Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 30.09.2024, Az.: 12 B 5770/23

aufschiebende Bedingung; Bauaufsichtliche Anordnung; Dachdämmung; Ermessen; fehlende Baugenehmigung; fehlende Schlussabnahme; Formelle Illegalität; Nutzungsuntersagung; Sofortvollzug; Veranstaltungshalle

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.09.2024
Aktenzeichen
12 B 5770/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 24139
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2024:0930.12B5770.23.00

Amtlicher Leitsatz

Wenn in der Nebenbestimmung einer Baugenehmigung entsprechend § 77 Abs. 6 Satz 2 NBauO geregelt ist, dass die bauliche Anlage - hier eine Veranstaltungshalle - vor der angeordneten Schlussabnahme ncht genutzt werden darf, stellt diese Nebenbestimmung die Genehmigung der Nutzung unter eine aufschiebende Bedingung. Die bauliche Anlage wird ohne die erforderliche Baugenehmigung - formell illegal - genutzt, wenn die angeordnete Schlussabnahme noch nicht erfolgt ist.

In der Verwaltungsrechtssache
Herr A.,
A-Straße, A-Stadt
- Antragsteller -
gegen
Landkreis Hildesheim - OE 908 - Rechtsangelegenheiten -
vertreten durch den Landrat,
Marie-Wagenknecht-Straße 3, 31134 Hildesheim - -
- Antragsgegner -
wegen bauaufsichtlicher Anordnung - Nutzungsuntersagung -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 12. Kammer - am 30.09.2024 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung.

Das streitbefangene Grundstück D. 1 in der Gemeinde E., Gemarkung F., Flur 7, Flurstücke 6/15 und 3/6, ist mit einem Gebäude bebaut, welches in der Vergangenheit als Küchenstudio genutzt wurde. Es grenzt im Norden an die G., zugleich Bundesstraße H., und im Osten an die D. und liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 12 "Gewerbegebiet F.", der für das Grundstück und seine Umgebung südlich der Bundesstraße ein Gewerbegebiet festsetzt. Nördlich der Bundesstraße befinden sich Grundstücke mit Wohnnutzung. Die nächstgelegenen Grundstücke, G. 75, 77 und 79, liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, die Art der baulichen Nutzung der Umgebung entspricht einem Mischgebiet.

Am 16.01.2018 erteilte der Antragsgegner der damaligen Eigentümerin des Grundstücks auf ihren Antrag einen Bauvorbescheid mit der Feststellung, dass eine Nutzungsänderung des Dachgeschosses von einem Küchenstudio zu einem Versammlungsraum planungsrechtlich zulässig sei, wenn vor einem eventuellen Baugenehmigungsverfahren eine Schallimmissionsprognose vorgelegt werde, die belege, dass alle Immissionswerte eingehalten würden. Daraufhin holte die Eigentümerin ein schalltechnisches Gutachten des Dipl.-Geoökologen I. vom 19.07.2018 ein. Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, dass bei einem Innenpegel von 80 dB(A) in dem Versammlungsraum die Lärmrichtwerte in der Nachbarschaft eingehalten würden, wenn Fenster und Türen des Versammlungsraums während der Veranstaltungen mit elektroakustischer Verstärkeranlage dauerhaft verschlossen blieben.

Am 31.07.2019 erteilte der Antragsgegner sodann der derzeitigen Grundstückseigentümerin, Frau J., eine Baugenehmigung für die geplante Nutzungsänderung zu einem Versammlungsraum mit 55 Einstellplätzen. Bestandteil der Baugenehmigung sind eine Betriebsbeschreibung vom 11.01.2018, eine ergänzende Betriebsbeschreibung vom 24.05.2019 und das schalltechnische Gutachten K. vom 19.07.2018. In der Baugenehmigung ist unter anderem verfügt, dass die bauliche Anlage vor der angeordneten Schlussabnahme nicht genutzt werden darf (Nr. 11). Die Verkleidungen in dem Veranstaltungsraum müssen an den Wänden und Decken aus mindestens schwerentflammbaren Baustoffen hergestellt werden und dürfen bei Hitzeentwicklung nicht brennend abtropfen und die Unterkonstruktionen müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen hergestellt werden (Nr. 33).

Am 01.07.2021 meldete zunächst Frau L. für die Nutzung des Veranstaltungsraumes ein Gewerbe an.

Nachdem im Sommer 2021 zahlreiche Nachbarbeschwerden beim Antragsgegner eingegangen waren, forderte dieser die Eigentümerin auf, ein Gutachten über die Lärmimmissionen vorzulegen.

Am 07.10.2021 erstellte die M. Ingenieurgesellschaft mbH für die Eigentümerin einen Messbericht zu den Schallimmissionen, der zu dem Ergebnis kam, dass der einschlägige Richtwert von 45 dB(A) in der Nacht am nächstgelegenen Wohngebäude G. 75 beim Betrieb der Beschallungsanlage mit voller Beschallungsstärke um bis zu 13 dB(A) überschritten werde. Um den nächtlichen Immissionsrichtwert einzuhalten, sei innerhalb des Gebäudes eine Lautstärke von maximal 80 dB(A) möglich. In der Tagzeit bis 22.00 Uhr sei eine Lautstärke der Beschallungsanlage von 93 dB(A) zulässig. Ausweislich der Untersuchung bestand die Dachkonstruktion seinerzeit aus Blech-Sandwich-Elementen mit einer sehr geringen Schalldämmung. Der Gutachter empfahl, die Dämmung nachzubessern, da bei Hochzeitsfeiern und vergleichbaren Events üblicherweise eine Mindestlautstärke von etwa 90 - 95 dB(A) zu erwarten sei.

Bereits am 23.09.2021 hatte der Antragsgegner gegenüber der Grundstückseigentümerin aufgrund diverser Mängel die Schlussabnahme für das Bauvorhaben "Umnutzung Küchenstudio zu Versammlungsraum" abgelehnt und die Eigentümerin aufgefordert, die festgestellten Mängel zu beseitigen.

Am 19.11.2021 - mit einer Änderung vom 12.07.2022 - erließ der Antragsgegner gegenüber der damaligen Betreiberin sodann eine den Betrieb einschränkende immissionsschutzrechtliche Anordnung. Der Antrag der damaligen Betreiberin auf vorläufigen Rechtsschutz hatte vor der erkennenden Kammer nur zu einem kleinen Teil Erfolg (12 B 6533/21, Beschluss vom 22.07.2022). Das Beschwerdeverfahren beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (12 ME 101/22) wurde später nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt.

Auch am 25.05.2022 lehnte der Antragsgegner eine Schlussabnahme der Umbauten des Dachgeschosses mit der Feststellung ab, dass abweichend von der Baugenehmigung gebaut worden sei.

Sodann erstellte das Ingenieurbüro N. aus O. für die Eigentümerin der Immobilie unter dem 16.06.2022 eine statische Berechnung zur "Zusatzlast aus Schallschutzbekleidung unter dem Dachpaneel". Am 25.07.2022 wurde das Dach des Obergeschosses mit Schallschutz gedämmt. Eine Baugenehmigung war für die Arbeiten zuvor nicht beantragt worden.

Am 07.10.2022 führte die M. Ingenieurgesellschaft mbH eine erneute Schallschutzmessung durch. Als Ergebnis hielten die Ingenieure unter dem 10.10.2022 fest, dass am Tag der Messung die Maßnahmen zur Schalldämmung weitestgehend durchgeführt gewesen seien. Aus den Ergebnissen habe sich eine deutliche Verbesserung der Schalldämmung von etwa 10 dB gegenüber der ersten Messung ableiten lassen. In der Nachtzeit sei nun eine Lautstärke von 90,5 dB(A) zulässig unter der Voraussetzung, dass alle Fenster, Türen und Dachhauben während der Musik durchgängig geschlossen blieben und es keine geräuschintensiven Aktivitäten vor dem Gebäude auf der Nordseite gebe.

Zum 27.10.2022 meldete die damalige Betreiberin ihr Gewerbe ab.

Seit dem 01.06.2023 ist der Antragsteller als Betreiber des Versammlungsraums "P." im Gewerberegister eingetragen. Anschließend ausgerichtete Feiern führten wiederum zu zahlreichen Beschwerden der Nachbarschaft über Lärm.

Nach vorheriger Anhörung untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller mit bauaufsichtlicher Verfügung vom 06.11.2023 "unverzüglich, spätestens ab dem 17.11.2023, bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines möglichen Widerspruchs ab Unanfechtbarkeit dieser Verfügung" die Nutzung des gesamten Obergeschosses des Gebäudes auf dem Grundstück D. 1 in E.. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an und drohte dem Antragsteller für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro an. Zur Begründung führte er aus, eine Nutzung der Räumlichkeiten sei formell illegal, da Umbauten abweichend von der Baugenehmigung vorgenommen worden seien. Die vorgenommene Schallschutzdämmung greife in die Statik des Gebäudes ein, sodass ein Nachtrag zur Standsicherheit zu beantragen gewesen wäre. Ein entsprechender Antrag sei nicht gestellt worden. Auch eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit sei aufgrund des fehlenden Statiknachweises nicht gegeben. Der genehmigte Personalraum sei abweichend von der Baugenehmigung mit einer Übernachtungsmöglichkeit ausgestattet worden und dadurch nicht mehr als Personalraum nutzbar. Im Bereich des Behinderten-WC seien die Trennwände abweichend errichtet worden. Darüber hinaus sei die Nutzung entgegen der Auflage in der Baugenehmigung bereits aufgenommen worden, bevor die Schlussabnahme erfolgreich gewesen sei. Die Nutzungsuntersagung sei verhältnismäßig, da es kein anderes gleich geeignetes und milderes Mittel gebe, um rechtmäßige Zustände zu erreichen. Die wirtschaftlichen Nachteile für den Antragsteller seien berücksichtigt worden. Als Mieter/Pächter sei der Antragsteller für den baurechtswidrigen Zustand verantwortlich. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stütze sich darauf, dass die bauliche Anlage dem formellen Baurecht nicht entspreche und eine Übereinstimmung mit dem materiellen Baurecht nicht offensichtlich gegeben sei. Der rechtstreue Bürger dürfe gegenüber demjenigen, der ohne Genehmigung baue, nicht benachteiligt werden. Es sollten keine unberechtigten Vorteile gezogen und solle eine negative Vorbildwirkung vermieden werden. Es könne darüber hinaus nicht hingenommen werden, dass der Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Nutzung des gesamten Obergeschosses fortführe, obwohl die Dachstatik gegebenenfalls nicht für die Last der Schallschutzdämmung ausgelegt sei. Der Bescheid wurde am 09.11.2023 zugestellt.

Eine entsprechende Untersagungsverfügung richtete der Antragsgegner auch an die Eigentümerin der Immobilie. Diese Verfügung wurde bestandskräftig.

Am 29.11.2023 wandte sich das Ingenieurbüro Q. mit einer E-Mail an die Bauaufsicht des Antragsgegners und gab an, dass die Dämmmaßnahme im Dach des Versammlungsraums sowie die Gipskartonunterbekleidung entsprechend seines statischen Nachweises eingebaut worden seien. Eine Überprüfung sei anhand der Lieferscheine des Materials erfolgt.

Am 06.12.2023 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die bauaufsichtliche Anordnung ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

Am selben Tag hat der Antragsteller auch vorläufigen Rechtsschutz begehrt.

Er trägt vor, soweit der Antragsgegner ausführe, der Personalraum könne aufgrund einer "Übernachtungsmöglichkeit und anderem Mobiliar" nicht als solcher genutzt werden, sei die Verfügung zu unbestimmt. Es erschließe sich nicht, welches Mobiliar gemeint sei. Auch fehle kein Pausenraum, denn die wohnliche Einrichtung stehe einer Nutzung des Raumes als Pausenraum nicht entgegen. Hinsichtlich der verschobenen Trennwände sei weder von einer formellen noch von einer materiellen Illegalität auszugehen, da die nichttragenden Wände genehmigungsfrei hätten verschoben werden können. Auch könnten Sanitäreinrichtungen ohne Baugenehmigung in bauliche Anlagen eingefügt und geändert werden. Die Nutzungsuntersagung sei darüber hinaus ermessensfehlerhaft ergangen. Zwar sei eine Baugenehmigung für die Schallschutzdämmung nicht beantragt worden und könne eine formelle Illegalität einer Baumaßnahme grundsätzlich den Erlass einer Nutzungsuntersagung der baulichen Anlage rechtfertigen. Die Schallschutzdämmung sei jedoch offensichtlich genehmigungsfähig und die Nutzungsuntersagung auch im Übrigen unverhältnismäßig. Soweit der Antragsgegner eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit mit der Begründung verneine, dass ein Statiknachweis fehle, verkenne er, dass ihm der erforderliche Nachweis sehr wohl vorliege. Durch das Ingenieurbüro Q. sei dem Antragsgegner der Statiknachweis vom 16.06.2022 übersandt worden. Aus dieser Tragwerksplanung ergebe sich, dass alle Grenzwerte eingehalten würden und die Binderkonstruktion standsicher sei. Der Einbau der Dämmung sei durch ein Fachunternehmen und unter Berücksichtigung der erstellten Statik durchgeführt worden. Auch der Verweis des Antragsgegners auf die Nebenbestimmung Nr. 33 der Baugenehmigung verfange nicht, denn aus dem Bericht der M. Ingenieurgesellschaft vom 10.10.2022 ergebe sich, dass die Decke mit Gipskartonplatten verkleidet worden sei und Rigipsplatten seien nicht brennbar. Die errichtete Photovoltaikanlage sei ebenfalls verfahrensfrei und die Kumulierung von mehreren verfahrensfreien baulichen Anlagen führe nicht zum Entfall der Privilegierung. Außerdem sei für die Frage der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit gerade keine abschließende Prüfung der Baumaßnahme erforderlich. Es komme vielmehr darauf an, ob ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung die Genehmigungsfähigkeit beurteilt werden könne. Insoweit erschließe sich nicht, warum nach dem Vortrag des Antragsgegners nun die Vorlage eines neuen immissionsschutzrechtlichen Gutachtens erforderlich sei. Zudem sei die von der M. Ingenieurgesellschaft mbH am 07.10.2022 durchgeführte Schallschutzmessung mit Schriftsatz vom 11.10.2022 in das Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeführt worden und liege dem Antragsgegner seitdem vor. Auch liege dem Antragsgegner bereits seit dem Jahr 2022 eine Auftragsbestätigung der Firma R. GmbH vor, nach der der Brandschutz eingehalten und die Schalldämmung mindestens 25 db(A) betragen werde. Auch diese Bestätigung sei seinerzeit im Beschwerdeverfahren dem Gericht vorgelegt worden. Der Antragsgegner hätte danach sehr wohl nach Aktenlage entscheiden können. Die Untersagungsverfügung stelle sich auch als ermessensfehlerhaft dar, weil der Antragsgegner es unterlassen habe, die faktische Duldung der baurechtswidrigen Zustände zu berücksichtigen. Dem Antragsgegner sei seit über einem Jahr bekannt, dass die Dachdämmung ohne die erforderliche Baugenehmigung angebracht worden sei. Auch wenn umstritten sei, ob eine Verwirkung bauaufsichtlicher Befugnisse überhaupt in Betracht kommen könne, bestehe doch Einigkeit insoweit, dass die faktische Duldung baurechtswidriger Zustände unter gewissen Voraussetzungen im Rahmen von Vertrauenstatbeständen bei der Ermessensausübung für eine bauaufsichtliche Anordnung zu berücksichtigen sei. In Bezug auf die Schallschutzdämmung sei er, der Antragsteller, nicht der richtige Adressat der Nutzungsuntersagung. Vorrangig hätte die Eigentümerin in Anspruch genommen werden müssen. Zwar habe auch Frau J. eine Verfügung erhalten, daneben hätte er, der Antragsteller, allerdings höchstens Adressat einer Duldungsverfügung sein können. Die Nutzungsuntersagung stelle zudem einen schwerwiegenden Eingriff in seine Berufsfreiheit, die des Antragstellers, dar, was der Antragsgegner nicht berücksichtigt habe. Er erziele keine anderweitigen Einkünfte. Die Nutzungsuntersagung führe dazu, dass er keine Einnahmen haben werde und deshalb seine monatlichen Verpflichtungen, insbesondere die Mietzahlungen für das Eventcenter in Höhe von knapp 5.000,00 Euro, nicht erfüllen könne. Die gesetzte Frist für die Einstellung der Nutzung sei schließlich zu kurz und deshalb nicht ermessensgerecht. Er, der Antragsteller, hätte ausreichend Gelegenheit erhalten müssen, eine nachträgliche Genehmigung für die durchgeführte Dämmung zu erlangen. Eine derart kurze Frist sei auch nicht erforderlich gewesen, um Gefahren für die Allgemeinheit abzuwenden, da die Schallschutzdämmung offensichtlich genehmigungsfähig sei.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die bauaufsichtliche Verfügung vom 06.11.2023 wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, eine Nutzungsuntersagung sei in aller Regel bereits dann gerechtfertigt, wenn die bauliche Anlage formell illegal errichtet worden sei bzw. genutzt werde. Hier sei ein Nachtrag zur Baugenehmigung zunächst deswegen erforderlich gewesen, weil im Rahmen der - gescheiterten - Schlussabnahme festgestellt worden sei, dass die Anlage abweichend von der Baugenehmigung ausgeführt worden sei und genutzt werde. Der ursprünglich geplante Personalraum sei seiner Nutzung zum Pausenaufenthalt aufgrund seiner wohnlichen Einrichtung unter anderem mit einem Bett entzogen worden. Nach Nr. 4.1 Abs. 3 der Arbeitsstättenrichtlinie sei ein Personalraum aber notwendig. Auch die Veränderung des Sanitärraums unterliege einem Genehmigungsvorbehalt. Es sei lediglich die Umnutzung von Räumen in vorhandenen Wohngebäuden oder Wohnungen in Sanitärräume verfahrensfrei. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass die Umnutzung und die Veränderung von Sanitärräumen in allen anderen Gebäudearten bzw. Nutzungseinheiten sehr wohl genehmigungspflichtig seien. Insbesondere sei jedoch ein Nachtrag erforderlich gewesen in Bezug auf die durchgeführten Dämmarbeiten. Bei diesen habe es sich nicht um eine genehmigungsfreie oder offensichtlich genehmigungsfähige Baumaßnahme gehandelt. Die durchgeführten Dämmarbeiten seien genehmigungspflichtig. Die Nebenbestimmung Nr. 33 der Baugenehmigung zu dem notwendigen Material der Verkleidungen in dem Veranstaltungsraum betreffe auch das Dach. Mit diesen Anforderungen an die Dämmung sei deren Einbau nicht verfahrensfrei, denn gemäß § 60 Abs. 1 NBauO i.V.m. Nr. 12.4 des Anhangs seien lediglich Bekleidungen und Dämmschichten verfahrensfrei, die weder schwerentflammbar noch nichtbrennbar seien. Auch sei entgegen der Auffassung des Antragstellers von einer den Erlass einer Nutzungsuntersagung hindernden offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit nur dann auszugehen, wenn über die Genehmigungsfähigkeit bereits nach Aktenlage und ohne jegliche weiteren Ermittlungen entschieden werden könne und wenn zusätzlich jedes andere Ergebnis als die Annahme der Genehmigungsfähigkeit nicht nur falsch, sondern schlechthin unvertretbar wäre. Die Genehmigungsfähigkeit hätte jedoch anhand von erforderlichen Bauunterlagen geprüft werden müssen. Ein entsprechender Bauantrag mit den erforderlichen Bauvorlagen sei aber bis zum Zeitpunkt der Nutzungsuntersagung nicht gestellt gewesen und im Übrigen bis heute nicht gestellt. Die Vorlage (unvollständiger) Bauvorlagen außerhalb eines Bauantragsverfahrens ersetze keinen Bauantrag und ermögliche keine abschließende Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens. Lediglich übersandt worden seien - im Rahmen des Beschwerdeverfahrens beim Oberverwaltungsgericht - die Unterlagen zur statischen Berechnung des Ingenieurbüros Q.. Anhand dieser Berechnung sei eine abschließende Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der durchgeführten Arbeiten jedoch nicht möglich gewesen. Hinzu komme, dass sich laut Luftbild im schalltechnischen Gutachten auf der südlichen Dachhälfte fast vollflächig eine PV-Anlage befinde. Diese Anlage sei zwar verfahrensfrei, führe aber zu einer asymmetrischen zusätzlichen Belastung des alten Tragwerks. Erforderlich sei auch die Vorlage eines neuen immissionsschutzrechtlichen Gutachtens unter Berücksichtigung der durchgeführten Dämmung des Daches. Mangels Bauantrag für die Schallschutzdämmung sei ein solches Gutachten bisher nicht gefordert worden. Soweit sich der Antragsteller insoweit auf die Schallimmissionsmessung vom 07.10.2022 berufe, sei festzustellen, dass diese vor einem Abschluss der Dämmarbeiten am Dach vorgenommen und in dem Gutachten ausdrücklich davon ausgegangen worden sei, dass nach endgültiger Fertigstellung der Dachdämmung noch eine abschließende Messung erfolgen würde. Der Erlass der Nutzungsuntersagung sei auch nicht verwirkt. Unabhängig davon, dass eine Verwirkung bauaufsichtlicher Befugnisse nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht komme, sei die Darstellung des Antragstellers, er, der Antragsgegner, habe den baurechtswidrigen Zustand über ein Jahr geduldet, irreführend. Nach der Aufgabe der Nutzung durch die damalige Betreiberin sei das Veranstaltungszentrum über ein Jahr lang tatsächlich nicht genutzt worden, weshalb keine Veranlassung bestanden habe, die Nutzung zu untersagen. Nachdem im September 2023 bekannt geworden sei, dass die Nutzung wohl im Juni wieder aufgenommen worden sei, habe er, der Antragsgegner, das Verfahren wieder aufgegriffen und die Nutzung schließlich untersagt. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, insbesondere sei die Nutzungsuntersagung auch verhältnismäßig. Der Antragsteller sei der richtige Adressat der Verfügung. Aus dem Gesetz folge nicht, dass vorrangig der Eigentümer in Anspruch zu nehmen sei. Soweit das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht entschieden habe, dass die Verantwortlichkeit für den Zustand baulicher Anlagen in erster Linie den Eigentümer treffe, habe diese Entscheidung die Anordnung zum Abriss eines Gebäudes betroffen und sei nicht übertragbar auf den Fall der vorliegenden Nutzungsuntersagung. Eine solche sei vielmehr grundsätzlich an denjenigen zu richten, der die bauliche Anlage tatsächlich nutze. Zwar habe der Antragsteller ein wirtschaftliches Interesse an einem weiteren Betrieb des Veranstaltungszentrums. Zu berücksichtigen sei jedoch auch, dass der Antragsteller hätte wissen müssen, dass für die Nutzung des Veranstaltungszentrums eine Baugenehmigung für die Dämmarbeiten erforderlich sei. Es sei für ihn vorhersehbar gewesen, dass es zu einer Nutzungsuntersagung kommen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der Beratung.

II.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bleibt ohne Erfolg.

Soweit sich der Antragsteller gegen die Untersagung der Nutzung des gesamten Obergeschosses des Gebäudes D. 1 in E. wendet, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag ist aber unbegründet.

Dabei genügt die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung wird bereits genügt, wenn überhaupt eine schriftliche, einzelfallbezogene und nicht lediglich formelhafte Begründung vorhanden ist, die die von der Behörde getroffene Interessenabwägung erkennen lässt. Diese Voraussetzungen werden von der hier gegebenen Begründung (in der Verfügung unter 2.) erfüllt. Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise damit begründet, dass eine negative Vorbildwirkung vermieden werden solle, damit sich andere Bürger nicht ermuntert fühlten, ebenfalls Änderungen an baulichen Anlagen ohne eine entsprechende Baugenehmigung vorzunehmen und die veränderte bauliche Anlage bis zu einer Entscheidung über die Baugenehmigung weiter zu nutzen. Weiterhin hat der Antragsgegner ausgeführt, dass nicht hingenommen werden könne, dass der Antragsteller die Nutzung des Obergeschosses fortführe, obwohl die Dachstatik gegebenenfalls nicht für die Last der Schallschutzdämmung ausgelegt sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Last zu Schäden an der baulichen Anlage führe oder sogar Schutzgüter der Umwelt verletze, weshalb ein sofortiges Handeln erforderlich sei, um jegliche Gefahren auszuschließen.

In der Sache kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers, von einer sofortigen Vollziehung einer behördlichen Anordnung verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an einer solchen sofortigen Vollziehung überwiegt. Maßgeblich für diese Interessenabwägung sind dabei die im Rahmen einer summarischen Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs. Während an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann, überwiegt das Vollziehungsinteresse in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei einem rechtmäßigen Verwaltungsakt das Aussetzungsinteresse zumindest dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes besteht. Dieses muss - ohne Bindung des Gerichts an die Begründung der Behörde - anhand der Umstände des konkreten Falles positiv festgestellt werden, weil der gesetzliche Regelfall hier derjenige des Aufschubinteresses ist. Der Rechtsschutzanspruch des Antragstellers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 29.01.2020 - 2 BvR 690/19 -, juris Rn. 16).

Die Interessenabwägung ergibt vorliegend, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Bauaufsichtsverfügung des Antragsgegners vom 06.11.2023 das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung dieser Verfügung vorläufig verschont zu bleiben, überwiegt. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die Anordnung der Nutzungsuntersagung gegenüber dem Antragsteller als offensichtlich rechtmäßig und besteht darüber hinaus ein besonderes Vollzugsinteresse.

Rechtsgrundlage der Anordnung ist § 79 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn bauliche Anlagen oder Grundstücke dem öffentlichen Baurecht widersprechen oder dies zu besorgen ist. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NBauO kann sie dazu namentlich die Benutzung von Anlagen untersagen.

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen bauaufsichtlichen Anordnung ist im Falle einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO bei noch nicht abgeschlossenem Widerspruchsverfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung (vgl. BayVGH, Beschl. vom 31.08.2021 - 11 CS 21.1631 -, juris Rn. 24; VG Schleswig, Beschl. vom 16.06.2021 - 11 B 28/21 -, juris Rn. 18; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 147 m.w.N.).

Zum jetzigen Zeitpunkt widerspricht zumindest die nachträgliche Dämmung des Daches des "S." in der D. 1 in E. sowie die Nutzung des Obergeschosses des Gebäudes durch den Antragsteller dem öffentlichen Baurecht. Dachdämmung und Nutzung sind formell baurechtswidrig.

Die nachträgliche Dämmung des Daches der Veranstaltungshalle ist ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers waren die am Dach durchgeführten Dämmarbeiten genehmigungspflichtig. Gemäß § 60 Abs. 1 NBauO i.V.m. Nr. 12.4 des Anhangs zu § 60 sind lediglich Bekleidungen und Dämmschichten in Gebäuden verfahrensfrei, die weder schwerentflammbar noch nichtbrennbar sein müssen. In der Auflage Nr. 33 der Baugenehmigung vom 31.07.2019 ist jedoch geregelt, dass die Verkleidungen in dem Veranstaltungsraum an den Wänden und Decken aus mindestens schwerentflammbaren Baustoffen hergestellt werden müssen und bei Hitzeentwicklung nicht brennend abtropfen dürfen, sowie, dass die Unterkonstruktionen aus nichtbrennbaren Baustoffen hergestellt werden müssen. Diese Regelung betrifft ersichtlich auch die Innenverkleidung des Daches und ausweislich der statischen Berechnung des Ingenieurbüros N. für die "Zusatzlast aus Schallschutzbekleidung" vom 16.06.2022 "unter dem Dachpaneel" ist die nachträgliche Dämmung von innen erfolgt. Mit den sich aus der Auflage Nr. 33 ergebenden Anforderungen an die Dämmung war deren Einbau im Umkehrschluss aus Nr. 12.4 des Anhangs zu § 60 NBauO nicht verfahrensfrei. Aus der Tatsache, dass - unter anderem - nicht brennbare Gipskartonplatten verbaut worden sind, folgt entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Verfahrensfreiheit der Dämmmaßnahme; sie belegt lediglich - materiell - die Umsetzung der Nebenbestimmung der Baugenehmigung. Die nachträgliche Dachdämmung war darüber hinaus ersichtlich auch nicht nach § 62 NBauO genehmigungsfrei. Weder hat es sich bei den Dämmarbeiten um die Errichtung eines Gebäudes noch um die Errichtung einer baulichen Anlage, die kein Gebäude ist, gehandelt. Der Antragsteller irrt, wenn er die Dämmung als bauliche Anlage bezeichnet, denn bauliche Anlagen sind gemäß § 2 Abs. 1 NBauO nur solche, die mit dem Erdboden verbunden oder in der Vorschrift enumerativ genannt sind.

Darüber hinaus ergibt sich eine formelle Illegalität der Nutzung des Dachgeschosses als Veranstaltungsraum.

Der Veranstaltungsraum wird derzeit ohne die erforderliche Baugenehmigung genutzt. Der Baugenehmigung vom 31.07.2019 fehlt es bisher an ihrer inneren Wirksamkeit, die mit ihr gewährte Begünstigung der erlaubten Nutzung des Veranstaltungsraums ist noch nicht eingetreten (vgl. zum Begriff der inneren Wirksamkeit einer Baugenehmigung BayVGH, Urt. vom 19.01.2017 - 9 B 11.413 -, juris Rn. 28 und 30; VG Hannover, Urt. vom 21.05.2014 - 1 A 6365/12 -, juris Rn. 43; BVerwG, Urt. vom 29.03.1968 - IV C 27.67 -, BVerwGE 29, 261 und juris, Rn. 13 und 18). In der Nebenbestimmung Nr. 11 der Baugenehmigung ist entsprechend § 77 Abs. 6 Satz 2 NBauO geregelt, dass die bauliche Anlage - der Veranstaltungsraum - vor der angeordneten Schlussabnahme nicht genutzt werden dürfe. Diese Nebenbestimmung stellt die Genehmigung der Nutzung unter eine aufschiebende Bedingung, welche bis heute nicht eingetreten ist, da es noch immer an der Schlussabnahme fehlt.

Bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung lässt sich im Übrigen mit dem von den Bauvorlagen abweichenden Innenausbau (Trennwände des Behinderten-WCs) bzw. dem von der Betriebsbeschreibung abweichenden Betrieb (anderweitige Nutzung des vorgesehenen Personalraums) keine - weitere - formelle Illegalität begründen, da von einer noch nicht wirksamen Baugenehmigung schwerlich abgewichen werden kann.

Mit der formellen Rechtswidrigkeit der Dachdämmung sowie der Nutzung des Veranstaltungsraums besteht für den Antragsgegner die Befugnis zum Einschreiten. Diese Befugnis zum Erlass der Nutzungsuntersagung hat der Antragsgegner auch nicht "verwirkt", denn bei hoheitlichen Eingriffsbefugnissen auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr wie der baupolizeilichen Befugnis zum Einschreiten ist eine solche Verwirkung grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. VG Hannover, Beschl. vom 16.03.2015 - 12 B 13254/14 - unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 07.08.2013 - 7 B 9.13 -, juris Rdnr. 10; Nds. OVG, Urteil vom 22.03.2001 - 1 L 4487/99 -, NdsVBl. 2002, S. 22); sie kommt überhaupt nur bei verzichtbaren subjektiven Rechten in Betracht (Nds. OVG, Urteil vom 22.03.2001 - 1 L 4487/99 -, NdsVBl. 2002, S. 22; Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, 79 Rn. 62).

Die Nutzungsuntersagung ist entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht ermessensfehlerhaft.

So stellt sich die Adressierung der Nutzungsuntersagung an den Antragsteller nicht als Fehler des (Auswahl-)Ermessens dar. Der Antragsgegner kann ermessensfehlerfrei neben der Inanspruchnahme der Eigentümerin, Frau J., auch den Antragsteller als Adressaten auswählen.

Nach § 79 Abs. 1 Satz 3 NBauO hat die Behörde die Anordnung an die nach den §§ 52 bis 56 verantwortlichen Personen zu richten und gemäß § 56 Satz 3 NBauO ist neben dem Eigentümer einer Anlage auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Anlage dafür verantwortlich, dass die Anlage dem öffentlichen Baurecht entspricht.

Aus dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass vorrangig der Eigentümer einer baulichen Anlage in Anspruch zu nehmen ist. Vielmehr ist eine Nutzungsuntersagung grundsätzlich an denjenigen zu richten, der die bauliche Anlage tatsächlich unmittelbar nutzt (st. Rspr. des Bausenats des Nds. OVG, vgl. Beschl. vom 19.12.2018 - 1 ME 155/18 -, juris Rn. 10; Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 79 Rn. 85). Soweit der Antragsteller dementgegen ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vom 07.11.1996 - 6 L 6600/95 -, BeckRS 2005, 21755) anführt, in dem es heißt, die Verantwortlichkeit für den Zustand baulicher Anlagen treffe in erster Linie den Eigentümer, weist der Antragsgegner zu Recht daraufhin, dass die damalige Entscheidung eine Abbruchverfügung betraf und keine Nutzungsuntersagung. Darüber hinaus lässt der Antragsteller unerwähnt, dass das Obergericht im nächsten Absatz eben jenes Urteils weiter ausführt, dass - bereits seinerzeit in § 61 Satz 3 NBauO a.F. normiert - verantwortlich aber neben dem Eigentümer auch derjenige ist, der die tatsächliche Gewalt über die bauliche Anlage ausübt.

Auch ist es regelmäßig (vgl. nur Nds. OVG, Beschl. vom 16.08.2019 - 1 LA 28/19 -, juris Rn. 9) und damit auch im vorliegenden Fall nicht ermessensfehlerhaft, eine Nutzungsuntersagung allein auf die formelle Baurechtswidrigkeit der baulichen Anlage und ihrer Nutzung zu stützen.

Eine Nutzungsuntersagung kann selbst dann allein auf eine formelle Baurechtswidrigkeit gestützt werden, wenn der Betroffene bereits vor der Einleitung des bauaufsichtlichen Verfahrens zur Legalisierung eine Genehmigung beantragt hatte (Nds. OVG, Beschl. vom 16.08.2019 - 1 LA 28/19 -, juris 2. Leitsatz und Rn. 9) und damit im vorliegenden Fall erst recht, da der Antragsteller bis heute keinen (Nachtrags-)Bauantrag für die Dachdämmung gestellt hat.

Es handelt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers bei der Dachdämmung auch nicht um eine offensichtlich genehmigungsfähige Baumaßnahme.

Zwar stellt sich eine allein auf die formelle Baurechtswidrigkeit der baulichen Anlage oder ihrer Nutzung gestützte Nutzungsuntersagung dann als ermessensfehlerhaft dar, wenn Anlage und Nutzung offenkundig genehmigungsfähig sind. Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn über die Genehmigungsfähigkeit bereits nach Aktenlage ohne jegliche weitere Ermittlungen entschieden werden könnte und wenn zusätzlich jedes andere Ergebnis als die Bejahung der Genehmigungsfähigkeit nicht nur falsch, sondern schlechthin unvertretbar wäre (Nds. OVG, Beschl. vom 08.06.2023 - 1 ME 15/23 -, juris Rn. 10, Beschl. vom 09.06.2020 - 1 ME 108/19 -, juris 5. Leitsatz und Rn. 19).

Eine Genehmigung der nachträglichen Dämmung des Daches ist jedoch nach Aktenlage ohne weitere Ermittlungen nicht möglich. Selbst unter Berücksichtigung der im Rahmen des seinerzeit anhängigen Beschwerdeverfahrens beim Oberverwaltungsgericht vorgelegten statischen Berechnung des Ingenieurbüros N. vom 16.06.2022 sowie der - im Übrigen erst nach Erlass der Nutzungsuntersagung beim Antragsgegner eingegangenen - Bestätigung des Ingenieurbüros Q. vom 29.11.2023, dass die Dämmung entsprechend seines statischen Nachweises eingebaut worden sei, werden noch weitere Ermittlungen notwendig sein. Insbesondere wird die Bauaufsicht des Antragsgegners zu prüfen haben, ob das - über die Gipskartonplatten hinaus, beispielsweise für die Unterkonstruktion - verwendete Dämmmaterial den in der Auflage Nr. 33 der Baugenehmigung formulierten Anforderungen des Brandschutzes genügt. Außerdem wird sich die Frage der Statik neu stellen, nachdem sich herausgestellt hat, dass auf der südlichen Dachhälfte inzwischen fast vollflächig eine Photovoltaikanlage montiert worden ist, die - asymmetrisch - zusätzliches Gewicht auf die vorhandene Dachkonstruktion bringt, die ursprünglich lediglich Blech-Sandwich-Elemente zu tragen hatte. Dieses zusätzliche Gewicht ist in der statischen Berechnung des Ingenieurbüros N. vom 16.06.2022 außer Betracht geblieben.

Darüber hinaus ist es alles andere als offensichtlich, dass zeitnah eine Schlussabnahme erfolgen kann. Die Schlussabnahme hängt schon davon ab, dass die Dachdämmung nachträglich genehmigt wird, was voraussetzt, dass dafür ein Bauantrag gestellt wird, was bis heute nicht geschehen ist.

Soweit der Antragsteller weiterhin vorträgt, der Antragsgegner habe den baurechtswidrigen Zustand über ein Jahr lang geduldet und insoweit ein ermessensfehlerhaftes Einschreiten des Antragsgegners geltend macht (vgl. zur Relevanz einer langjährigen Duldung durch die Bauaufsicht im Rahmen der Ermessensausübung Nds. OVG, Beschl. vom 09.06.2020 - 1 ME 108/19 -, juris 4. Leitsatz und Rn. 17), kann er nicht durchdringen. Es fehlt bereits an einem längeren Zeitraum des Duldens. Aufgrund der Abmeldung des Gewerbes durch die vormalige Betreiberin des Veranstaltungszentrums, Frau L., am 27.10.2022 und der Aufgabe der Nutzung des Dachgeschosses im Gebäude D. 1 in E. bestand für den Antragsgegner bis zur Anmeldung des Gewerbes durch den Antragsteller keinerlei Anlass, eine Nutzung zu untersagen. Nachdem dem Antragsgegner im September 2023 durch erneute Anwohnerbeschwerden bekannt geworden war, dass nun der Antragsteller eine Nutzung des Veranstaltungsraums aufgenommen hatte, hat er zeitnah mit der bauaufsichtlichen Verfügung vom 06.11.2023 die Nutzung untersagt und mithin keine Situation entstehen lassen, aus der sich ein Vertrauenstatbestand hätte ergeben können.

Die Nutzungsuntersagung stellt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht als unverhältnismäßig dar. Sie ist geeignet, erforderlich und angemessen, um baurechtmäßige Zustände herzustellen und beeinträchtigt den Antragsteller nicht unangemessen.

Insbesondere hat der Antragsgegner die wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers an einem Weiterbetrieb des Veranstaltungszentrums ausreichend berücksichtigt. Soweit der Antragsgegner den Antragsteller darauf verweist, dass dieser das Veranstaltungszentrum nicht ohne die noch erforderlichen Genehmigungen betreiben könne, wägt er zugleich ab, dass sich der Betrieb durch die Beantragung der nötigen Baugenehmigungen möglicherweise legalisieren ließe. Dabei durfte der Antragsgegner auch davon ausgehen, dass nicht die Eigentümerin des Gebäudes, sondern der Antragsteller Bauherr in Bezug auf die Dachdämmung war. Der Antragsteller bezeichnet sich selbst als Bauherrn, wenn er vorträgt, die gesetzte Frist für die Einstellung der Nutzung sei zu kurz, da er, der Antragsteller, ausreichend Gelegenheit hätte erhalten müssen, um eine nachträgliche Genehmigung für die durchgeführte Dämmung zu erlangen.

Die gesetzte Frist von 11 Tagen für die Einstellung der Nutzung war schließlich auch nicht zu kurz bemessen. Die Frist war nicht danach zu bemessen, dass ihr Lauf ein Baugenehmigungsverfahren umfasst, da es dem Antragsteller jederzeit möglich sein wird, die Nutzung nach Erhalt der notwendigen Genehmigungen wieder aufzunehmen. Die Frist war für den Antragsteller ausreichend bemessen, um die Feiern, für die die Vorbereitungen bereits erfolgt waren, noch durchzuführen und die übrigen Buchungen zu stornieren.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist schließlich auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung gerechtfertigt, denn es besteht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.

Ist eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage bzw. ihre Nutzung formell illegal, besteht in aller Regel ein vorrangiges öffentliches Interesse an der Durchsetzung einer behördlichen Anordnung, die wie die Baueinstellung und das Nutzungsverbot das Ergebnis der Hauptsache nicht vorwegnimmt (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 16.06.2014 - 1 ME 70/14 -, juris Rn. 9; vgl. auch Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 79 Rn. 106). Regelmäßig lässt sich das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Nutzungsverbotes damit begründen, dass der negativen Vorbildfunktion ungenehmigter baulicher Anlagen und der damit einhergehenden Gefahr der Nachahmung schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens entgegengewirkt werden muss (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 23.08.2012 - 15 CS 12.130 -, juris Rn. 13; Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 79 Rn. 106). Auch für den Antragsteller besteht keine Ausnahme von dieser Regel. Im Besonderen besteht vorliegend ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Einstellung der Nutzung, solange es - im Rahmen eines weiteren Baugenehmigungsverfahrens - noch keine Feststellung dazu gibt, ob die Dämmung aus schwer entflammbaren Baustoffen hergestellt ist, die bei Hitzeentwicklung nicht brennend abtropfen, und ob die Unterkonstruktion aus nichtbrennbaren Baustoffen besteht. Allein der Hinweis des Antragstellers auf die Verkleidung der Dämmung mit Gipskartonplatten genügt nicht, um derzeit eine erhöhte Brandgefahr auszuschließen. Hinzu tritt, dass bisher nicht geklärt ist, ob die Dachkonstruktion mit der Dämmung und der aufgebrachten Photovoltaikanlage hinreichend tragfähig ist.

Soweit sich der Antragsteller weiterhin gegen die kraft Gesetzes (§ 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG) sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung wendet, ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO ebenfalls statthaft und zulässig, aber unbegründet. Da der Antragsgegner für die Nutzungsuntersagung rechtmäßig den Sofortvollzug angeordnet hat, ist ihre Durchsetzung mit Zwangsmitteln möglich. Gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgelds sind Bedenken nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Nrn. 10 Buchst. a) und 17 Buchst. b) der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts für ab dem 01.06.2021 eingegangenen Verfahren (BauR 2021, 1240). Dabei liegt der Festsetzung die Angabe des Antragstellers zugrunde, dass er für das Dachgeschoss des ehemaligen Küchenstudios eine monatliche Miete von 5.000,00 Euro zahle.