Amtsgericht Hannover
Urt. v. 27.08.2003, Az.: 553 C 7007/03
Minderung des Reisepreises für einen Badeurlaub auf Grund von Mängeln; Einschränkung der Bademöglichkeit im Meer durch die Fäkalien von unter Artenschutz stehenden Schildkröten; Katalogbeschreibung der Lage des Hotels als "direkt am feinen und langen Sandstrand" gelegen trotz in Wirklichkeit felsigen Meeresuntergrunds; Übernahme der Gewähr für Umweltrisiken bzw. das Fehlen von biologischen Beeinträchtigungen durch den Veranstalter
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 27.08.2003
- Aktenzeichen
- 553 C 7007/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 32875
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2003:0827.553C7007.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 91 Abs. 1 ZPO
- § 708 Nr. 11 ZPO
- § 711 ZPO
Fundstelle
- RRa 2004, 77-79 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Reisepreisminderung
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 553 -
auf die mündliche Verhandlung vom 06.08.2003
durch
die Richterin am Amtsgericht Gruenke
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht Minderung des gezahlten Reisepreises für bei der Beklagten gebuchte Flugpauschalreise in das Hotel Melas Resort, Side/Türkei geltend. Der Reisepreis belief sich auf 2.608,00 EUR für die Reise des Klägers und seiner Ehefrau bei Vollpensionsverpflegung in der Zeit vom 30.08. bis 13.09.2002.
In dem der der Buchung zu Grunde liegenden Katalogbeschreibung heißt es u.a.:
"Lage: Direkt am feinen und langen Sandstrand, den Sie vom Haus über einige Treppen bzw. Fahrstuhl erreichen" (Bl. 35 d.A.).
Ortsbeschreibung auf Seite 81...."
Auf S. 81 des Kataloges im Länder-/Preisinformationsteil heißt es zu der "Natur und Umwelt Türkei" u.a.:
"Verschiedene Strände in der Türkei sind wichtige Brutstätten der Meeresschildkröte Caretta/carretta Aus Gründen des Artenschutzes verzichtet die die TUI seit Jahren bewusst auf Ausflüge an den bekannten Dalyansstrand, um die Beeinträchtigung der Nistplätze zu vermindern. Auch in Belek werden zeitweilig bestimmte Strandabschnitte zu Gunsten einer ungestörten Eiablage der Meeresschildkröte gesperrt." (Bl. 36 d.A.)
Während des Aufenthaltes des Klägers und seiner Ehefrau traten im Wasser vor dem Strand großflächig Fäkalien von Schildkröten auf, Seitens der örtlichen Behörden waren entsprechende Hinweisschilder aufgestellt, auf denen es hieß:
"Liebe Gäste! Wir möchten ihnen mitteilen, dass es sich um Fäkalien von Schildkröten (Carretta (carretta) handelt, von denen sich ab und zu in der buch befinden. Wir wünschen ihnen einen angenehmen Urlaub. Der Bürgermeister Side" (Bl. 8 d.A.).
Der Kläger verlangte am 02.09.2002 im Hinblick auf den von ihm beabsichtigten Badeurlaub von der örtlichen Reiseleitung erfolglos Abhilfe.
Mit Schreiben vom 21.09.2002 verlangte der Kläger von der Beklagten auf Grund der Strandbeschaffenheit und der Fäkalienbelastung des Meerwassers u.a. die Erstattung des gesamten Reisepreises in Höhe von 2.608,00 EUR bis zum 04.10.2002. Mit Schreiben vom 21.11.2002 übersandte die Beklagte einen Verrechnungsscheck über 260,00 EUR und teilte u.a. mit:
"Eines vorweg: Eine große Entschuldigung für den Ärger, den Sie während Ihres Urlaubs in der Türkei hatten auch für die lange Wartezeit auf die heutige Antwort von uns. Selbstverständlich sollte so etwas, wie Sie es erlebt haben, nicht passieren. Deshalb werden wir sowohl mit der Reiseleitung als auch mit den .entsprechenden Stellen in unserem Haus sprechen, damit sich die von Ihnen beschriebene Situation nicht wiederholt. Sie erhalten mit diesem Brief einen Verrechnungsscheck über 260,00 EUR. Wir hoffen, dass wir Ihre Enttäuschung damit wenigstens im Nachhinein etwas mildern können. Weitere Forderungen können wir jedoch nicht erfüllen. (...)" (Bl. 10 d.A.).
Der Kläger macht folgende Mängel geltend:
Er behauptet, es habe praktisch kein Badeleben stattgefunden angesichts abstoßender und gesundheitsgefährdender Fäkalienbelastung des Meeres mit fingerstarken Exkrementen. Ihre Einstandspflicht hierfür habe die Beklagte mit ihrem Schreiben 21.11.2002 selbst eingeräumt. Unter Bezugnahme auf die vorgelegten Lichtbilder (Bl. 28 bis 30 d.A.) behauptet er ferner, entgegen der Katalogangabe habe sich ein felsiger steiniger Strand vor dem Hotel befunden. Lediglich im Strandliegenbereich habe es Sand gegeben, im Übrigen sei der Untergrund ab der Wasserlinie eine durchgehende scharfkantige Felsküste gewesen, weshalb auch unter Benutzung von Badeschuhen und auch auf Grund der Fäkalienbelastung Baden im Meer unmöglich gewesen sei. Der Kläger ist der Ansicht, der Hinweis der Beklagten in ihrem Katalog, S. 81, erfülle die Informationspflichten der Beklagten angesichts der Möglichkeit, das dort phasenweise Schildkrötenfäkalien auftreten, die das Baden im Meer vereiteln, nicht.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.348,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 05.10.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet das Vorliegen von Reisemängeln. Sie ist der Ansicht, für die Einschränkung der Bademöglichkeit im Meer durch die Fäkalien der Schildkröten nicht einstehen zu müssen, da es sich um eine Naturerscheinung handele, die dem gewählten Reiseziel anhafte. Im Übrigen verweist sie auf ihren Hinweis auf S. 81 des zu Grunde liegenden Reisekataloges, dass die Carretta-Schildkröte in der Türkei niste, Für den Meeresuntergrund, auf dem es vereinzelt Felsen gegeben habe, habe sie nicht einzustehen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Nachdem die Beklagte vorprozessual 260,00 EUR an den Kläger gezahlt hat, stehen ihm weitere Ansprüche wegen Reisepreisminderung nicht zu.
Angesichts der Katalogbeschreibung des Strandes, aus der sich die Lage des Hotels "direkt am feinen und langen Sandstrand" ergibt, stellt der Umstand, dass sich im Meer Felsen befunden haben vor dem Hintergrund des Gebots der Prospektwahrheit und -klarheit in der Tat einen Reisemangel dar. Insoweit hätte es der Beklagten oblegen, auf die Felsen im Meer in ihrem Katalog hinzuweisen. Minderungsansprüche des Klägers bestehen jedoch angesichts der vorprozessual gezahlten 260,00 EUR nicht mehr. Bei der Bewertung des Mangels ist auch auf der Grundlage des Vortrags des Klägers zum, Strandzustand und der von ihm vorgelegten Lichtbilder zu berücksichtigen, dass der felsige Bereich erst ab der Wasserlinie begann. Am Strand selbst war der im Katalog genannte Sand sehr wohl vorhanden, und zwar im Strandliegenbereich und auch im Bereich bis zur Wasserkante. Auch ein "Strandleben" ergibt sich ohne weiteres aus den vom Kläger vorgelegten Fotos, aus denen im Übrigen auch zu ersehen ist, dass sich Menschen im Wasser befinden (Bl. 30 d.A.). Selbst wenn mithin der Wasseruntergrund die vom Kläger behauptete durchgehend felsige, bzw. felsenbedingte Rutschigkeit aufgewiesen haben sollte, sind Minderungsansprüche durch die vorprozessuale Zahlung von knapp 10 % des Reisepreises bereits abgegolten.
Hinsichtlich der unstreitigen Verschmutzung des Meerwassers durch Fäkalien von Schildkröten haftet die Beklagte für diese Naturerscheinungen nicht. Das Gericht vermag auch kein Verstoß gegen die Informations- und Fürsorgepflichten der Beklagten zu erkennen, der eine Haftung der Beklagten begründen könnte. Regelmäßig übernimmt der Veranstalter durch die in seinem Prospekt enthaltenen Beschreibungen keine Gewähr für Umfeldrisiken, bzw. das Fehlen von biologischen Beeinträchtigungen. Eine ausdrückliche haftungsbegründende Zusage über das Umfeld der Reise im Sinne der Freiheit von Fäkalien von Schildkröten hat die Beklagte nicht abgegeben (wie etwa im dem Fall der Zusicherung, dass Baden im Meer sei nicht durch eine Algenplage behindert, vgl. Führich, Reiserecht, 3. Auflage, Rd.-Ziff. 197 m.w.N.). Eine Hinweispflicht auf die laut Hinweisschild des Bürgermeisters von Side ab und zu in der Bucht auftretenden Fäkalien der Schildröte Carretta carretta, würde die Informationspflichten des Veranstalters überspannen. Hingewiesen worden ist auf S. 81 des Reisekataloges auf den Umstand, dass die Meeresschildkröte Carretta carretta in der Türkei anzutreffen ist. Der seitens des Klägers mit Schriftsatz vom 30.07.2003 verlangte klare Hinweis darauf, dass "möglicherweise das Baden an dem von der Beklagten beschriebenen Strand wegen der dort phasenweise auftretenden Fäkalien nicht möglich ist", würde insoweit eine Überspannung der Informationspflichten der Beklagten darstellen. Insoweit hat der Reiseveranstalter auf Grund seiner regelmäßig besseren Informiertheit über die jeweilige Situation des Urlaubsortes zwar eine Umweltbeobachtungspflicht, aus der eine eigenständige Informationspflicht aus dem Gesichtspunkt der Fürsorge erwachsen kann; dies jedoch nur, wenn z.B. eine konkrete Gefährdung des gebuchten Reisezweckes in Betracht kommt. Dies vermag das Gericht hier nicht zu bejahen, zumal sich aus dem Vortrag des Klägers auch nicht ergibt, dass die Belastung durch die Fäkalien der Schildkröte nachhaltig und regelmäßig für eine bestimmte, nicht nur vorübergehende Dauer an dem Strand auftreten. Nach dem Vortrag des Klägers sollen die von der örtlichen Verwaltung aufgestellten Hinweisschilder am Strand nur zeitweilig aufgestellt sein, wenn aktuelle Fäkalienbelastungen festgestellt werden. Eine Einstandspflicht der Beklagten entnimmt sich auch nicht dem Schreiben der Beklagten vom 21.11.2002.
All dem zufolge sind Minderungsansprüche des Klägers wegen des felsigen Meeresuntergrundes durch die ausreichende vorprozessuale Zahlung der Beklagten in Höhe von 260,00 EUR jedenfalls abgegolten. Weiter gehende Ansprüche bestehen nicht unter Berücksichtigung des Gesamtzuschnitts der Pauschalreise.
Der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gelangte Schriftsatz des Klägers vom 30.07.2003 hat keinen Anlass zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.