen kann (OLG Düsseldorf, MDR 1987, S. 499 [OLG Düsseldorf 19.02.1987 - 10 U 131/86]). Unstreitig wollte der Kläger zwar einen Schlüssel behalten, bis die Bezahlung seines Waschtisches geregelt wurde. Den anderen Schlüssel bot der Kläger aber dem Zeugen ... zu dessen freien Verfügung an, worauf der Zeuge die Annahme ablehnte. Wenn der Zeuge ... den zweiten Schlüssel vom Kläger angenommen hätte, hätte der Beklagte die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Wohnung erlangt.
dd)
Diese Besitzaufgabe ist zwar vom Kläger nicht im Sinne des § 303 S. 2 BGB explizit angedroht worden. Allerdings kann eine Androhung der Besitzaufgabe auch dann unnötig sein, wenn der Vermieter die Rücknahme des Objekts unberechtigterweise verweigert (OLG Düsseldorf, MDR 1999 538, 359) [OLG Düsseldorf 21.01.1999 - 10 U 32/98]. Vorliegend hat der Beklagte, vertreten durch den Zeugen ... dies vollständige Übergabe der Mietwohnung unberechtigterweise verweigert, indem er es ablehnte, den zweiten Schlüssel entgegenzunehmen.
c)
Ferner widerspräche es Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB, wenn der Beklagte in dieser Konstellation noch Nutzungsersatz für die vom Kläger ehemals bewohnte Wohnung verlangen könnte. Der Beklagte hat nach dem 11.06.01 jederzeit die Möglichkeit gehabt, die Mietwohnung wieder in Besitz zu nehmen. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen ... hat dieser dem Beklagten im Anschluss an die Besichtigung sowohl die neue Adresse des Klägers als auch dessen aktuelle Handynummer gefaxt. Weiter habe er sich nicht mehr um den Schlüssel gekümmert. Der Beklagte hätte mithin die Möglichkeit gehabt, jederzeit sich über den Verbleib der Schlüssel bei dem Kläger zu informieren. Dies hat er bis zum 27.07.2001 nicht getan. Die entgegenstehende Behauptung des Beklagten konnte der Zeuge ... nicht bestätigen.
3.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 247 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzliche Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.