Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.09.2002, Az.: 11 LC 150/02

Bestandsverzeichnis; Betreiber; Eigentum; Leihe; Medizinprodukt; Patient; Sachherrschaft; Verteilen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.09.2002
Aktenzeichen
11 LC 150/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43794
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 26.02.2002 - AZ: 5 A 307/01
nachfolgend
BVerwG - 16.12.2003 - AZ: BVerwG 3 C 47.02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der zum Führen eines Bestandsverzeichnisses (§ 8 MPBetreibV) verpflichtete "Betreiber" eines aktiven nichtimplantierbaren Medizinprodukts ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt ausübt. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es dagegen nicht entscheidend an.

Ein Patient, der ein aktives nichtimplantierbares Medizinprodukt zum eigenen Gebrauch nur leihweise erhalten hat, ist kein "Betreiber" iSd MPBetreibV.

Tatbestand:

1

Die Klägerin - eine Betriebskrankenkasse - ist Eigentümerin von Medizinprodukten, die über ein Sanitätshaus leihweise an bei ihr Versicherte abgegeben werden. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin als Betreiberin im Sinne der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung – (MPBetreibV) vom 29.6.1998, BGBl. I S. 1762 = a. F., nunmehr unter Berücksichtigung zwischenzeitlich eingetretener, für das vorliegende Verfahren aber nicht erheblicher Änderungen in der Bekanntmachung der Neufassung vom 21.8.2002, BGBl I S. 3396 = n. F.) anzusehen ist und dementsprechend gemäß § 8 MPBetreibV (a. F. und n. F.) „für alle aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte der jeweiligen Betriebsstätte ein Bestandsverzeichnis“ zu führen hat.

2

Mit Schreiben vom 27. September 2000 forderte die Beklagte die Klägerin formlos auf, ein vollständiges Bestandsverzeichnis der aktiven Medizinprodukte (z.B. elektrisch betriebene Rollstühle, elektrisch verstellbare Betten, Beatmungsgeräte u.a.) gem. § 8 MPBetreibV vorzulegen. Zur näheren Begründung führte die Beklagte (im Anschluss an Baumann, Medizinproduktejournal  1999 S. 3, vgl. Beiakte B Bl. 12) aus, die Klägerin sei Betreiber von aktiven Medizinprodukten und daher nach § 8 MPBetreibV verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis zu führen. Zwar gebe weder das Medizinproduktegesetz (MPG) noch die MPBetreibV eine Definition des Betreibers. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen sei jedoch derjenige als Betreiber eines Medizinproduktes anzusehen, der für den bestimmungs- und  ordnungsgemäßen Betrieb des Medizinproduktes verantwortlich sei. Diese Verantwortung sei vom Gesetz- und Verordnungsgeber demjenigen zugeordnet worden, der die rechtliche, also nicht unbedingt auch die tatsächliche Sachherrschaft über das Produkt habe und damit Art, Umfang und Zeitdauer des Betriebes des Produktes maßgeblich bestimme. Die Regelungen  unterschieden nämlich zwischen dem Betreiber einerseits und dem Anwender als demjenigen, der das Produkt aufgrund tatsächlicher Sachherrschaft handhabe, andererseits. Im Lichte dieser Definition sei auch die Frage zu beurteilen, ob und unter welchen Umständen z.B. die Krankenkassen, ambulanten Pflegedienste etc. als Betreiber von Medizinprodukten anzusehen seien. In Fällen, in denen die Krankenkassen in ihrem Eigentum stehende Hilfsmittel entweder direkt vom eigenen Lager (Selbstabgabe) oder über Dritte (z.B. ein Sanitätshaus, das ein Kassenlager verwalte, sog. traditionelle Versorgung) Patienten zur Verfügung stellten (ausliehen), seien sie als Betreiber anzusehen, weil sie die rechtliche Sachherrschaft über das Hilfsmittel inne hätten.

3

Die Klägerin verwies in ihrer Antwort auf eine Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen aus dem September 1998. Bereits damals hatten die Spitzenverbände die Auffassung vertreten, die Abgabe und der Wiedereinsatz von Hilfsmitteln an Versicherte falle zwar begrifflich unter das „Betreiben“ im Sinne der Bestimmungen. Die MPBetreibV finde nach ihrem § 1 aber keine Anwendung auf Medizinprodukte, die nur im privaten Bereich angewandt würden. Die leihweise Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte erfolge aber ausschließlich zur Verwendung im privaten Bereich.

4

Anlässlich eines Gespräches mit der Beklagten erklärte die Klägerin, ein Bestandsverzeichnis nach § 8 MPBetreibV existiere nicht. Der Wiedereinsatz von Medizinprodukten, die sich in ihrem Eigentum befänden, würde ausschließlich von dem Sanitätshaus F.  durchgeführt, mit dem sie eine Hilfsmittelvereinbarung (vgl. dazu Beiakte B Bl. 27 f.) abgeschlossen habe. Neue Geräte würden z. T. auch von anderen Firmen geliefert. Mit diesen anderen Firmen sei bislang nicht geregelt, wer erforderliche Kontrollen/Wartungen durchführt.

5

Mit Bescheid vom 7. Juni 2001 gab die Beklagte der Klägerin auf, „für alle in ihrem Eigentum befindlichen aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte ein Bestandsverzeichnis anzulegen und Einsicht in dieses Bestandsverzeichnis zu gewähren“. Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, die Klägerin sei als Betreiber dieser Medizinprodukte anzusehen, da sie die rechtliche Sachherrschaft darüber habe.

6

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trugt vor: Nach § 1 MPBetreibV gelte die Verordnung nicht für Medizinprodukte, die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienten und in deren Gefahrenbereich keine Arbeitnehmer beschäftigt seien. Die leihweise Überlassung von Hilfsmitteln durch sie – die Klägerin – diene aber weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken; damit werde lediglich der Sachleistungs-anspruch des Versicherten (§ 2 Abs. 2  SGB V) erfüllt Darüber hinaus würden auch keine Arbeitnehmer im Bereich des versorgten Versicherten beschäftigt, wenn diesem Hilfsmittel leihweise überlassen würden. Eine Verpflichtung, ein Bestandsverzeichnis aufzustellen, bestehe daher nicht.

7

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens teilte das Sanitätshaus F. der Beklagten auf Anfrage mit, es liefere im Auftrag der Klägerin Medizinprodukte, diese Lieferung erfolge auf Grundlage des MPG, es - das Sanitätshaus F. - sei jedoch nicht als Betreiber anzusehen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus: Die MPBetreibV sei anzuwenden, denn mit der leihweisen Überlassung von Medizinprodukten verfolge die Klägerin auch wirtschaftliche Ziele; sie bleibe nämlich aus Kostengründen Eigentümerin der Medizinprodukte, um sie nach einem Ersteinsatz an andere Versicherte erneut verleihen und mit diesem mehrmaligen Einsatz Kosten sparen zu können. Darüber hinaus sei auch nicht generell davon auszugehen, dass beim Betrieb der betreffenden Medizinprodukte keine Arbeitnehmer tätig würden. Häufig würden die Medizinprodukte vielmehr durch ambulante Pflegedienste betrieben. Diese seien aber Arbeitnehmer. Die Klägerin bestimme zudem maßgeblich über Art, Umfang und Zeitdauer des Betriebes der von ihr verliehenen und in ihrem Eigentum befindlichen Medizinprodukte und übe damit die rechtliche Sachherrschaft über diese aus. Sie sei damit Betreiber und habe auch die Betreiberpflichten zu erfüllen, u.a. also ein Bestandsverzeichnis anzulegen. Dieses Bestandsverzeichnis sei Grundlage für weitergehende behördliche Überwachungsmaßnahmen, da in dem Bestandsverzeichnis u. a. wichtige Produktdaten und der Standort der Medizinprodukte genannt würden.

9

Daraufhin hat die Klägerin am 2. Oktober 2001 Klage erhoben. Sie hat ergänzend vortragen: Die Krankenkassen verfolgten mit der leihweisen Überlassung eines ärztlich verordneten Hilfsmittels keinen wirtschaftlichen Zweck im Sinne des § 1 MPBetreibV. Zwar sei die Klägerin dem Gebot der Wirtschaftlichkeit verpflichtet, dieses sei aber nicht gleichzusetzen mit einer wirtschaftlichen Zielsetzung im Sinne der Verordnung. Zweck der Hilfsmittelversorgung sei allein, dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag  (§ 2 SGB V) nachzukommen. Außerdem würden in den weit überwiegenden Fällen keine Arbeitnehmer im Bereich der leihweise überlassenen Medizinprodukte tätig. Dies sei allenfalls bei häuslicher Krankenpflege denkbar, wenn der Betroffene durch den ambulanten Pflegedienst versorgt werde, wobei allerdings fraglich sei, ob der ambulante Pflegedienst als Arbeitnehmer i.S. d. § 1 MPBetreibV anzusehen sei. Im Übrigen gebe es eine Vielzahl von energiebetriebenen Medizinprodukten (vgl. die Aufzählung in GA Bl. 21) und eine unübersehbare Menge an zugelassenen Hilfsmittelerbringern (vgl. hierzu § 126 SGB V), so dass es ihr unmöglich sei, ein Bestandsverzeichnis zu führen. Die Aufforderung sei unverhältnismäßig. Sie habe letztlich auch keine Sachherrschaft über diese Hilfsmittel. Vielmehr würden die Hilfsmittel von dem Hilfsmittelerbringer, hier der Firma {G.} ausgewählt, angepasst, abgeholt und Instand gehalten.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2001 und den            Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 aufzuheben.

12

Die Beklage hat beantragt,

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                        die Klage abzuweisen.

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Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Nach Sinn und Zweck der Vorschriften sei als Betreiber derjenige anzusehen, der die Sachherrschaft und die rechtliche Herrschaft über das Medizinprodukt habe. Die Klägerin erfülle diese Voraussetzungen. Sie sei Eigentümerin der Medizinprodukte, die sie ihren Versicherten leihweise zur Verfügung stelle. Die Klägerin lasse sich bei der Vergabe von diesen Medizinprodukten auch von wirtschaftlichen Zwecken leiten; denn gerade aus wirtschaftlichen Zwecken erfolge die Verleihung ein und desselben Medizinproduktes an mehrere Versicherte. Im Zusammenhang mit der Nutzung der Medizinprodukte würden schließlich zumindest teilweise auch Arbeitnehmer beschäftigt, nämlich in all den Fällen, in denen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege durch ambulante Pflegedienste Leistungen mit dem Medizinprodukt erbracht würden. Die Verfügung sei nicht unverhältnismäßig. Die durch die Führung, Vorlage und Überprüfung des anzulegenden Bestandsverzeichnisses gegebene ständige Kontrolle diene dem allgemeinen Gesundheitsschutz. Die Mehrbelastungen, die dadurch entstünden, müsse die Klägerin  hinnehmen. Gerade wenn die Klägerin z.B. Medizinprodukte mehrfach hintereinander an verschiedene Versicherte ausleihe, müsse gewährleistet sein, dass das jeweilige Medizinprodukt stets sicherheitstechnisch unbedenklich zu nutzen sei. Dieses sei schon deswegen von Bedeutung, weil sich das anzulegende Bestandsverzeichnis auf Medizinprodukte beziehe, die vom Betrieb einer Stromquelle oder einer anderen Energiequelle abhängig seien. Naturgemäß könnten aus Stromquellen aber erhebliche Gefahren bei einer unsachgemäßen Wartung hervorgehen.

15

Mit Urteil vom 26. Februar 2002 hat das Verwaltungsgericht, auf dessen Ausführungen verwiesen wird, die Klage abgewiesen.

16

Dagegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin.

17

Die Klägerin trägt im Berufungsverfahren vor: Krankenkassen träfen keine Betreiberpflichten nach der MPBetreibV. Sie seien daher nicht verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis zu führen. Die Krankenkassen stellten nicht ihre Verantwortlichkeit gegenüber dem Versicherten für eine funktionstüchtige und technisch einwandfreie Versorgung in Frage. Soweit z.B. Krankenbetten von den Krankenkassen dem Versicherten leihweise  überlassen würden, müssten die Betten nach allgemeinen sozialrechtlichen und haftungsrechtlichen Vorschriften bei jedem Einsatz auf ihre technische Fehlerfreiheit hin überprüft werden. Dieser Verpflichtung kämen die Krankenkassen selbstverständlich nach. Des Weiteren prüften die Krankenkassen auch eingehend, welche Leistungserbringer (vgl. § 126 SGB V) zur Hilfsmittelversorgung zugelassen werden können. Diese sozialrechtliche Verpflichtung sei aber zu trennen von der Betreibereigenschaft nach dem MPG und der MPGBetreibV. Eine fortlaufende technische Überwachung der maßgeblichen Medizinprodukte durch die Krankenkassen wäre systemwidrig. Hinzu komme, dass die privaten Krankenkassen kein Bestandsverzeichnis nach § 8 MPBetreibV vorhalten müssten, weil bei privaten Krankenversicherungen das Sachleistungsprinzip nicht gelte, sondern der Versicherte selbst seine Versorgung mit Hilfsmitteln vornehme und lediglich von der Krankenkasse Kostenerstattung begehren könne. Da weder im MPG noch in der MPBetreibV ausdrücklich festgelegt worden sei, dass (auch) Krankenkassen ein Bestandsverzeichnis anzulegen hätten, sei dieses Schweigen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers dahin auszulegen, dass diese Pflicht für die gesetzliche Krankenversicherung gerade nicht bestehe. Andernfalls sei nicht ersichtlich, warum er diese Pflicht der Krankenkassen nicht ausdrücklich in den maßgeblichen Bestimmungen mit aufgenommen habe. Gewerbliche oder wirtschaftliche Zwecke würden durch die Krankenkassen nicht verfolgt. Allein dass Krankenkassen zur sparsamen Betriebs- und Haushaltsführung verpflichtet seien, könne nicht mit wirtschaftlichen Zwecken gleichgesetzt werden. Die Krankenkassen handelten nicht als Unternehmer im Sinne des Privatrechtes. Die Verträge der Krankenkassen mit den Leistungserbringern seien vielmehr (nunmehr) als öffentlich-rechtliche Verträge zu qualifizieren (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 25.9.2001 – B 3 KR 3/01 R-juris). Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu ihren Versicherten seien ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur. Öffentlich-rechtlich seien auch die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und dem zugelassenen Leistungserbringer. Im Rahmen der Erfüllung dieser öffentlich-rechtlichen Beziehungen verfolgten weder die Krankenkassen noch der zugelassene Leistungserbringer mit der leihweisen Abgabe von Hilfsmitteln einen unmittelbar gewerblichen Zweck.

18

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts würden auch keine Arbeitnehmer im Zusammenhang mit den Medizinprodukten tätig. Soweit häusliche Pflege im Einzelfall durch den ambulanten Pflegedienst erbracht werde, sei dieser Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Systems der gesetzlichen Krankenversicherung und damit kein Arbeitnehmer.

19

Im Übrigen übe der jeweils zugelassene Leistungserbringer umfassende Sachherrschaft über die Medizinprodukte aus, und zwar auch, soweit sie sich noch im Eigentum der Krankenkassen befänden. Nur der Hilfsmittelerbringer (Poolverwalter) sei fachlich in der Lage dafür zu sorgen, dass die im Pool zur leihweisen Überlassung an den jeweiligen Versicherten vorhandenen Hilfsmittel die erforderliche Qualität hätten. Allenfalls dieser könne daher als Betreiber angesehen werden. Er sei  nämlich als zugelassener Leistungserbringer Teil des öffentlich-rechtlichen Systems der Krankenversicherung. Dem Gesetzgebungsverfahren sei zudem zu entnehmen, dass der Gesetzgeber von einer kostenneutralen Umsetzung des MPG bzw. der MPBetreibV ausgegangen sei. Würde Krankenkassen die Pflicht auferlegt, ein Bestandsverzeichnis zu führen und aktuell zu halten, würde dieses erhebliche Kosten nach sich ziehen. Hätte der Gesetzgeber dieses gewollt, hätte er sich auch zu den neu entstehenden Kosten zu Lasten der Krankenkassen geäußert. Das Schweigen des Gesetzgebers zu diesem Punkt spreche ebenfalls dagegen, die Krankenkasse als Betreiber anzusehen. Im Übrigen könnten die in der MPBetreibV niedergelegten Verpflichtungen für einen Betreiber schon faktisch nicht von den Krankenkassen erfüllt werden.

20

In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin der Klägerin u. a. ergänzend vorgetragen, die Klägerin betreibe kein eigenes Kostenlager, sondern arbeite z. Z. mit der Firma {G.} als Leistungserbringer zusammen, die für die Klägerin bundesweit tätig sei. Nur die Leistungserbringer hätten den notwendigen Sachverstand, um die betreffenden  Medizinprodukte ordnungsgemäß zu warten. Auch der in § 8 MPBetreibV genannte Begriff der „Betriebsstätte“ spreche gegen die Einstufung der Klägerin als Betreiber.

21

Die Klägerin beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2001 aufzuheben.

23

Die Beklagte beantragt,

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            die Berufung zurückzuweisen.

25

Sie macht im Wesentlichen geltend: Die in der MPBetreibV niedergelegten Pflichten dienten dem Schutz des Einzelnen bei der Nutzung der von ihm vorübergehend entliehenen Medizinprodukte. Maßgebend für die Betreibereigenschaft sei, wer die Verantwortung für den Betrieb eines aktiven nicht implantierbaren Medizinproduktes, das mehrfach verliehen werde, zu tragen habe. Betreiber könne demnach nur derjenige sein, der jedenfalls die rechtliche, wenn auch nicht notwendigerweise die tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt habe. Nur über die bestehende rechtliche Sachherrschaft sei der Betreiber in der Lage, seinen Verpflichtungen aus der MPBetreibV nachzukommen und die erforderlichen Kontrollen und Instandhaltungsmaßnahmen sicherzustellen. Nicht entscheidend sei, ob und in welcher Form dadurch möglicherweise zusätzliche Personal- und Sachkosten entstünden. Im vorliegenden Fall habe das Verwaltungsgericht unter Auslegung des zwischen der Klägerin und dem Sanitätshaus F.  getroffenen Vertrages zu Recht die Auffassung vertreten, dass die rechtliche Sachherrschaft bei der Klägerin liege. Sowohl die Klägerin als auch das Sanitätshaus verfolgten schließlich bei dem Vertrieb der Medizinprodukte und der Abgabe an Versicherte wirtschaftliche Zwecke. Bei privaten  Krankenversicherungen stelle sich die Frage nach dem Betreiber nicht, da diese in der Regel kein Eigentum an den Medizinprodukten erwürben.

26

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, Betreiber sei derjenige, der für die Medizinprodukte voll verantwortlich sei. Zur Bestimmung des Betreibers sei dabei unter Umständen auch auf die Ausgestaltung des Vertrages zwischen der Krankenkasse und dem jeweiligen Leistungserbringer abzustellen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2001 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2001 war aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

29

Die Klägerin ist nicht als Betreiberin i. S. d. Medizinproduktebetreiber-Verordnung (MPBetreibV) anzusehen und damit auch nicht verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis (§ 8 MPBetreibV) zu führen.

30

Das Führen eines Bestandsverzeichnisses ist in der seit 1998 geltenden  MPBetreibV geregelt. Diese Verordnung wiederum beruht auf dem erstmals 1994 erlassen Medizinproduktegesetz (MPG). Mit diesen Bestimmungen wurden verschiedene europäische Richtlinien umgesetzt, u.a. die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. EG Nr. L 169 S. 1).

31

Zweck des MPG ist es, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen (vgl. § 1 MPG). Entsprechendes bestimmt die Richtlinie 93/42/EWG (abgedruckt bei Schorn, Medizinprodukte-Recht, Stand: Dezember 2001, unter E 1-2): „Medizinprodukte müssen für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten“. Die MPBetreibV trifft Regelungen für das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten. Unter Medizinprodukten sind alle Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe etc. zu verstehen, die eingesetzt werden, um Krankheiten zu erkennen, behandeln, lindern, überwachen, ohne dass pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel eingesetzt werden. Typischerweise wird die Funktion eines Medizinproduktes vielmehr durch physikalische Mittel erlangt. Medizinprodukte sind z.B. Skalpelle, Röntgenapparate, Beatmungsgeräte, Laufhilfen, Rollstühle. „Aktiv“ sind Medizinprodukte, deren Betrieb auf eine Stromquelle oder auf eine andere Energiequelle als die unmittelbar durch den menschlichen Körper oder die Schwerkraft erzeugte Energie angewiesen ist (vgl. die Definition Nr. 1.4 des Anhanges XI der Richtlinie 93/42/EWG; vgl. auch Schorn, Medizinproduktrecht, M 2-1/38). Zu aktiven (nicht implantierbaren) Medizinprodukten gehören z.B. Insulinpumpen, Badewannenlifter, Wechseldruckmatratzen, elektrische Atemluftbefeuchter,  Hörgeräte, Elektrorollstühle, Betten mit elektrischer Verstellung, Blutzuckermessgeräte).

32

Bei Erlass des Widerspruchsbescheides galt die MPBetreibV a. F. vom 29.6.1998 (BGBl. I S. 1762). Sie bestimmte, dass die Verordnung nicht für Medizinprodukte gilt, die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienen und in deren Gefahrenbereich keine Arbeitnehmer beschäftigt sind (vgl. ebenso § 1 Abs. 2 MPBetreibV n. F.).

33

Der hier weiter maßgebliche § 8 MPBetreibV lautet:

34

„Abs. 1

35

Der Betreiber hat für alle aktiven nichtimplantierbaren Medizinprodukte der jeweiligen Betriebsstätte ein Bestandsverzeichnis zu führen. Die Aufnahme in ein Verzeichnis, das aufgrund anderer Vorschriften geführt wird, ist zulässig.

36

Abs. 2

37

In das Bestandsverzeichnis sind für jedes Medizinprodukt nach Abs. 1 folgende Angaben einzutragen:

38

Bezeichnung Art und Typ...,

39

Name oder Firma des ... für das jeweilige Medizinprodukt Verantwortlichen,

40

die der CE-Kennzeichnung hinzugefügte Kennnummer ...,

41

soweit vorhanden, betriebliche Identifikationsnummer,

42

Standort und betriebliche Zuordnung,

43

die vom Hersteller angegebene Frist für die sicherheitstechnische Kontrolle...

44

Abs. 3

45

Die zuständige Behörde kann Betreiber von der Pflicht zur Führung eines

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Bestandsverzeichnisses oder von der Aufnahme bestimmter Medizinprodukte in das Bestandsverzeichnis befreien. Die Notwendigkeit zur Befreiung ist vom Betreiber eingehend zu begründen.

47

Abs. 4 ...

48

Abs. 5

49

Der zuständigen Behörde ist auf Verlangen beim Betreiber jederzeit Einsicht in das Bestandsverzeichnis zu gewähren.“

50

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides ist die MPBetreibV durch Art. 11 des 2. Gesetzes zur Änderung des Medizinproduktegesetzes (2. MPG-ÄndG) vom 13.12.2001 – BGBl. I S. 3586 - teilweise geändert worden (vgl. auch die Bekanntmachung der Neufassung der MPBetreibV vom 21.8.2002 – BGBl. I S. 3396). § 8 blieb aber unverändert.

51

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die Klägerin unter die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 MPBetreibV fällt und - sollte das nicht der Fall sein - ob die Klägerin als Betreiberin im Sinne der Verordnung anzusehen ist.

52

1) Die in § 1 Abs. 2 MPBetreibV geregelte Ausnahme vom Anwendungsbereich der Verordnung trifft auf die Klägerin nicht zu.

53

Da Ziel der Verordnung der Schutz vor von dem Medizinprodukt möglicherweise ausgehenden Gefahren ist, liegt es nahe, die Ausnahmeregelung nur auf die Fälle zu beziehen, in denen das betreffende Medizinprodukt ausschließlich im privaten Bereich, also ausschließlich für den eigenen Gebrauch, eingesetzt wird (vgl. so auch Schorn, Medizinprodukterecht, B 16/3 zur (früher geltenden) Medizingeräteverordnung und M 2-5/5 zum MPG). In diesen Fällen wird nämlich das Medizinprodukt letztlich in der Verantwortung von Privatpersonen für sich selbst betrieben und eigenverantwortlich angewendet (z. B. ein Blutdruckmessgerät, welches der Patient, wenn auch auf Anraten eines Arztes, sich selbst gekauft hat (vgl. Hoxhaj, Das Neue Medizinprodukterecht und Arzt- bzw. Krankenhaushaftung, Recht und Politik im Gesundheitswesen, 2001 S. 35; Hollberg, Die aktuellen gesetzlichen Regelungen für das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten nach dem MPG und der MPBetreibV, in LVA Rheinprovinz, Mitteilungen 9 –10/2001 S. 357, 362; Baumann, Medizinproduktejournal 1999, S. 3; vgl. auch BA B Bl. 12). Sofern die Krankenkasse daher aus eigenem Bestand oder aber - wie hier - durch Inanspruchnahme von Leistungserbringern dem Patienten Medizinprodukte lediglich für einen bestimmten Zeitraum überlässt - § 33 Abs. 5 SGB V  gibt den Krankenkassen ausdrücklich das Recht, dem Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel (Medizinprodukte) auch nur leihweise zu überlassen (vgl. hierzu z. B. BSG, Urt. v. 9. 2. 1989 - 3 RK 7/88 -, NJW 1989, 2773) – gilt die Ausnahmeregelung nach ihrem Sinn und Zweck mithin nicht. Der Patient übernimmt in diesem Fall ausschließlich die Funktion eines Anwenders (vgl. Hollberg, a. a. O.). Der gemeinsamen Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 23. September 1998, wonach die MPBetreibV immer schon dann nicht eingreife, wenn das Medizinprodukt von einem Versicherten zu Hause angewandt werde, ohne weitere Unterscheidung, ob der Betreffende dieses Medizinprodukt selbst zum Eigentum erworben oder nur ausgeliehen habe, ist daher nicht zu folgen. Eine aktuellere Stellungnahme der Spitzenverbände liegt nicht vor.

54

Unabhängig von den vorstehenden Überlegungen greift die Ausnahmeregelung aber auch deswegen nicht ein, weil die hier in Rede stehenden Medizinprodukte wirtschaftlichen Zwecken dienen. Mit dem Verwaltungsgericht ist dabei davon auszugehen, dass ausschließlich darauf abzustellen ist, ob das betreffende Medizinprodukt als solches zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken eingesetzt wird oder – sollte dieses nicht der Fall sein – ob in seinem Gefahrenbereich Arbeitnehmer beschäftigt werden.

55

Eine wirtschaftliche Zielrichtung ist vorliegend zu bejahen. Werden von einer Krankenkasse Medizinprodukte vorgehalten, um sie über einen Leistungserbringer – nach der Klarstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung verfügt sie über kein eigenes Kassenlager – gemäß § 33 Abs. 5 SGB V an einen Versicherten auszuleihen, liegt hierin eine wirtschaftliche Betätigung auf Seiten der Krankenkassen. Eine wirtschaftliche Unternehmung liegt auch dann vor, wenn diese nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist wie z. B. bei staatlichen oder kommunalen Betrieben, gemeinnützigen Krankenhäusern, Sozialversicherungsträgern oder Vereinen (vgl. hierzu Hollberg, a. a. O. S. 361). Gerade mit der mehrfachen Verwendung von Medizinprodukten an verschiedene Versicherte kommt die Krankenkasse nämlich dem ihr in § 12 SGB V auferlegten Gebot nach, die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu erbringen. Auf Seiten des hier eingeschalteten Sanitätshauses oder eines anderen in Anspruch genommenen Leistungserbringers (z. B. Orthopädie-Schuhmacher) liegt zudem auch eine gewerbliche Nutzung des Medizinproduktes vor, da bei ihnen auch eine Gewinnerzielungsabsicht besteht.

56

Auf die zwischen den Beteiligten ebenfalls umstrittene Frage, ob und inwiefern bei einer leihweisen Überlassung von Medizinprodukten an die Versicherte im Gefahrenbereich der Medizinprodukte „Arbeitnehmer“ beschäftigt werden, kommt es daher nicht mehr an.

57

2. Wenn somit auch dem Grunde nach die MPBetreibV auf den vorliegenden Fall anzuwenden ist, so ist die Klägerin gleichwohl nicht als Betreiberin im Sinne dieser Verordnung anzusehen.  

58

Die MPBetreibV erwähnt mehrfach der Begriff des Betreibers, gibt jedoch keine Definition, was darunter zu verstehen ist. Auch in dem der Verordnung zugrunde liegenden MPG ist eine Definition nicht enthalten. So heißt es in § 22 MPG vom 02. August 1994, geändert am 06. August 1998 (BGBl. I 1994 S. 1963; 1998 S. 2005) z. B. nur:

59

„Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, in einer

60

Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Anforderungen an das Errichten, das Betreiben und das Anwenden von aktiven Medizinprodukten festzulegen. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können weiterhin Regelungen getroffen werden über die Einweisung der Betreiber und Anwender, die sicherheitstechnischen Kontrollen, Funktionsprüfungen, das Bestandsverzeichnis und das Medizinproduktebuch für aktive Medizinprodukte sowie weitere Anforderungen und Ausnahmen, soweit dies für das sichere Betreiben und die sichere Anwendung des aktiven Medizinproduktes notwendig ist.“             

61

Und in § 37 MPG i. d. B. d. N. v. 7.8.2002 (BGBl. I S. 3146) bestimmt der nunmehr die Verordnungsermächtigungen enthaltende Abs. 5:

62

„Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung

63

Anforderungen an das Errichten, Betreiben, Anwenden und Instandhalten von Medizinprodukten festzulegen, Regelungen zu treffen über die Einweisung der Betreiber und Anwender, die sicherheitstechnischen Kontrollen, Funktionsprüfungen, Meldepflichten und Einzelheiten der Meldepflichten von Vorkommnissen und risiken, das Bestandsverzeichnis und das Medizinproduktebuch sowie weitere ...“

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In den EG-Richtlinien wird der „Betreiber“ nicht ausdrücklich erwähnt.

65

Der Literatur sind keine einheitlichen Aussagen zu entnehmen:

66

Nach Hollberg (a. a. O., S. 361) ist Betreiber derjenige, der den Besitz, aber nicht notwendigerweise das Eigentum an einem Medizinprodukt hat, d.h. derjenige, der über die Sachgewalt verfügt. Er sei verantwortlich für die richtige Umsetzung der Vorschriften und im Rahmen seiner Organisationsverantwortung zuständig für die Veranlassung, Durchführung und Überwachung aller geforderten administrativer und technischer Maßnahmen. Betreiber von Medizinprodukten seien z.B. Krankenhäuser und Arztpraxen sowie die Kliniken und die ärztlichen Untersuchungsstellen.

67

Hoxhaj (a. a. O.) geht davon aus, dass Krankenhäuser und Arztpraxen als Betreiber von Medizinprodukten anzusehen seien.

68

Ratzel/Lippert (MPG 2000 Rdnr. 40 ff.) vertreten die Auffassung, Betreiben heiße, die tatsächliche Sachherrschaft über ein Medizinprodukt auszuüben; der Betreiber eines Medizinproduktes, der dieses auch selbst anwende, sei zugleich Anwender  des Medizinproduktes; sonst – etwa in Krankenhäusern – könnten Betreiber und Anwender personenverschieden sein. Der Begriff des Betreibens erfasse alle Vorgänge, die sich auf den Gebrauch von Medizinprodukten bezögen. Unter den Begriff des Betreibens fielen Maßnahmen wie z.B. Überwachung, Wartung, Instandhaltung bis zur Außerbetriebnahme des Medizinproduktes. Der Begriff des Anwendens beziehe sich auf die tatsächliche, nicht die rechtliche Handhabung eines Medizinproduktes; Anwender und Betreiber können personenidentisch sein, müssten es aber nicht.

69

Nach Schorn (Medizinprodukte-Recht, B 16/4, zu der (früher geltenden) Medizingeräte-Verordnung) ist Betreiber derjenige, in dessen Verfügungsgewalt sich das Gerät mit dem Ziel der Anwendung durch ihn oder eines von ihm Beauftragten befindet. Betreiber könne eine natürliche Person (z.B. Inhaber einer ärztlichen  Praxis) oder eine juristische Person (z.B. Träger eines Krankenhauses) sein; Anwender sei die Person, die tatsächlich das Gerät anwende (z. B. Arzthelferin).

70

Hinsichtlich der MPBetreibV scheint Schorn dagegen die Auffassung zu vertreten, Betreiber sei derjenige, der als Eigentümer die Verfügungsgewalt über das Medizinprodukt habe (vgl. Schorn, Medizinprodukterecht, M 1-1/7 und  MTD 1998 Nr. 12 in Beiakte B Bl. 10)

71

Baumann (Medizinproduktejournal 1999, S. 3 – Beiakte B Bl. 12) vertritt die Auffassung, dass als Betreiber derjenige anzusehen sei, der die rechtliche (nicht unbedingt die tatsächliche) Sachherrschaft über das Medizinprodukt habe und daher über Art, Umfang und Zeitdauer des Betriebes des Produktes maßgeblich bestimmen könne. Anwender sei dagegen derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft habe. Typischer Anwender sei der Arbeitnehmer, der im Auftrag des Betreibers das Medizinprodukt handhabe. Entsprechend seien Krankenkassen, wenn sie in ihrem Eigentum stehende Hilfsmittel direkt aus dem eigenen Lager (Selbstabgabe) oder über Dritte, etwa ein Sanitätshaus, das ein Kassenlager verwalte (traditionelle Versorgung), Patienten zur Verfügung stellten, als Betreiber anzusehen, weil sie die rechtliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt innehätten. Die Kassen könnten die sich aus ihrer Stellung als Betreiber ergebenden Pflichten zwar durch Vertrag an ein Sanitätshaus etc. weitergeben, diese aber nicht abbedingen. Die Weitergabe wirke zudem nicht gegenüber dem Versicherten. Habe dagegen z.B. das Sanitätshaus ein Medizinprodukt zu Eigentum erworben und dieses leihweise einem Versicherten zur Verfügung gestellt, sei das Sanitätshaus als Betreiber anzusehen.

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Kindler/Menke (Komm. zum MPG, 4. Aufl., S. 68 f) führen aus, der Betreiber schaffe die organisatorische Voraussetzung für die Einhaltung der Vorschriften, d. h. er sei im Rahmen seiner Organisationsverantwortung zuständig für den Einsatz der Medizinprodukte entsprechend ihrer Zweckbestimmung sowie für die Veranlassung, Durchführung und Überwachung aller geforderten administrativen und technischen Maßnahmen. Betreiber seien danach vor allem die Krankenhäuser und die Arztpraxen, aber auch andere stationäre oder ambulante Gesundheitseinrichtungen. Aus juristischer Sicht sei Betreiber die natürliche Person (z. B. Inhaber einer Arztpraxis) oder die juristische Person (z. B. Träger eines Krankenhauses), welche die im Geschäftsverkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt besitze. Entscheidend für die Verantwortung als Betreiber seien die Besitzverhältnisse und nicht die Eigentumsverhältnisse. Auch derjenige übe die Sachherrschaft über ein Medizinprodukt aus und habe damit auch die Betreibervorschriften zu erfüllen, der z. B. ein Gerät aufgrund eines Leasings- bzw. Mietvertrages nutze, ohne Eigentümer zu sein.

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Rechtsprechung zu dieser Frage liegt - soweit ersichtlich - nicht vor.

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Unter Berücksichtigung der Aufgaben eines Betreibers ist die Betreibereigenschaft nach Auffassung des Senats nicht an die rechtliche, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft über das Medizinprodukt zu koppeln. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass eine ausschließliche Anknüpfung an das Eigentum eine einfachere Zuordnung ermöglichen würde. Diesem Aspekt kommt aber aus den nachstehenden Gründen kein vorrangiges Gewicht zu:

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So hat der Betreiber vorgeschriebene sicherheitstechnische Kontrollen innerhalb der vom Hersteller genannten Frist durchzuführen. In anderen Fällen hat er die Geräte von sich aus alle zwei Jahre sicherheitstechnisch zu überprüfen. Ebenso hat der Betreiber vorgeschriebene messtechnische Untersuchungen durchzuführen (vgl. hierzu z. B. § 6 MPBetreibV und die Ausführungen bei Hollberg (a. a. O. S. 365 ff.)). Die Beseitigung eventuell festgestellter Mängel ist voll in den Verantwortungsbereich des Betreibers gestellt (Hollberg, a. a. O.). Unabhängig von der regelmäßig vorgeschriebenen Überprüfung sind sonstige erkennbare Fehler des Medizinproduktes vom Betreiber unverzüglich weiterzuleiten (§ 3 MPBetreibV). Er hat im Rahmen des Bestandsverzeichnisses die jeweiligen Medizinprodukte mit den in § 8 Abs. 2 MPBetreibV genannten Kriterien zu erfassen. Zu den Aufgaben des Betreibers gehört es weiter, Medizinprodukte nach Rückgabe durch den Versicherten auf etwaige Mängel zu untersuchen, gegebenenfalls auch etwaige beim Gebrauch durch den Versicherten aufgetretene Mängel zu beseitigen. Die Erfüllung dieser Aufgaben setzt aber den Besitz, dagegen nicht notwendig das Eigentum an den jeweiligen Medizinprodukten voraus. Den für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Besitz haben in der Regel die Leistungserbringer, nicht aber die Krankenkassen.

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Die Kompetenz für die ordnungsgemäße Wahrnehmung dieser Aufgaben liegt ebenfalls eher bei den  gerade wegen ihres Sachverstandes  ausgewählten jeweiligen Leistungs-erbringern  als bei den  letztlich „nur“ auf der Verwaltungsebene tätigen und über kein eigenes Kassenlager verfügenden Krankenkassen. Als Leistungserbringer zur Zusammenarbeit mit den Krankenkassen im Sinne des § 126 SGB V ist nämlich nur derjenige zuzulassen, der eine ausreichende, zweckmäßige, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel (hierunter fallen auch Medizinprodukte) gewährleistet. Die Leistungserbringer müssen also fachlich ausreichend qualifiziert sein, die Gewähr für eine fachkundige Beratung (der Versicherten) bieten und über eine ausreichende Werkstattausstattung verfügen. Die Leistungserbringer sind daher aufgrund ihres „Know-how“ besser als die Krankenkassen geeignet, den von der MPBetreibV gewünschten Zweck - Schutz des Versicherten bei Gebrauch eines Medizinproduktes - zu gewährleisten.

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Schließlich spricht auch die in § 8 MPBetreibV verwandte Bezeichnung „Betriebsstätte“ gegen die Zuordnung von Krankenkassen als „Betreiber“ iSd MPBetreibV. Denn der Begriff „Betriebsstätte“ knüpft im landläufigen Sinne an das Vorhandensein eines Betriebes an. Das trifft aber wiederum eher auf die als Leistungserbringer tätigen Betriebe denn auf Krankenkassen zu.

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Weiter spricht für die vom Senat vertretene Auffassung, dass nach § 140 SGB V kasseneigene Abgabestellen für Heil- und Hilfsmittel nur noch eingeschränkt betrieben werden dürfen (vgl. hierzu BSG v. 9. 2. 1989 – 3 RK 7/88 –, NJW 1989, 2773). Wenn aber die Befugnis der Krankenkassen, Eigeneinrichtungen (also eigene Kassenlager) zu erstellen oder auszudehnen, eingeschränkt ist, und die Krankenkassen insoweit auf Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern von Hilfsmitteln verwiesen werden, wäre es – auch wenn die Krankenkassen Eigentum an dem Medizinprodukt haben – nicht verständlich, dass sie als Betreiberin mit den entsprechenden Verpflichtungen angesehen werden, obgleich sie diese Medizinprodukte in einem eigenen Lager nicht (mehr) führen können.

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Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die MPBetreibV quasi „Nachfolger“ der früher geltenden Medizingeräteverordnung (vom 14.1.1985 i. d. F. v. 29.6.1998, BGBl. I 1985, S. 93, 1998 S. 1762 – vgl. Schorn, Medizinprodukterecht, M 2-5/5) ist. Diese Medizingeräteverordnung galt zwar nur für einen kleineren Kreis von Geräten als nunmehr die MPBetreibV. Auch in der Medizingeräteverordnung tauchte jedoch der Begriff des Betreibens/des Betreibers auf. Unter der Geltung der Medizingeräteverordnung wurden aber, soweit bekannt, die Krankenkassen nicht als Betreiber im Sinne dieser Bestimmung angesehen. Da in der MPBetreibV der Begriff des Betreibens/des Betreibers übernommen worden ist, ohne dass hierzu weiterführende Definitionen gegeben worden sind, ist somit nicht davon auszugehen, dass sich dieser Begriff gegenüber dem früheren Verständnis verändert hat.

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Ist demnach für die Bestimmung des Betreibers nicht ausschlaggebend, wer Eigentum an den jeweiligen Medizinprodukten hat, stellt sich die Frage, ob die Krankenkassen an den Medizinprodukten, die zwar in ihrem Eigentum stehen, jedoch von einem (ggf. auch mehreren) Sanitätshäusern oder sonstigen Leistungserbringern im Sinne des SGB V verwaltet werden, gleichwohl die tatsächliche Sachherrschaft ausüben können.

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Hierbei ist die jeweilige Vertragsausgestaltung von Bedeutung. Dem vorliegenden Vertrag mit dem Sanitätshaus F. ist eine tatsächliche Sachherrschaft durch die Klägerin jedoch nicht zu entnehmen.

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In dem Vertrag hat sich die Klägerin allerdings durchaus Einflussmöglichkeiten auf die Medizinprodukte vorbehalten. So ist eine evtl. Verschrottung mit der Klägerin abzustimmen. Reparaturen sollen erst unmittelbar vor einem Wiedereinsatz und grundsätzlich nicht schon bei der Einlagerung nach Gebrauch durchgeführt werden. Übersteigen Kosten eines Wiedereinsatzes 60 % der Kosten einer Neuversorgung, ist von der Klägerin die Genehmigung zum Wiedereinsatz einzuholen (§ 3 Nr. 3).Reparaturen für defekte Teile können erst nach Genehmigung eines Kostenvoranschlages durch die Klägerin durchgeführt werden (§ 3 Nr. 14). Neu anzuschaffende Hilfsmittel bedürfen einer vorherigen Kostenübernahmebestätigung durch die Klägerin (§ 4 Nr. 1). Vor der Lieferung eines Hilfsmittels an einen Versicherten ist die Klägerin hierüber unter Beifügung der ärztlichen Versorgung, des zu liefernden Modells und des Preises zu informierten (§ 5 Nr. 2). Die Klägerin hat außerdem ein jederzeitiges Recht auf eine maschinell unterstützte Einsichtnahme und Abfrage nach den eingelagerten Hilfsmitteln (§ 2 Nr. 4). Darüber hinaus steht es der Klägerin frei, jede Lieferung eines Medizinproduktes an den Versicherten in einer ihr geeigneten Form nachzuprüfen (§ 4 Nr. 4). Diese Vertragsbestimmungen zeigen jedoch keinen tatsächlichen Besitz der Klägerin an den Medizinprodukten in einem zur Anerkennung der Betreibereigenschaft führenden Umfang an.

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Dass die Klägerin den Neuankauf, eine aufwendige Reparatur oder die Verschrottung eines Medizinproduktes von ihrer Zustimmung abhängig macht, ist Recht eines jeden Eigentümers. Gleiches gilt, soweit sie sich mit Hilfe des jederzeitigen Einsichtnahmerechts über die im Sanitätshaus eingelagerten Hilfsmittel informieren kann. Dass vor Lieferung eines Hilfsmittels an einen Versicherten der Krankenkasse ein Kostenvoranschlag einzureichen ist, entspricht den auch bei anderen Krankenkassen, zum Teil auch bei den Privatkassen gegebenen Gepflogenheiten. Diese Maßnahmen reichen daher nicht aus, um die Betreibereigenschaft der Klägerin zu bejahen. Die weiteren, im Vertrag enthaltenen Regelungen (das Sanitätshaus müsse über ausreichende Räumlichkeiten und über ausreichendes Personal zur Vorführung und Erprobung der Hilfsmittel verfügen (§ 2 Nr. 2), Hilfsmittel seien gegebenenfalls vom Leistungserbringer zu reparieren und zu warten (§ 2 Nr. 5), Hilfsmittel seien vom Leistungserbringer dem Versicherten zu bringen und von ihm wieder abzuholen (§ 3 Nr. 1, 2; § 5 Nr. 7)), zeigen vielmehr an, dass die Klägerin auf den üblichen Umgang mit den Medizinprodukten, ihrer Abgabe und Rückgabe durch die Versicherten keinen (tatsächlichen) Einfluss hat.

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3) Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid im Übrigen weder zu unbestimmt noch unverhältnismäßig ist.

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So ist der verwendete Begriff „aktives nicht implantierbares Medizinprodukt“ in der o. a. EG-Richtlinie und war früher auch in § 3 Nr. 3 MPG a.F. definiert, so dass es Abgrenzungsschwierigkeiten nicht geben kann.

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Es ist auch nicht ersichtlich, dass mit der Anlage eines derartigen Bestandsverzeichnisses auf die Klägerin unvorhersehbare Kosten zukommen würden und sich der Bescheid deswegen unter Umständen als unverhältnismäßig erweisen könnte. Aus dem vorliegenden Vertrag mit dem Sanitätshaus ergibt sich, dass dieses bereits jetzt über die von ihm verwalteten Medizinprodukte eine umfangreiche „Lagerbewegungsliste“ führen muss (vgl. § 3 Nr. 6 des Vertrages). In dieser Liste sind konkrete Angaben zu dem Hilfsmittel wie z.B. Modellbezeichnung, Hersteller, Identifikationsnummer, Zustand etc. enthalten, also ein Großteil der Angaben, die von der MPBetreibV im Rahmen des Bestandsverzeichnisses verlangt werden. Für die Anlegung eines derartigen Verzeichnisses entsteht daher kein wesentlicher Mehraufwand.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

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Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Frage, wer Betreiber im Sinne der MPBetreibV ist, grundsätzlich klärungsbedürftig ist.