Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 09.12.2003, Az.: 71 II 288/03

Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
09.12.2003
Aktenzeichen
71 II 288/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32015
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2003:1209.71II288.03.0A

Fundstelle

  • ZMR 2005, 233-234 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Beschlussanfechtung

Das Amtsgericht Hannover, Abt. f. Wohnungseigentumssachen, hat
auf die mündliche Verhandlung vom 09.12.2003
im schriftlichen Verfahren
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
beschlossen:

Tenor:

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 19.06.2003 zu TOP 3, 4 und 5 werden für ungültig erklärt, darüber hinaus der Beschluss zu TOP 6 soweit eine Sonderumlage beschlossen wurde.

Es wird festgestellt, dass zu TOP 8 kein Beschluss gefasst wurde. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten haben die Antragstellerin zu 1/5, die Antragsgegner gesamtschuldnerisch zu 4/5 zu tragen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 16.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin ist als Eigentümerin der Wohnungen Nr. 7 und 8 ATP Mitglied der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft.

2

Durch Schreiben vom 03.06.2003 (Bl. 6 d.A.) wurden die Eigentümer zur Wohnungseigentümerversammlung am 19.06.2003 eingeladen. Auf dieser Versammlung wurde unter anderem mehrheitlich beschlossen zu TOP 3 die Genehmigung der Hausgeldabrechnung 2002, zu TOP 4 die Genehmigung des Wirtschaftsplanes 2003, zu TOP 5 die Entlastung des Verwalters für das Jahr 2002, zu TOP 6 Instandhaltungsmaßnahmen (Anstrich Fassade Hofseite und Reparatur der Balkone) einschließlich einer Sonderumlage, zu TOP 7 Änderung der Teilungserklärung bzgl. des Dachbodens sowie zu TOP 8 der Austausch der Wasseruhren bis zum 31.12.2003.

3

Wegen der Einzelheiten der Beschlussfassungen wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 113 ff. d.A.) verwiesen.

4

Hinsichtlich der Abrechnung rügt die Antragstellerin, dass diese in der korrigierten Form erstmals in der Versammlung vorgelegen und sie damit keine genügende Überprüfungsmöglichkeit gehabt habe. Im Übrigen weise die Abrechnung Fehler auf bzw. sei nicht genügend nachvollziehbar. Das Gleiche gelte für den Wirtschaftsplan 2003. Deshalb sei auch der Entlastungsbeschluss unwirksam. Die beschlossene Sonderumlage sei zu unkonkret, insbesondere nicht beziffert und im Übrigen beziehe sich das eingeholte Gutachten zur Balkonsanierung nicht auch auf den ebenfalls baufälligen Balkon in ihrer Wohnung Nr. 7 ATP. Im Hinblick auf die Änderung der Teilungserklärung behauptet die Antragstellerin, der Umbau durch den Voreigentümer habe nicht zur Schaffung weiterer Wohnfläche geführt. Vielmehr diene dieser Beschluss lediglich der Vorbereitung eines Rechtsstreits gegen sie. Sie beruft sich auf Verwirkung, da der Zustand bereits seit 1987 existiere. Schließlich wendet sie sich gegen den Beschluss zu TOP 8zum einen, weil sie hierin eine Änderung des Verteilerschlüssels sieht, zum anderen seien die Kosten nicht für den einzelnen Eigentümer sondern von allen anteilsmäßig zu tragen, im Übrigen verweist sie darauf, dass sich aus dem Protokoll zu TOP 8 keine Beschlussfassung ergebe.

5

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschlüsse zu TOP 3, 4, 5, 6, 7 und 8 der Eigentümerversammlung vom 19.06.2003 für ungültig zu erklären,

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hilfsweise,

festzustellen, dass in der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.06.2003 zu TOP 8 kein Beschluss gefasst worden ist. Hierzu hat der Verwalter in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass tatsächlich zu TOP 8 ein (erneuter) Beschluss gefasst worden ist.

7

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

8

Sie verweisen darauf, dass die Antragstellerin in der Versammlung vom 19.06.2003 nicht anwesend war; in der Versammlung hätte noch genügend Zeit bestanden, Beanstandungen oder Unklarheiten zu besprechen. Wegen der weiteren Beanstandungen der Abrechnungen wird auf den Schriftsatz vom 02.12.2003 Bezug genommen. Im Hinblick auf den Beschluss zu TOP 6 weisen sie darauf hin, dass lediglich der letzte Teil des Beschlusses für ungültig zu erklären sei. Bzgl. TOP 7 wird wegen der Einzelheiten ebenfalls auf den Schriftsatz vom 02.12.2003 Bezug genommen.

9

Die Akte Amtsgericht Hannover 70 II 211/00 hat zur Informationszwecken vorgelegen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des gesamten Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

11

II.

Die gem. § 43 Abs. 1 Ziff. 4 WEG zulässigen Anträge sind überwiegend begründet. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 19.06.2003 zu TOP 3 bis 6 waren, wie im Tenor bezeichnet, für ungültig zu erklären, weil sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen; dies galt allerdings nicht für den Beschluss zu TOP 7. Darüber hinaus war festzustellen, dass zu TOP 8 kein Beschluss gefasst wurde.

12

1.

Der Beschluss zu TOP 3 (Genehmigung der Jahresabrechnung 2002) widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 3 bis 5 WEG, da unstreitig die korrigierte und letztlich beschlossene Jahresabrechnung erst in der Versammlung vorlag. Das Amtsgericht Hannover hatte bereits in dem Verfahren 70 II 211/02 in seinem Beschluss vom 31.08.2002, der vom Landgericht Hannover mit Beschluss vom 18.05.2001 bestätigt wurde in einem ähnlich gelagerten Fall darauf erkannt, dass die Beschlussfassung über eine erst in der Eigentümerversammlung überreichte Jahresabrechnung keine ordnungsgemäße Verwaltung darstellt. Dem Wohnungseigentümer ist nach Anfertigung der Jahresabrechnung durch den Verwalter diese zu übersenden, wobei bis zur Beschlussfassung ausreichend Zeit zur Überprüfung verbleiben muss (Bärmann/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, § 28 RdNr. 84). Dies kann jedoch nur bedeuten, dass die Abrechnung, selbst wenn es sich um eine korrigierte handelt, jedenfalls nicht in der Versammlung, in der hierüber entschieden werden soll, erst vorgelegt wird. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Abrechnung immer noch Fehler enthält. Die Antragstellerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie selbst bei der Versammlung nicht anwesend war, in der die weiteren Unklarheiten hätten geregelt werden können, da nach dem Vorstehenden die Überprüfung der Abrechnung nicht erst in der Versammlung selbst stattzufinden hat, sondern in einem angemessenen zeitlichen Rahmen davor, in dem es den Eigentümern zu ermöglichen ist, ggfs. durch weitere Belegeinsicht beim Verwalter, die Abrechnung eingehend zu überprüfen.

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2.

Da der Beschluss über die Abrechnung den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach, muss dies auch für die Beschlüsse zu TOP 4 (Wirtschaftsplan 2003) sowie den Beschluss zu TOP 5 (Verwalterentlastung) gelten.

14

3.

Auch der Beschluss zu TOP 6 war für ungültig zu erklären, soweit darin eine Sonderumlage beschlossen wurde, ohne diese näher zu beziffern. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass der Inhalt des Beschlusses über die Sonderumlage bzgl. des zu leistenden Betrages eben so wenig exakt sein muss, wie die Beträge des Wirtschaftsplanes aufgrund des Ermessensspielraums der Wohnungseigentümer, jedoch muss der Umlagenbeschluss, wie der Beschluss zur Leistung der Vorauszahlung nach dem Wirtschaftsplan, grundsätzlich die Zahlungspflicht des einzelnen Wohnungseigentümers betragsmäßig ausweisen, wobei es ausnahmsweise genügt, dass der geschuldete Betrag von den Wohnungseigentümern ohne Weiteres selbst errechnet werden kann (a.a.O. § 28 RdNr. 37). Diese Voraussetzungen liegen hier unstreitig nicht vor.

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4.

Dagegen ist der Beschluss zu TOP 7 nicht zu beanstanden, in dem beschlossen wurde im Hinblick auf die in der Gemeinschaft streitige Frage, ob aufgrund des unstreitigen Ausbaues es zu einer Vergrößerung der Wohnfläche gekommen sei, einen Gutachter zu beauftragen. Die Beauftragung des Gutachters und ggfs. später eines Rechtsanwaltes entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Gutachter dürfte in der Lage sein zu klären, ob tatsächlich sich die Wohnfläche durch den Ausbau des Dachbodens verändert hat, mit der Folge, dass ggfs. auch die Teilungserklärung zu ändern wäre. Dies steht im wohlverstandenen Interesse sämtlicher Mitglieder der Eigentümergemeinschaft. Dass bereits für den Fall von Auseinandersetzungen der Eigentümern untereinander daraus folgend eine Rechtsanwaltsbeauftragung beschlossen wurde, ist ebenfalls sachgerecht, weil eine anwaltliche Beratung in diesem Zusammenhang ebenfalls sachdienlich ist. Dies gilt auch für die Interessen der Antragstellerin, denn ein Rückbauverlangen der Gemeinschaft ist ersichtlich nicht das primäre Ziel der übrigen Wohnungseigentümer. Im Übrigen wäre die Antragsgegnerin in einem gerichtlichen Rückbauverfahren kostenbelastet nur gem. der gerichtlichen Entscheidung, die auch die außergerichtlichen Kosten umfassen wird. Die Frage der Verwirkung steht einer Klärung des Wohnflächenzustandes des Hauses nicht entgegen.

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5.

Schließlich war noch festzustellen, dass zu TOP 8 kein Beschluss gefasst wurde. Die Versammlungsniederschrift sieht zwar ausdrücklich eine Abstimmung hierzu nicht vor, jedoch wird andererseits auch nicht deutlich, dass keine Beschlussfassung erfolgt ist. So haben die Antragsgegner in ihrem Schriftsatz vom 02.12.2003 noch so vortragen lassen, dass von einer Beschlussfassung auszugehen war. Erst im Verhandlungstermin hat der Verwalter klargestellte, dass es zu TOP 8 zu keiner Beschlussfassung kam. Deshalb hatte die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung.

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In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 25.09.2003 in: ZMR, 2003, S. 937 ff.) für die Installation von Wasseruhren ein Mehrheitsbeschluss ausreichend ist, was zwangsläufig auch dazu führen muss, dass eine entsprechende verbrauchsabhängige Kostenverteilung vom Einbau an zu erfolgen hat. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Einbaukosten ebenfalls sondereigentumsbezogen von den jeweiligen Eigentümern der Eigentumswohnung zu zahlen sind. Vielmehr sind diese Kosten, weil es sich nach dem zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofes bei dem Einbau von Wasseruhren um eine ordnungsgemäße Verwaltung handelt, gem. dem allgemeinen Verteilungsschlüssel gem. § 16 Abs. 2 auf alle Eigentümer anteilsmäßig zu verteilen. Denn die Verteilung gemäß Verbrauch ist anerkanntermaßen die gerechteste, entspricht damit dem Interesse aller Mitglieder der Eigentümergemeinschaft, sodass hinsichtlich der Einbaukosten das Argument der Sondereigentumsbezogenheit nicht entscheidend gelten kann.

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6.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Danach hat gemäß der Billigkeit die Antragstellerin im Umfange ihres Unterliegens die Gerichtskosten zu trage; die übrigen Gerichtskosten sind insoweit gesamtschuldnerisch von den Antragsgegnern zu tragen. Im Übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird auf 16.000,-- EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG, wobei die angefochtenen Beschlüsse jeweils mit dem Geschäftswert des § 30 Abs. 2 KostO zu bewerten waren, mit Ausnahme des Beschlusses zu TOP 8, bei dem es um Feststellung ging, wobei insoweit ein Geschäftswert von 1.000.- EUR für angemessen erscheint.

Dr. Löffler
Richter am Amtsgericht