Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.03.2001, Az.: 1 K 3235/99

Abbiegespur; Auslegung; Bebauungsplan; Erforderlichkeit; Schallschutzmaßnahmen; Verkehrslärmerhöhung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.03.2001
Aktenzeichen
1 K 3235/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40187
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Antragsteller erstreben die Nichtigerklärung des Bebauungsplanes Nr. 5 ("A. d. P.") der Antragsgegnerin.

2

Die Antragsteller sind Eigentümer von je einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück im Planbereich, und zwar in dem südlichen durch einfachen Bebauungsplan geregelten Abschnitt. Die Grundstücke liegen auf der Nordseite der B. (L 442) und sind durch die Trasse der Planstraße (A), die das Neubaugebiet mit der B. verbinden soll, voneinander getrennt (auf der Westseite der Planstraße das Anwesen des Antragstellers zu 1), B. 49, und auf der Ostseite die Parzelle der Antragstellerin zu 2), B. 51).

3

Der einfache Bebauungsplan setzt lediglich die Art der baulichen Nutzung (WA = allgemeines Wohngebiet) auf beiden Seiten der B. und eine "Linksabbiegehilfe" auf der B. fest, die auf ca. 140 m Länge in den Plan einbezogen ist. Das Gelände fällt nach Norden ab bis zu einem kleinen Gewässer (in der Planbegründung als offener Graben bezeichnet) und steigt dann zum Baugebiet hin wieder etwas an.

4

Ca. 70 m nördlich der B. verläuft ein Wirtschaftsweg, der die Achse des lang gestreckten, von Westen nach Osten sich dehnenden Neubaugebietes (Planteil A) darstellt. Dieser Wirtschaftsweg ist als Planstraße (B) festgesetzt. Die Trasse der Planstraße (A) und ein Teil der Planstraße (B) stehen im Eigentum der Antragsgegnerin. Ca. 100 m westlich ist als Kompensationsmaßnahme eine Ausgleichsfläche mit zwei Regenrückhaltebecken (Planteil B) festgesetzt.

5

Die vorgesehene Zufahrt zum Baugebiet hat zwischen den Häusern der Antragsteller ein deutliches Gefälle nach Norden. Die Landesstraße steigt in diesem Bereich leicht von Westen nach Osten an.

6

Die von den Antragstellern vorgeschlagene Alternativzufahrt befindet sich zwischen den Häusern B. 61 und 65. Auf dem Grundstück 65 liegt an der Nordgrenze noch ein Nebengebäude, an das ein Sitzplatz angegliedert ist. Auf dem Grundstück 62 ist im nördlichen Bereich ebenfalls eine Art Gartenlaube und ein Brunnenhäuschen errichtet. Außerhalb ihrer Bebauung werden die Grundstücke als Obstbaumwiese, Wiese und Grabeland genutzt. Die Landesstraße hat hier innerhalb der Ortslage das höchste Niveau. Im Bereich der genannten Grundstücke macht die Landesstraße eine leichte Kurve, die für eine Zufahrt von Norden den Einblick etwas erschwert. Der östliche Ortseingang liegt etwa 100 m entfernt.

7

Die B. weist wegen der Nähe zu einer Autobahn (ca. 500 m entfernt) eine hohe Verkehrsbelastung auf (6.822 Kfz/24 h). Die Anwesen der Antragsteller (Immissionspunkte 2, 3, 4 und 5) sind mit Tagesbeurteilungspegeln zwischen 62 dB(A) und 67 dB(A) belastet. Die planmäßige Herstellung der Straßeneinmündung (durch die Linksabbiegehilfe und die dafür erforderliche Verschwenkung der Fahrbahn) wird eine zusätzliche Belastung mit ca. 1 dB(A) zur Folge haben. Bei Berücksichtigung des zu erwartenden Anliegerverkehrs ist am Immissionspunkt 2 nachts eine Pegelerhöhung auf mindestens 60 dB(A) zu erwarten; unter Berücksichtigung einer Verkehrszunahme von 25 % bis 2010 wird dies auch den Immissionspunkt 5 betreffen (das ergibt sich aus dem schalltechnischen Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt vom 13. November 1995). Die Antragsteller haben keine Schallschutzfenster. Nach Ziff. 17 der textlichen Festsetzungen besteht "für die gekennzeichneten Gebäudefronten" Anspruch auf Schallschutzmaßnahmen gemäß der 24. BImSchV (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung vom 4. Februar 1997, BGBl. I S. 172); Art und Umfang dieser Maßnahmen seien im Zuge des Straßenausbaues gesondert zu prüfen. Die Kennzeichnung der Gebäudefronten ist in der zeichnerischen Darstellung gemäß der Planbegründung (Bl. 13) durch dicke schwarze Balken erfolgt. Diese Kennzeichnung befindet sich auch an den südlichen Gebäudefronten der Antragsteller.

8

Der Bebauungsplan setzt die Verlegung des offenen Grabens an den Nordrand des Plangebietes fest. Er enthält unter Ziff. 14 der textlichen Festsetzungen weitere Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft (Anpflanzung einer Hecke, Anpflanzung von Bäumen, Geländeausmuldung, Gewährleistung einer natürlichen Entwicklung durch Verzicht auf Pflegemaßnahmen).

9

Der seit dem 3. Februar 1993 wirksame Flächennutzungsplan änderte die ursprüngliche Darstellung (parallel zur B. eine 100 m breite Wohnbaufläche) durch eine an den Parzellenzuschnitt angepasste Abrundung im Nordosten mit Einbeziehung des Flurstückes 6.

10

Das Planverfahren begann im Jahre 1990. Am 12. April 1990 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung des "Bebauungsplanes Nr. 5". Der damalige Entwurf umfasste eine vergleichbar große Fläche im Westen ("Westhälfte"). Aufgrund der Bedenken von Anliegern beschloss der Rat am 14. Juli 1995, die Westhälfte aus dem Plan herauszunehmen, weil dann die Mehrheit der betroffenen Anlieger nicht mehr berührt sei. Am 28. Dezember 1994 wurde eine Beteiligung der Träger öffentlicher Belange durchgeführt. Die Forstverwaltung und die Naturschutzbehörde äußerten Bedenken (Landschaftsschutz, Kompensationsdefizit). Eine Auslegung war zunächst vom 27. Dezember 1994 bis 31. Januar 1995 vorgesehen, wurde aber unterbrochen und dann erneut vom 8. Februar 1995 bis 14. März 1995 vorgenommen. Unter dem 10. Mai 1995 stellte das Straßenbauamt H. fest, dass der Straßenanschluss richtig gewählt sei. Im Auftrag der Antragsgegnerin wurde am 13. Januar 1997 eine "Landschaftspflegerische Beurteilung" erstellt. In der erneut überarbeiteten Fassung vom 17. Juni 1997 war der Planentwurf Gegenstand des Aufstellungsbeschlusses vom 17. Juni 1997. Am 24. Oktober 1997 beschloss der Rat den Bebauungsplan Nr. 5 als Satzung und am 5. Juni 1998 eine "vereinfachte Änderung" (Entfernung der Schrägschraffur am Nordrand des Plangebietes, damit diese Fläche nicht auf die Größe der Baugrundstücke angerechnet werden könne). Am 8. August 1998 entstand ein neuer Entwurf, der nunmehr einen einfachen Bebauungsplan anfügte; die bereits erfolgte Anzeige beim Landkreis wurde zurückgenommen; am 22. September 1998 fand eine Unterrichtung der Bürger statt (die Antragsteller nahmen daran teil). Der Rat stimmte am 6. November 1998 dem Entwurf zu und beschloss die öffentliche Auslegung, die nach der Bekanntmachung vom 10. November 1998 (das Datum in der Verfahrensleiste des Bebauungsplanes - 23. Oktober 1998 - ist offensichtlich unrichtig) in der Zeit vom 19. November 1998 bis 23. Dezember 1998 erfolgen sollte. Am 17. Februar 1999 beschloss der Rat, nach "Zurückziehung des Anzeige-Antrages" und nach Prüfung der eingegangenen Anregungen den Bebauungsplan als Satzung sowie die Begründung. Am 31. März 1999 wurde der Bebauungsplan Nr. 5 im Amtsblatt veröffentlicht. Gemäß § 233 BauGB 1998 wurde die Bekanntmachung unmittelbar nach dem Beschluss vorgenommen (Aushang vom 20. April 1999 bis 28. April 1999). Die Anregungen der Antragsteller wurden zurückgewiesen; es gehe den Antragstellern nur um die Vermeidung von Erschließungskosten, um die Beibehaltung der bisherigen Grundstücksnutzung und um den Verkehrslärm. Eine unzumutbare Lärmbelastung liege nicht vor. Die Planung sei im Hinblick auf den Wohnbedarf (zehn konkrete Bauinteressenten) auch erforderlich. Die Zone artenreicher Feuchtwiesen beginne erst nördlich des Planbereiches (Mitteilung des Prüfungsergebnisses unter dem 23. Februar 1999).

11

Die Antragsteller haben am 16. August 1999 Normenkontrollantrag gestellt und zur Begründung geltend gemacht:

12

Die Auslegung vom 19. November 1998 bis 23. Dezember 1998 sei fehlerhaft gewesen, weil in den ersten zwei Wochen das Lärmgutachten nicht mit ausgelegt worden sei. Der Auslegungsbeschluss (am 23. Oktober 1998) sei vor dem Entwurfsbeschluss (am 6. November 1998) gefasst worden. Für den einfachen Bebauungsplan fehle der Aufstellungsbeschluss.

13

Der Bebauungsplan sei auch aus materieller Sicht nichtig. Der Bebauungsplan sei nicht im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich; der Wohnbedarf werde nämlich mit den Siedlungswünschen angrenzender Gemeinden begründet. Im Gebiet der Antragsgegnerin gebe es kein Lebensmittelgeschäft mehr; die Versorgung des Baugebietes sei daher nicht gewährleistet. Die Erschließung des Plangebietes durch die Planstraße (A) führe zu Stauung auf der L 442 und zu zusätzlichem Straßenlärm. Durch die Hanglage der den Antragstellern gehörenden Grundstücke werde der Verkehrslärm verstärkt. Es sei auch mit Beeinträchtigungen durch Schwerlastverkehr anlässlich der zu erwartenden Bauarbeiten zu rechnen. Für die Erschließung habe es eine alternative Möglichkeit (die oben dargestellte Trasse zwischen den Häusern B. 62 und 65) gegeben. Die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes mache die Ausdehnung der bisher als landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen genutzten Grundstücke der Antragsteller unmöglich. Die Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Antragsteller sei unsachlich. Die Belange des Naturschutzes seien nicht hinreichend berücksichtigt; sie machen sich hierzu die Eingabe des Naturschutzbundes vom 5. Juli 1998 zu eigen (fehlende Amphibienkartierung; Aufenthalt von Feuersalamandern am Teich der Familie W. an der Grenze zum Plangebiet; Bedeutung der Fläche des Teilplanes B als Feuchtwiese; Festsetzung eines Spielplatzes unmittelbar neben dem Quelltopf).

14

Die Antragsteller beantragen,

15

den am 17. Februar 1999 beschlossenen Bebauungsplan Nr. 5 "A. d. P." für nichtig zu erklären.

16

Die Antragsgegnerin beantragt,

17

den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.

18

Die Antragsgegnerin stellt die Geschichte des Planverfahrens dar. Die Bekanntmachung sei zum einen durch Aushang und zum anderen durch Veröffentlichung im Amtsblatt erfolgt. Die Bekanntmachung enthalte ein falsches Datum (23. Juni 1997), das auf einem Computer-Versehen beruhe. Richtig müsse das Datum: "10. November 1998" lauten. Lärmimmissionsplan und Lärmgutachten hätten sehr wohl ausgelegen. Die Aufstellung des einfachen Bebauungsplanes sei vom Rat am 5. Juni 1998 beschlossen worden. Die Planung sei erforderlich, weil Wohnbedarf bestehe. Ein erheblicher zusätzlicher Straßenlärm sei nach dem schalltechnischen Gutachten nicht zu befürchten; es sei auch zu berücksichtigen, dass die Autobahn nur 500 m entfernt sei. Die Planstraße weise auch keine Hanglage auf. Die von den Antragstellern favorisierte Alternativlösung sei weniger geeignet, weil sie die Verrohrung des Grabens voraussetze, das erforderliche Sichtdreieck nicht herzustellen wäre und eine gefährliche Kurvenlage entstehe.

19

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

20

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, soweit es nicht oben dargestellt ist, wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. März 2001 Bezug genommen.

21

Die Planungsvorgänge der Antragsgegnerin (Beiakte A) sowie ein gesiegeltes Exemplar der Begründung (Beiakte B), die landschaftspflegerische Beurteilung vom 13. Januar 1997 (Beiakte C) und eine Ausfertigung des Planes Nr. 5 haben dem Senat vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

23

a) Der Antrag ist zulässig. Die Antragsteller sind insbesondere antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn sie machen geltend, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Hierfür genügt es, dass sie die Zunahme der Lärmbelästigung durch die planmäßige Verwirklichung der Einmündung der Planstraße (A) in die B. anführen. Sie berufen sich damit auf Rechtsnormen, die jedenfalls auch ihre Interessen zu schützen bestimmt sind (§§ 41 ff. BImSchG i.V.m. der Verkehrslärmschutzverordnung). Der Antrag ist auch fristgerecht gestellt.

24

b) Der Antrag ist jedoch unbegründet.

25

1. Das Planverfahren leidet nicht an Mängeln, die zur (behebbaren) Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Planes führen.

26

aa) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften ist beachtlich, wenn der mit der Bekanntmachung der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist (§ 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). Ein solcher Mangel ist im Ergebnis hier zu verneinen. Zwar hat die Antragsgegnerin dem Anschein nach den Bebauungsplan zweimal bekannt gemacht; nämlich einmal durch Bekanntmachung im Amtsblatt mit Wirkung vom 31. März 1999 und danach durch Aushang vom 20. April 1999 bis 28. April 1999. Dass die Bekanntmachung zweimal erfolgt ist, trägt die Antragsgegnerin zudem selbst vor. Aber die Auslegung der "Bekanntmachung" durch Aushang ergibt, dass sie nach dem Eintritt der Verbindlichkeit nur der Information dienen sollte. Eine nach Eintritt der Verbindlichkeit vorgenommene Bekanntmachung würde anderenfalls das Inkrafttreten wieder aufheben und rückwirkend auf den späteren Zeitpunkt verlegen können. Eine bedenkliche Unsicherheit über den Zeitpunkt des Inkrafttretens wäre die Folge.

27

bb) Die Auslegung des Planentwurfes in der Zeit vom 19. November 1998 bis zum 23. Dezember 1998 gemäß § 3 Abs. 2 BauGB war fehlerfrei. Es schadet nicht, wenn der Lärmimmissionsplan und das schalltechnische Gutachten nicht während der ganzen Zeit ausgelegen haben sollten. Nach der klaren gesetzlichen Regelung sind Gegenstand der Auslegung der Entwurf und die Begründung des Bebauungsplanes (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Weitere Verfahrensunterlagen sind nicht mit auszulegen (vgl. Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Komm., Stand: November 1997, Rdn. 32 zu § 3, S. 32). Ob die Antragsgegnerin Einsicht in solche Unterlagen gewähren will, steht in ihrem Ermessen. Im Übrigen ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin den wesentlichen Inhalt des schalltechnischen Gutachtens in die Begründung mit aufgenommen hat. Selbst wenn im Übrigen insoweit zugunsten der Antragsteller ein Mangel der Auslegung unterstellt wird, würde dieser Fehler nach § 214 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbs. BauGB unbeachtlich sein. Denn er beträfe die Unvollständigkeit der Begründung, die nach dieser Vorschrift unbeachtlich ist.

28

cc) Tatsächlich hat die Antragsgegnerin für die Anfügung des einfachen Bebauungsplanes (der die Grundstücke an der B. und insbesondere die Anwesen der Antragsteller in den Planbereich mit einbezieht) keinen besonderen Aufstellungsbeschluss gefasst. Die gegenteilige Darstellung der Antragsgegnerin verwechselt den Beschluss über eine "vereinfachte Änderung" am 5. Juni 1998 mit dem Beschluss über die Aufstellung eines ergänzenden einfachen Bebauungsplanes. Ein solcher Aufstellungsbeschluss lässt sich den Planungsvorgängen nicht entnehmen. Es kommt darauf auch nicht an, denn der Aufstellungsbeschluss ist nicht zwingend vorgeschrieben (Bielenberg, a.a.O., Stand: März 1998, Rdn. 46 zu § 2, S. 26).

29

dd) Es trifft zu, dass die dem Senat vorgelegte Ausfertigung des Bebauungsplanes den 23. Oktober 1998 als Tag des Auslegungsbeschlusses nennt. Es handelt sich hierbei um eine unbeachtliche, weil offensichtliche Unrichtigkeit; der Auslegungsbeschluss kann nicht vor dem Entwurfsbeschluss, den er voraussetzt, gefasst worden sein. Nach den Planunterlagen ist der Entwurfs- und Auslegungsbeschluss am 6. November 1998 gefasst worden. Die Auslegung fand in der Zeit vom 19. November 1998 bis 23. Dezember 1998 statt.

30

2. Auch mit dem Inhalt seiner Festsetzungen hält der Plan den Angriffen der Antragsteller stand.

31

aa) Der angefochtene Bebauungsplan ist für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung "erforderlich". Maßgebend für die Erforderlichkeit ist die "planerische Konzeption" der Gemeinde (BVerwG, Urt. v. 14.7.1972 - IV C 8.70 -, BVerwGE 40, 248 ff., 263 [BVerwG 13.07.1972 - BVerwG III C 37.71]). Der "grobe" Maßstab der Erforderlichkeit lässt es genügen, wenn der Plan "vernünftigerweise geboten" ist (zusammenfassend BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 46/91 -, NVwZ 1993, 1102 f.). Die Antragsgegnerin hat bei der Bestimmung eine weitgehende Einschätzungsprärogative. Ein Verstoß gegen das so interpretierte Gesetz liegt nicht vor. Das vorgesehene Neubaugebiet hält sich im Rahmen des Wohnbedarfs, wie er sich in einer kleinen, zu einer Samtgemeinde gehörigen Ortschaft bilden kann. Darauf, ob der Plan auch auf die Deckung eines außerhalb der Antragsgegnerin zu erwartenden Wohnbedarfs zielt, kommt es nicht an. Diese Frage wäre allenfalls Gegenstand des interkommunalen Abwägungsgebotes (§ 2 Abs. 2 BauGB). Bedenken in dieser Richtung sind aber bei der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange nicht geäußert worden. Nach der Begründung des Bebauungsplanes hat der Samtgemeinderat vielmehr die Deckung des Wohnbedarfs durch die Antragsgegnerin begrüßt.

32

bb) Zur städtebaulichen Ordnung gehört, dass die Versorgung der Bevölkerung eines Wohngebietes gewährleistet ist; zu den Wohnbedürfnissen gehört auch das Erfordernis der Bedarfsdeckung in der näheren Umgebung (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 ff., 311). Im Gebiet der Antragsgegnerin gibt es kein Lebensmittelgeschäft mehr. Die Antragsgegnerin hat das Problem aber erkannt und auf die (offenbar übliche) Versorgung mit Lieferantenfahrzeugen verwiesen. Im Übrigen entspricht es den Verhältnissen in einer Samtgemeinde, wenn die Versorgung der Bevölkerung einer kleinen Mitgliedsgemeinde zentral - hier: in B. E. - stattfindet.

33

cc) Die zusätzliche Lärmbeeinträchtigung durch die planmäßigen Veränderungen an der B. (Linksabbiegehilfe, geringfügige Verschwenkung der Richtungsfahrbahn) und die Fertigstellung der Erschließungsstraße (Planstraße A) führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Verkehrslärmschutzverordnung (16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 12. Juni 1990 - BGBl. I S. 1036) sind für einige Immissionsorte, darunter ein Messpunkt auf dem Grundstück der Antragstellerin zu 2), erfüllt. Diese Verordnung gilt nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen (sowie von Schienenwegen, die hier außer Betracht bleiben). Der Bau der Planstraße A führt allein nicht zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte, wie sich aus dem schalltechnischen Gutachten ergibt. Auf den Einfluss der Hanglage kommt es nicht an. Denn auf die baulichen Maßnahmen an der B. ist die Verkehrslärmschutzverordnung anwendbar. Änderungen unterliegen ihr, wenn sie wesentliche Änderungen im Sinne dieser Verordnung darstellen; das ist nur dann der Fall, wenn die Straße durch einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen baulich erweitert (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 der VO; das ist hier nicht gegeben) oder wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird. Die ersten beiden Tatbestände sind nicht erfüllt. Denn die Erhöhung des Verkehrslärms beträgt durchgehend nur 1 dB(A) oder weniger; und der Wert von 70 dB(A) am Tage wird auch im Planzustand nicht erreicht. Dagegen tritt an den Immissionsorten 2, 7, 10, 12, 13 und 15 in der Nacht eine Erhöhung auf 60 dB(A) oder mehr ein. Die hiernach erforderliche Anwendung der Verkehrslärmschutzverordnung ergibt, dass die maßgebenden Immissionswerte gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 (in reinen und allgemeinen Wohngebieten 59 dB(A) am Tage und 47 dB(A) in der Nacht) überschritten werden. Durch die Kenntlichmachung von Ansprüchen auf Schallschutzmaßnahmen in der zeichnerischen Darstellung (schwarze Balken) wird den Besonderheiten der örtlichen Situation jedoch ausreichend Rechnung getragen. Damit kann sichergestellt werden, dass in den betroffenen Häusern die genannten Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung eingehalten werden.

34

Ob die Lärmwerte bei der von den Antragstellern vorgeschlagenen Alternativlösung geringer wären, kann dahinstehen; denn aus der Stellungnahme des Straßenbauamtes H. vom 10. Mai 1995 ergibt sich, dass der Straßenanschluss richtig gewählt ist. Die Ortsbesichtigung hat gezeigt, dass die alternative Zufahrt jedenfalls nicht so viel besser geeignet wäre, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin für die andere Alternative einen Abwägungsfehler darstellen würde. Denn wegen der Nähe zur Ortseinfahrt und wegen der Kurvenlage würde sie Gefahren für die Verkehrssicherheit heraufbeschwören.

35

dd) Die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes sind hinreichend berücksichtigt. Die Grenze des Landschaftsschutzgebietes verläuft nördlich des Planteiles B. Durch die Verlegung des offenen Grabens an die Nordgrenze des Plangebietes und durch mehrere textliche Festsetzungen unter Ziff. 14 ist der landespflegerischen Beurteilung Rechnung getragen. Der Eingriff in die Landschaft ist durch die Ausgleichsfläche (Teilplan B) kompensiert (§ 8 a BNatSchG). Verbleibende Beeinträchtigungen sind hinzunehmen; die Planungshoheit der Antragsgegnerin rechtfertigt in diesem Rahmen die Zurücksetzung des Natur- und Landschaftsschutzes. Ein Kompensationsdefizit, wie es der Naturschutzbund geltend macht, besteht nicht. Die Zone artenreicher Feuchtwiesen beginnt erst nördlich des Plangebietes. Die Anlage der Regenrückhaltebecken im Planteil B ist in der landespflegerischen Beurteilung vom 13. Januar 1997 als Eingriff berücksichtigt und in die Berechnung der Kompensationsfläche eingegangen (S. 21 bis 23).

36

ee) Eine landwirtschaftliche Nutzung der Grundstücke der Antragsteller brauchte die Antragsgegnerin nicht in die Abwägung einzustellen. Denn wie die Ortsbesichtigung gezeigt hat, hält sich die Nutzung der Grundstücke im Rahmen der mit der Wohnnutzung verbundenen Hausgartennutzung; die Intensität eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbs wird nicht erreicht.

37

ff) Die kritische Auseinandersetzung der Antragsgegnerin mit dem Vorbringen der Antragsteller mag polemisch ausgefallen sein, doch sind Bemerkungen auch scharfer Form noch durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt. In die Begründung des Planes sind sie jedenfalls nicht oder nur abgeschwächt eingegangen. Es kann deshalb dahinstehen, ob unsachliche Bemerkungen überhaupt die Abwägung fehlerhaft machen können.