Amtsgericht Hannover
Urt. v. 04.02.2003, Az.: 543 C 16601/02

Abschluss einer Krankenhaustagegeldversicherung; Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
04.02.2003
Aktenzeichen
543 C 16601/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 32008
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2003:0204.543C16601.02.0A

Fundstellen

  • IVH 2003, 266
  • VersR 2004, I Heft 8 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 2004, 317 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Forderung aus Versicherungsvertrag

Das Amtsgericht Hannover, Abt. 543, hat
auf die mündliche Verhandlung vom 13.01.2003
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

(Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.)

Tatbestand

1

Die Ehefrau des Klägers hat seit dem 1.04.1999 bei der Beklagten eine Krankenhaustagegeldversicherung abgeschlossen. Sie ist Versicherungsnehmerin, "Versicherte Person" ist unter anderem der Kläger. In § 14 Teil I Ziffer 1 AVB heißt es:

"Der Versicherer kann das Versicherungsverhältnis zum Ende eines jeden der ersten drei Versicherungsjahre mit einer Frist von drei Monaten kündigten, sofern kein gesetzlicher Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers besteht.".

2

Mit Schreiben vom 24.08.2001 kündigte die Beklagte unter Beifügung einer Vollmacht .das Versicherungsverhältnis mit dem Kläger. Der Zugang dieses Schreibens ist streitig.

3

Der Kläger bestreitet den Zugang. Er habe sich zürn Zeitpunkt des behaupteten Zugangs im Urlaub befunden. Seine Ehefrau habe erst mit Schreiben vom 7.11.01 von der Kündigung erfahren. Er sei vom 25. bis 28.02.2002 arbeitsunfähig gewesen, nachdem bereits auf Grund derselben Erkrankung vom, 4. bis 17.12.01 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Für die vier Tage im Februar 02 ergebe sich eine Leistungspflicht der Beklagten von 4 x 300,00 DM1 = 1.200,00 DM (entspricht 613,55EUR).

4

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 613,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2002 zuzahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers und behauptet, das Kündigungsschreiben sei als Einwurfschreiben am 24.08.01 an die Ehefrau des Klägers als Versicherungsnehmerin aufgegeben worden. Der zuständige Briefzusteller habe das Schriftstück am 25.08.01 zugestellt. Er habe die Sendungshummer des Einschreibens auf einem Auslieferungsbeleg vermerkt und den Auslieferungsvermerk mit dem Datum 25.08.01 versehen und unterschrieben.

7

Wegen des Weiteren Parteivortrags im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

8

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus der Krankenhaustagegeldversicherung auf Zahlung von 613,55 EUR.

9

Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus § 75 Abs. 2 WG. Es handelt sich bei der Versicherung für ihn um eine so genannte "Versicherung fremder Interessen", da der Kläger selbst berufstätig ist. Er ist als Versicherter zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs berechtigt.

10

Ein Anspruch aus der Krankenhaustagegeldversicherung besteht jedoch nicht, da die Beklagte die Versicherung mit dem Kläger wirksam mit Schreiben vom 24.08.01 gemäß § 14 Teil I Ziffer 1 AVB zum 31.12.01 gekündigt hat. Das Kündigungsschreiben ist der Ehefrau des Klägers als Versicherungsnehmerin zugegangen. Die Beklagte hat Hilfstatsachen vorgetragen, aus denen sich der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang begründen lässt. Eine Willenserklärung unter Abwesenden geht gemäß § 130 BGB zu, wenn, sie in dem Machtbereich des Empfängers gelangt. Der Empfänger muss unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit haben, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Nach herrschender Meinung genügt zum Beispiel der Einwurf in einen Briefkasten, sodass der Zugang mit der nächsten planmäßigen Öffnung des Briefkastens anzunehmen ist (vgl. insoweit Palandt, 62. Auflage 2003 § 130 Rd.-Ziffer 5).

11

Ebenso verhält es sich mit dem Zugang eines Einwurfeinschreibens, sofern das Verfahren korrekt dokumentiert ist. Die Postsendung wird mit einem Aufkleber versehen, auf dem sich ein Strichcode und eine Sendungsnummer befinden. Unmittelbar vor dem Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Empfängers, zieht der Briefzusteller diesen Aufkleber ab und befestigt ihn auf dem Auslieferungsbeleg. Auf diesem Auslieferungsbeleg füllt er den Auslieferungsvermerk mit Datum und Unterschrift aus. Durch dieses Verfahren ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Sendung tatsächlich in den Briefkasten des Empfängers gelangt und ihm damit nach der nächsten üblichen Leerung zugegangen ist So ist es auch hier geschehen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Briefzusteller im vorliegenden Fall irgendwie von dieser Verfahrensweise abgewichen sein könnte.

12

Dieser Beweis des ersten Anscheins wird nicht durch den Vortrag des Klägers erschüttert, bei dem 25.08.01 habe es sich um einen Samstag gehandelt, an dem regelmäßig Werbesendungen und dicke Exemplare der Tageszeitungen in den Briefkasten gesteckt werden. Es ist nicht ersichtlich, warum gerade das Kündigungsschreiben der Beklagten verloren gegangen sein soll, obwohl dem Kläger - trotz seines Urlaubes - die übrige Post erreicht hat. Das gilt insbesondere auch für die weiteren Schreiben der Beklagten, die ebenso wie das Einwurfeinschreiben in den Machtbereich des Klägers bzw. seiner Ehefrau gelangt sind.

13

Ebenso wenig ergeben sich Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten bei dem Einwurf des Schriftstücks daraus, dass die Ehefrau des Klägers als "..." bezeichnet wurde, da der Titel auf jedem der Schreiben der Beklagten angegeben ist. Die Angabe der Beförderungsart als "Einschreiben" Rückschein" ist unschädlich, da das Schreiben so nicht befördert werden konnte, da ein Rückschein nicht vorhanden war. Gleiches gilt für das Ankreuzen von "Eil international" auf dem Auslieferungsnachweis für die Beklagte. Diese Beförderungsart wurde durchgestrichen und ist daher ungültig.

14

Nach alledem hat der Kläger den Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Kündigungsschreibens nicht widerlegt.

15

Die Kündigungsvoraussetzungen des § 14 Teil I Ziffer 1 AVB liegen vor. Das Versicherungsverhältnis bestand seit dem 1.04.1999, mithin noch keine drei Jahre. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers, da er selbstständig ist.

16

Auf Grund der Wirksamen Kündigung bestand kein Anspruch des Klägers auf die Zahlung aus der Krankenhaustagegeldversicherung. Die Klage war abzuweisen, Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

17

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.