Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 30.10.2003, Az.: 71 II 376/03
Gültigkeit eines Eigentümerbeschlusses; Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung; Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Bestellung und Abberufung des Verwalters; Vorliegen wichtiger Gründe für die Abberufung des Verwalters
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 30.10.2003
- Aktenzeichen
- 71 II 376/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 33671
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2003:1030.71II376.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 3 WEG
- § 21 Abs. 4 WEG
- § 21 Abs. 5 WEG
- § 26 Abs. 1 S. 1, 3 WEG
Fundstelle
- ZMR 2005, 581-583 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Beschlussanfechtung
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung für Wohnungseigentumssachen -
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
auf die mündliche Verhandlung
vom 28.10.2003 im schriftlichen Verfahren
beschlossen:
Tenor:
Die Beschlüsse zu Top 19 und 20 der Eigentümerversammiung vom 09.09.2003 werden für ungültig erklärt. Die Antragsgegner haben gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten zu tragen. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Der Geschäftswert wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Antragsteller und Antragsgegner bilden die eingangs erwähnte Wohnungseigentümergemeinschaft, die gemäß Verwaltervertrag vom 19.03.2003 ab dem 01.04.2002 von der Antragstellerin Timpe verwaltet wurde. Als Vertragsende ist in § 2 des Verwaltervertrages der 31.03.2005 vorgesehen. Gemäß § 2 Abs. 3 des Verwaltervertrages endet dieser (vorzeitig) wenn die Verwalterin von der Wohnungseigentümergemeinschaft aus wichtigem Grund abberufen wird. Hausmeisterdienste, Treppenhausreinigung und Gartenpflege werden von der Firma HBG Haus- und Wohnungsverwaltung Claudia Schlichting versehen, deren Mitarbeiter Herr Günter Wiegmann ist.
In der Vergangenheit litt die Gemeinschaft an finanziellen Problemen aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände der Firma Development und J.E.L. GbR, in deren Eigentum 28 Eigentumseinheiten stehen, die mittlerweile unter Zwangsverwaltung stehen. Die Verwalterin Timpe machte erhebliche Hausgeldrückstände mittels gerichtlichen Mahnverfahren und über Mietpfändungen geltend.
In der Eigentümerversammlung vom 09.09.2003 wurden ausweislich des Verhandlungsprotokolls (Blatt 37 ff der Akten) unter anderem folgende Beschlüsse gefasst:
Top 19: Aussprache und Beschluss über die Abwahl der Verwalterin (Antrag von Frau Schlichting)
Herr Dr. Seidel stellt die Frage, welcher Eigentümer den Wunsch hat, insbesondere nach Klärung der bisherigen Tagesordnungspunkte, eine Abstimmung darüber zu führen. Herr Panzer erklärt, dass er eine Abstimmung über diesen Punkt nicht wünscht, da ihm keine Gründe für eine Abwahl der Verwalterin bekannt sind. Andernfalls wird er sich enthalten. Bezüglich der Behauptungen von Frau Schlichting hat der Verwaltungsbeirat eine ausführliche Stellungnahme an alle Eigentümer versandt. Diese Stellungnahme des Verwaltungsbeirats wurde nicht weiter hinterfragt. Es folgte eine Aussprache, wobei es keine neuen Aspekte zu den Behauptungen von Frau Schlichting gab. Die Behauptungen von Frau Schlichting wurden lediglich den Eigentümern zugesandt, nicht jedoch der Verwalterin.
Beschluss: Aufgrund des Antrags von Frau Schlichting beschließen die Eigentümer, die Verwalterin abzuwählen.
Abstimmungsergebnis: 32 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung, somit mehrheitlich angenommen.
Die Ja-Stimmen wurden durch Herrn Wiegmann abgegeben.
Die Verwalterin erklärt, dass sie diesen Punkt anfechten wird und steht als Verwalterin weiterhin zur Verfügung.
Top 20: Wahl des neuen Verwalters, Herrn Günter Wiegmann
Die Verwalterin weist darauf hin, dass dieser Tagesordnungspunkt sofort anfechtbar ist, da die Aufforderung der GbR, diesen Top zur Einladung hinzuzufügen, zu spät erfolgte und die Eigentümer nicht ausreichend Zeit hatten, sich mit diesem Top auseinander zu setzen.
Die Verwalterin fragt, ob Herrn Wiegmann bereits ein konkretes Angebot für die Übernahme der Verwaltung dieses Objektes vorgelegt hat. Dieses ist nicht der Fall. Weiterhin wurde von Herrn Wiegmann im Jahr 2002 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Frau Timpe weist darauf hin, dass die Eigentümer keinen Beschluss über unbekannte Größen fassen sollten. Herr Wiegmann gibt vor, dass auch er überrascht von diesem Vorschlag gewesen sei und wolle dies noch einmal mit Frau Schlichting besprechen.
Beschluss: Aufgrund des Antrags der GbR beschließen die Eigentümer, Herr Günter Wiegmann als neuen Verwalter zu wählen.
Abstimmungsergebnis: 31 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen, somit mehrheitlich angenommen.
Die Nein-Stimmen wurden Frau Beinling, Dr. Seidel, Herrn Prezewowski, Herrn Reimann für Herrn Dr. Giese, Herrn Rammelkamp und weisungsgebunden von Herrn Sinemus durch Frau Timpe abgegeben. Die Enthaltungen wurden von Herrn Panzer und weisungsgebunden Herrn Wiegmann für Frau Schlichting abgegeben.
Herr Wiegmann erklärt, dass er noch nicht wisse, ob er die Wahl annehmen werde.
Die Antragsteller sind der Auffassung, für die vorzeitige Abberufung habe kein wichtiger Grund vorgelegen. Deshalb sei der Beschluss zu Top 19 als auch der darauf basierende Beschluss zu Top 20 für ungültig zu erklären. Die Abberufung sei lediglich auf die Probleme zwischen der Verwalterin Timpe und der HBG zurückzuführen, die selbst die Verwalterstellung angestrebt hatte. Im übrigen stecke hinter der Abberufung der Unmut der durch Herrn Wiegmann vertretenen Development und J.G.L. GbR wegen der Hausgeld-Inkassotätigkeiten der Verwalterin Timpe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftlichen Ausführungen der Antragsteller im einzelnen Bezug genommen.
Die Antragsteller beantragen, wie erkannt.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie halten die Abwahl der Verwalterin Timpe für wirksam, da eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit ihr den Hauseigentümern nicht mehr zumutbar sei, weil das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört sei: Sie habe Eigentümerbeschlüsse nicht umgesetzt und habe eine Hausordnung bislang nicht erstellt. Auch sei sie ihren Instandhaltungs- und Überwachungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen, eine Begehung des Objekts habe erst am 05.08.2003 stattgefunden. Sie sei nicht erreichbar. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 24.10.2003 nebst Anlagen verwiesen.
In der Eigentümerversammlung vom 30.09.2003 ist zu Top 3 die Inhaberin der Firma HBG zur neuen Verwalterin bestellt worden. Dieser Beschluss ist Gegenstand des Anfechtungsverfahrens Amtsgericht Hannover, 71 II 414/03, das ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2003 war.
II.
Der gemäß § 43 Abs. 1 Ziffer 4 WEG zulässige Antrag ist begründet.
Die Beschlüsse zu Top 19 und 20 der Eigentümerversammlung vom 09.09.2003 waren für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 bis 5 WEG widersprechen. Der Beschluss zu Top 19, mit dem die Verwalterin Timpe vorzeitig abberufen wurde leidet daran, dass der Abberufung entgegen der Auffassung der Antragsgegner kein wichtiger Grund zugrunde liegt. Da deshalb der Abberufungsbeschluss für ungültig zu erklären war, war auch der Beschluss zu Top 20, mit dem Herr Wiegmann als neuer Verwalter bestellt wurde für ungültig zu erklären, weil die Bestellung eines weiteren Verwalters trotz unbegründeter Abberufung des bisherigen Verwalters nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen kann.
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer über die Bestellung und Abberufung des Verwalters mit Stimmenmehrheit. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 kann die Abberufung des Verwalters auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden. Dies ist hier durch § 2 Abs. 3 des Verwaltervertrages vom 19.03.2002 geschehen. Ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Abberufung liegt vor, wer den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der
Zusammenarbeit mit dem Verwalter nicht mehr zugemutet werden kann und deshalb das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist. Das erforderliche Vertrauensverhältnis kann insbesondere infolge schwerwiegender Pflichtverstöße oder durch Rechtsmissbrauch des Verwalters zerstört werden (Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage, § 26 Rn. 152 f.). Kleinere Verfahrensfehler, die insbesondere in der Anfangszeit der Verwaltertätigkeit oder aufgrund einer problematischen finanziellen Situation der Gemeinschaft gründen noch keinen wichtigen Grund zur Abberufung (a.a.O. Rn. 177). Vor diesem Hintergrund ergeben sich insbesondere aus den im Schriftsatz vom 24.10.2003 vorgebrachten Umstände der Antragsgegner keine wichtigen Gründe für die Abberufung der Verwalterin Timpe.
Vorweg ist grundsätzlich zu bemerken, dass die Eigentümergemeinschaft und die Anlage ersichtlich vor dem 01.04.2002 unter dem alten Verwalter und erheblichen Problemen litt. Diese betrafen sowohl die finanzielle Situation aufgrund erheblicher Hausgeldrückstände der Antragsgegnerin zu f. sowie den technischen Zustand der Anlage. Vor diesem Hintergrund kann der Verwalterin Timpe nicht angelastet werden, sie habe als neuen Verwalter nicht über die HBG sondern Herrn Wiegmann abstimmen lassen, hätte dieses von Herrn Wiegmann durch unmittelbare Intervention in der Versammlung verhindert werden können, zumal er Vollmacht hatte für die Mehrzahl der Stimmen. Es ist nicht ersichtlich, wieso Herr Wiegmann nicht in der Versammlung darauf bestanden hat, dass die Inhaberin der HBG, Frau Schlichting als neue Verwalterin eingesetzt wird. Dadurch hätte dann auch die Versammlung vom 30.09.2003, insbesondere der Beschluss zu Top 3, vermieden werden können. Im Hinblick auf den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 02.12.2002 zu Top 3 und dem Vorwurf, die Verwalterin Timpe habe die Firma Grundstein bis zum heutigen Tage nicht in Haftung genommen, gilt, dass eine Geltendmachung von solchen Ansprüchen bislang nicht möglich ist, da ersichtlich eine solche Abrechnung noch nicht vorliegt. Eine solche Abrechnung wäre allerdings die Grundlage für mögliche Schadensersatzansprüche. Soweit der Verwalterin Timpe weiterhin vorgeworfen wird, sie würde "Stimmung" gegen Herrn Wiegmann machen, wird dadurch ganz deutlich, dass die eigentliche Problematik des Verfahrens die persönliche Beziehung dieser Beteiligten betrifft. Solche persönlichen Misshelligkeiten können jedoch keinen wichtigen Grund zur Abberufung begründen. Hiermit im engen Zusammenhang steht der Vorwurf, die Verwalterin Timpe habe entgegen Beschluss Top 11 der Eigentümerversammlung vom 02.12.2002 mit der HBG noch keine neuen Hausmeisterverträge abgeschlossen, es liege bis zum heutigen Tage noch keine Hausordnung vor, die Verwalterin sei schließlich nicht erreichbar. Unabhängig davon, dass es sich allenfalls um geringfügige Pflichtverletzungen handeln könnte, ergibt sich aus dem Schriftsatz der Antragstellerin Timpe vom 02.10.2003 (Blatt 2 der Akten) unwidersprochen, dass eine Hausordnung existiert aus früheren Zeiten vor Übernahme der Verwaltung durch Frau Timpe. Hinsichtlich des Vorwurfs der Nichterreichbarkeit während der üblichen Geschäftszeiten ist darauf hinzuweisen, dass dieser Vortrag bereits aufgrund nicht genügender Substanz nicht nachvollziehbar ist. Das gleiche gilt hinsichtlich des Vorwurfes, die Verwalterin Timpe sei ihren Instandhaltungs- und Überwachungspflichten nicht nachgekommen und der Zustand des Objekts habe sich deutlich verschlechtert. Hinsichtlich der Behauptung, eine Begehung des Objekts habe erst am 05.08.2003 stattgefunden ergibt sich aus dem Vortrag der Antragsgegner zu Punkt e., dass die Heizungsanlage im Februar 2002 besichtigt wurde. Dies stellt einen Widerspruch zu den vorhergehenden Vortrag dar. Schließlich gilt auch hinsichtlich der Wasserschäden, dass nicht genügend nachvollziehbar ist, worin eine Pflichtverletzung der Verwalterin Timpe liegen könnte, die einen wichtigen Grund zur Abberufung begründen könnte. Zum einen tragen die Antragsgegner selbst vor, dass lediglich eine geringfügige Reparatur erforderlich sei. Wann der Schaden der Hausverwaltung angezeigt wurde, ist unter Vorlage von entsprechenden Nachweisen nicht vorgetragen worden.
Aber selbst wenn die von den Antragsgegnern vorgetragenen Pflichtverstöße der Verwalterin zutreffen würden, handelt es sich auch vor dem Hintergrund der Gesamtproblematik der Anlage auch in ihrer Kumulation nicht um solch gravierende Verstöße, die einen wichtigen Grund für die Abberufung begründen können. Denn ersichtlich liegt die eigentliche Problematik der Gemeinschaft nicht im objektiven, sondern im subjektiven Bereich.
Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 47 WEG. Danach haben die unterlegenen Antragsgegner gemäß der Billigkeit gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten zu tragen. Im übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt gemäß § 48 Abs. 3 WEG, wobei die angefochtenen Beschlüsse jeweils mit dem Regelgeschäftswert des § 30 Abs. 2 KostenO. zu bewerten waren.