Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.09.2002, Az.: 13 LC 41/02

Eigennutzung; Fremdnutzung; Mischnutzung; Staffelung; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Zweitwohnungssteuer

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.09.2002
Aktenzeichen
13 LC 41/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43771
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 31.01.2002 - AZ: 2 A 2968/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage der Staffelung der Zweitwohnungssteuer bei Eigen- und Fremdnutzung (Mischnutzung)

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer. Er ist Eigentümer eines Appartements auf Langeoog. Er wandte sich zunächst gegen die Heranziehung in Höhe von 600 DM für das Jahr 2000 durch Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2000. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte er geltend, nach der Rechtsprechung des BVerwG sei es unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, die Zweitwohnungssteuer für das gesamte Jahr zu erheben, falls lediglich eine kurzfristige Eigennutzung möglich sei. Gemäß „Vermietungsauftrag“ vom November 1999 sei ausschließlich der Firma „B.“ das Recht zur Vermietung des Ferienappartements Nr. 9 auf Langeoog, C., übertragen worden. Eine Eigennutzung sei auf jährlich maximal 28 Tage vertraglich begrenzt worden.

2

Die Beklagte reduzierte daraufhin die Veranlagung des Klägers zur Zweitwohnungssteuer mit Änderungsbescheid vom 15. Mai 2000 auf 420 DM, da nach § 4 der 4. Änderung der Zweitwohnungssteuersatzung - ZwStS - vom 15. Dezember 1999 im Falle des Ausschlusses der Eigennutzung von mehr als sieben Monaten ein Steuersatz von 70 % in Ansatz komme. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass die Vorgaben des BVerwG über die anteilige Berechnung der Zweitwohnungssteuer nach der jeweiligen Eigennutzung nicht ausreichend erfüllt seien. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 26. Juli 2000 mit der Begründung zurück, ihre ZwStS berücksichtige in der Neufassung die Vorgaben des BVerwG.

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Mit seiner am 10. August 2000 erhobenen Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und beantragt,

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den Zweitwohnungssteuer-Änderungsbescheid der Beklagten vom 15. Mai 2000 und deren Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2000 aufzuheben, soweit mehr als 1/12 der Jahressteuer festgesetzt wurde.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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hilfsweise, die Berufung zuzulassen,

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und erwidert: § 4 letzter Abs. ZwStS i.d.F. vom 15. Dezember 1999 regele diejenigen Fälle, in denen zu Beginn des Steuerjahrs aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Nutzungsmöglichkeit für mehr als sieben Monate ausgeschlossen sei. Diese Bestimmung trage der Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG Rechnung, wonach auch der vorübergehende Gebrauch einer Zweitwohnung einen steuerpflichtigen Aufwand darstelle, wenn er der persönlichen Lebensführung diene. Im Rahmen seiner Gestaltungsmöglichkeit könne der Satzungsgeber bestimmen, ab welchem Zeitraum ein Aufwand der Steuer unterliege. Es sei auch seine Sache, im Hinblick auf das rechte Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und Steuerertrag die zeitlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht festzulegen. Bei der Festlegung der 30-prozentigen Reduzierung des Steuersatzes sei sie von der erstmöglichen Inanspruchnahme der Reduzierung ausgegangen. Diese sei möglich, wenn die Nutzungsmöglichkeit mehr als sieben Monate ausgeschlossen sei. Prozentual ergebe sich in etwa eine verbleibende Nutzungsmöglichkeit von 30 % des Jahres. Auch sei der erhöhte Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen. Im Übrigen komme eine Reduzierung des Steuersatzes gemäß § 4 letzter Abs. ZwStS nur in Betracht, wenn der Steuerschuldner bis zum 15. Januar eines jeden Jahres den Nachweis der vertraglichen Vereinbarung über die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit erbringe. Diese Frist sei im fraglichen Veranlagungszeitraum verstrichen, so dass es nicht darauf ankomme, ob § 4 letzter Abs. aaO. der Rechtsprechung des BVerwG zur Verhältnismäßigkeit der Heranziehung zum vollen Steuersatz entspreche. Abgesehen davon bestünden nach der Rechtsprechung des BVerwG keine Bedenken, wenn eine Gemeinde in ihrer Satzung die Jahressteuer trotz lediglich zweimonatiger Eigennutzungsmöglichkeit erhebe. Von daher sei nicht zu beanstanden, wenn sie eine Steuervergünstigung von 30 % bei einer Eigennutzung von bis zu fünf Monaten einräume.

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Mit Urteil vom 31. Januar 2002 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Veranlagung des Klägers verstoße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach der Rechtsprechung des BVerwG liege einer als Jahressteuer angelegten Zweitwohnungssteuererhebung erkennbar die Annahme (annähernd) ganzjährigen privaten Aufwands in Gestalt jedenfalls einer bestehenden ganzjährigen Nutzungsmöglichkeit zugrunde. Doch wenn eingangs des Steuerjahres eindeutig feststehe, dass eine Eigennutzungsmöglichkeit nur einen erheblich geringeren zeitlichen Umfang haben könne, sei das Festhalten an dem Jahresbetrag als Bemessungsgrundlage für diesen Aufwand unangemessen. Lediglich dann, wenn in Fällen der Mischnutzung zu Beginn des Veranlagungszeitraums die Dauer der Eigennutzungsmöglichkeit offen sei, bleibe eine Typisierung der Bemessungsgrundlage vertretbar, die auf den Jahreszeitraum als Besteuerungsgrundlage abhebe. Ansonsten habe der Satzungsgeber eine anteilige Berechnung nach der jeweiligen potentiellen vertraglich vorgesehenen Eigennutzungsdauer zu ziehen, wenn er nicht in derartigen Fällen - was ihm freistünde - gänzlich auf die Steuererhebung verzichten wolle. Im vorliegenden Fall sehe die ZwStS zwar eine anteilige Steuerberechnung bei Mischnutzungen vor. Die in § 4 letzter Abs. ZwStS normierte Reduzierung des Steuersatzes um 30 % trage dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit indessen nicht ausreichend Rechnung. Zwar sei der Steuermaßstab nicht darauf zu überprüfen, ob der Ortsgesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe. Die Willkürgrenze sei jedoch überschritten, wo ein einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung fehle und die gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei. Hiervon ausgehend sei es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden, wenn die Beklagte bei der Maßstabsfindung die maximale Nutzungszeit der Zweitwohnung von fünf Monaten im Jahr (5/12) ohne Differenzierung mit einer nicht weiter reduzierbaren 70-prozentigen Jahressteuer (7/10) belege. Dafür fehle es an einem einleuchtenden, nachvollziehbaren und am Gerechtigkeitsdenken orientierten Grund.

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Der Hinweis der Beklagten auf den entstehenden erhöhten Verwaltungsaufwand bzw. das Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und Steuerertrag gehe fehl. Bereits vor der Entscheidung des BVerwG vom 30. Juni 1999 habe die Beklagte bei der Entgegennahme der jährlichen Erklärungen zur Zweitwohnungssteuer den Ausschluss der Eigennutzung in Vermietungs-Vermittlungsverträgen zu berücksichtigen gehabt, weil davon die Steuerpflichtigkeit abhing bzw. abhängen konnte. Von daher sei nicht plausibel, dass mit der Einführung des § 4 letzter Abs. ZwStS ein Verwaltungsmehraufwand verbunden sein solle, der lediglich eine Steuerermäßigung von 30 % rechtfertige. Denn je nachdem, ob die Ausschlussklausel die Grenze von fünf Monaten über- oder unterschreite, könne die Beklagte die Jahressteuer ohne weiteren Verwaltungsaufwand auf 100 oder 70 Prozent festsetzen. Hinzukomme, dass die Satzung der Beklagten lediglich eine Ermäßigungsstufe vorsehe. Dies erscheine besonders deshalb unangemessen, weil eine Verfügbarkeit der Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung von fünf Monaten jährlich dem normalen Lebenssachverhalt nicht gerecht werde. Da die Zweitwohnungen im Gebiet der Beklagten naturgemäß dem Ferien- oder Erholungsaufenthalt dienten, dieser jedoch i.d.R. tatsächlich zeitlich auf höchstens sechs Wochen begrenzt sein dürfte und der Ausschluss der Eigennutzung in den einschlägigen Verträgen dementsprechend ausgerichtet sei, erweise sich die auf fünf Monate ausgerichtete (einzige) Bemessungsstufe deshalb als unverhältnismäßig, weil das Verhältnis zwischen einer Eigennutzung von sechs Wochen und einer Steuerermäßigung von lediglich 30 % das Missverhältnis noch deutlicher zutagetreten lasse. Dieser Erwägung stehe die von der Beklagten angeführte neuere Rechtsprechung des BVerwG im Urteil vom 26. September 2001 nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung erfasse nur Sachverhalte, in denen eine Eigennutzung von mindestens zwei Monaten zu besorgen sei. In diesem Falle müsse der Satzungsgeber keine Ermäßigungsregelung treffen. Die vorliegend beanstandete Satzungsregelung erfasse indessen auch Fälle, in denen - wie beim Kläger - nur eine Eigennutzung von erheblich geringerer Dauer als zwei Monate zulässig sei. Hinzu komme, dass der Satzungsgeber über die Zweimonatsgrenze durch Setzung einer Fünfmonatsgrenze hinausgegangen sei. Dann stehe auch im Hinblick auf den gesamten Ermäßigungszeitraum die Steuerermäßigungsregelung auf dem Prüfstand unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit.

11

Auch der Hinweis auf die Frist bis zum 15. Januar eines jeden Jahres für die Geltendmachung vertraglicher Vereinbarungen zur Nutzungsbeschränkung streite nicht zugunsten der Beklagten. Das Gericht prüfe von Amts wegen die Rechtsgrundlage für den Erlass eines belastenden Verwaltungsakts (§ 86 Abs. 1 VwGO). Zu der Rechtsgrundlage gehörten in Verfahren des Steuerrechts auch die Vorschriften über die Steuersätze und ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit. Seien diese Steuersätze - wie dargelegt - rechtlich zu beanstanden, habe dies grundsätzlich Auswirkungen auf die Heranziehung des Steuerpflichtigen. Die von der Beklagten zitierte Fristenregelung sei nur insoweit von Belang, als sich der Kläger ggf. auf eine rechtmäßige Begünstigung auf der Grundlage eines rechtsverbindlichen § 4 letzter Abs. ZwStS bei Fristversäumung grundsätzlich nicht berufen könnte. Darum gehe es vorliegend jedoch nicht. Der Kläger stelle vielmehr die Regelung über die Reduzierung des Steuersatzes unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit infrage. Sei diese Regelung rechtlich zu beanstanden und berühre die insoweit fehlerhafte Satzung die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer - wie oben ausgeführt - insgesamt, spiele die Verletzung von Fristvorschriften durch den Kläger keine entscheidungserhebliche Rolle. Ohne rechtsgültige materielle Begünstigungsregelung könne die Frist keine Wirksamkeit beanspruchen. Sie hänge mit anderen Worten substanzlos „in der Luft“.

12

Aber auch aus anderen Gründen berufe sich die Beklagte zu Unrecht auf die Frist des § 4 letzter Abs. ZwStS. Wie sich aus einem an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 5. Mai 2000 ergebe, solle von der „terminlichen Regelung“ des § 4 letzter Abs. ausnahmsweise abgewichen werden, weil diese Regelung „erst in diesem Jahr eingeführt wurde“. Der Kläger erhalte einen „berichtigten Steuerbescheid“. Dieser sei am 15. Mai 2000 ergangen. Hieran müsse sich die Beklagte festhalten lassen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine wirksame Zusicherung gemäß §§ 1 Abs. 1 NVwVfG, 38 VwVfG handelte, die sich im Erlass des Änderungsbescheides vom 15. Mai 2000 manifestierte und weder zurückgenommen noch widerrufen wurde. Denn nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben sei es der Beklagten nicht gestattet, von ihrem vorangegangenen Verwaltungshandeln in dem vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne weiteres abzurücken (venire contra factum proprium), da der Änderungsbescheid vom 15. Mai 2000 von der Beklagten nicht infragegestellt werde und sich die Entscheidungsgrundlage nicht geändert habe. Welche Form „anteiliger Besteuerung“ in Fällen der vorliegenden Art dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gerecht werde, sei vom Gericht nicht zu entscheiden. Es sei Sache des Satzungsgebers, im Hinblick auf das rechte Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und Steuerertrag sowie auf die Steuergerechtigkeit die zeitlichen Voraussetzungen der Steuerpflicht festzulegen. Den Steuermaßstab bei erheblicher Mischnutzung zu bestimmen, obliege allein dem Satzungsgeber und sei nicht Aufgabe des Gerichts. Das BVerwG habe allgemeine Grundsätze hierzu nicht entwickelt. Die Mustersatzung des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (Entwurf Stand 20. April 2000) sehe ebenso wie die des Niedersächsischen Städtetages (Entwurf Stand 20. April 2000) mehrere Verfügbarkeitsstufen vor.

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Gegen das ihr am 6. Februar 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1. März 2002 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 28. März 2002 begründet. Die Beklagte vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Systematik des § 4 Abs. 4 Satz 3 und 4 verkannt. Denn Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des Satzes 3 sei nach Satz 4, dass der Steuerschuldner den Nachweis der vertraglichen Vereinbarung bis zum 15. Januar eines jeden Jahres erbracht habe. Daran fehle es hier bereits. Es sei ihr auch nicht verwehrt, sich auf diese Frist zu berufen, weil ihre Erklärung im Schreiben vom 5. Mai 2000 sich nur auf das damalige, vorhergehende Verwaltungsverfahren bezogen habe. Davon abgesehen sei die Regelung in § 4 Abs. 4 Satz 3 ZwStS nicht willkürlich, sondern stehe mit der neuesten Rechtsprechung des BVerwG in Einklang. Das gelte erst recht für die am 21. März 2002 rückwirkend zum 1. August 2000 beschlossene Fassung dieser Vorschrift (6. Änderungssatzung).

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Die Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben werden, als sie mehr als 40 % der Jahressteuer festsetzen.

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Er ist weiterhin der Auffassung, dass eine 30 %ige Kürzung der Steuer bei einer nur 28-tägigen Eigennutzung nicht ausreichend und eine differenzierte Staffelung geboten sei, nach der bei einer Eigennutzung bis zu vier Wochen nur 40 % der Jahressteuer anfielen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsvorbringen der Beklagten kann im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung führen. Jedoch sind gemäß §§ 88, 125 Abs. 1, 128, 129 VwGO entsprechend dem in der Berufungsinstanz weiter eingeschränkten Antrag des Klägers die angefochtenen Bescheide nur noch insoweit aufzuheben, als sie eine höhere Steuer als 240,- DM (40 % der Jahressteuer) festzusetzen.

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1. In rechtlicher Hinsicht ist für die Beurteilung nicht mehr die ZwStS i.d.F. der 4. Änderung vom 15. Dezember 1899 maßgebend, die noch den angefochtenen Bescheiden und auch dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugrundeliegt, sondern die ZwStS i.d.F. der 6. Änderung vom 21. März 2002. Denn diese 6. Änderung ist nach ihrem § 3 rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft getreten und erfasst danach auch den vorliegenden Fall, in dem es allein um den Erhebungszeitraum 2000 geht. Die 6. Änderung enthält in ihrem § 1 durch die Neufassung des § 4 Abs. 4 eine differenzierte Staffelung der Steuer für Fälle der Mischnutzung, indem anstelle der früher allein vorgesehenen Reduzierung der Steuer um 30 % bei vertraglichem Ausschluss der Nutzungsmöglichkeit für mehr als sieben Monate nunmehr bei einem Ausschluss der Eigennutzung für mehr als zehn Monate eine Ermäßigung in drei Stufen tritt (45 % bei Eigennutzungsmöglichkeit bis zu 20 Tagen, 30 % bei 21 bis 40 Tagen, 15 % bei mehr als 40 Tagen). Vor allem fügt aber die 6. Änderung in § 2 mit dem neuen § 9 a eine Sondervorschrift ein, die für die Erhebungszeiträume 2000 und 2001 an die Stelle des § 4 Abs. 4 ZwStS tritt. Danach gilt für diese Erhebungszeiträume, dass sich bei einem vertraglichen Ausschluss der Nutzungsmöglichkeit für mehr als sieben Monate der Steuersatz bei einer Eigennutzungsmöglichkeit bis zu 20 Tagen um 45 % und in allen übrigen Fällen um 30 % reduziert. Diese rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft getretene Sondervorschrift ist hier im Berufungsverfahren zugrundezulegen.

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2. Bereits aus dieser Rechtsänderung ergibt sich, dass der Einwand der Beklagten fehl geht, der Kläger könne eine Ermäßigung der Steuer schon deshalb nicht beanspruchen, weil er nicht gemäß § 4 Abs.4 Satz 2 ZwStS bis zum 15. Januar 2000 den Nachweis der vertraglichen Vereinbarung über den Ausschluss der Nutzungsmöglichkeit erbracht habe. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut von § 2 der 6. Änderung wird für den hier in Rede stehenden Erhebungszeitraum 2000 der gesamte § 4 Abs. 4 ZwStS durch die Sondervorschrift des § 9 a ersetzt, die einen derartigen fristgebundenen Nachweis nicht verlangt. § 4 Abs. 4 Satz 2 i.d.F. der 4. Änderung kann dem Kläger im vorliegenden Fall deshalb nicht mehr entgegengehalten werden.

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Davon abgesehen träfe es auch nicht zu, dass sich die schriftliche Erklärung der Beklagten vom 5. Mai 2000, sie werde in diesem Fall ausnahmsweise von der erst in diesem Jahr eingeführten terminlichen Regelung abweichen und die Ermäßigung bereits im laufenden Jahr berücksichtigen, nur für das damalige Verwaltungsverfahren gegen den Bescheid vom 15. Februar 2000 galt. Die Erklärung bezog sich vielmehr auf die Heranziehung des Klägers für das Jahr 2000 und wirkte deshalb auch für den - im Schreiben vom 5. Mai 2000 bereits angekündigten - berichtigten Steuerbescheid vom 15. Mai 2000, der nur deshalb erforderlich wurde, weil die Beklagte den vom Kläger bereits vorher vorgelegten Vertrag mit der Firma „B.“ übersehen hatte. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen.

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3. Auch in der Sache ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin zu folgen, dass die Heranziehung des Klägers zu einem Steuersatz von 70 % bei einer auf maximal 28 Tage begrenzten Eigennutzungsmöglichkeit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Dabei kann hier offenbleiben, ob ein solcher Verstoß - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - auf der Grundlage des § 4 Abs. 4 ZwStS i.d.F. der 4. Änderung gegeben war. Diese Frage stellt sich nicht mehr, weil im vorliegenden Fall, wie unter 1) dargelegt, allein die rückwirkend in Kraft getretene 6. Änderung und für den Erhebungszeitraum 2000 insbesondere der durch sie eingefügte § 9 a Anwendung finden. Ebensowenig bedarf deshalb einer Entscheidung, ob die neue Staffelung in § 4 Abs. 4 ZwStS i.d.F. der 6. Änderung den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. Denn diese Neufassung gilt - ungeachtet der Rückwirkung der 6. Änderung - im Ergebnis erst für die Erhebungszeiträume ab 2002, weil für 2000 und 2001 gemäß § 2 der 6. Änderung ausschließlich die neu eingefügte Sondervorschrift des § 9 a anwendbar ist.

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Diese wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht. Denn die in ihr vorgesehene Staffelung der Ermäßigung erweist sich als willkürlich, weil die beiden Bemessungsstufen (Nutzungsmöglichkeit bis zu 20 Tagen sowie von 21 Tagen bis vier Monate und 29 Tagen) in ihrer Spannweite außer Verhältnis zueinander stehen und an dem normalen Lebenssachverhalt einer auf die übliche Urlaubszeit begrenzten Eigennutzung einer Zweitwohnung vorbeigehen. Dies wird besonders deutlich vor dem Hintergrund der durch § 1 der 6. Änderung eingeführten Staffelung, die allein den relativ kurzen Zeitraum einer Nutzungsmöglichkeit von bis zu einem Monat und 29 Tagen in drei Bemessungsstufen (bis 20 Tage, 21 bis 40 Tage, 40 bis 59 Tage) unterteilt. Mit dieser Änderung hat die Beklagte der neuen Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 26.9.2001 - 9 C 1.01 -, DVBl. 2002, 483) Rechnung getragen. Danach kann die Regelung einer ZwStS, nach der der Inhaber einer Zweitwohnung mit dem vollen Jahresbetrag der Steuer veranlagt wird, wenn er über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit von mindestens zwei Monaten verfügt, nicht als unverhältnismäßig beanstandet werden. Folgerichtig hat die Beklagte denn auch in § 1 der 6. Änderung mit der Neufassung von § 4 Abs. 4 ZwStS eine Ermäßigung der Steuer nur noch für die Fälle vorgesehen, in denen die Eigennutzungsmöglichkeit unter zwei Monaten im Jahr liegt; dieser begrenzte Zeitraum von höchstens 59 Tagen wird in drei Bemessungsstufen mit Ermäßigungen von 45 %, 30 % bzw. 15 % des Jahressteuersatzes aufgegliedert. Von diesem Ansatz ist es umso weniger nachvollziehbar, dass die 6. Änderung in § 2 für die Erhebungszeiträume 2000 und 2001 den für eine Ermäßigung in Betracht kommenden Zeitraum der Nutzungsmöglichkeit auf insgesamt 149 Tage ausdehnt, diese weite Spanne jedoch nur in zwei völlig ungleiche Stufen von einem bis 20 Tagen bzw. 21 bis 149 Tagen differenziert. Die erste Stufe (45 % Ermäßigung) ist dabei praktisch von geringer Bedeutung, weil sie schon bei einer Nutzungsmöglichkeit von drei Wochen überschritten wird. Die dann greifende zweite Bemessungsstufe (30 % Ermäßigung) ist unverhältnismäßig groß, weil sie sämtliche Eigennutzungen von 21 bis 149 Tagen dem gleichen Steuersatz von 70 % zuordnet. Dies ist auch mit Blick auf eine zulässige Typisierung nicht mehr zu rechtfertigen und erweist sich zudem als systemwidrig, weil die Beklagte in derselben 6. Änderung ihrer ZwStS für die Erhebungszeiträume ab 2002 den wesentlich kleineren Zeitraum einer Nutzungsmöglichkeit von 59 Tagen drei unterschiedlichen Bemessungsstufen zugeordnet hat.

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Entsprechend dem im Berufungsverfahren eingeschränkten Klagantrag ist die Berufung der Beklagten danach mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Zweitwohnungssteuer-Änderungsbescheid der Beklagten vom 15. Mai 2000 und ihr Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2000 aufgehoben werden, soweit eine Zweitwohnungssteuer von mehr als 40 % der Jahressteuer festgesetzt wurde.