Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.03.2001, Az.: 1 L 4487/99

Auslegung; Baugenehmigung; Beseitigungsanordnung; Bestandsschutz; konkludente Baugenehmigung; Nutzungsänderung; Schadensersatz; Verwaltungsakt; Verwirkung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.03.2001
Aktenzeichen
1 L 4487/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40478
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.05.1999 - AZ: 2 A 2099/96

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Mit der Änderung der Nutzung einer baulichen Anlage entfällt die Schutzwirkung einer zuvor erteilten Baugenehmigung und eines sich darauf gründenden Bestandsschutzes.

2. Der Inhalt eines Verwaltungsaktes bestimmt sich danach, wie der Adressat des Verwaltungsaktes diesen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller den Beteiligten bekannter Umstände verstehen durfte.

3. Eine Verwirkung bauaufsichtlicher Befugnisse kommt grundsätzlich nur bei verzichtbaren/verfügbaren, nicht aber bei hoheitlichen Befugnissen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr in Betracht.

4. Ein Prozeßbeteiligter kann in der Berufungsinstanz Schadensersatz wegen Leistungen an den Prozeßgegner zur Abwendung der Vollstreckung der Kostenentscheidung der erstinstanzlichen Entscheidung gem. § 167 Ab. 1 VwGO i.V. mit § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO geltend machen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung des Beklagten, mit der ihr die Beseitigung einer Hütte, einer Betonplatte und eines Zaunes aufgegeben worden ist. Der Beklagte begehrt von der Klägerin die Rückzahlung der der Klägerin erstatteten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zzgl. Zinsen.

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Die Klägerin, Inhaberin eines Autohandelsbetriebes, ist seit 1977 Eigentümerin des Flurstücks X .... Das Grundstück liegt außerhalb der bebauten Ortslage H und ist allseitig von unbebauten Grundstücken umgeben. Mit Bauschein Nr. 1260 vom 12. Juli 1967 genehmigte der Beklagte dem Voreigentümer ... die Errichtung eines 4 x 4 m großen Schuppens mit Kantholzwänden, Pultdach und verschließbarer Tür für eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft. Das Gebäude sollte der Lagerung von Heu und der Aufnahme von landwirtschaftlichen Gerätschaften für eine Schaf- und Rinderhaltung dienen. Die Genehmigung wurde unter dem Vorbehalt des Widerrufs im Falle anderweitiger Nutzung erteilt. Nachdem der Beklagte vom Umbau der baulichen Anlage und ihrer teilweisen Umnutzung erfahren hatte, gab der Beklagte mit Verfügung vom 13. März 1975 dem Erwerber des Grundstücks, Herrn D auf, die ungenehmigten Bauteile des Gebäudes zu entfernen. Nachdem der Beklagte und der damalige Eigentümer sich über den Umfang der Maßnahmen und deren Durchführung verständigt hatten, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Februar 1977 fest, dass die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt worden seien. Zugleich hob der Beklagte seine Beseitigungsanordnung vom 13. März 1975 auf.

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Im Rahmen einer Ortsbesichtigung im Mai 1994 stellte der Beklagte u.a. fest, dass in die Hütte eine Ofen- und Schornsteinanlage eingebaut worden war. Der Innenraum der Hütte war holzverkleidet, der Boden mit PVC-Ware ausgelegt worden. Es war zudem ein Vordach angebracht und seitlich der Hütte eine Betonplatte (ca. 10 m2) gegossen worden. Das Grundstück war mit einem Zaun umgeben worden.

4

Nach Anhörung der Klägerin ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 1994 unter Androhung der Festsetzung von Zwangsgeldern die Beseitigung der Hütte, der Betonplatte und des Zaunes an.

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Die Klage hatte beim VG Erfolg, das OVG wies sie ab.

Entscheidungsgründe

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Die Voraussetzungen für den Erlass der Beseitigungsanordnung lagen vor. Die in Rede stehenden baulichen Anlagen widersprechen dem öffentlichen Baurecht. Sie sind sowohl formell als auch materiell illegal.

7

Die fragliche Hütte auf dem Grundstück war zur Zeit der letzten baubehördlichen Entscheidung formell illegal. Sie war nicht (mehr) durch die vom Beklagten mit Bauschein vom 12. Juli 1967 gemäß § 3 Abs. 1 der Baupolizeiverordnung für den Regierungsbezirk Hildesheim vom 7. August 1939 (Sonderbeilage zum Amtsblatt der Regierung Nr. 34 vom 26.8.1939) in der Fassung der Verordnungen des Regierungspräsidenten in Hildesheim vom 12. Januar 1949 (Regierungsanzeiger für den Regierungsbezirk Hildesheim Nr. 3 vom 1.3.1949) und vom 4. Januar 1952 (Amtsblatt der Regierung Nr. 3 vom 1.2.1952) erteilte Genehmigung gedeckt. Wie die Ermittlungen des Beklagten vom Mai 1994 und vom Juli 1995 (Bl. 14 und Bl. 42 der Beiakte A) ergeben hatten, verfügte die Hütte über ein Vordach (1,4 x 4,7 m), über eine seitlich angelegte (ebenfalls streitige) Betonplatte (ca. 2,45 x 4,10 m) sowie über einen Ofen mit einem Eternitschornsteinrohr. Die Innenwände und die Decke der Hütte waren wohntypisch holzverkleidet, der Fußboden mit PVC-Fliesenware ausgelegt. Weder diese äußere Gestalt des Gebäudes noch die aus der Innenausstattung zu schließende Nutzung der Hütte für Freizeitzwecke/als Wochenendhaus entsprachen damit dem Heuschuppen, wie er durch den oben genannten Bauschein vom 12. Juli 1967 genehmigt worden war.

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Unsubstantiiert sind die dagegen gerichteten Behauptungen der Klägerin, bis zum heutigen Zeitpunkt sei die Hütte nie zu anderen Zwecken als der Weidebewirtschaftung, speziell der Futterlagerung genutzt worden. Der Ausbauzustand der Hütte und auch der Bewuchs des Grundstücks (Bl. 42 der Beiakte A) lassen bei objektiver Betrachtung allein den Schluss zu, dass das Grundstück einschließlich der baulichen Anlagen zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt allein Freizeit- und Aufenthaltszwecken, nicht aber Weidewirtschafts- und Futterlagerungszwecken gedient haben. Dafür spricht auch das Vorbringen der Klägerin selbst, dass sie 1990 ihre bis dahin betriebene Schafzucht auf dem Grundstück wegen anderweitiger beruflicher Überlastung habe aufgeben müssen und dass das Grundstück dann gelegentlich in den Sommermonaten als Koppel für das Reitpferd der Tochter genutzt worden sei.

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Unerheblich ist unter diesen Voraussetzungen, dass die Klägerin nach Ergehen der Beseitigungsanordnung vom 12. Dezember 1994, aber offenbar vor Erlass des Widerspruchsbescheides am 6. Februar 1996 den Ofen einschließlich der Schornsteinanlage und die Tür der Hütte ausgebaut sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass sie die Hütte wieder als Unterstand für Schafe nutze. Nicht zutreffend ist nämlich der daraus von der Klägerin gezogene Schluss, die Hütte und ihre Nutzung unterfielen nunmehr wieder der Schutzwirkung der Baugenehmigung vom 12. Juli 1967 und genieße (wieder) Bestandsschutz. Denn spätestens mit der Aufgabe der Schafhaltung durch die Klägerin 1990 und der Änderung der Nutzung der Hütte zu Freizeitzwecken ist die Funktion der Hütte als eine einem landwirtschaftlichen Nebenerwerb dienende bauliche Anlage im Außenbereich entfallen. Der der Hütte ehemals zukommende Bestandsschutz, der sich auf die Baugenehmigung vom 12. Juli 1967 gründete, ist mit der Nutzungsänderung erledigt und lebt auch durch die Rückbaumaßnahmen der Klägerin nicht wieder auf (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.1974 -- IV C 32.71 -- BRS 28 Nr. 34 m.w.N.).

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Auch soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts meint, die Hütte und ihre Nutzung seien konkludent mit Bescheid vom 14. Februar 1977 durch den Beklagten genehmigt worden und seien deshalb formell rechtmäßig, hat ihre Klage keinen Erfolg. Die Auslegung des Bescheides vom 14. Februar 1977 ergibt, dass die vom Verwaltungsgericht in ihm erkannte "konkludente" Genehmigung der Hütte nicht erteilt worden ist. Zur Bestimmung des Inhalts eines Verwaltungsakts kommt es grundsätzlich auf den Empfängerhorizont an, d.h. darauf, wie (hier) der Adressat des Verwaltungsaktes den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben -- unter Berücksichtigung aller den Beteiligten bekannter Umstände -- verstehen musste/durfte (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.6.1991 -- 7 C 43/90 --, NVwZ 1993, 177, 179; siehe auch Urt. v. 18.6.1980 -- 6 C 55.79 --, BVerwGE 60, 223, 229; Urt. v. 9.6.1983 -- 2 C 34.80 --, BVerwGE 67, 222, 234). Danach spricht bereits der Wortlaut des Bescheides vom 14. Februar 1977 gegen die Auffassung der Klägerin, dass der Beklagte eine von der Baugenehmigung vom 12. Juli 1967 abweichende Nutzung habe genehmigen wollen. Der in Rede stehende Bescheid spricht allein aus, dass eine zuvor ergangene Beseitigungsanordnung wieder aufgehoben werde. Anhaltspunkte für die Erteilung einer Genehmigung einer gegenüber der früheren Nutzung abweichenden Nutzung enthält der Wortlaut des Bescheides vom 14. Februar 1977 nicht. Diese Auslegung bestätigt auch die vom Beklagten dargelegte und von der Klägerin nicht in Frage gestellte "Entstehungsgeschichte" der Bescheide vom 13. März 1975 und vom 14. Februar 1977. 1975 war vom Beklagten eine nicht genehmigte Änderung des baulichen Zustands der Hütte und die Errichtung eines Weidestalles aus gebrauchten Baumaterialien festgestellt worden. Mit Bescheid vom 13. März 1975 ordnete er die Beseitigung der "ungenehmigten Bauteile des Gartenhauses" an. Nachdem der Voreigentümer des Grundstücks D dieser Aufforderung nachgekommen war und die Hütte wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt hatte, hat der Beklagte nach Erfüllung seiner Forderung seine Verfügung wieder aufgehoben. Diesen Umständen ist gerade nicht zu entnehmen, dass der Beklagte eine von der Genehmigung vom 12. Juli 1967 abweichende Nutzung der Hütte ausdrücklich oder konkludent genehmigen wollte. Vielmehr liegt es näher anzunehmen, der Beklagte habe das Grundstück und seine Nutzung in den Zustand zurückversetzen lassen wollen, wie er mit Bescheid vom 12. Juli 1967 genehmigt worden war. Dies ergibt sich auch unter näherer Berücksichtigung der Beseitigungsanordnung vom 13. März 1975 selbst. Nach Ergehen der Beseitigungsanordnung fand nämlich -- wie dem Bescheid vom 14. Februar 1977 zu entnehmen ist -- zwischen dem Beklagten und dem Voreigentümer D eine Besprechung mit Ortsbesichtigung auf dem streitigen Grundstück statt. Im Rahmen dieser Besprechung sind die zur Erfüllung der Beseitigungsanordnung erforderlichen Maßnahmen (erstmals hinreichend bestimmt, allerdings offenbar nur mündlich) festgelegt worden. Sie umfassten den Abbruch eines Toilettenanbaus, die Beseitigung gelagerter Baumaterialien bzw. der Reste eines alten Stalls, den Ausbau der Tür aus dem genehmigten Holzschuppen sowie das Versperren des Zugangs zum gelagerten Heu mit einer halben Tür. Diese Maßnahmen waren ersichtlich darauf gerichtet, eine Freizeit-/Wochenendnutzung des Grundstücks zu unterbinden (durch Abbruch des Toilettenanbaus und Ausbau der Tür der Hütte) und die ursprüngliche Nutzung des Grundstücks zum Zwecke der Schafhaltung unter Einbeziehung allein des ehemaligen Heuschuppens wiederherzustellen (Abbruch des wohl ersatzweise aus altem Baumaterial errichteten kleineren Schafstalls, vgl. Fotografien im Anhang Beiakte A; Sperren des Zugangs zum gelagerten Heu). Unter diesen Umständen erweist sich die Annahme des Verwaltungsgerichts, durch Bescheid vom 14. Februar 1977 habe der Beklagte konkludent die Nutzung der Hütte genehmigt, als nicht begründet.

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Anhaltspunkte dafür, dass die Errichtung der streitigen, etwa 10 m2 großen Betonplatte und des Zauns genehmigt worden sein könnten, bestehen nicht und sind von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Die beiden, mit Aufgabe der Nebenerwerbslandwirtschaft (Schafhaltung) im Jahre 1990 allein Freizeitzwecken dienenden baulichen Anlagen bedurften in dieser Nutzung und Funktion zeit ihres Bestehens einer Baugenehmigung. Das ist für die Betonplatte offensichtlich und ergibt sich für den Zaun aus §§ 68, 69 Abs. 1 NBauO i.V.m. Anhang Nm. 6.1 und 6.3. Die dort geregelten Tatbestände der Genehmigungsfreiheit für Einfriedungen im Außenbereich setzen eine zulässige landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder erwerbsgärtnerische Nutzung des Außenbereichsgrundstücks bzw. einen Höchstabstand der Einfriedung von 50 m zu einem genehmigten Gebäude mit Aufenthaltsräumen voraus. Diese Voraussetzungen erfüllt der in Rede stehende Zaun nicht.

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Die streitigen Bauvorhaben sind auch materiell rechtswidrig (wird ausgeführt).

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Die dem Beklagten nach § 89 Abs. 1 NBauO eröffnete Entscheidungsbefugnis hat dieser entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht verwirkt. Eine Verwirkung bauaufsichtlicher Befugnisse kommt grundsätzlich nur bei verzichtbaren/verfügbaren subjektiven Rechten in Betracht, nicht aber bei hoheitlichen Befugnissen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr, hier des Bauordnungsrechts (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 89 Rdnr. 50 m.w.N.). Selbst wenn man demgegenüber gleichwohl eine Verwirkung (bau-)polizeilicher Eingriffsbefugnisse für möglich halten wollte, lägen deren Voraussetzungen nicht vor. Der Tatbestand der Verwirkung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 5.8.1991 -- 4 B 130/91 --, Buchholz 406.17 Nr. 35 und JURIS) die Kenntnis der Behörde von einem rechtswidrigen Zustand und ein Verhalten der Behörde voraus, das bei dem Verpflichteten das berechtigte Vertrauen entstehen lässt, die Behörde werde aus überlegten Gründen von ihren Befugnissen, gegen den rechtswidrigen Zustand einzuschreiten, keinen Gebrauch machen. An diesen Voraussetzungen mangelt es. Der Beklagte hatte vom Zustand des Grundstücks der Hütte allein in den Jahren 1976/1977 Kenntnis erlangt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte -- wie dargelegt -- auf der Grundlage der Beseitigungsanordnung vom 13. März 1975 Rückbaumaßnahmen durchführen und damit den baulichen Zustand der Hütte wiederherstellen lassen, der der Genehmigung vom 12. Juli 1967 entsprach. Die tatsächliche Durchführung der Rückbaumaßnahme hatte der Beklagte -- wie aus dem Bescheid vom 14. Februar 1977 hervorgeht -- im Rahmen einer Ortsbesichtigung auch kontrolliert. Der Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt daher allein Kenntnis von der Hütte in dem der Genehmigung vom 12. Juli 1967 entsprechenden und daher nicht rechtswidrigen Zustand. Unter diesen Umständen liegt auch kein Vertrauen auslösendes Verhalten des Beklagten zugunsten der Klägerin vor. Denn die streitbefangene Hütte entsprach zum Zeitpunkt der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung nicht dem baulichen Zustand, den sie mit Kenntnis des Beklagten 1977 nach Durchführung der Rückbaumaßnahme erhalten hatte.

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Ermessensfehler sind dem Beklagten nicht unterlaufen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in räumlich benachbarten Fällen unterschiedlich vorgegangen sein und deswegen gegen das Gleichheitsgebot verstoßen haben könnte. Der Beklagte hat dargelegt und im Termin zur mündlichen Verhandlung näher erläutert, dass er Bauvorhaben in der Umgebung des Grundstücks der Klägerin kontrolliert habe und -- soweit die Voraussetzungen dafür vorgelegen hätten -- eingeschritten sei. Zum Teil seien bauliche Anlagen von den Eigentümern freiwillig beseitigt worden, zum Teil habe der Beklagte den Abbruch veranlasst und durchführen lassen. Dies lässt ein gleichheitswidriges Verhalten des Beklagten nicht erkennen.

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Einen ermessensbindenden Vertrauenstatbestand hat der Beklagte -- wie oben bereits angedeutet -- ebenfalls nicht geschaffen. Der Beklagte hat weder bereits durch den Ablauf eines Zeitraumes von 17 Jahren zwischen der letztmaligen Grundstückskontrolle 1977 und dem Zeitpunkt seines Einschreitens 1994 bei der Klägerin ein Vertrauen ausgelöst, das im Rahmen der Ermessensausübung hätte berücksichtigt werden müssen. Noch hat er einen jetzt (noch) erheblichen Vertrauenstatbestand dadurch geschaffen, dass er ab 1977 möglicherweise eine Schafhaltung durch einen "Nichtlandwirt" auf dem Grundstück der Klägerin geduldet hat. Denn spätestens mit dem Umbau der Hütte zu Freizeitzwecken und der Aufgabe der Schafhaltung 1990 endete ein eventuell entstandenes Vertrauen in die Zulässigkeit einer nicht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs geführten Schafhaltung.

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Rechtsfehlerfrei ist auch die Entscheidung des Beklagten, der Klägerin die vollständige Beseitigung der baulichen Anlage aufzugeben. Die Auffassung der Klägerin, man habe ihr zunächst für die Hütte nur den Rückbau auf das 1967 genehmigte Maß aufgeben dürfen, trifft nicht zu. Denn wie bereits dargelegt, ist die Schutzwirkung der mit Bescheid vom 12. Juli 1967 erteilten Baugenehmigung infolge der Änderung der genehmigten Nutzung 1990 entfallen und kann daher nicht mehr Maßstab für die Ermessensentscheidung des Beklagten sein. Da die Hütte unter den gegebenen Voraussetzungen nicht genehmigungsfähig ist, ist das Verlangen, die Hütte und auch die übrigen baulichen Anlagen zu beseitigen, nicht zu beanstanden. Im Übrigen bleibt es der Klägerin überlassen, im Wege eines geeigneten Austauschmittels nur den Rückbau der Hütte anzubieten.

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Zulässig und im Wesentlichen begründet ist auch der Antrag des Beklagten, die Klägerin zur Zahlung von 1.676,85 DM zuzüglich Zinsen seit dem 20. April 2000 zu verurteilen. Rechtsgrundlage des Hauptanspruchs des Beklagten, der den Ersatz des von ihm an die Klägerin geleisteten Betrags zur Abwendung der Vollstreckung aus der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils des Verwaltungsgerichts zum Gegenstand hat, ist § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Danach ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist, wenn ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird. Diese Bestimmung gilt gemäß § 167 Abs. 1 VwGO grundsätzlich auch für die Vollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Urteilen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.3.1960 -- VII C 163/59 --, NJW 1960, 1875; Urt. v. 24.7.1980 -- 3 C 120.79 --, BVerwGE 60, 328, 334 = NJW 1981, 699). Der Anspruch kann -- wie hier -- gemäß § 717 Abs. 2 Satz 2 1 Halbs. ZPO im (jeweils) anhängigen Rechtsstreit -- auch in der Berufungsinstanz (vgl. Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 717 Rdnr. 14) -- geltend gemacht werden.

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Für die Geltendmachung dieses Schadensersatzanspruchs im anhängigen Verfahren besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Beklagte kann nicht darauf verwiesen werden, den Anspruch im Verfahren der Kostenerstattung nach den §§ 103 ff ZPO als sog. Anspruch auf Rückfestsetzung geltend zu machen, weil dies der einfachere und/oder effektivere Weg zur Durchsetzung des Anspruchs des Beklagten wäre. Dies ergibt sich einerseits schon aus der Rechtsnatur des Anspruchs des Beklagten als Schadensersatzanspruch, den der Beklagte nicht als Kostenerstattungsanspruch im Verfahren nach den §§ 103 ff ZPO geltend machen kann (vgl. Hartmann, a.a.O. Rdnr. 13). Darüber hinaus widerspräche die Verweisung des Beklagten auf das Kostenerstattungsverfahren der Bestimmung des § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO, die ausdrücklich die Möglichkeit der klageweisen Geltendmachung eröffnet. Diese Bestimmung liefe leer, wenn der jeweilige Anspruchsinhaber (immer) auf das Verfahren nach den §§ 103 ff ZPO zu verweisen wäre (so auch: OLG Hamm, Beschl. v. 9.2.1987 -- 23 W 478/86 --, AnwBl. 1988, 300: der in § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO eröffnete Weg solle die einzige Möglichkeit sein, Ersatz für die geltend gemachten Leistungen zu verlangen, siehe auch Hartmann, a.a.O. Rdnr. 13). Andererseits besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den anhängig gemachten Antrag auch aus Gründen der Prozessökonomie. Zwar mag unter Zurückstellung der oben genannten Gründe eine Rückfestsetzung nach den §§ 103 ff ZPO dann nicht völlig ausgeschlossen sein, wenn der geltend gemachte Schaden lediglich aus zu erstattenden Kosten besteht (vgl. dazu Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl. 1997, § 717 Rdnr. 15). Geht der Schaden oder aber eine Nebenforderung/Zinsen über den im Wege der Kostenerstattung geltend gemachten Anspruch hinaus, so wäre der Beklagte jedenfalls insoweit auf den Weg der Schadensersatzforderung nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verweisen (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1986, 681 m.w.N.; Thomas/Putzo, a.a.O.) und hätte zwei verfahrensrechtliche Wege zu beschreiten. So liegt der Fall auch hier. Denn § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO gewährt nämlich im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens auf Antrag Zinsen auf die zu erstattenden Kosten nur ab dem Eingang des Kostenfestsetzungsantrages, während der Beklagte hier gemäß § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. ZPO Zinsen bereits ab dem 20. April 2000, dem Zeitpunkt der Zahlung des geforderten Betrags an die Klägerin begehrt. Der Beklagte hätte demzufolge einen Teil seiner Zinsforderung klageweise im Wege des § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO, die Restzinsforderung im Wege der Kostenerstattung geltend zu machen. Dies wäre nicht prozessökonomisch.

19

Der Anspruch des Beklagten ist bis auf einen Teil seiner Zinsforderung auch begründet, § 717 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen vor, insbesondere hat der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Mai 1999 den Betrag von 1.676,85 DM an die Klägerin gezahlt. Der Zweck der Leistung an die Klägerin, die Vollstreckung abzuwenden, setzt voraus, dass die Vollstreckung aus dem Urteil drohte. Diese Voraussetzung ist erfüllt, weil es in den Fällen einer Vollstreckung gegen die öffentliche Hand wegen Geldforderungen (§ 170 Abs. 1 VwGO) -- hier die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin des erstinstanzlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht -- gemäß § 171 VwGO einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf und somit bereits der Antrag der Klägerin, gegen den Beklagten zu vollstrecken, das Vollstreckungsverfahren eröffnet hätte.

20

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich hinsichtlich des Zeitraums, für den er geltend gemacht wird (hier dem Zeitpunkt der Zahlung des Beklagten an die Klägerin am 20.4.2000), aus § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. ZPO i.V.m. § 291 BGB.

21

Die Höhe des Zinssatzes bestimmt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nach § 288 BGB in der seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl I S. 330), der eine Verzinsung einer Geldschuld für das Jahr in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl I S. 1242) vorsieht. Denn gemäß Art. 2 Abs. 1 des oben genannten Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen sieht die neu eingeführte Überleitungsvorschrift des Art. 229 Abs. 1 Satz 3 des Einführungsgesetzes zum BGB vor, dass § 288 BGB in der seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassung auf alle Forderungen anzuwenden ist, die von diesem Zeitpunkt an fällig werden. Dies trifft auf die Schadensersatzforderung des Beklagten nicht zu, weil § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. ZPO bestimmt, dass der Schadensersatzanspruch im Falle seiner Geltendmachung bereits als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig anzusehen ist, hier der 20. April 2000. Damit bezieht die gesetzliche Regelung des § 717 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. ZPO die sachlichrechtlichen Wirkungen des Anspruchs auf die Zeit der Zahlung oder Leistung zurück und es beginnt auch die Verzinsungspflicht ab dem Zeitpunkt der Zahlung (so ausdrücklich Hartmann, a.a.O., § 717 Rdnr. 15; Herget in: Zöller, ZPO, 22. Aufl., 2001, § 717 Rdnr. 14). Daraus folgt, dass der Zinsanspruch des Beklagten nur in Höhe von 4 % gemäß § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung begründet ist.