Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 21.10.2003, Az.: 71 II 348/03
Beurteilung der Gültigkeit des Beschlusses einer Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich der Entscheidung über Malerarbeiten; Aufgaben der Eigentümergemeinschaft bei Renovierungsarbeiten; Übertragbarkeit von Kompetenzen der Gemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 21.10.2003
- Aktenzeichen
- 71 II 348/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32143
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2003:1021.71II348.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 3 WEG
- § 21 Abs. 4 WEG
- § 21 Abs. 5 WEG
Fundstelle
- ZMR 2004, 466 (Volltext mit amtl. LS)
In der Wohnungseigentumssache
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung für Wohnungseigentumssachen -
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2003
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:
Tenor:
Die Beschlüsse zu Top 6 und 7 der Eigentümerversammlung vom 07.08.2003 werden für ungültig erklärt.
Die Antragsgegner haben Gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind im Übrigen nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 7.700,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller sind als Eigentümer der Wohnung Nr. 12 ATP Mitglieder der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein Verwaltungsbeirat besteht nicht. Mit Schreiben vom 24.07.2003 wurden sie zur Eigentümerversammlung vom 07.08.2003 eingeladen (Blatt 8 der Akten). In dieser Versammlung wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst (Blatt 10 f. der Akte):
TOP 6: Anstrich des Treppenhauses
Nach strittiger Diskussion über das Für und Wider einer Treppenhausrenovierung, über den Zeitpunkt eines Anstriches und über die Kosten, wird folgender Antrag der Hausverwaltung eingebracht: Das Treppenhaus soll zu Kosten von maximal 3.200,00 Euro im Jahre 2003 gestrichen werden, die Kosten werden der Rücklage entnommen. Die Arbeiten werden vorher nochmals ausgeschrieben. Über die Vergabe entscheiden die Eigentümer: Bostel, Gottlieb und Maschke, zusammen mit der Hausverwaltung. Abstimmungsergebnis: 66 Stimmen für die Treppenhausrenovierung, 55 Stimmen dagegen (Summe 121 Stimmen). Damit ist die Renovierung des Treppenhauses beschlossen.
TOP 7. Anstrich der Außenfenster
Die Versammlung ist sich einig, dass die Fenster von Außen gestrichen werden müssen. Nach einiger Diskussion stellt die Verwaltung - Herr Hennecke - den folgenden Antrag: Die Außenfenster der Straßenseite, die Fenster der Giebelseiten und die Balkone sowie die Fenster samt Schalung Südseite, sollen zu Kosten von maximal 4.500,00 Euro im Jahre 2003 gestrichen werden, die Kosten werden der Rücklage entnommen. Die Arbeiten werden vorher nochmals ausgeschrieben. Über die Vergabe entscheiden die Eigentümer Bostel, Gottlieb und Maschke, zusammen mit. der Hausverwaltung. Abstimmungsergebnis: 110 Stimmen für den Außenfensteranstrich, 11 Stimmen dagegen (Summe: 121 Stimmen). Damit ist der Außenfensteranstrich beschlossen.
Die Antragsteller wenden sich gegen die Beschlüsse primär damit, dass ihrer Meinung nach in unzulässiger Weise die Entscheidungskompetenz über die Renovierungen auf ein vom Wohnungseigentumsgesetz nicht vorgesehenes "Organ" verlagert worden sei. Im Übrigen seien die Beschlüsse nicht vollständig und damit ungenau und nicht ausreichend konkretisiert, weil nicht beschlossen worden sei, welchen Umfang die Arbeiten haben sollen, in welcher Ausführung sie vorgenommen werden sollen, insbesondere welche Farbe gewählt werden soll und welche Materialien von welcher Qualität verwendet werden sollen. Hierüber hätten jedenfalls mehrheitlich die Wohnungseigentümer zu entscheiden. Zu den Mängeln, dass lediglich ein einziges Angebot, nämlich jeweils von der Firma Ostendorf, Malermeister GmbH exklusive Malerarbeiten vorgelegen habe. Sie bestreiten, dass sich das Treppenhaus in einem renovierungsbedürftigen Zustande befinde, denn lediglich im dritten Obergeschoss gebe es eine unansehnliche Stelle. Auch sei den Angeboten die tatsächlich entstehenden Kosten nicht zu entnehmen. Deshalb befürchten die Antragsteller, dass eine Malerfirma gewählt worden sei, die mangelhafte Arbeiten mit Material minderer Qualität durchführen werde, wie auch die Beschränkung auf die Summen von 3.200,00 Euro für das Treppenhaus und 4.500,00 Euro für die Fenster und Balkone zeige.
Die Antragsteller beantragen,
wie erkannt.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hegen hinsichtlich der Übertragung der Entscheidungskompetenz keine Bedenken, da sich hierin letztlich eine demokratische Vergabeentscheidung zeige. Die Entscheidung, dass der Anstrich ausgeführt werden solle sei klar getroffen worden. Das Gleiche gelte für den Umfang der Arbeiten. Im Übrigen habe es der Antragsteller zu 1. abgelehnt, den entscheidenden Wohnungseigentümern anzugehören. Hinsichtlich der weiteren nicht eingeholten Angebote wird darauf hingewiesen, dass die Verwaltung es lediglich abgelehnt habe, vor einem positiven Beschluss über die Renovierungen, die Arbeit der Ausschreibungen auf sich zu nehmen. Zwar sei richtig, dass sich das Treppenhaus in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde, jedoch sei das Treppenhaus nach 10 Jahren Benutzung nicht sauber.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den weiteren Vortrag der Beteiligen Bezug genommen.
Der gemäß § 43 Abs. 1 Ziffer 4 WEG zulässige Antrag ist begründet.
Die Beschlüsse zu Top 6 und 7 der Eigentümerversammlung vom 07.08.2003 waren für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 bis 5 WEG widersprechen. Zwar haben die Eigentümer dieser Versammlung grundsätzlich wirksam darüber mehrheitlich beschlossen, dass die Malerarbeiten durchgeführt werden sollen, jedoch tangiert die Übertragung der Entscheidungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Frage, an welche Fachfirma letztlich nach der Ausschreibung der Arbeiten diese vergeben werden sollen, auf einen aus drei Wohnungseigentümern und den Verwalter bestehenden Personenkreis, die Organisationsstruktur der Gemeinschaft und kann nicht mit Stimmenmehrheit wirksam beschlossen werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2002 in: Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2002, S. 566 f.).
Die §§ 20s 21 und 27 WEG gehen davon aus, dass die Eigentümergemeinschaft die notwendigen Entscheidungen über das "ob" und das "wie" vom Instandsetzungs- Instandhaltungsmaßnahmen grundsätzlich selbst treffen muss. Nur in gewissen Grenzen können weitere Befugnis sowohl auf den Verwalter als auch auf den Verwaltungsbeirat übertragen werden; ein solcher Verwaltungsbeirat existiert hier unstreitig nicht. Auf andere Organe ist die Entscheidungskompetenz nur mittels einer Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 1 WEGübertragbar (a.a.O.). Soweit hier die Entscheidungskompetenz darüber, wie letztlich die konkreten Arbeiten auf Grund des oder der Angebote durchgeführt werden sollen, auf einen Personenkreis von Miteigentümern und Verwaltung übertragen wurde im Sinne eines Arbeitskreises, konnte dies mit bloßer Stimmenmehrheit nicht beschlossen werden. Denn ein derartiges "Organ" ist dem Wohnungseigentumsrecht unbekannt. Hiergegen können die Antragsgegner nicht einwenden, dass der Beschluss letztlich auf demokratischer Grundlage ergangen sei, da ein solches Demokratieprinzip durch die formellen Anforderungen des Wohnungseigentumsrechts konkretisierend überlagert wird, was im Ergebnis nicht dazu führt, dass die Wertungen des Wohnungseigentumsrecht undemokratisch sind. Im Gegenteil, sie dienen der demokratischen Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft und darüber hinaus dem Minderheitenschutz. Die Antragsgegner können auch nicht einwenden, letztlich sei bereits alles abschließend entschieden worden, was die Arbeiten und ihren Umfang angehe. Denn sie führen selbst in ihrer Antragserwiderung aus, dass die Verwaltung vor den Bemühungen für die Ausschreibung einen grundsätzlichen Beschluss haben wollte. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine Entscheidung über das "ob", nicht um das "wie". Aber auch hierüber kann allein nur nach den vorstehenden Grundsätzen die Eigentümergemeinschaft selbst entscheiden, es sei denn es ist insbesondere in der Teilungserklärung geregelt, dass dies auch mit einfacher Mehrheit gehe oder dass insoweit eine Vereinbarung getroffen wurde. Beides ist unstreitig nicht der Fall.
Da nach dem Vorstehenden die angefochtenen Beschlüsse nicht in ordnungsgemäßer Weise zu Stande gekommen sind, waren sie bereits deshalb aufzuheben. Im Übrigen soll lediglich Erwähnung finden, dass es auf Grund des Wirtschaftlichkeitsgebotes regelmäßig erforderlich ist, für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen mehr als ein Angebot einzuholen, wobei grundsätzlich drei Angebote ausreichend sind. Im Hinblick auf die Bilder, die zur Akte gereicht worden sind ergibt sich zwar nicht, dass der Zustand des Treppenhauses sehr renovierungsbedürftig ist, jedoch ist nach einer 10-jährigen Sanierungspause grundsätzlich gegen einen neuen Anstrich nichts einzuwenden, es sei denn, ein solcher ist keineswegs erforderlich. Beispielsweise aus dem Foto 2 ergeben sich jedoch bereits deutliche Verunreinigungen im unteren Wandbereich zur Treppe. Ob es insoweit allein bei Reinigungsversuchen verbleiben kann, sollte den Fachfirmen überlassen werden, von denen ggf. noch weitere Angebote einzuholen sind.
Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 47 WEG. Danach haben gemäß der Billigkeit die unterlegenen Antragsgegner die Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen, bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert wird auf 7.700,00 Euro festgesetzt.
Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG in Höhe der beiden Höchstwerte der beiden Beschlüsse.