Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.2001, Az.: 4 L 3920/00

Erwerbseinkommen; Freibetrag; seelisch Behinderte; Übergangswohnheim

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.03.2001
Aktenzeichen
4 L 3920/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40339
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 14.11.2002 - AZ: BVerwG 5 C 27/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Neuregelung in § 85 Abs. 2 BSHG zur Höhe des Freibetrages vom Einkommen aus entgeltlicher Beschäftigung von Personen, die stationär betreut werden, schließt es nicht aus, seelisch Behinderten, die in einem Übergangswohnheim betreut werden, - wie bisher - einen zusätzlichen Freibetrag vom Erwerbseinkommen nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG zu gewähren, um dadurch ihre Fähigkeit zu fördern, selbständig zu wirtschaften.

2. Angemessen ist ein zusätzlicher Freibetrag in Höhe von 25 v. H. des Regelsatzes für den Haushaltsvorstand.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Freilassung von Erwerbseinkommen des Klägers über den von § 85 Abs. 2 BSHG vorgesehenen Betrag hinaus, um seine Fähigkeit, selbständig zu wirtschaften, zu fördern.

2

Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist seelisch behindert und wird im Rahmen der Eingliederungshilfe in einem Übergangswohnheim stationär betreut. Er arbeitet in einer Werkstatt der Einrichtung und erhält Arbeitseinkommen in unterschiedlicher Höhe, wobei ein Betrag von monatlich 750,-- DM nicht überschritten wird.

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Die Beklagte legte mit Bescheid vom 3. Februar 1999 fest, welche Beträge der Kläger in dem Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1998 aus seinem Einkommen für die stationäre Hilfe einzusetzen habe. Zur Berechnung des monatlichen Kostenbeitrages zog sie von dem jeweiligen Arbeitseinkommen (einschließlich des für Dezember 1998 gewährten Weihnachtsgeldes von 100,-- DM abzüglich eines Freibetrages von 8,13 DM) eine Werbungskostenpauschale von 10,-- DM, einen nach § 85 Abs. 2 BSHG berechneten Freibetrag und jeweils 5 % des Arbeitseinkommens als Erhöhungsbetrag gemäß § 21 Abs. 3 Satz 4 BSHG zum bereits gewährten Grundbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG ab. Die Beklagte ermittelte damit für die Monate Juli bis Dezember 1998 ein Kostenbeitrag von insgesamt 1.317,93 DM, den der Kläger zu leisten habe.

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Der Kläger erhob Widerspruch und brachte zur Begründung vor: Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats stehe Wohnheimbewohnern mit anderem Einkommen uneingeschränkt neben ihrem Freibetrag aus Arbeitseinkommen ein weiterer Freibetrag als "Selbständigkeitspauschale" zu. Auch ihm, der nur über Arbeitseinkommen verfüge, müsse zur Vorbereitung auf ein selbständiges Leben außerhalb des Wohnheims ein derartiger weiterer Freibetrag gewährt werden. Diese Ansicht werde bestätigt in einem Rechtsgutachten von Herrn Prof. Brühl. Danach sei es rechtsfehlerhaft, dass bei Personen, die nur über Arbeitseinkommen verfügten, keine Selbständigkeitspauschale vorgesehen sei. Gerade die Personen, die Arbeitseinkommen hätten, seien in ihrem Selbständigkeitsstreben zu fördern, da sie typischerweise die besten Voraussetzungen für ein selbständiges Leben mitbrächten.

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Das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 1999, zugestellt am 7. Juni 1999, zurück und führte zur Begründung aus: Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung in § 85 Abs. 2 BSHG vorgegeben, in welcher Höhe das Einkommen vollstationär untergebrachter Hilfeempfänger, die einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehen, freizulassen sei. Dabei sei bekannt gewesen, dass nach der Neuregelung in mehreren Bundesländern Hilfeempfänger finanziell schlechter gestellt würden als vorher. Dennoch sei den Behörden ein Ermessensspielraum, um gegebenenfalls weitere Freibeträge zu gewähren, nicht eröffnet worden. Das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben erhöhte in dem Widerspruchsbescheid gegenüber dem Bescheid der Beklagten den Kostenbeitrag auf insgesamt 1.326,76 DM, indem sie im Unterschied zur Beklagten für das Weihnachtsgeld einen Freibetrag in Höhe von 8,13 DM nicht gewährte und den jeweiligen Betrag der Eigenleistung nicht abrundete.

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Die vom Kläger am 6. Juli 1999 hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 6. Juni 2000 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Mit der Neuregelung in § 85 Abs. 2 BSHG sei abschließend geregelt, in welcher Höhe das Einkommen von Heimbewohnern anzurechnen sei. Der Kostenbeitrag sei im Widerspruchsbescheid zutreffend berechnet worden.

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Auf den Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 10. November 2000 wegen der grundsätzlich Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

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Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger geltend: Die Neuregelung von § 85 Abs. 2 BSHG schließe nicht aus, ihm einen weiterer Freibetrag zu gewähren. Dort werde allein auf die Arbeitsanreizfunktion abgestellt. Die Regelung erfasse damit aber nicht die Hilfeempfänger, die im Rahmen von Eingliederungshilfen in Übergangswohnheimen betreut würden und Arbeitseinkommen erzielten. Übergangswohnheime seien schon von ihrer Konzeption her nicht mit anderen Wohnheimen vergleichbar, die eine Vollversorgung gewährleisteten. Bei Übergangswohnheimen entspreche es dem Konzept der Einrichtung, den Lebensbedarf des Hilfeempfängers nicht vollständig sicherzustellen, sondern ihn im Hinblick auf eine spätere Selbständigkeit auch in wirtschaftliche Dispositionen verantwortlich einzubinden. Aus diesem Grund seien Bedürfnisse, die bei Übergangswohnheimen nicht im Pflegesatz enthalten seien, wie die an Bekleidung, Erholungsreisen, Hausrat, Bettwäsche etc. aus eigenen Mitteln der Hilfeempfänger und damit ohne Inanspruchnahme von Beihilfen zu decken. Dies erfordere neben dem Freibetrag zum Arbeitsanreiz die Freilassung von weiteren Teilen des Arbeitseinkommens nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG. Nur auf diese Weise sei auch eine Ungleichbehandlung mit Hilfeempfängern zu vermeiden, die lediglich anderes Einkommen, beispielsweise Rente, erzielten. Diesen werde nämlich ein Selbständigkeitsfreibetrag von bis zu 150,-- DM gewährt, wenn sie in Übergangswohnheimen lebten. Darüber hinaus sei ihm zu Unrecht ein zusätzlicher Freibetrag aus dem im Monat Dezember 1998 gezahlten Weihnachtsgeld nicht zugebilligt worden. Er habe infolge der besonderen Konzeption eines Übergangswohnheims auch anlässlich des Weihnachtsfestes einen erhöhten Bedarf, der mit der Weihnachtsbeihilfe nicht gedeckt werde. Er beanspruche deshalb auch nicht eine zusätzliche Leistung des Sozialhilfeträgers, sondern mache lediglich geltend, dass wegen seines erhöhten Bedarfs anlässlich des Weihnachtsfestes ein zusätzlicher Betrag aus seinem Einkommen frei bleibe.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 6. Juni 2000 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1999 sowie den Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 4. Juni 1999 aufzuheben, soweit ihm bei der Kostenbeitragsfestsetzung aus seinem Arbeitseinkommen für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1998 ein angemessener Freibetrag und für den Monat Dezember 1998 ein Freibetrag aus Weihnachtsgeld nicht belassen worden sind.

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Die Beklagte stellt im Berufungsverfahren einen Antrag nicht. Sie hat mit dem Antrag auf Ablehnung der Zulassung der Berufung entgegnet: Das Verwaltungsgericht habe in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass § 85 Abs. 2 BSHG eine abschließende Freibetragsregelung enthalte. Auch wenn es sich bei der Einrichtung, in dem sich der Kläger aufhalte, um ein Übergangswohnheim handele, sei sein Lebensbedarf einschließlich Bekleidung dort umfassend sichergestellt. Auch ein Weihnachtsfreibetrag könne dem Kläger nicht belassen werden. Es käme einer doppelten Bedarfsdeckung gleich, wenn dem Kläger neben der Weihnachtsbeihilfe in gleicher Höhe ein Weihnachtsfreibetrag gewährt werde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind in ihren wesentlichen Bestandteilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und begründet.

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Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kommt der Regelung von § 85 Abs. 2 BSHG abschließender Charakter nicht zu. Eine Freilassung weiterer Beträge über den dort genannten Betrag hinaus ist grundsätzlich möglich und im vorliegenden Fall auch geboten. Nach § 85 Abs. 2 BSHG wird bei der Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung von dem Einkommen, das der Hilfeempfänger aus einer entgeltlichen Beschäftigung erzielt, die Aufbringung der Mittel in Höhe von einem Achtel des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand zuzüglich 25 v.H. des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus der Beschäftigung nicht verlangt.

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Das Verwaltungsgericht meint, der abschließende Charakter von § 85 Abs. 2 BSHG ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber -- in Kenntnis der bis dahin zum Teil weitergehenden Praxis -- für den Fall entgeltlicher Erwerbseinkommen einen gesicherten Freibetrag habe bestimmen wollen, der die Gewährung weiterer Freibeträge ausschließe. Hierfür spreche insbesondere der Wortlaut der Vorschrift. Hätte er beabsichtigt, weitere Freibeträge zuzulassen, wäre eine Formulierung wie: "Im Falle einer entgeltlichen Beschäftigung ist in jedem Fall (jedenfalls oder mindestens) ein Betrag von ... frei zu lassen" gewählt worden.

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Diese Ansicht teilt der Senat nicht. Weder dem Wortlaut noch den Materialien und dem darin zum Ausdruck gebrachten gesetzessystematischen Zusammenhang zwischen den Neuregelungen von § 76 Abs. 2 a BSHG und § 85 Abs. 2 BSHG lassen sich Anhaltspunkte entnehmen, die einer ergänzenden Anwendung von § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG entgegenstehen.

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Der Wortlaut von § 85 Abs. 2 BSHG unterscheidet sich von dem in § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG in erster Linie dadurch, dass bei Einkommen aus entgeltlicher Beschäftigung zwingend ein -- gesetzlich bestimmter -- Anteil für die Aufbringung der Mittel nicht verlangt werden darf. Diese verbindliche Regelung entspricht der von § 76 Abs. 2 a BSHG, nach der u.a. bei Erwerbstätigen, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, von dem Einkommen Beträge in jeweils angemessener Höhe abzusetzen sind. Nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG "soll" demgegenüber in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel verlangt werden von Personen, die auf voraussichtlich längere Zeit der Pflege in einer Anstalt, einem Heim oder gleichartigen Einrichtungen bedürfen, so lange sie nicht einen anderen überwiegend unterhalten. Diese Sollregelung schließt es in Einzelfällen nicht aus, den Einsatz des Einkommens von Hilfeempfängern in voller Höhe zu verlangen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind. Erst § 85 Abs. 2 BSHG schreibt zwingend vor, von der Heranziehung bestimmter Teile des Einkommens abzusehen, das der Hilfeempfänger aus einer entgeltlichen Beschäftigung erzielt. Auch in der Begründung zur Neuregelung (BR-Drucks. 452/95, S. 29) führte die Bundesregierung nur aus, dass der neue Abs. 2 in § 85 BSHG als Folgeänderung zur Einführung von § 76 Abs. 2 a BSHG gedacht sei. Es wäre nicht gerecht, Erwerbstätige, die aufgrund ihrer Behinderung oder anderer Bedingungen vollstationär untergebracht sind, von dem Arbeitsanreiz auszunehmen. Danach verfolgte der Gesetzgeber mit der Einführung von § 85 Abs. 2 BSHG aber ausschließlich das Ziel, wegen des Arbeitsanreizes einen Freibetrag bindend vorzuschreiben. Dass dadurch weitere Freibeträge ausgeschlossen werden sollen, um in besonderen Konstellationen auch andere Zwecke als den Anreiz zur Arbeit zu erreichen, ist nicht ersichtlich. Die Neuregelung in § 85 Abs. 2 BSHG ist folglich nur als ergänzende Regelung zu § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG aufzufassen, die dem Hilfeempfänger einen Rechtsanspruch auf die Freilassung der dort genannten Beträge zuerkennt, es aber nicht ausschließt, daneben weitere Beträge im Rahmen von § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG anrechnungsfrei zu lassen (so auch Schellhorn in BSHG, Komm., 15. Aufl. 1998, § 85 Rdnr. 34)

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Der Senat sieht sich folglich durch den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte von § 85 Abs. 2 BSHG nicht gehindert, seine Rechtsprechung beizubehalten, wonach Hilfeempfängern in Übergangswohnheimen neben einem Freibetrag zum Arbeitsanreiz -- jetzt gesondert geregelt in § 85 Abs. 2 BSHG -- ein weiterer Freibetrag zum selbständigen Wirtschaften gem. § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG bleiben muss (vgl. Urteile vom 14.5.1986 -- 4 OVG A 116/82 --, FEVS 37, 27 und vom 13.11.1991 -- 4 L 1977/91 --, FEVS 42, 464). Hilfeempfängern in Übergangsheimen soll dieser Freibetrag zum selbständigen Wirtschaften auch weiterhin zur Verfügung stehen, damit das vornehmste Ziel der Hilfe erreicht werden kann, nämlich den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern (§ 39 Abs. 3 S. 1 BSHG). Hierbei ist die besondere Konzeption von Übergangswohnheimen zu berücksichtigen. Der Behinderte soll dort einen wirtschaftlichen Freiraum haben, damit er sich durch eigenständige Entscheidungen im engeren Lebensbereich Schritt für Schritt auf ein selbständiges Leben außerhalb der Einrichtung vorbereiten kann. Dieser besondere Zweck, zu lernen, selbständig zu wirtschaften, rechtfertigt es, dem Behinderten einen zusätzlichen Freibetrag zu belassen neben dem Betrag, der wegen des Arbeitsanreizes gemäß § 85 Abs. 2 BSHG zu gewähren ist. Es handelt sich dabei im Regelfall auch nicht um eine zusätzliche Leistung, sondern nur um die Verschiebung von Leistungen. Denn der Behinderte wird mit dem freigelassenen Betrag regelmäßig die einmaligen Bedürfnisse decken, die nicht von der Versorgung im Heim gedeckt werden. Dies gilt etwa für den Erwerb von Kleidung und anderen Bedarfsgegenständen und hat zur Folge, dass besondere Beihilfen für diese Zwecke möglichst überflüssig werden. Es handelt sich um das gleiche Bestreben, das der Regelung von § 21 Abs. 3 Satz 5 BSHG zu Grunde liegt. Danach kann Hilfeempfängern in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, die über regelmäßiges Einkommen verfügen, anstelle des im Einzelfall maßgebenden Barbetrags ein entsprechender Teil dieser Einkünfte unberücksichtigt gelassen werden. Auch diese Regelung ist von dem Gedanken getragen, dem Hilfeempfänger -- im Rahmen des jeweils gegebenen Leistungsvermögens -- möglichst die selbständige Verfügungsmacht über sein Einkommen zu belassen. In Übergangswohnheimen mit ihrem besonderen Zweck der gezielten Vorbereitung auf ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben kommt diesem Gedanken besondere Bedeutung zu. Hilfeempfängern, die -- wie der Kläger -- in Übergangswohnheimen leben und Einkommen beziehen, für das ihnen ein Freibetrag nach § 85 Abs. 2 BSHG zu gewähren ist, muss hierfür ein weiterer Freibetrag gem. § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG bleiben.

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Soweit demgegenüber der Runderlass des Niedersächsischen Sozialministeriums zum Einsatz des Einkommens nach den §§ 84 und 85 des Bundessozialhilfegesetzes bei Hilfen in besonderen Lebenslagen vom 7. April 1998 (Nds. MBl. 1998, 672) unterschiedslos, das heißt auch für Übergangswohnheime, vorsieht, dass zur Vorbereitung auf eine selbständige Lebensführung ein Freibetrag nur aus anderem Einkommen zu belassen und der Freibetrag bei Einkommen aus entgeltlicher Beschäftigung ausschließlich nach § 85 Abs. 2 BSHG zu bestimmen sei (Nr. 5.6 und 5.7 des Erlasses), ist er rechtsfehlerhaft (so auch, allerdings undifferenziert, Brühl, Eigenleistung aus dem unter der Einkommensgrenze der Hilfe in besonderen Lebenslagen liegenden Einkommen bei längeren stationären Maßnahmen, ZfF 1999, S. 105). Der Senat meint, dass es jedenfalls der dargelegte besondere Zweck der Betreuung in Übergangswohnheimen nicht rechtfertigt, einen Freibetrag für das selbständige Wirtschaften nur dann zu gewähren, wenn nur oder auch anderes Einkommen als Erwerbseinkommen erzielt wird. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass mit dem bindend zu gewährenden Freibetrag von § 85 Abs. 2 BSHG ein Anreiz zur Arbeit geschaffen werden sollte. Dieser Anreiz ist für jeden stationär betreuten Behinderten gleich relevant. Für Behinderte, die in Übergangswohnheimen leben, kommt aber mit ebenso gewichtiger Relevanz hinzu, dass ein Freibetrag gewährt werden muss, um das selbständige Wirtschaften zu erlernen. Wegen dieser deutlich zu unterscheidenden Zwecke ist es nicht sachgerecht, die Gewährung des Freibetrages in Übergangswohnheimen zusätzlich davon abhängig zu machen, ob der Behinderte neben dem Arbeitseinkommen auch noch sonstiges Einkommen erzielt oder nicht. Eine derartige Differenzierung kann der Senat dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Neuregelung von § 85 Abs. 2 BSHG und der unverändert gebliebenen Regelung in § 85 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 BSHG nicht entnehmen.

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Hinsichtlich der Höhe des Betrages, der für den Kläger gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 3 BSHG neben dem Freibetrag von § 85 Abs. 2 BSHG freizulassen ist, um das selbständige Wirtschaften zu erlernen, orientiert sich der Senat daran, dass mit diesem Betrag im Wesentlichen die einmaligen Bedürfnisse gedeckt werden sollen, für die sonst besondere Beihilfen zu gewähren sind. Er erachtet insofern eine Pauschale von 25 % des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand als angemessen. Mit diesem Betrag können die maßgeblich anfallenden Bedürfnisse nach Bekleidung und Bedarfsgegenständen wie Bettwäsche und Geschirr gedeckt werden. Er umfasst aber auch andere einmalige Bedürfnisse, so etwa die -- was der Kläger besonders betont -- zum Weihnachtsfest. Eine gesonderte Berücksichtigung dieser Bedürfnisse durch einen weiteren speziellen Weihnachtsfreibetrag kommt demnach nicht in Betracht, er ist in der dem Kläger zu belassenden monatlichen Pauschale in Höhe von 25 % des Regelsatzes enthalten. Für den hier erfassten Zeitraum von sechs Monaten ist der Kostenbeitrag folglich um (6 x 137,50 DM =) 825,-- DM auf 501,76 DM zu reduzieren; die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben, soweit vom Kläger ein höherer Betrag gefordert wird. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beklagte nicht gehindert ist, Beihilfen, die sie dem Kläger in diesem Zeitraum für die genannten Zwecke eventuell gewährt hat (aus den vorliegenden Akten ist dafür nichts ersichtlich), in der Neuberechnung zu berücksichtigen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

22

Der Senat lässt die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.