Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 08.04.2003, Az.: 71 II 393/02
Verkauf von Wohnungen an die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach der Teilungserklärung
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 08.04.2003
- Aktenzeichen
- 71 II 393/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32012
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2003:0408.71II393.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 10 WEG
- § 21 Abs. 3 WEG
- § 21 Abs. 5 Ziff. 2 WEG
- § 25 WEG
- § 47 WEG
- § 48 Abs. 3 WEG
- § 30 Abs. 2 KostO
- § 640 BGB
Fundstelle
- ZMR 2004, 710-711 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Wohnungseigentumssache
In der Wohnungseigentumssache
wurde beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 10.10.2002 zu TOP 3 wird für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten haben jeweils zur Hälfte der Antragsteller und gesamtschuldnerisch die Antragsgegner zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist als Bauträger der Häuser der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft und als Eigentümer jeweils einer Eigentumswohnung sowohl im Hause 52 als auch im Hause 54 sowie weiterer Stellplätze Mitglied der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der Beteiligten zu 3. verwaltet wird.
Der Antragsteller verkaufte nach Teilung des Eigentums gemäß Teilungserklärung vom 11.11.1999 (Bl. 10 d.A.) Eigentumswohnungen an die übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft. Fortan kam es zwischen den Vertragsparteien zu Differenzen hinsichtlich der Ausführung und Fertigstellung der Häuser. Mit als "Umlaufbeschluss" überschriebenen unwiderruflichen Vereinbarung vom 31.01.2002 wurde unter Ziffer 9. dieser Vereinbarung hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums die Abnahme erklärt vorbehaltlich der Erledigung der vorhergehenden Punkte 1. bis 5. (Bl. 52 d.A.). In der Wohnungseigentümerversammlung vom 10.10.2002 wurde zu TOP 3 mehrheitlich der Widerruf des "Umlaufbeschlusses" beschlossen, zu TOP 4 bis 6 die Beauftragung der Verwaltung zur weiteren Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Überprüfung und späteren gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen der vertragsgerechten Werkleistungen gegenüber dem Antragsteller als Planer und Bauträger und die Finanzierung in zwei Teilbeträgen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 49 ff. d.A.) verwiesen.
Der Antragsteller wendet sich vornehmlich gegen den Beschluss zu TOP 3 und meint im Falle dessen Unwirksamkeit seien auch die Beschlüsse zu TOP 4 bis 6 zwangsläufig unwirksam. Zunächst moniert er, dass das Abstimmungsergebnis nicht zutreffend im Protokoll aufgeführt sei, auch sei er zu Unrecht an der Abstimmung gehindert worden. Der Widerruf des "Umlaufbeschlusses'' komme nicht in Betracht, weil der zu Grunde liegende Beschluss vom 31.01.2002 von allen Vertragsparteien als unwiderruflich angenommen und später nicht angefochten, also in Bestandskraft erwachsen sei. Eine förmliche Abnahme sei in den notariellen Verträgen nicht vereinbart gewesen. Die in dem "Umlaufbeschluss" aufgeführten Arbeiten seien im Wesentlichen erledigt, wie sich aus dem Übergabeprotokoll (Bl. 118 d.A.) ergäbe. Im Übrigen handele es sich bei dem "Umlaufbeschluss" um eine Vereinbarung, die nicht mittels Beschluss widerrufen werden könne.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.10.2002 zu den Tagesordnungspunkten 3., 4., 5. und 6. für ungültig zu erklären.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie meinen, die formellen Einwände des Antragstellers gegen die Beschlussfassung seien unerheblich, weil kein anderes Beschlussergebnis erzielt worden wäre. Bei dem Beschluss zu TOP 3 handele es sich um einen wirksamen Zweitbeschluss, mit dem der, wenn auch bestandskräftige "Umlaufbeschluss", wirksam habe im Sinne eines Widerrufs abgeändert werden können. Sie verweisen darauf, dass die Abnahme lediglich unter Vorbehalt erklärt worden sei und behaupten, der Antragsteller habe die Verpflichtungen gem. Ziffer 1. bis 5. des "Umlaufbeschlusses" bislang nicht erfüllt. Das Übergabeprotokoll beziehe sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der gem. § 43 Abs. 1 Ziffer 4 WEG zulässige Antrag ist nur hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 begründet, im Übrigen unbegründet.
1.
Der Beschluss zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 10.10.2002 war ungeachtet der vom Antragsteller beanstandeten formellen Mängel für unwirksam zu erklären, weil kein wirksamer abändernder Zweitbeschluss vorliegt. Denn bei dem zu Grunde liegenden "Umlaufbeschluss" handelt es sich um keinen Beschluss gem. § 25 WEG als Gesamtakt der Wohnungseigentümer, weil sein Regelungsinhalt nicht auf die Angelegenheiten nach dem Wohnungseigentumsrecht zielt, sondern die davon zu trennende Rechtsbeziehung der kauf- bzw. werkvertraglichen Sphäre der diesen "Umlaufbeschluss" unterzeichnenden Parteien.
Sinn dieser als auch als solchen bezeichnenden Vereinbarung war ersichtlich die Regelung der Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche aus den zu Grunde liegenden notariellen Verträgen, indem eine vorbehaltliche Abnahme unter Ziffer 9. gem. § 640 BGB schriftlich erklärt wurde. Es geht also um eine ganz andere Rechtsbeziehung als diejenige zwischen den Wohnungseigentümern aus Grund des Gemeinschaftsverhältnisses, weswegen es insoweit bereits an einer Beschlusskompetenz der Mitglieder der Eigentümergemeinschaft fehlt, da überhaupt nicht die Bereiche aus dem Gemeinschaftsverhältnis betroffen sind, die mittels Beschluss geregelt werden können. Deshalb kommt es auf die weitere Frage, ob eine Vereinbarung gem. § 10 WEG vorliegt, die ebenfalls nur einstimmig hätte geändert werden können, nicht an. Bedeutung hat in diesem Zusammenhang allenfalls, dass die als solche zu qualifizierende Abnahme-Vereinbarung nach Bürgerlichem Recht jedenfalls nur hätte abgeändert werden können durch Zustimmung aller an dieser Vereinbarung Beteiligten, also auch des Antragstellers, im Übrigen die Vereinbarung vorsieht, dass sie unwiderruflich ist.
2.
Die Unwirksamkeit des Beschlusses zu TOP 3 musste jedoch nicht zwangsläufig auch zur Unwirksamkeit der Beschlüsse zu TOP 4 und 6 führen, weil diese Beschlüsse nicht mehr das kauf- bzw. werkvertragliche Verhältnis der Beteiligten betreffen, sondern das Gemeinschaftsverhältnis insoweit, als es um die Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums geht. Hierbei handelt es sich um eine Angelegenheit, für die die Gemeinschaft gem. § 21 Abs. 5 Ziffer 2 WEG die Beschlusskompetenz besitzt. Die Beschlüsse entsprechen auch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 3 WEG.
Die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 regeln die Überprüfung und ggf. gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Antragsteller betreffend des gemeinschaftlichen Eigentums. Insoweit besteht nach dem Vortrag der Beteiligten jedenfalls noch Streit darüber, ob die Verpflichtungen aus den zu Grunde liegenden notariellen Verträgen ordnungsgemäß erfüllt sind, sodass es sachgerecht ist, dies fachgerecht überprüfen und ggf. durchsetzen zu lassen. Insoweit bestehen keine Bedenken dagegen, einen juristisch kundigen Rechtsanwalt mit dieser Aufgabe zu betrauen. Es ist auch noch Raum für mögliche Schadensersatzansprüche, weil grundsätzlich trotz einer Abnahme Schadensersatzansprüche, die auch Mangelbeseitigungskosten umfassen können, in Betracht kommen (Palandt, BGB, 62. Auflage, § 640 Rn-Nr. 13).
Soweit die Eigentümer mehrheitlich zu TOP 6 die Finanzierung einer anwaltlichen Beauftragung in zwei Teilbeträgen geregelt wurde, entspricht auch dies ordnungsgemäßer Verwaltung, weil im Rahmen einer größeren ggf. gerichtlichen Auseinandersetzung mit erheblichen Kosten zu rechnen ist, die durchaus ein Volumen von insgesamt 6.000,00 EUR erreichen könnten, insbesondere auf Grund der Sachverständigenkosten. Es ist sachgerecht, diese Kosten mittels einer Sonderumlage vorher bereitzustellen, um damit nicht die Instandhaltungsrücklage, die vornehmlich für die Instandhaltungen und Instandsetzungen des Gemeinschaftseigentums vorgesehen ist, zu belasten.
3.
Die Kostenentscheidung folgt gem. § 47 WEG. Danach sind die Gerichtskosten jeweils hälftig vom Antragsteller einerseits und andererseits gesamtschuldnerisch von den Antragsgegnern zu tragen, weil gegenüber dem Beschlussgegenstand zu TOP 3 die Beschlüsse zu TOP 4 bis 6 einen gemeinsamen Regelungsgehalt haben. Im Übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt gem. § 48 Abs. 3 WEG, wobei sowohl der Beschluss zuTOP 3, als auch die Beschlüsse zu TOP 4 bis 6 jeweils mit dem Regelgeschäftswert gem. § 30 Abs. 2 KostO zu bemessen waren.