Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.03.2001, Az.: 2 MA 522/01
Aufenthalt; Aufenthaltsbefugnis; Aufenthaltsgenehmigung; Ausland; Ausländer; Ausreise; Duldung; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.03.2001
- Aktenzeichen
- 2 MA 522/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40314
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 22.12.2000 - AZ: 2 B 2283/00
Rechtsgrundlagen
- § 30 Abs 3 AuslG
- § 55 Abs 2 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Um die ausländerbehördliche Prüfung eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG zu sichern, ist die Ausländerbehörde im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Duldung zu erteilen.
2. Sozialhilfebezug steht der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis § 30 Abs. 3 AuslG nicht entgegen.
Gründe
I.
Die 1958 geborene Antragstellerin, eine syrische Staatsangehörige, soll nach negativ abgeschlossenem Asylverfahren von der Antragsgegnerin abgeschoben werden. Dem setzt die Antragstellerin entgegen, dass Art. 6 Abs. 1 GG ihrer Abschiebung entgegen stehe. Sie sei mit Herrn A. Y. verheiratet. Mit ihm könne sie die Ehe nur in Deutschland führen. Ihr 1933 geborener, schwerbehinderter Ehemann, irakischer Staatsangehöriger, sei nämlich in Deutschland als Flüchtling anerkannt; in Syrien drohe ihm die Weiterschiebung in den Irak. Außerdem sei dort ein eheliches Zusammenleben nicht möglich, weil ihr Ehemann Christ, sie aber Moslimin sei. Über ihren auf dieses Vorbringen gestützten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis hat die Antragsgegnerin noch nicht entschieden, aber angekündigt, diesen Antrag ablehnen zu wollen.
Den von der Antragstellerin ergänzend dazu gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Göttingen mit Beschluss vom 20. Dezember 2000 abgelehnt. Der begehrten vorläufigen Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis stehe bereits entgegen, dass damit unzulässigerweise die Hauptsache vorweggenommen würde. Der Antragstellerin könne allenfalls ein Anspruch auf eine vorläufige Duldung zustehen. Auch dies sei jedoch nicht der Fall. Sie könne nämlich mit ihrem Ehemann die Ehe auch in Syrien führen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen. Gegen diesen, ihr am 8. Januar 2001 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 22. Januar 2001 die Zulassung der Beschwerde beantragt.
II.
1. a) Der statthafte, insbesondere nicht durch § 80 AsylVfG ausgeschlossene (vgl. Urteil des BVerwG v. 25. September 1997 - 1 C 6/97 - NVwZ 1998, 299 ff.) Zulassungsantrag der Antragstellerin bleibt erfolglos, soweit sie weiterhin die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erstrebt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag insoweit mit der (zutreffenden) Begründung abgelehnt, dass der (vorläufigen) Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegensteht. Insoweit hat die Antragstellerin jedoch keine Gründe im Sinne des § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO vorgetragen, aus denen die Beschwerde zuzulassen sein soll.
1. b) Der Zulassungsantrag der Antragstellerin hat hingegen Erfolg, soweit sie im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Duldung begehrt; insoweit ergeben sich aus den Darlegungen der Antragstellerin in dem Antrag auf Zulassung der Beschwerde und der angefochtenen Entscheidung gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe, so dass die Beschwerde zuzulassen ist. Die Antragstellerin hat im Zulassungsantrag nämlich im Einzelnen dargelegt, warum sie ihrer Ansicht nach mit ihrem Ehemann nicht in Syrien leben könne und ihr deshalb zumindest ein vorläufiges Bleiberecht in Deutschland zustehe; damit hat sie eine insoweit erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.
2. Der Senat entscheidet mit der Zulassung der Beschwerde zugleich auch in der Sache selbst. Diese Verfahrensweise ist gerechtfertigt, weil die Parteien, wie es bei Stellungnahmen zum Zulassungsgrund des § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO typisch ist, sich mit ihren Stellungnahmen der Sache nach gleichzeitig auch zur Begründetheit der Beschwerde geäußert haben. Hinzu kommt, dass der Eilcharakter dieses Verfahrens eine weitere Verzögerung der Entscheidung nicht als sachgerecht erscheinen lässt.
Die (zugelassene) Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet. Die Antragstellerin hat insbesondere einen Anordnungsanspruch auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Erteilung einer Duldung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO glaubhaft gemacht. Allerdings kann ihr vorläufiger Rechtsschutz nur bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gewährt werden.
Die Erteilung einer Duldung scheidet nicht bereits deswegen aus, weil es der Antragstellerin erkennbar darum geht, die eheliche Lebensgemeinschaft mit Herrn A. Y. auf Dauer im Bundesgebiet fortzuführen. Zwar kommt der Duldung nicht die Funktion eines Aufenthaltsrechts zu, da sie die Vollstreckung der Ausreisepflicht gemäß § 55 Abs. 1 AuslG lediglich hindern kann. In den Fällen, in denen - wie hier gegebenenfalls - Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet entgegenstehen und daher die Abschiebung aus rechtlichen Gründen (vgl. § 55 Abs. 2 AuslG) unmöglich sein kann, kommt stattdessen vorrangig die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG in Betracht. Um aber einen derartigen, von der Antragsgegnerin noch näher zu prüfenden Anspruch zu sichern, ist die vorläufige Erteilung einer Duldung ausreichend, aber auch geboten, da das Ausländergesetz die tatsächliche Hinnahme des Aufenthalts außerhalb förmlicher Duldungen nicht vorsieht (vgl. Beschl. d. Nds. OVG v. 18.9.2000 - 11 M 2929/00 -, Nds.Rpfl. 2001, 30 m.w.N.).
Voraussetzung für einen entsprechenden Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Duldung ist, dass einer Aufenthaltsbeendigung die Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG entgegenstehen würde. Nach der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist hiervon auszugehen. Voraussetzung ist insoweit (vgl. GK-AuslR, § 31 AuslG, Rdn. 29 f., sowie Beschluss des VGH Mannheim vom 27.7.1995 - 13 S 3358/94 - NVwZ-RR 1996, 533, 535 [BVerwG 21.09.1995 - BVerwG 3 C 9/94] m.w.N.), dass die Antragstellerin überhaupt mit Herrn A. Y. wirksam verheiratet ist (siehe dazu a)), dass die eheliche Lebensgemeinschaft nur in Deutschland, nicht aber in Syrien oder im Irak (ein sonstiger aufnahmebereiter oder -verpflichteter Staat ist nicht erkennbar) möglich ist (b)), dass keine gewichtigen öffentlichen Interessen, die eine sofortige Beendigung des Aufenthalts der Antragstellerin gebieten und Vorrang gegenüber dem privaten Interesse der Antragstellerin haben, vorliegen (c)) und dass schließlich der Antragstellerin auch eine vorübergehende Ausreise (vgl. dazu Urteil des BVerwG v. 4.6.1997 - 1 C 9/95 -, BVerwGE 105, 35, 43 f.) nicht zumutbar ist (d)).
a) Nach den - von der Antragstellerin im Laufe der Verfahren hinsichtlich des Datums wiederholt korrigierten - Angaben hat sie am 12. Mai 1996 vor einem sog. Shariaa-Gericht in Syrien die Ehe mit Herrn A. Y. geschlossen, wobei der Ehemann nicht persönlich anwesend gewesen sei, sondern sich durch einen Rechtsanwalt habe vertreten lassen.
Dass entsprechende Erklärungen abgegeben worden sind, wird durch eine von der Deutschen Botschaft in Damaskus gemäß § 13 Abs. 2 Konsulargesetz legalisierte (vgl. Bl. 10 R d. Beiakte A) Urkunde belegt, wobei allerdings im Laufe des Verfahrens unterschiedliche deutsche Übersetzungen des arabischsprachigen Originaltextes vorgelegt worden sind (vgl. die Übersetzung Bl. 8 f. d. Beiakte A einerseits und Bl. 164 u. 165 der Gerichtsakte andererseits). Aufgrund der entsprechend legalisierten Urkunde ist in diesem Verfahren davon auszugehen, dass die Antragstellerin tatsächlich - wie von ihr angegeben - verheiratet ist, obwohl sich hieran aus den nachfolgend anzuführenden Gründen erhebliche Zweifel ergeben. Diesen Zweifeln kann jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht näher nachgegangen werden. Die Wirksamkeit der Ehe ist vielmehr in dem sich anschließenden Verwaltungsverfahren von der Antragsgegnerin zu klären.
Nach welchem Recht die Wirksamkeit einer von Ausländern im Ausland geschlossenen Ehe zu beurteilen ist, richtet sich vorliegend nach Art. 13 EGBGB. Zwar ist dort ausdrücklich nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Eheschließung möglich ist; diese Bestimmung gilt aber ebenso für die hier streitentscheidende Frage, ob eine im Ausland geschlossene Ehe wirksam ist (vgl. Palandt/Heldrich, BGB-Kommentar, 59. Aufl., Art. 13 EGBGB, Rdnr. 11). Maßgebend für das anzuwendende Recht ist danach jeweils das sog. Personalstatut der Eheleute.
aa) Für die Antragstellerin ist dies aufgrund ihrer syrischen Staatsangehörigkeit das syrische Recht. Das syrische internationale Privatrecht (vgl. den Abdruck bei Bergmann/ Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stichwort "Arabische Republik Syrien") nimmt diese Verweisung in den Art. 13 und 15 bezüglich der materiellen Voraussetzungen für die Eheschließung hinsichtlich syrischer Staatsangehöriger an. Die Wirksamkeit der Eheschließung richtet sich daher hinsichtlich der Antragstellerin nach syrischem Eherecht.
Die insoweit nach syrisch-islamischem Eherecht geltenden Förmlichkeiten sind zwar - soweit sich dies aus der Urkunde ergibt - offenbar eingehalten worden. Gleichwohl ergeben sich Zweifel an der Wirksamkeit der Eheschließung, die aber - wie dargelegt - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht geklärt werden können. Das syrische Eherecht ist nämlich interreligiös gespalten, d.h.: Die Regelung des Ehe- und Familienrechts ist den Verwaltungen der jeweils einzelnen Religionsgemeinschaften überlassen (vgl. nur S. 10 des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amtes v. 8.2.2001). Nach den bereits von den Parteien angeführten, bei Bergmann/Ferid, a.a.O., abgedruckten Bestimmungen des syrischen Personalstatutgesetzes, die für die Eheschließung zwischen Moslems gelten, ist demnach grundsätzlich eine Eheschließung zwischen Moslems vor dem Shariaa-Gericht - wie vorliegend geschehen - zulässig und geboten. Dies gilt aber nur für die Eheschließung zwischen zwei Moslems. Wie zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist, wird deshalb nach Art. 48 Abs. 2 des syrischen Personalstatutgesetzes die Eheschließung zwischen einer Moslimin und einem Nicht-Moslem (vor einem Shariaa-Gericht) als unwirksam angesehen. Ob aber Herr A. Y. im Sinne des islamisch-syrischen Rechts zum Zeitpunkt der "Eheschließung" als Moslem anzusehen war oder dies mit rückwirkender Kraft entfallen ist, ist zweifelhaft. Auszugehen ist davon, dass er ursprünglich christlicher (katholischer) Religionszugehörigkeit gewesen ist. Ob er hingegen wirksam zum islamischen Glauben konvertiert - der Übertritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft ist aus katholischer Sicht als "Abfall vom Glauben" anzusehen (vgl. Robbers, ZevKR 32 (1987), 19, 40 f. m.w.N.) - und gegebenenfalls später erneut zum christlichen Glauben zurückgetreten ist, ist unklar. Herr A. Y. hat insoweit im Laufe des Verfahrens sich widersprechende Erklärungen abgegeben. Was insoweit zutreffend ist und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben, wird von der Antragsgegnerin, gegebenenfalls durch Einholung von Sachverständigengutachten über das Auswärtige Amt bzw. beim Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, zu klären sein. Gleiches gilt für die weitere Frage, ob Herr A. Y. tatsächlich - die Übersetzungen der Heiratsurkunde sind insoweit widersprüchlich - die sog. Morgengabe ganz oder teilweise gezahlt hat und - verneinendenfalls - welche Folgen sich aus der Nichtzahlung der Morgengabe ergeben. Ferner wird noch zu klären sein, welche Folgen sich für das syrische Recht daraus ergeben, dass Herr A. Y. unstreitig zum Zeitpunkt der umstrittenen "Eheschließung" im Mai 1996 mit der Antragstellerin noch anderweitig, nämlich mit der polnischen Staatsangehörigen Frau A. Y., verheiratet gewesen ist. Soweit ersichtlich, erlaubt zwar das syrisch-islamische Recht grundsätzlich eine Mehrehe, dies aber nicht uneingeschränkt. Gemäß Art. 17 kann der Richter einem verheirateten Mann nur dann die Eheschließung mit einer weiteren Frau gestatten, wenn hierfür ein rechtfertigender Grund vorliegt und der Mann imstande ist, den Unterhalt beider Frauen zu bestreiten. Vorliegend ist unklar, ob eine solche Genehmigung eingeholt worden ist, mit welcher Begründung ein rechtfertigender Grund bejaht worden ist und insbesondere auf welcher Grundlage Herr A. Y. - nach Aktenlage einkommens- und vermögenslos und deshalb seit Jahren Bezieher von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt - als imstande gesehen worden sein soll, den Unterhalt beider Frauen zu bestreiten. Auch diese Frage wird zu klären sein. Dies gilt abschließend für die Frage, ob - sollte Herr A. Y. erneut vom Islam zum Christentum übergetreten sein - eine gegebenenfalls zuvor wirksam geschlossene Ehe dadurch gelöst worden ist (vgl. dazu nochmals Bergmann/Ferid, a.a.O., Religiöse Eherechte - Islam, S. 16 m.w.N.).
bb) Sollte danach die Ehe aus Sicht des syrisch-islamischen Rechts (für die Antragstellerin) wirksam geschlossen worden sein, so dürfte ihr aus den nachfolgend angeführten Gründen voraussichtlich auch für Herrn A. Y. nach bundesdeutschem internationalem Privatrecht und damit - jedenfalls zum maßgeblichen heutigen Zeitpunkt, in dem Herr A. Y. von seiner (ersten) polnischen Ehefrau geschieden ist und damit nicht mehr in Mehrehe, sondern in "Zweitehe" lebt - auch im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG nicht die Anerkennung zu versagen sein (vgl. zur "Mehrehe" das Urteil des BVerwG v. 30.4.1985 - 1 C 33.81 - BVerwGE 71, 228, 230 f.; zur "Zweitehe" BVerfGE 55, 114, 128 f.).
Für Herrn A. Y. gilt zwar grundsätzlich deutsches Eherecht. Gemäß Art. 12 der Genfer Flüchtlingskonvention bestimmt sich nämlich das Personalstatut jedes Flüchtlings - hierzu zählt Herr A. Y.- nach dem Land seines Wohnsitzes; für ihn gilt folglich als Personalstatut deutsches Recht, da sein Wohnsitz nunmehr in Deutschland ist. Gemäß Art. 13 EGBGB beurteilt sich daher grundsätzlich die Wirksamkeit der Eheschließung für Herrn A. Y. nach deutschem Recht; eine Ausnahme gilt insoweit jedoch für die Form der Eheschließung. Insoweit ist Art. 11 Abs. 1 EGBGB mit der darin enthaltenen Verweisung vorrangig, d.h. eine Eheschließung kann abweichend vom deutschen Recht auch wirksam sein, wenn sie im Ausland nach den dort geltenden Formvorschriften wirksam geschlossen worden ist (vgl. nochmals Palandt/Heldrich, a.a.O., Art. 13, Rdnr. 3, 10). Die Eheschließung vor dem nach syrisch-islamischen Recht zuständigen Shariaa-Gericht hätte daher im Sinne des Art. 11 EGBGB grundsätzlich die Ortsform gewahrt. Gleiches gilt für die Möglichkeit, im Ausland durch einen Vertreter eine sog. Handschuhehe schließen zu können; auch dies wird im Sinne des Art. 11 EGBGB als Formvorschrift angesehen, für die die Einhaltung der Ortsvorschrift ausreicht. Dass Herr A. Y. auf diese Weise vorübergehend bis zur Scheidung seiner ersten Ehe in einer Mehrehe gelebt hätte, würde voraussichtlich gleichfalls - vorbehaltlich einer erst nach Klärung der o.a. offenen Punkte möglichen genauen Prüfung gemäß Art. 6 EGBGB (vgl. Palandt/Heldrich, a.a.O., Art. 6, Rdnr. 20 m.w.N) - nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Aufhebbarkeit der Ehe führen, wie sich auch aus §§ 1306, 1314 BGB, Art. 226 Abs. 3 EGBGB ergibt.
Sollte Herr A. Y. schließlich nach seiner Rückkehr nach Deutschland erneut zum katholischen Glauben "übergetreten" sein, so hat dies allerdings nach bundesdeutschem Recht gemäß Art. 17 Abs. 2 EGBGB nicht zur Auflösung der Ehe geführt (vgl. nochmals Palandt/ Heldrich, a.a.O., Art. 17 EGBGB, Rdnr. 15).
b) Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand kann nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin mit Herrn A. Y. die eheliche Lebensgemeinschaft in Syrien fortsetzen kann; auf eine, durch gelegentliche Besuche der Antragstellerin in Deutschland ergänzte bloße "Begegnungsgemeinschaft" müssen sich die "Eheleute" nicht verweisen lassen.
aa) Herrn A. Y. ist es allerdings grundsätzlich zuzumuten, mit der Antragstellerin die Ehe in Syrien zu führen. Denn eine politische Verfolgung droht ihm im Irak, nicht aber in Syrien. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass er wegen seines Gesundheitszustandes in Syrien grundsätzlich nicht leben könnte. Denn er ist reisefähig und die medizinische Grundversorgung ist nach den Angaben im jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes (S. 17) im Grundsatz flächendeckend und kostenfrei sichergestellt.
bb) Der Senat kann allerdings nicht ausschließen, dass Herrn A. Y. - wie von ihm bzw. der Antragstellerin vorgetragen - in Syrien eine Weiterabschiebung in den Irak und damit mittelbar eine politische Verfolgung drohen würde. Das Deutsche Orient-Institut hat insoweit in seiner Auskunft vom 30. März 1999 an das VG Sigmaringen mitgeteilt, dass ihm von Abschiebungen irakischer Staatsangehöriger aus Syrien in den Irak nichts bekannt sei. Das Auswärtige Amt teilt in seinem bereits wiederholt zitierten Lagebericht vom Februar 2001 mit, dass Flüchtlinge in Syrien einen gesicherten rechtlichen Aufenthaltsstatus entsprechend den deutschen gesetzlichen Regelungen nicht erhalten. Zwar sei der syrische Staat mit einem weitreichenden Aufenthaltsrecht für alle Angehörigen der arabischen Nation in der Frage der Einreise und des Aufenthalts sehr liberal, so dass vor allen Dingen zur Erreichung der familiären Lebenseinheit in vielen Fällen eine Wohnsitzbegründung in Syrien möglich sei; diese Liberalität stehe aber grundsätzlich unter Opportunitätsvorbehalt, so dass es auch bei arabischen Ausländern, die bereits seit Jahren in Syrien leben, bei Konflikten mit der Staatsgewalt zu willkürlichen Maßnahmen und Ausweisungen kommen kann. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach dem Jahresbericht für 1999 über die Menschenrechtslage in Syrien, herausgegeben von dem amerikanischen Department of State vom 25. Februar 2000, Abschnitt 2 e, u.a. irakische Flüchtlinge 1998 gewaltsam in ihr Heimatland zurückgeführt worden sein sollen. Insbesondere nach der letztgenannten Auskunft kann daher jedenfalls nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht ausgeschlossen werden, dass auch Herrn A. Y. eine solche Abschiebung in den Irak drohen könnte. Ob und inwieweit sich dadurch etwas anderes ergibt, dass er - jedenfalls nach seinen Angaben im Schreiben vom 21. September 1990 (vgl. Beiakte F) - u.a. in Syrien "Familie und Freunde (hatte), die" ihm "dort helfen zu leben," und inwieweit entscheidend gegen die Gefahr durch eine Kettenabschiebung spricht, dass er sich unstreitig im April/Mai 1996 in Syrien freiwillig aufgehalten, er also offenbar selbst eine entsprechende Gefahr der Abschiebung nicht gesehen hat, wird die Antragsgegnerin gleichfalls, gegebenenfalls durch Rückfrage beim Auswärtigen Amt, im Verwaltungsverfahren zu klären haben.
c) Gewichtige öffentliche Interessen, die das Privatinteresse der Antragstellerin an einem vorläufigen weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und eine sofortige Beendigung ihres Aufenthalts gebieten, sind nicht ersichtlich. Sollte sie tatsächlich mit Herrn A. Y. wirksam verheiratet sein und die eheliche Lebensgemeinschaft nur in Deutschland führen können, so dürften voraussichtlich weder ihre Einreise ohne wirksame (Dauer-) Aufenthaltsgenehmigung noch der laufende Sozialhilfebezug der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 3 AuslG entgegenstehen.
d) Derjenige, der - wie die Antragstellerin, die bei der Einreise lediglich ein Besuchervisum hatte - unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist ist, ist allerdings grundsätzlich darauf zu verweisen, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - hier in Form einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG - vom Ausland aus zu stellen; etwas Anderes gilt lediglich dann, wenn dies für die Antragstellerin und ihre Angehörigen nicht zumutbar ist (vgl. etwa Urt. d. BVerwG v. 9.12.1997 - 1 C 20.97 -, NVwZ 1998, 748, 750). Im vorliegenden Fall hält der Senat allerdings auch eine vorübergehende Ausreise der Antragstellerin nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand für nicht zumutbar. Ist sie nämlich tatsächlich mit Herrn A. Y. verheiratet und ist dieser erneut vom islamischen Glauben zum Christentum übergetreten, so würde dieser als sog. Apostat angesehen und sähe sich ggf. Verfolgungsmaßnahmen durch militante Moslems ausgesetzt (vgl. u.a. die Auskunft des Deutschen Orient-Instituts v. 15.5.1991 an das VG Köln und die Auskunft des Arnold-Bergstrasser-Instituts vom 29.11.1989 an das VG Ansbach); die Antragstellerin als (frühere) Ehefrau eines solchen Apostaten müsste ihrerseits ebenfalls zumindest mit gesellschaftlichen Diskriminierungen, wenn nicht gar Verfolgungsmaßnahmen rechnen, wie sie insoweit nachvollziehbar bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt (vgl. Bl. 60 f. d. Beiakte A) geschildert hat. Im Übrigen spricht gegen eine auch nur vorübergehende Trennung von Herrn Y. A. Y., dass dieser immerhin schon 68 Jahre und pflegebedürftig ist und dass diese Pflege zwar nicht rechtlich zwingend, aber sinnvoller Weise (weiterhin) durch die Antragstellerin durchzuführen ist.