Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.09.2002, Az.: 10 LB 3714/01

Finanzausgleich; Kreisumlage; Kreisumlagehebesatz; Mehreinnahmen; Mindestausstattung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.09.2002
Aktenzeichen
10 LB 3714/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43995
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.11.2000 - AZ: 1 A 2073/99

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Trotz äußerst angespannter Haushaltssituationen sowohl bei einer großen selbständigen Stadt als auch bei einem Landkreis ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Landkreis für den Fall ihm zufließender Mehreinnahmen bei den Schlüsselzuweisungen den Kreisumlagehebesatz nicht soweit senkt, dass die Mehreinnahmen anteilig auch der Stadt zufließen.

Tatbestand:

1

I. Die Klägerin, eine große selbständige Stadt, wendet sich gegen die Höhe der von ihr für das Haushaltsjahr 1999 zu entrichtenden Kreisumlage.

2

Nach Anhörung der Städte und Gemeinden am 5. März 1999, an der die Klägerin mit Rücksicht auf ihre unter dem 2. März 1999 abgegebene schriftliche Stellungnahme nicht teilnahm, beschloss der Kreistag des Beklagten am 17. März 1999 die Haushaltssatzung für das Jahr 1999, in die die Kreisumlage mit einem Umlagesoll von 117.474.000 DM Eingang fand. Der Hebesatz der Kreisumlage wurde auf 53,5 % der Steuerkraftzahlen und von 90 % der Schlüsselzuweisungen der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden festgesetzt.

3

Nachdem die Bezirksregierung D. die erforderlichen Genehmigungen zur Haushaltssatzung 1999 am 17. Mai 1999 erteilt hatte, setzte der Beklagte die Kreisumlage für die Klägerin mit Bescheid vom 18. Juni 1999 auf 36.985.072,00 DM fest. Grundlage der Berechnung war die Steuerkraftmesszahl von 49.001.642,00 DM und der Gesamtbetrag der Schlüsselzuweisungen von 22.365.928,00 DM. Die Summe der Steuerkraftzahlen und 90 % der Schlüsselzuweisungen ergaben danach die Umlagegrundlage in Höhe von 69.130.977,00 DM. Von diesem Betrag ergaben 53,5 % die festgesetzte Kreisumlage.

4

Gegen diese Festsetzung erhob die Klägerin am 6. Juli 1999 Widerspruch, den sie im Wesentlichen damit begründete, die Höhe der Kreisumlage genüge nicht dem Gebot der interkommunalen Rücksichtnahme. Die Auswirkungen und Ziele der zum 1. Januar 1999 vorgenommenen Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs durch das Land Niedersachsen seien bei der Festsetzung des Kreisumlagehebesatzes nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die aus der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs resultierende finanzielle Besserstellung gegenüber dem Jahr 1998 werde durch die unangemessen hohe Kreisumlage abgeschöpft. Deshalb stehe sie finanzwirtschaftlich schlechter da als noch im Jahr 1998, während die Einnahmen des Beklagten aus der Kreisumlage im Jahr 1999 gegenüber dem Vorjahr um 10.964.000 DM gestiegen seien. Dieses Ergebnis laufe dem mit der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs bezweckten Anliegen des Landes Niedersachsen zuwider.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 1999 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

6

Ihre daraufhin am 15. Dezember 1999 erhobene Klage hat die Klägerin damit begründet, dass die durch die Änderungen des kommunalen Finanzausgleichs gesicherten erheblichen Mehreinnahmen durch die Festsetzung des einheitlichen Hebesatzes für Steuerkraft und Schlüsselzuweisungen nahezu vollständig an den Beklagten umgeleitet würden, was der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verbesserung der Mittelausstattung finanzschwacher Kommunen widerspreche. Sie wie auch der Beklagte seien seit längerem nicht in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Für das Haushaltsjahr 1999 betrage das Defizit bei dem Beklagten 65 Mio. DM, bei ihr aber etwa 74 Mio. DM. Gemessen am Ausgabevolumen des Verwaltungshaushaltes betrage der Fehlbetrag bei dem Beklagten etwa 17 %, bei ihr 31 %. Beide befänden sich in einer Haushaltsnotlage, die durch strukturelle Defizite gekennzeichnet sei und zu der die verbliebenen freiwilligen Leistungen nur zu einem Bruchteil beitrügen.

7

Mit der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs habe das Land Niedersachsen die Ausgleichswirkung verbessern wollen, ohne das zur Verteilung an die Kommunen anstehende Gesamtvolumen wegen der angespannten Finanzsituation des Landes erhöhen zu können. Es seien daher nicht mit Ausgleichswirkung versehene Finanzierungsteile in die ausgleichswirksame Schlüsselmasse überführt worden. Der nicht ausgleichswirksame Ansatz für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises sei um 250 Mio. DM reduziert worden. Weiter seien die Schlüsselzuweisungen um den Ausgleichsbeitrag Kindergeld, um die Einnahmen aus dem Grunderwerbsteueraufkommen, um die Erstattungen des Landes für Heimerziehung und um die Finanzzuweisungen für Kindertagesstätten aufgestockt worden, so dass sich die Schlüsselzuweisungen von 3,1 Mrd. DM im Jahre 1998 auf 4,1 Mrd. DM im Jahre 1999 erhöht hätten. Es sei festzuhalten, dass die Neuregelung des Finanzausgleichsgesetzes bei den Gemeinden zu Mehreinnahmen von 5.626.000,00 DM und beim Beklagten von 7.818.000,00 DM geführt hätten. Für die Klägerin ergebe sich lediglich ein Vorteil von 59.000,00 DM. Die Ausweitung der Schlüsselzuweisungen habe zwangsläufig zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Kreisumlage und damit auch bei reduziertem Hebesatz zu einer steigenden Kreisumlage geführt. Die Neuordnung des Familienlastenausgleiches und die Einbeziehung der Erstattungen für Einnahmeverluste aus dem Familienlastenausgleich in die Berechnung der Steuerkraftmesszahlen führe zu einer nicht gerechtfertigten Doppelanrechnung und zu einer Anhebung der Kreisumlage zum Nachteil der Städte und Gemeinden im Landkreis von 4 Mio. DM.

8

Nach Erhebung der Kreisumlage hätten sich die Einnahmen des Beklagten trotz der Senkung des Hebesatzes um 10,9 Mio. DM erhöht, so dass die mit der Neuordnung des Finanzausgleiches verbundenen Mehreinnahmen vollständig durch die erhöhte Kreisumlage abgeschöpft würden. Dieser Effekt resultiere trotz der Senkung des Hebesatzes aus einer Verbreiterung der Umlagegrundlagen.

9

Wenn auch anzuerkennen sei, dass der Beklagte die Kreisumlage in dieser Höhe benötige, um seinen Finanzbedarf zu decken, widerspreche die Festsetzung dennoch dem Rücksichtnahmegebot, weil alle Mehreinnahmen aus dem Finanzausgleich, die ausdrücklich der Stärkung finanzschwacher Kommunen dienen sollten, über die Kreisumlage ausschließlich dem Kreis zugeführt würden, obwohl der Finanzbedarf der Gemeinden ebenso hoch sei. Eine sachgemäße Abwägung zwischen dem Finanzbedarf des Beklagten und dem der Städte und Gemeinden könne nur zu dem ermessensfehlerfreien Ergebnis führen, ihr die durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen zufließenden Mehreinnahmen zu belassen. Dies seien etwa 1,9 Mio. DM. Im Falle der Festsetzung eines einheitlichen Hebesatzes sei dieser daher um 3 Punkte auf 50,5 % zu senken. Die gesamte Kreisumlage wäre für den Beklagten auch dann noch um 4,3 Mio. DM gegenüber dem Vorjahr erhöht.

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Die Klägerin hat beantragt;

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den Beklagten unter Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 18. Juni 1999 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 16. November 1999 zu verpflichten, die Klägerin neu zu bescheiden.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe das interkommunale Rücksichtnahmegebot vor dem Hintergrund einer nicht mehr beherrschbaren finanziellen Mangelsituation in seinem und in dem Haushalt der Klägerin hinreichend berücksichtigt. Er könne aber nicht gezwungen sein, die Kreisumlage immer dort zu begrenzen, wo einzelne kreisangehörige Gemeinden Defizite im Haushalt aufwiesen. Ohne eigene beeinflussbare Einnahmequellen befinde er sich - was die Einnahmemöglichkeiten angehe - in einer deutlich schlechteren Position als die kreisangehörigen Gemeinden.

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Angesichts der finanziellen Ausgangslage aller Kommunen in seinem Bereich könne daher nur eine aufgabenkonforme Verteilung der vorhandenen Finanzmittel Maßstab für die Bewertung der Angemessenheit der Finanzausstattung aller Beteiligten sein.

16

Bei der Bemessung der Kreisumlagenhöhe verfüge er über einen Beurteilungsspielraum, der sich aus der Selbstbestimmbarkeit ergebe und unabhängig von der jeweiligen finanziellen Ausgangslage bestehen müsse. Diesen Beurteilungsspielraum habe der Kreistag eingehalten, indem er die Entwicklung der Defizite auf Gemeinde- und Landkreisebene, die Aufgabenverteilung zwischen der Klägerin und ihm sowie die potentiellen Einnahmebeschaffungsmöglichkeiten bei den Gemeinden und bei ihm berücksichtigt habe. Die insoweit ordnungsgemäß erfolgte kommunalpolitische Willensbildung sei, soweit sie sich in dem zulässigen Beurteilungsspielraum bewege, nicht justiziabel.

17

Im Übrigen seien die Durchschnittshebesätze 1999 für Niedersachsen herangezogen worden. Hinsichtlich des Defizitvergleiches sei die Klägerin proportional zu ihrem Ausgabevolumen beteiligt worden. Sie stelle mit 231 Mio. DM von insgesamt 606 Mio. DM 38,1 % der Gemeindeebene dar. Da die Klägerin nur etwa 25 % der Kreiseinwohner stelle, sei ihre gesteigerte Aufgabenwahrnehmung gemäß § 10 Abs. 2 NGO berücksichtigt worden. Bei dem Beklagten ergebe sich 1997 eine Gesamtdefizitquote von 22 %, bei der Gesamtgemeindeebene von 22,1 %. Das strukturelle Defizit habe im Jahre 1997 bei ihm 10,5 % betragen und auf der Gemeindeebene bei 6,2 % gelegen. 1998 habe er eine Gesamtdefizitquote von 26,1 % ausgewiesen, die Defizitquote der Gemeinden habe bei 29,3 % gelegen. Die aus den Berechnungen für ihn sich abzeichnende leichte Entlastungstendenz hänge mit der Entwicklung der Sozial- und Jugendhilfeausgaben zusammen, die mehr als die Hälfte des Kreisverwaltungshaushaltes ausmachten und bei den Gemeinden nicht aufträten.

18

Alle Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, die die Klägerin auf ihrem Gebiet an seiner Stelle wahrnehme, seien ihr durch Landesrecht übertragen und würden mittels Zuweisungen für den übertragenen Wirkungskreis gesondert abgegolten.

19

Unter Berücksichtigung sämtlicher im Rahmen der Abwägung bei der Festsetzung der Kreisumlagenhöhe berücksichtigter Tatsachen verletze die aufgrund eines Hebesatzes von 53,5 % festgesetzte Kreisumlage die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ein Rechtsanspruch auf Herabsetzung der Kreisumlage auf nur 50,5 % stehe der Klägerin nicht zu. Einen Sonderstatus, der ihr einen Anspruch einräume, anders als alle anderen Gemeinden behandelt zu werden, könne die Klägerin nicht geltend machen.

20

Die Auffassung der Klägerin über den Zusammenhang von Schlüsselzuweisungen und Leistungen für den übertragenen Wirkungskreis sei nicht nachzuvollziehen und stehe nicht im Einklang mit der Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes. Die Schlüsselzuweisungen bezögen sich auf die Einnahmesituation der Kommunen und glichen die unterschiedliche Einnahmekraft aus, während die Zuweisungen für den übertragenen Wirkungskreis bei den Ausgaben der Kommunen für staatliche Aufgaben ansetzten. Eine Vermengung, wie sie von der Klägerin vorgenommen werde, könne daher nicht in Betracht kommen. Aus der Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes ergebe sich vielmehr, dass Veränderungen bei den Zuweisungen für den übertragenen Wirkungskreis nicht als Bedarfsindikatoren bei der Festsetzung der Kreisumlage herangezogen werden könnten. Der Kreisumlage seien vielmehr lediglich die Schlüsselzuweisungen neben den kommunalen Steuereinnahmen unterworfen. Bei richtiger, d.h. getrennter Berechnung ergebe sich danach für die Gemeinden ein Plus von etwa 10 Mio. DM, für den Landkreis von 1,18 Mio. DM. Soweit die Klägerin ihre Auffassung auf die Verbreiterung der Schlüsselmassenbasis stütze, könne dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Das Land habe sich hinsichtlich der Heimerziehung und der Personalkostenförderung von Kindertagesstätten eigener Aufgaben entledigt und im Gegenzug die Finanzausgleichsmasse (§ 1 Abs. 1 NFAG) in den Prozentwerten so verändert, dass eine Erhöhung um 350 Mio. DM eingetreten sei (150 Mio. DM für Heimerziehung und 200 Mio. DM für Kindergärten). Die Aufteilungen seien in §§ 2 und 3 NFAG derart verändert, dass dieser Äquivalenzbetrag rechnerisch nur bei den Landkreisen und kreisfreien Städten als den tatsächlichen Aufgabenträgern ankomme. Bei der Klägerin als nicht kreisfreier Stadt könnten daher in den Schlüsselzuweisungen keine ideellen Anteile aus dieser Ausgleichsmassenanhebung enthalten sein. Tatsächlich könnten Kreisumlagen auf derartige Anteile auch nicht erhoben werden. Das Gegenteil sei der Fall, denn aufgrund einer Finanzvereinbarung mit der Klägerin erstatte er ihr die ausfallenden Landeszuschüsse bei der Heimerziehung, weil die Klägerin ein eigenes Jugendamt betreibe. Auch für die Kindertagesstätten habe er eine der Gesamthöhe der früheren Landesförderung entsprechende Bezuschussung der Kindertagesstättenplätze eingeführt. Insoweit erhalte die Klägerin aufgrund einer überproportionalen Ausstattung mit Ganztags- und Behindertenintegrationsgruppen höhere Beträge als es ihrem Einwohner- oder Kleinkinderanteil entspreche. Auch die Argumentation der Klägerin zur Berücksichtigung der Zuweisungen an die Städte und Gemeinden aufgrund der Neuordnung des Familienlastenausgleichs bei der Bemessung des Kreisumlagehebesatzes sei nicht richtig. Die Städte und Gemeinden hätten von 1996 bis 1998 nach der früheren Fassung des Finanzausgleichsgesetzes Zuweisungen zum Ausgleich der Steuerausfälle erhalten, die durch die Neuordnung des Familienlastenausgleiches entstanden seien. Die Landkreise seien über die Kreisumlage von den Steuerausfällen ebenso betroffen gewesen. Daher seien die Zuweisungen zu 90 % als Steuerkraftzahlen mitberücksichtigt worden. Referenzzeitraum sei nach der alten Fassung des Finanzausgleichsgesetzes der 1. Oktober des vorvergangenen Haushaltsjahres bis zum 30. September des vergangenen Haushaltsjahres gewesen. Durch die Übergangsregelung des § 24 NFAG 1999 sei sichergestellt worden, dass die den Gemeinden vom 1. Oktober 1997 bis 31. Dezember 1998 gezahlten Zuweisungen noch in die Umlagegrundlagen für die Festsetzung der Kreisumlage 1999 und 2000 einbezogen werden konnten.

21

Sein im Jahr 1999 verbessertes Rechnungsergebnis habe bei Erlass der Haushaltssatzung und des Festsetzungsbescheides nicht berücksichtigt werden können. Die Haushaltsplanung unterliege naturgemäß einem Prognoserisiko. Die aktuelle Entwicklung könne daher erst jeweils im Folgejahr berücksichtigt werden.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 6. November 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der festgesetzte Kreisumlagehebesatz von 53,5 % unter Beachtung von § 15 Abs. 3 NFAG nicht zu beanstanden sei. Der Beklagte habe das ihm bei der Festsetzung des Kreisumlagehebesatzes zustehende Ermessen ermessensfehlerfrei ausgeübt. Die Grenze des dem Landkreis eingeräumten Ermessens hinsichtlich der Frage des "Ob" und des "Wie" der Festsetzung der Hebesätze für die Kreisumlage sei erst dort erreicht, wo die Selbstverwaltungsgarantie der von der Kreisumlage betroffenen Gemeinden nach Artikel 28 Abs. 2 GG, Artikel 57 NV in unzulässiger Weise berührt werde. Das sei erst dann der Fall, wenn diese ihre Aufgaben gerade wegen der Höhe der Kreisumlage nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erfüllen können und dabei ihre finanzielle Lebensfähigkeit beeinträchtigt sei.

23

Nach Art. 58, 57 Abs. 4 NV umfasse die gewährleistete Finanzhoheit jedenfalls das Recht auf eine finanzielle Mindestausstattung. Dem von der Klägerin vertretenen Maßstab, dass jedenfalls im Falle einer Abschöpfung von mehr als 50 v.H. ein besonderer Begründungsbedarf bestehe, der nur im Falle außergewöhnlicher Notwendigkeit gerechtfertigt sei, sei nicht zu folgen, weil er sich nicht an den den kommunalen Gebietskörperschaften eingeräumten eigenen Rechten orientiere. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Schlüsselzuweisungen nicht in vollem Umfang, sondern nur zu 90 v.H. Eingang in die Bemessungsgrundlage der Kreisumlage fänden, sei tatsächlich insgesamt bei einem Hebesatz von 53,5 v.H. nur unwesentlich mehr als 50 v.H. der Gesamteinnahmen der Gemeinden abgeschöpft worden. Die Frage, wann bei der Festlegung der Umlagesätze die Grenze zwischen einer noch rücksichtsvollen Beachtung der gemeindlichen Interessen einerseits und einer sich als für die Finanzkraft der Gemeinden unzumutbar darstellenden Belastung andererseits erreicht oder gar überschritten werde, lasse sich mit dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht nur individuell für jeden einzelnen Landkreis beurteilen, nicht aber nach einem bestimmten absoluten Umlagesatz. Nur im Rahmen der gebotenen individuellen Abwägung der gegenseitigen Interessen spiegele sich die Art und Vielfalt der unterschiedlichen Aufgabenwahrnehmung wider.

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Die unter Übernahme dieser Maßstäbe zu überprüfende Grenze, die zur Rechtswidrigkeit des Hebesatzes führen könnte, sei nicht erreicht. Für die durch die Haushaltssatzung des Beklagten getroffene Regelung ließen sich Gründe aufführen, die geeignet seien, diese auch unter Berücksichtigung der Lage der Gemeinden, insbesondere auch der Klägerin, sachlich zu rechtfertigen. Das Gebot, bei der Festsetzung der Kreisumlage auf die Finanzlage der Gemeinden im Einzelnen Rücksicht zu nehmen, sei von dem Beklagten in dem gebotenen Umfang jedenfalls so gewahrt worden, dass die angefochtene Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden sei.

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Die Situation sei von defizitären Haushalten auf beiden Seiten geprägt, wobei der Kreisumlagehebesatz des Beklagten erheblich höher als 60 % festzusetzen wäre, sollte der Finanzbedarf des Landkreises tatsächlich so abgedeckt werden, dass ein strukturelles Defizit nicht mehr festzustellen wäre. Schon daran werde deutlich, dass der auf 53,5 % festgesetzte Kreisumlagehebesatz das Resultat einer Abwägung zwischen den verschiedenen Interessen aller Betroffener sei. Nur die Rücksichtnahme auf die Finanzlage der ihm angehörigen Gemeinden habe nämlich den Beklagten dazu veranlassen können, davon abzusehen, seinen Bedarf in vollem Umfang, wie es der vorrangigen Verpflichtung des § 15 Abs. 1 NFAG entspreche, zu decken. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass der Beklagte sein Defizit allein deshalb erheblich erhöhe, um dasjenige der Klägerin abzumildern. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine Veränderung des Kreisumlagehebesatzes Auswirkungen auf alle Gemeinden haben würde, so dass das Defizit des Beklagten sich auch auf Kosten von Gemeinden erhöhen würde beziehungsweise weniger absenken ließe, die dies gar nicht in dem Umfang forderten wie die Klägerin.

26

Die vom Beklagten vorgenommene Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen erweise sich nicht als derart einseitig, dass sie als willkürlich und damit als nicht zu rechtfertigen anzusehen sei. Soweit die Klägerin geltend mache, bei der Berechnung der Neuverteilung der Finanzmasse sei insbesondere auch der Rückgang der Zuweisungen für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises zu berücksichtigen, führe dies nicht zur Nichtigkeit der Haushaltssatzung des Beklagten. Die gesetzgeberische Regelung in § 12 Abs. 1 NFAG mache bereits für sich deutlich, dass die im Übrigen bei der Kreisumlage unberücksichtigt bleibenden Zuweisungen auch bei der Berechnung des Gesamtergebnisses keinen Niederschlag fänden.

27

Angesichts der der Klägerin tatsächlich noch möglichen Aktivitäten im Bereich der freiwilligen Aufgaben auch im Jahre 1999 könne jedenfalls von einer verfassungswidrigen Einschränkung des substanziellen Finanzspielraumes noch nicht die Rede sein.

28

Gegen dieses Urteil führt die Klägerin die vom Senat zugelassene Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt: Auch wenn das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht der These von der 50 % - Frakturlinie als absoluter Grenze für die Kreisumlage widersprochen habe, sei zugleich jedoch anerkannt, dass ein über 50 % hinausgehender Umlagesatz besonderer Rechtfertigung bedürfe. Ferner liege es unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs nahe, für die Annahme einer Frakturlinie den bei unzulässigen konfiskatorischen Besteuerungen entwickelten "Halbteilungsgrundsatz" heranzuziehen.

29

Die vom Beklagten zu treffende Entscheidung über den Kreisumlagehebesatz sei durch intendiertes Ermessen begrenzt, insbesondere durch ihren Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung. Mit der Überschreitung der Frakturlinie von 50 % sei das Ermessen des Beklagten eingeschränkt gewesen, zumal ihr Anspruch auf Mindestausstattung nicht mehr habe befriedigt werden können. In dieser Situation sei es dem Beklagten verwehrt gewesen, die Mehreinnahmen aus der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs allein sich selbst mit der Folge zuzuführen, dass sich ihre Finanzsituation noch weiter verschlechtert habe. Das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung der Auswirkungen der Hebesatzpolitik verkannt, dass der Anspruch auf finanzielle Mindestausstattung ein individueller Anspruch jeder Gemeinde sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei nicht die Summe aller Gemeinden im Landkreis A. in den Blick zu nehmen. Angesichts des strukturellen Defizits ihres Verwaltungshaushaltes von 31 % sei es verfehlt, die Frage ihrer Mindestausstattung damit zu bejahen, freiwillige Aufgaben seien noch möglich gewesen. Von einer finanziellen Mindestausstattung könne selbstverständlich nur dann gesprochen werden, wenn die Gemeinde in der Lage sei, die freiwilligen Leistungen aus sonstigen Einnahmen und nicht wie in ihrem Fall gezwungenermaßen aus Krediten zu finanzieren. Zudem hätten ihre freiwilligen Leistungen lediglich noch einen Anteil am Volumen des Verwaltungshaushalts in Höhe von 1,92 % ausgemacht. Die Grenze für die finanzielle Mindestausstattung sei aber bei wenigstens 5 % des Volumens des Verwaltungshaushalts für freiwillige Leistungen anzusiedeln. Entscheidend sei unter Berücksichtigung aller Einnahmen und Ausgaben, ob der Gemeinde noch Mittel verblieben, die sie in die Lage versetzten, im freiwilligen Aufgabenbereich eigene Schwerpunkte zu setzen.

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Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, bei der Beurteilung der "Verteilungssymmetrie" dürfe die Entwicklung der Zuweisungen für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises nicht berücksichtigt werden, lasse außer Acht, dass es sich bei den Mitteln nach § 12 NFAG nicht um Kostenerstattungen im eigentlichen Sinne handele, sondern um eine Pauschale, die bei der jeweiligen Gemeinde als allgemeines Deckungsmittel verbucht und auch entsprechend nach der Systematik des Gemeindehaushaltsrechts veranschlagt werde.

31

Angesichts der beim Beklagten und bei ihr gleich schlechten Finanzlage sei es angemessen, die Mehreinnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich "gleichmäßig" zu verteilen.

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Die Klägerin beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. November 1999 aufzuheben, soweit die Kreisumlage auf einen höheren Umlagesatz als 50,5 % festgesetzt worden ist,

34

hilfsweise,

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den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

38

Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und ergänzt, er habe das ihm obliegende Abwägungsgebot nicht schon deshalb verletzt, weil der von ihm festgesetzte Kreisumlagehebesatz die Marke von 50 % überschreite. Eine "Frakturlinie" von 50 % sei weder gesetzlich vorgesehen noch in der Rechtsprechung anerkannt. Vielmehr könne die Frage, ob sich ein Kreisumlagehebesatz noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen halte, nur individuell für jeden einzelnen Landkreis beurteilt werden. Der vom Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Besteuerungsrecht des Staates entwickelte sog. Halbteilungsgrundsatz lasse sich schon deshalb nicht auf die Festsetzung von Umlagesätzen für die Kreisumlage übertragen, weil die Besteuerung eines Einzelnen nicht mit der Erhebung der Kreisumlage vergleichbar sei.

39

Der von der Klägerin vorgebrachte Ansatz eines "intendierten Ermessens" gehe fehl, denn das Gesetz gebe im vorliegenden Fall gerade nicht eine bestimmte Richtung der Ermessensbetätigung vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin lasse sich die zu berücksichtigende finanzielle Mindestausstattung nicht in bestimmten Prozentsätzen festlegen, sondern müsse individuell für jede einzelne Gemeinde beurteilt werden. In diesem Zusammenhang sei auf die Rechtsprechung des Nds. Staatsgerichtshofs abzustellen, wonach die gebotene finanzielle Mindestausstattung jedenfalls dann unterschritten werde, wenn die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in Folge einer unzureichenden Finanzausstattung unmöglich werde. Bei der Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Festsetzung der Kreisumlage sei zu beachten, dass die Berücksichtigung fehlender finanzieller Mindestausstattung bei Festsetzung der Kreisumlage hohen Anforderungen unterliege. Insbesondere müsse dabei berücksichtigt werden, dass die Landkreise nicht in der Lage seien, neue Steuerquellen zu erschließen oder auf die Verursachung von Kosten bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben Einfluss zu nehmen. Die von der Klägerin angesprochene formale Betrachtungsweise, wonach die Grenze der finanziellen Mindestausstattung bei etwa 5 % des Volumens des Verwaltungshaushalts für freiwillige Leistungen anzusiedeln sei, werde den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht gerecht. Zudem habe die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt, bei welchen Selbstverwaltungsangelegenheiten sie wegen der Höhe der Kreisumlage finanzielle Abstriche habe vornehmen müssen. Sie habe lediglich dargestellt, welchen Umfang die freiwilligen Leistungen im Jahr 1999 angenommen hätten.

40

Im Übrigen sei die Klägerin an dem Verfahren vor dem Nds. Staatsgerichtshof beteiligt gewesen, in dem dieser am 16. Mai 2001 entschieden habe, dass die den Kommunen zustehende finanzielle Mindestausstattung in den den Verfassungsbeschwerden zugrunde liegenden Finanzausgleichsperioden 1999 und 2000 gewährleistet gewesen sei. Dies gelte ausdrücklich auch für die Klägerin. Der in dem Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs zum Ausdruck gekommene rechtliche Prüfungsmaßstab sei mit dem des vorliegenden Verfahrens identisch. In beiden Fällen gehe es um die verfassungsmäßig gewährleistete Finanzhoheit der Kommunen, die in jedem Fall das Recht auf eine finanzielle Mindestausstattung umfasse, die vorliegend die verfassungsmäßige Schranke des Kreisumlageermessens darstelle und vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof den verfassungsrechtlichen Maßstab gebildet habe. Die Frage, ob die finanzielle Mindestausstattung einer Kommune gegeben sei, könne nur einheitlich mit ja oder nein beantwortet werden. Die Klägerin könne deshalb nicht mit Erfolg behaupten, dass ihre finanzielle Mindestausstattung wegen der festgesetzten Kreisumlage nicht gewährleistet sei, wenn der Niedersächsische Staatsgerichtshof ihre finanzielle Mindestausstattung für denselben Zeitraum bejaht habe.

41

Die Klägerin habe weder in diesem Verfahren noch vor dem Nds. Staatsgerichtshof geltend gemacht, dass ihr eine "freie Spitze" für die Erfüllung freiwilliger Aufgaben fehle. Das gesetzlich garantierte Minimum an Selbstverwaltung sei nicht durch die Bedarfszuweisungen des Landes Niedersachsen - wie es der Nds. Staatsgerichtshof angenommen habe - gewährleistet gewesen, sondern dadurch aufrechterhalten worden, dass bei dem von der Bezirksregierung D. in jedem Haushalt gem. § 94 Abs. 2 NGO zu genehmigenden Höchstbetrag der Kassenkredite nicht nur unabdingbare Pflichtausgaben, sondern darüber hinaus auch Ausgaben für freiwillige Leistungen berücksichtigt worden seien. Da der Nds. Staatsgerichtshof der Klägerin für das Haushaltsjahr 1999 eine finanzielle Mindestausstattung attestiert habe und folglich nicht von einer Verletzung ihrer Finanzhoheit ausgegangen sei, könne ein Ermessensfehler bei der Festsetzung der Kreisumlage im Haushaltsjahr 1999 nicht festgestellt werden.

42

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese waren mit ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

43

II. Die Berufung ist zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht nicht entgegen, dass die Klägerin innerhalb der Berufungsbegründungsfrist einen bestimmten Antrag, wie von § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO a. F. in der Fassung des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) gefordert, nicht gestellt hat.

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 6. Juli 2001 - BVerwG 4 B 50/01 - zitiert nach juris mit Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 23. September 1999 - BVerwG 9 B 372.99 -, Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 12) kann es trotz § 124a Abs. 3 S. 4 VwGO a. F. unschädlich sein, wenn die Berufungsbegründung - wie hier - keinen ausdrücklichen Antrag enthält, das Ziel der Berufung sich ihr aber eindeutig entnehmen lässt. Der Begründung des innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatzes der Klägerin vom 19. Dezember 2001 ist mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass die Klägerin sich weiterhin ohne Einschränkung ihres erstinstanzlichen Anliegens gegen die Höhe der gegen sie festgesetzten Kreisumlage wenden will. Sie hält mit der Berufung weiter an ihrem erstinstanzlichen Ziel fest, dass die Höhe der von ihr zu zahlenden Kreisumlage auf der Grundlage eines Kreisumlagehebesatzes von 50,5 % zu reduzieren ist.

45

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

46

Der Bescheid vom 18. Juni 1999 und der Widerspruchsbescheid vom 16. November 1999 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn die Höhe der vom Beklagten festgesetzten Kreisumlage ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht entschieden hat - nicht zu beanstanden.

47

Die Festsetzung der umstrittenen Kreisumlage findet ihre Rechtsgrundlage in § 15 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich (NFAG) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26. Mai 1999 (Nds. GVBl. S. 116, ber. 320) in Verbindung mit § 5 der Haushaltssatzung des Beklagten vom 17. März 1999. Gemäß § 15 Abs. 1 NFAG ist, soweit die anderen Einnahmen eines Landkreises seinen Bedarf nicht decken, eine Umlage von den kreisangehörigen Gemeinden, Samtgemeinden und gemeindefreien Gebieten zu erheben. Die Umlagegrundlagen und das Verfahren der Festsetzung sind in § 15 Abs. 2 und 3 NFAG geregelt. Die Höhe der Kreisumlage, gegen die sich die Klägerin allein wendet, bestimmt § 5 der Haushaltssatzung des Beklagten dahingehend, dass der Hebesatz der Kreisumlage auf 53,5 v. H. der Steuerkraftzahlen und von 90 v. H. der Schlüsselzuweisungen der kreisangehörigen Städte, Gemeinden und Samtgemeinden festgesetzt wird. Weder dieser Hebesatz noch die sich darauf stützende Festsetzung der Kreisumlage in dem angefochtenen Bescheid vom 18. Juni 1999 überschreiten die dem Beklagten gesetzten Grenzen zur Höhe der Kreisumlage.

48

Zum einen orientiert sich die Höhe der Kreisumlage an dem Finanzbedarf des Landkreises. Dieser wiederum wird maßgeblich von der Erfüllung der dem Landkreis obliegenden Aufgaben bestimmt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 25.2.1986 - 2 OVG A 98/82 -, DVBl. 1986, 1063, 1064), und zwar von den Aufgaben, die er in zulässiger Weise wahrzunehmen hat (vgl. Ehlers, DVBl. 1997, 225, 229) mit der Folge, dass die Rechtmäßigkeit der Aufgabenerfüllung den Bedarf und damit die zu dessen Deckung heranzuziehende Kreisumlage von vornherein begrenzt (Nds. OVG, Urteil vom 27. Januar 1999 - 10 L 6960/95 -, NdsVBl. 1999, S. 163, 164). Die Klägerin bestreitet im vorliegenden Fall weder den Finanzbedarf des Beklagten noch die Rechtmäßigkeit seiner Aufgabenerfüllung, so dass sich eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der einzelnen Haushaltsansätze insbesondere im Bereich der freiwilligen Leistungen erübrigt.

49

Bei der Wahrnehmung von Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben haben die Landkreise nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 28. Februar 1997 - BVerwG 8 N 1.96 -, NVwZ 1998, 63) ferner zwischen der Bedeutung der Aufgabe einerseits und der dadurch verursachten Einschränkung der kommunalen Finanzhoheit andererseits abzuwägen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der insoweit auch zu Gunsten einer Gemeinde Geltung beansprucht, fordert grundsätzlich, dass Haushaltsposten des Landkreises dann als nicht vertretbar entfallen, wenn diese Haushaltposten außer Verhältnis zu den Belastungen stehen, die durch die infolge des Ansatzes dieser Haushaltsposten erforderliche Anhebung der Umlagen auf die belasteten Gemeinden zukommen. Dies kann dann der Fall sein, wenn ein Landkreis mit einem Haushaltsplan Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben finanziert hat, deren Erfüllung nicht so erforderlich und dringlich ist wie die von der Gemeinde beabsichtigten Maßnahmen (Hess. VGH, Urteil vom 27. Januar 1999 - 8 N 3392/94 -, NVwZ-RR 2000, 180 - 183 [VG Ansbach 20.08.1999 - 17 E 99.00911]). Dabei obliegt dem Landkreis nicht die Verpflichtung, bei den einzelnen Gemeinden von Amts wegen zu ermitteln, welche abwägungserheblichen Umstände vorliegen. Vielmehr darf er sich darauf beschränken, das Vorgetragene in seine Abwägung einzubeziehen. Diese setzt jedoch voraus, dass die betroffenen Gemeinden ausreichend Gelegenheit hatten, die sie betreffenden abwägungserheblichen Umstände geltend zu machen (Hess. VGH, Urteil vom 27. Januar 1999, a. a. O.).

50

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin weder im Rahmen der Anhörung am 5. März 1999 noch in ihrem Schreiben vom 2. März 1999 oder im gerichtlichen Verfahren Maßnahmen genannt, deren Berücksichtigung in der angesprochenen Abwägung in Betracht gekommen wären. Vielmehr hat die Klägerin ausdrücklich den Bedarf des Beklagten anerkannt und darauf verzichtet, die Notwendigkeit der Ausgaben des Beklagten im Einzelnen zum Gegenstand gerichtlicher Überprüfung zu erheben, so dass auch im Berufungsverfahren keine Veranlassung besteht, die Haushaltsansätze im Einzelnen daraufhin zu überprüfen, ob ihre Wahrnehmung im Vergleich zur Einschränkung der Finanzhoheit der Klägerin verhältnismäßig ist.

51

Zum anderen findet die Bedarfsdeckung des Landkreises eine Einschränkung in dem von ihm zu wahrenden Gebot, auf die Finanzlage der ihm angehörenden Gemeinden im Einzelnen Rücksicht zu nehmen und seine Interessen sowie deren finanzielle Sicherung nicht einseitig zu Lasten der Gemeinden zu verfolgen. Insoweit ist die zur Kreisumlage ermächtigende Regelung des § 15 Abs. 1 NFAG nur dann mit der Finanzhoheit der kreisangehörigen Gemeinden und damit mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu vereinbaren, wenn die Festsetzung der Umlagesätze den Gemeinden eine angemessene Finanzausstattung belässt und ihnen ein substanzieller Finanzspielraum zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung verbleibt (Nds. OVG, Urteil vom 27. Januar 1999 - 10 L 6960/95 -, Nds. VBl. 1999, S. 163 (164) zu dem wortgleichen § 18 Abs. 1 NFAG 1993 m. w. N.)

52

Zur Frage des Maßstabs, wann bei der Festlegung der Umlagesätze die Grenze zwischen einer noch rücksichtsvollen Beachtung der gemeindlichen Interessen einerseits und einer sich als für die Finanzkraft der Gemeinden unzumutbar darstellenden Belastung andererseits erreicht oder gar überschritten wird, hat der Senat in seiner Entscheidung vom 27. Januar 1999 ausgeführt:

53

"Wie schon der 2. Senat des erkennenden Gerichts (Urt. v. 25.2.1986, a.a.O.) folgt der Senat daher nicht den in der Literatur vertretenen Auffassungen, wonach der Umlagesatz 25 v.H. nicht überschreiten solle (Thieme, DVBl. 1983, 965, 970), auf jeden Fall aber ein Vomhundertsatz, der über die 50 %-Marke hinausgehe, als verfassungswidrig anzusehen sei (so Schmidt-Jortzig/Makswit, Handbuch des kommunalen Finanz- und Haushaltsrechts, 1991, RdNr. 162). Daraus ergibt sich zugleich, dass die von der Klägerin ebenfalls mit 50 v.H. angenommene Frakturlinie der Bemessungsgrundlage nicht als verbindliche Bemessungsgrenze für den Umlagesatz angesehen werden kann. Auch wenn der Klägerin zuzugestehen ist, dass ein die 50 v. H.-Grenze berührender oder sogar übersteigender Umlagesatz zu einem nicht unerheblichen Entzug der für die Gemeinde verfügbaren Finanzmittel führt und damit über den Randbereich der Mittelumverteilung hinausgeht, lässt sich die Frage, ob sich ein Kreisumlagesatz noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen bewegt, letztlich nur individuell für jeden einzelnen Landkreis beurteilen. Nur insoweit kann angemessen berücksichtigt werden, dass die Kreisumlage ein integrierender Bestandteil des Gesamtsystems des kommunalen Finanzausgleichs ist, das maßgeblich von den Zuweisungen des Landesgesetzgebers an die Gemeinden einerseits sowie die Landkreise andererseits geprägt ist (2. Sen. d. erk. Gerichts, a.a.O., S. 1067). Darüber hinaus spiegelt sich nur im Rahmen der gebotenen individuellen Abwägung der gegenseitigen Interessen die Art und Vielfalt der unterschiedlichen Aufgabenwahrnehmung wider, die maßgeblich die Verwaltungskraft der einzelnen Gebietskörperschaften bestimmen. Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Fall der Verbindlichkeit der von der Klägerin befürworteten Frakturlinie von 50 v.H. damit nicht gesagt ist, ein entsprechend hoher Umlagesatz schöpfe die Hälfte der Finanzkraft einer Gemeinde ab. Bemessungsgrundlage für die Kreisumlage sind nicht die Gesamteinnahmen einer Gemeinde, sondern auf fiktiven Hebesätzen beruhende Steuerkraftzahlen (§§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 12 FAG 1993; vgl. dazu Ehlers, a.a.O., S. 230)."

54

Auch der Nds. Staatsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2001 (- StGH 6/99 -, NdsVBl. 2001, S. 184 (188)) ausgesprochen, dass bei der Erhebung der Kreisumlage die Finanzausstattung der umlagepflichtigen Kommunen nicht in Frage gestellt werden darf, ihnen also ein substanzieller Finanzspielraum zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung im Sinne einer Mindestausstattung verbleiben muss. Diese den Gestaltungsspielraum der Landkreise bei der Erhebung der Kreisumlage einengende Grenze ist dahingehend zu verstehen, dass das Beurteilungsermessen des Landkreises allein hier an seine Grenzen stößt.

55

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beklagte jedoch nicht verpflichtet, im Vorfeld dieser Grenze dem notleidenden Haushalt der Klägerin bei der Festsetzung der Kreisumlage bzw. Festsetzung des Hebesatzes eine stärkere Gewichtung beizumessen, als er dies durch die Verringerung des Hebesatzes auf 53,5 % bereits getan hat. Insbesondere die angespannte Haushaltssituation auf Seiten der Klägerin und die durch die Änderung des NFAG bewirkten Mehreinnahmen auf Seiten des Beklagten zwingen nicht zu einer aus Sicht der Klägerin gleichmäßigeren Verteilung des Einnahmenzuwachses des Beklagten durch die von der Klägerin gewünschte Verringerung des Kreisumlagehebesatzes auf 50,5 %. Insoweit verkennt die Klägerin, dass die Entscheidung des Beklagten über die Höhe der Kreisumlage nicht maßgeblich durch eine ausschließlich wechselseitige Abwägung der klägerischen Interessen mit denen des Beklagten bestimmt wird, sondern dass der Beklagte zunächst insgesamt die Belange aller Städte und Gemeinden im Landkreis in den Blick zu nehmen hat. Dabei hat er unter Mitwirkung der Städte und Gemeinden deren Haushaltssituation zu würdigen und in einer Gesamtschau zu gewichten. Erst danach hat der Beklagte die Finanzsituation der Städte und Gemeinden auf der einen Seite mit seinem eigenen Bedarf auf der anderen Seite abzuwägen.

56

Dass der Beklagte diesen Entscheidungsrahmen mit der Festsetzung des Kreisumlagehebesatzes auf 53,5 % überschritten hat, ist nach Überzeugung des Senats nicht festzustellen. Soweit die Klägerin eine ihrer Meinung nach wünschenswerte Verteilungsgerechtigkeit aus ihrer individuellen Sicht einer großen selbständigen Stadt fordert, greift sie damit in den Beurteilungsspielraum ein, in dem allein der Beklagte in genereller Betrachtung der Finanzlage aller ihm angehörenden Kommunen die insoweit nicht gerichtlich überprüfbare Entscheidung über die Höhe der Kreisumlage trifft. Dass die vom Beklagten wahrgenommene Entscheidungskompetenz innerhalb einer Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten im vorliegenden Fall nicht dazu führt, dass das Defizit der Klägerin durch Mehreinnahmen bei einem Kreisumlagehebesatz von 50,5 % zu Lasten des Defizits des Beklagten reduziert wird, ist somit in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zur Finanzhoheit des Beklagten zählt gerade auch die Befugnis, sich die Mittel zur Bestreitung der Aufgabenwahrnehmung zumindest teilweise aus eigenem Recht verschaffen zu können (vgl. § 15 Abs. 1 NFAG). Dazu trägt bei den Landkreisen, die an der bundesverfassungsrechtlichen Ertragsverteilung in Art. 106 GG nicht (unmittelbar) beteiligt sind, in besonderem Maß die Kreisumlage bei. Sie hat sich von einem Instrument zur ergänzenden Deckung des Spitzenbedarfs zu einem wesentlichen Finanzierungselement der Landkreise entwickelt (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 -, BVerfGE 23, 353, 366 ff.). Angesichts ihrer Bedeutung für die Landkreise zählt das Recht zur eigenverantwortlichen Erhebung der Kreisumlage zur Finanzhoheit der Landkreise und unterfällt damit der kommunalen Selbstverwaltung (Nds. StGH, Urteil vom 25. November 1997 - 14/95 -, NdsStGHE 3, 299-322). Eingeschlossen - neben der Befugnis zur Erhebung der Kreisumlage an sich - ist das Recht zur eigenverantwortlichen Festsetzung des Umlagesatzes (BbgVerfG, Urteil vom 15. Oktober 1998 - VfGBbg 38/97 u. a. -, NVwZ-RR 1999, 90). Wenn der Beklagte im Rahmen dieser Entscheidungsbefugnis die Kreisumlage bei gestiegenen Finanzzuweisungen vom Land nicht in der von der Klägerin geforderten Weise senkt, ist dies grundsätzlich nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.

57

Die - wie ausgeführt - vom Beklagten bei der Festsetzung der Kreisumlage ferner zu beachtende Grenze, dass die Erhebung der Kreisumlage nicht zur Entziehung der finanziellen Mindestausstattung der Klägerin führen darf, hat der Beklagte mit der angefochtenen Entscheidung ebenfalls gewahrt. Eine solche finanzielle Mindestausstattung ist dann nicht mehr gewährleistet, wenn den Kommunen infolge einer unzureichenden Finanzausstattung durch die Kreisumlage die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten unmöglich wird (vgl. Nds. StGH, Urteil vom 25. November 1997 - StGH 14/95 u. a. -, Nds. VBl. 1998, 43 ff.). Dabei ist auf die Möglichkeit zur Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben im materiellen Sinn abzustellen.

58

Bei der Frage, ob der Beklagte die gebotene Abwägung verletzt und das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin in einer Weise ausgehöhlt hat, die ihr jeden Finanzspielraum für die eigenverantwortliche Wahrnehmung ihrer Aufgaben nimmt, ist dem Beklagten eine die Kontrolldichte des Gerichts beschränkende Einschätzungsprärogative zuzugestehen, denn die Festsetzungsbefugnis des Beklagten ist maßgeblich geprägt durch eine komplexe Prognose hinsichtlich der Finanzlage der Klägerin. Unter dieser Prämisse ist die Einschätzung des Beklagten, die Festsetzung des beanstandeten Umlagesatzes schränke die erforderliche finanzielle Mindestausstattung der Klägerin nicht ein, nur daraufhin überprüfbar, ob er bei seiner Wertung alle ihm im Rahmen der gebotenen Anhörung der Gemeinden zur Kenntnis gebrachten oder sonst bekannten und erkennbaren Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob das Entscheidungsergebnis nicht offensichtlich fehlerhaft, letztlich also vertretbar ist.

59

Als Prüfungskriterien kommen dabei, abstellend auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung, in Betracht (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 29. August 2001 - 9 T 2/00 -, zitiert nach juris):

60

das Vorhandensein sog. freier Spitzen,

61

der Stand der Aufgabenerfüllung (Infrastrukturausstattung),

62

die Belastungen aus Kreditaufnahmen,

63

die Rücklagenbestände,

64

das verwertbare Vermögen,

65

die mittelfristige Finanzplanung,

66

das Einsparpotential sowie die Möglichkeiten der Streckung von Finanzierungen und

67

das Vorhandensein eines Haushaltskonsolidierungsprogramms sowie dessen Umsetzung.

68

Diese Kriterien charakterisieren die Beurteilung der Folgen der Umlagefestsetzung auf die finanzielle Mindestausstattung der Klägerin als komplexe Prognoseentscheidung und sprechen damit für einen nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, wobei der zwischenzeitlichen - nach Ablauf des zugrunde liegenden Haushaltsjahres - tatsächlichen Entwicklung der Haushaltsdaten der Klägerin Indizwirkung für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einschätzung durch den Beklagten im maßgebenden Zeitpunkt seiner Beschlussfassung zukommen kann. Als das signifikanteste Kriterium mit einer umfassenden Aussagekraft und damit als eine Art Leitkenngröße zur Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Gemeinde ist die sog. "freie Spitze" anzusehen (OVG Saarlouis, Urteil vom 19. Dezember 2001 - 9 R 5/00 -, zitiert nach juris), die in der Differenz aus dem haushaltsrechtlich dem Vermögenshaushalt zuzuführenden Überschuss des Verwaltungshaushalts und den Ausgaben für die Kredittilgung besteht (Schmidt-Jortzig/ Makswit, Handbuch des kommunalen Finanz- und Haushaltsrechts, RN 279). Das Fehlen einer freien Spitze allein ist andererseits aber nicht geeignet, den Schluss zu ziehen, in diesem Fall sei bereits die finanzielle Mindestausstattung einer Gemeinde nicht mehr gewährleistet (vgl. OVG Saarlouis, Urteil vom 29. August 2001 - 9 R 2/00 -, zitiert nach juris). Entscheidend ist vielmehr letztlich die Bewertung der Gesamtschau der vorhandenen Finanzdaten.

69

Vor dem Hintergrund dieses Prüfungsmaßstabs ist die von der Klägerin beanstandete Umlagefestsetzung vertretbar, denn ein offensichtlicher Beurteilungsfehler des Beklagten ist nach Überzeugung des Senats nicht feststellbar. Unter Berücksichtigung der gesamten Finanzsituation der Klägerin erweist sich die vom Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Haushaltssatzung getroffene Prognose, dass die Kreisumlage in der festgesetzten Höhe aufgrund des Kreisumlagehebesatzes von 53,5 % nicht zu einer Unterschreitung der finanziellen Mindestausstattung führt, als nicht fehlerhaft.

70

Der Senat folgt dabei nicht der Auffassung, dass die finanzielle Mindestausstattung als unterschritten gilt, wenn die Kommunen weniger als 5 bis 10 % ihrer Mittel für die Erfüllung solcher Aufgaben verwenden können (so VG Göttingen, Urteil vom 22. Februar 2001 - 1 A 1328/99 -, im Anschluss an Hufen, DÖV 1998, S. 276 ff., vgl. krit. Volkmann, DÖV 2001, S. 497 (501) m. w. N.). Eine komplexe Bewertung der klägerischen Finanzlage durch eine starre Grenze zu ersetzen, begegnet im Hinblick darauf Bedenken, dass die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben in das freie Belieben jeder Kommune fällt und sie sich in Zeiten knapper Einnahmen freiwillig vorausschauend bei der Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben Restriktionen auferlegen kann, ohne dass die finanzielle Mindestausstattung infrage gestellt wäre.

71

Festzustellen bleibt, dass die freiwilligen Leistungen der Klägerin im Jahr 1999 nach ihren Angaben im gerichtlichen Verfahren einen Anteil an den Gesamtausgaben des Verwaltungshaushalts von 1,92 % nach 0,84 % im Jahr 1997 und 0,97 % im Jahr 1998 (vgl. Schoch, NSt - N 2001, S. 209 (215, in RN 81) erreichten. Vor diesem Hintergrund hielt der Nds. Staatsgerichtshof die finanzielle Mindestausstattung der Klägerin im Jahr 1999 in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2001 (- StGH 6/99 u. a. - NdsVBl. 2001, 184), die dasselbe hier streitbefangene Haushaltsjahr 1999 betraf, für gewährleistet. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Einschätzung abzurücken.

72

Die Argumentation der Klägerin zielt allein darauf ab, im Haushaltsjahr 1999 stärker von der Verteilung der erhöhten Finanzzuweisungen des Landes an die Kommunen zu partizipieren. Dem Vorbringen der Klägerin ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sie sich in der Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben wegen der Zahlung der Kreisumlage in der festgesetzten Höhe einschränken musste. Der Einwand, dass es aus ihrer Sicht gerechter wäre, wenn der Landkreis die auf sie entfallenden erhöhten Zuweisungen aus dem Finanzausgleich nicht in dem Maße im Wege der Kreisumlage abschöpfe, wie dies bei einem Hebesatz von 53,5 % der Fall sei, verkennt, dass der Senat vorliegend nicht mit eigenen Zweckmäßigkeitsüberlegungen die prognostische Entscheidung des Beklagten ersetzen darf. Der Senat ist vielmehr allein gehalten, die Einhaltung der aufgezeigten Grenzen der Erhebung der Kreisumlage zu überprüfen.

73

Auch der weitere Einwand der Klägerin, dass die Übernahme der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben vollständig kreditfinanziert gewesen sei, spricht nicht dafür, einen Ausfall freiwilliger Leistungen anzunehmen. Auch bei über Kassenkredite finanzierten freiwilligen Leistungen war die Klägerin - wenn auch in bescheidenem Maße - im Haushaltsjahr 1999 faktisch in der Lage, den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung gestaltend wahrzunehmen. Aus der von ihr mit der Berufungsbegründung vorgelegten Aufstellung ist zu ersehen, dass sich die freiwilligen Leistungen der Klägerin auf rund 5,33 Mio. DM beliefen. Dass diese freiwilligen Leistungen nur über die Finanzierung mit Kassenkrediten möglich waren, hilft nicht darüber hinweg, dass die gesamte Haushaltssituation unter Berücksichtigung des Haushaltskonsolidierungskonzeptes Ausgaben für freiwillige Leistungen tatsächlich zuließ.

74

Auch wenn mit der Klägerin die Grenze für die Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung bei einem Anteil der freiwilligen Leistungen in Höhe von 5 % an den Gesamtausgaben des Verwaltungshaushalts anzusiedeln wäre, wäre damit nichts gewonnen. Zwar wäre für das Haushaltsjahr 1999 unter Berücksichtigung der festgesetzten Kreisumlage die 5 % - Grenze bei einem Anteil der freiwilligen Leistungen an den Gesamtausgaben des Verwaltungshaushalts mit 1,92 % unterschritten, aber die von der Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Reduzierung der Kreisumlage in Höhe von 1,9 Mio. DM würde selbst unter der Annahme, dass diese Reduzierung vollständig den Anteil der freiwilligen Leistungen erhöhen würde, nicht dazu führen, dass die Klägerin die nach ihrem eigenen Vorbringen maßgebliche Grenze von 5 % erreichen würde.

75

Damit wird zugleich deutlich, dass die hier streitige Differenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Hebesatz von 3 % für eine nach Meinung der Klägerin gegebene Unterschreitung der finanziellen Mindestausstattung nicht ursächlich wäre.

76

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass sich der Anteil der freiwilligen Leistungen an den Ausgaben des Verwaltungshaushalts bei dem Beklagten im Haushaltsjahr 1999 auf 1 % belief und damit ebenfalls die von der Klägerin favorisierte Grenze für die finanzielle Mindestausstattung nicht erreichen würde. Vielmehr würde eine Reduzierung der Kreisumlage zugunsten der Klägerin um 1,9 Mio. DM dazu führen, dass der Anteil der freiwilligen Leistungen am Verwaltungshaushalt des Beklagten auf unter 1 % fallen würde.

77

Bei dieser Ausgangslage, bei der weder die Klägerin noch der Beklagte durch die von der Klägerin begehrte Reduzierung der Kreisumlage zu ihren Gunsten um 1,9 Mio. DM die finanzielle Mindestausstattung erreichen würden, wäre die Entscheidung des Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden. In dieser Situation, in der sowohl die Klägerin als auch der Beklagte durch die von der Klägerin begehrte Reduzierung der Kreisumlage nicht die von der Klägerin vertretene Grenze der finanziellen Mindestausstattung erreichen würde, kann die Gewährleistung der finanziellen Mindestausstattung der Klägerin im Rahmen der vom Beklagten zu treffenden generellen Prognoseentscheidung nicht mehr die maßgebliche Grenze des Beurteilungsspielraums bilden. Vielmehr ist es dann unter Berücksichtigung der Funktion der Kreisumlage für den Beklagten als wesentliches Finanzierungsinstrument - worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hinweist - gerechtfertigt, dass der Beklagte es unterlässt, sein Defizit zu Gunsten der Klägerin zu erhöhen, denn es lässt sich nicht der Grundsatz aufstellen, dass der Beklagte verpflichtet wäre, unter Ausweitung seines eigenen Defizits bei der Klägerin für eine Defizitverringerung zu sorgen, die dennoch nicht die finanzielle Mindestausstattung sicherstellen würde. Insoweit wäre auch unter diesem von der Klägerin vertretenen Maßstab nicht erkennbar, dass der Beklagte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hätte.

78

Dem von der Klägerin gestellten Hilfsantrag bleibt ebenfalls der Erfolg versagt, denn der angefochtene Festsetzungsbescheid ist - wie ausgeführt - rechtmäßig.