Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.2002, Az.: 7 LA 36/02
Abfall; Autowrack; Entledigungswille; neuer Verwendungszweck; Oldtimer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.09.2002
- Aktenzeichen
- 7 LA 36/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43498
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 24.01.2002 - AZ: 5 A 2815/98
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 KrW-/AbfG
- § 3 Abs 3 S 1 Nr 2 KrW-/AbfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Vermutung des Entledigungswillens im Abfallrecht bei Wegfall der ursprünglichen Zweckbestimmung und Fehlen eines neuen Verwendungszwecks.
Gründe
Der Zulassungsantrag ist unbegründet.
Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei den auf dem Grundstück des Klägers in einer Halle abgestellten 5 Traktoren um Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes handele und deshalb die Verfügung des Beklagten vom 12. Januar 1998, mit der dem Kläger aufgegeben worden ist, die Traktoren einer zugelassenen Autowrackverwertungsanlage zuzuführen, rechtmäßig sei. Das Vorbringen des Klägers begründet ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.
Die Ansicht des Klägers, die Traktoren seien nicht Abfall, sondern schützenswertes historisches Kulturgut geht unter den vorliegend gegebenen Umständen fehl. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Der Wille zur Entledigung im Sinne des Abs. 1 ist hinsichtlich solcher beweglicher Sachen anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Der ursprüngliche Zweck der Traktoren als landwirtschaftliche Fahrzeuge ist seit langem entfallen. Anlässlich der Ersatzvornahme am 28. November 1997, bei der auf dem Grundstück des Klägers abgelagerte Abfälle zwangsweise entfernt wurden, stellte der Beklagte fest, dass dort auch noch die mit Büschen und Gestrüpp zugewachsenen und zuvor nicht entdeckten 5 nicht fahrbereiten Traktoren abgestellt waren. Ein neuer Verwendungszweck ist nicht unmittelbar an die Stelle der ursprünglichen Zweckbestimmung getreten. Die bloße Erklärung der Traktoren zu "historischem Kulturgut", die zudem in keinem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufgabe der ursprünglichen Zweckbestimmung steht, reicht dafür nicht aus. Zwar mögen Traktoren älteren Typs nach ihrer Restaurierung einen Liebhaber- oder Sammlerwert als "Oldtimer" besitzen. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bis dahin um Autowracks handelt. An der Unmittelbarkeit eines neuen Verwendungszwecks fehlt es zumindest dann, wenn zur neuen Zweckverwendung eine Behandlung der Sache notwendig ist, die nicht alsbald oder wenigstens in einem überschaubaren Zeitraum eingeleitet wird (vgl. Fluck, Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Bd. I, § 3 KrW-/AbfG, Rn. 181 f.; Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 43; Beckmann/Kersting, in: Landmann/Rohmer Umweltrecht, Bd. III, § 3 KrW-/AbfG Rn. 55 f.). So liegt es hier. Wenn der Kläger mit dem Zulassungsantrag erneut vortragen lässt, er wolle die Traktoren restaurieren, sobald es ihm seine Zeit erlaube, so stellt dies - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigt hat - eine reine auf die Zukunft gerichtete Behauptung ohne realen zeitlichen Bezug dar. Da somit die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG gegeben sind, kommt es auf die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Traktoren auch Abfall im Sinne des objektiven Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 und 4 KrW-/AbfG) seien, nicht an.
Der Beklagte hatte auch keinen Grund zu der Annahme, dass zur ordnungsgemäßen Entsorgung der Traktoren ein milderes Mittel in Betracht kommen könnte. Insoweit kann auf die näheren Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt geltende Rechtslage berücksichtigen und durch das Antragsvorbringen nicht erschüttert werden, verwiesen werden.
Aus der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über Altfahrzeuge (200/53/EG, Abl. Nr. L 269 S. 34) kann der Kläger zu seinen Gunsten nichts herleiten. Abgesehen davon, dass die Richtlinie erst mehr als 2 Jahre nach der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung in dieser Sache (Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1998) erlassen worden ist, fallen die streitbefangenen Traktoren nicht unter den Begriff der Fahrzeuge im Sinne der Richtlinie, wie er in Art. 2 Nr. 1 definiert und in dem vom Kläger zitierten Erwägungsgrund (10) vorausgesetzt wird (vgl. hierzu ferner jetzt Art. 3 Nr. 3a des Gesetzes über die Entsorgung von Altfahrzeugen vom 21. Juni 2002 (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AltfahrzeugV, BGBl. S. 2199, welches der Umsetzung der Richtlinie 2000/53/EG in deutsches Recht dient). Schließlich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass die Traktoren "fahrbereit oder in Teile zerlegt" - wie es im Erwägungsgrund 10 der Richtlinie heißt - aufbewahrt werden. Auch die Richtlinie geht offenbar davon aus, dass unter dem Begriff "Oldtimer" nur ein Fahrzeug in restauriertem Zustand zu verstehen ist.
2. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Rechtssache weist besondere, also überdurchschnittliche tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten nicht auf. Vielmehr stellen sich das normale Maß nicht überschreitende Fragen der Anwendung des Abfallrechts, insbesondere der Auslegung des Abfallbegriffs, die in Rechtsprechung und Literatur wiederholt behandelt worden sind.
3. Der Rechtssache kommt eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) unter den dargelegten Gründen nicht zu. In dem Zulassungsantrag wird eine in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftige Frage, die über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann, nicht aufgeworfen. Welche Gegenstände Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sind, ergibt sich aus § 3 KrW-/AbfG. Über diese Begriffsbestimmung hinaus lässt sich der Abfallbegriff abstrakt nicht näher beschreiben.