Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.03.2001, Az.: 1 L 762/00

Abschiebung; Abschiebungshindernis; Abschiebungsschutz; Angola; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Bürgerkrieg; extreme Gefahrenlage; Hindernis; medizinische Versorgungslage; politische Verfolgung; Schutz; Verfolgung; Versorgung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.03.2001
Aktenzeichen
1 L 762/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40326
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.09.1999 - AZ: 3 A 1730/97

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine erwachsene, weibliche Angolanerin hat derzeit nicht zu befürchten, bei Rückführung nach Angola wegen des dort herrschenden Bürgerkrieges und/oder der dort gegebenen Versorgung - insbesondere mit Lebensmitteln und medizinischen Gütern - gleichsam sehendes Auges dem sicheren Tod oder schweren Verletzungen ausgesetzt zu werden. Dies gilt auch dann, wenn sie gemeinsam mit ihrem 1997 geborenen Sohn in ihr Heimatland zurückkehrt.

Tatbestand:

1

Die ... 1969 geborene Klägerin ist nach eigenen Angaben angolanische Staatsangehörige. Sie reiste am 11. April 1997 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Die Klägerin ist Mutter eines Kindes, das in N. (Kongo) lebt, und von zwei im Bundesgebiet geborenen Kindern, dem am 18. September 1997 geborenen K. E. und der am 14. Dezember 1999 geborenen K. G.. Der 1997 geborene Sohn der Klägerin betreibt ein eigenes asylgerichtliches Verfahren vor dem Senat unter dem Aktenzeichen 1 L 761/00.

2

Die Klägerin heiratete im Wege einer sogenannten Stellvertreter-Eheschließung am 20. November 1996 in K., Demokratische Republik Kongo, den angolanischen Staatsangehörigen D. S. K., der sich seit 1988 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält und zwischenzeitlich erfolgreich um eine Aufenthaltsbefugnis nach der sogenannten Altfallregelung des Landes Niedersachsen bemüht hat.

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Bei ihrer Anhörung im Rahmen der Vorprüfung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 29. April 1997 machte die Klägerin zu ihren Asylgründen Folgendes geltend: Sie sei im ehemaligen Z. geboren worden. Ihre Eltern hätten ihr Heimatland wegen des Krieges Anfang der 60er Jahre verlassen. Im Jahr 1982 sei sie mit ihren Eltern und Geschwistern nach A. zurückgekehrt. Die traditionelle Eheschließung mit ihrem Ehemann habe 1982 in M. d. Z. im A. stattgefunden. 1986 seien sie angegriffen worden. Ihr Ehemann sei verhaftet, sein jüngerer Bruder getötet worden. Sie sei mit ihrem Kind nach Zaire geflohen. Erst 1992 habe sie erfahren, wo sich ihr Ehemann aufhalte. In jenem Jahr sei sie nach dem Friedensabkommen mit ihrer Familie nach Angola zurückgekehrt. Sie sei seit Geburt Mitglied der FNLA, die zur UNITA gehöre. Vor der Wahl in Angola habe sie ein wenig Propaganda für die FNLA gemacht, Flugblätter und Trikots verteilt. Im Januar 1993 sei sie wegen der Kämpfe in das Nachbarland Zaire geflüchtet. Ihr Vater habe ihr Geld gegeben, damit sie als Händlerin bis zur Ausreise habe arbeiten können. Während des Aufenthaltes der Familie in Angola sei das Grundstück mit dem Anwesen an die oppositionelle Partei PALU vermietet worden. Auch nach der Rückkehr habe sich die Familie die Räumlichkeiten mit dieser Partei geteilt. Am 31. Dezember 1996 sei die DSP in das Haus der Eltern gekommen und habe ihren Vater unter dem Vorwurf, die Rebellen Kabilas zu unterstützen, verhaftet. Sie selbst sei vor den Augen ihrer Eltern vergewaltigt worden. Ihr Vater sei während der Haftzeit schlimm verletzt worden, jedoch nach einer Woche wieder entlassen worden. Nach seiner Rückkehr habe der Vater das Grundstück verkauft und den Erlös anteilig an sie und ihre Schwester weitergegeben. Sie habe ihre Aktivitäten als Händlerin auf dem Markt fortgesetzt. Am 15. März 1997 sei sie auf dem Markt von Leuten der DSP befragt worden, wo ihr Vater sei. Sie sei für zwei Tage mitgenommen und nach Zahlung von Geld wieder freigelassen worden. Am 25. März 1997 seien sie nochmals gekommen und hätten sie für einen Tag mitgenommen. Ihre Waren seien beschlagnahmt worden. Als die Leute Ende des Monats erneut vergeblich versucht hätten, sie zu Hause zu erwischen, habe sie sich entschlossen, das Land zu verlassen.

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Den Asylantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 10. Oktober 1997 ab. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen. Die Klägerin wurde unter Abschiebungsandrohung aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen.

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Hiergegen hat die Klägerin am 28. Oktober 1997 Klage erhoben und ihr Asylvorbringen vertieft. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat sie die auf Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gerichteten Verpflichtungsanträge zurückgenommen.

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Das Verwaltungsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 1999 am 12. Januar 2000 ein Urteil zugestellt, mit dem die Beklagte unter Aufhebung der Ziff. 3 des Bescheides des Bundesamtes vom 10. Oktober 1997 verpflichtet wird festzustellen, dass der Abschiebung der Klägerin nach Angola Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG entgegenstehen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Dramatik und Unkalkulierbarkeit der drei Gefährdungsfaktoren Ernährungslage, Gesundheitsvorsorge und Sicherheitslage führten dazu, dass Rückkehrer nach Angola "sehenden Auges Leib und Leben" riskierten.

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Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat am 18. Januar 2000 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt (1 L 259/00), dem der Senat mit Beschluss vom 1. März 2000 stattgegeben hat.

8

Zur Begründung der Berufung trägt der Beteiligte vor: Eine landesweite Gefahrenlage extremer Art in Angola sei zu verneinen. Hinsichtlich der Sicherheitslage sei festzustellen, dass sich die Kampfhandlungen des Jahres 1999 vornehmlich auf das Zentrale Hochland und den Norden des Landes beschränkt hätten. An der Küste und im Süden übe die Regierung weiter die Kontrolle aus. Die Existenzbedingungen seien in weiten Teilen Angolas in Frage gestellt, dies gelte aber nicht für die Hauptstadt Luanda, über deren Flughafen derzeit eine Abschiebung allein in Betracht komme. Gesundheitssystem und hygienische Bedingungen in Angola könnten kaum anders als desolat genannt werden. Die Sterblichkeit und Unterernährung sei bei Kindern besonders hoch, mit Unterschieden hinsichtlich des jeweiligen Alters des Kindes und bezüglich der einzelnen Regionen, je nach Betroffenheit durch den Bürgerkrieg. Da die Klägerin nicht zu der Gruppe der gesteigert Gefährdeten gehöre und in die nicht von einer Hungersnot bedrohte Hauptstadt Luanda zurückkehren könne, bestehe für sie nicht eine extreme Gefährdungslage.

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Der Beteiligte beantragt,

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die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade -- 3. Kammer -- vom 29. September 1999 abzuweisen.

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Die Beklagte stellt keinen Antrag.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie tritt dem Vorbringen des Beteiligten entgegen.

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Wegen der Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Wegen des Ergebnisses der Befragung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Den Beteiligten ist die Erkenntnismittelliste für Angola übersandt worden. Sie hatten Gelegenheit zu den angeführten Erkenntnisquellen Stellung zu nehmen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beteiligten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.

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Soweit die Klägerin mit der Berufungserwiderung geltend macht, die Beklagte sei auch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 4 AuslG zu verpflichten, ist dieser Antrag nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. § 53 Abs. 4 und Abs. 6 AuslG stehen in einem Stufenverhältnis (BVerwG, Urt. v. 25.4.1997 -- 9 C 19.96 --, NVwZ 1997, 1132 [BVerwG 15.04.1997 - BVerwG 9 C 19/96]; VGH BW, Urt. v. 23.3.2000 -- A 12 S 2573/98 --, VGH BW-Ls 2000, Beilage 9, B 3 bis 4). Die Klage der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG und damit vorrangig auf Verpflichtung zur Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG, "hilfsweise" nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, ist hinsichtlich der Hindernisse nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG rechtskräftig durch Urteil des Verwaltungsgerichts abgewiesen worden. Die nicht ausdrücklich klageabweisende Entscheidung des Verwaltungsgerichts weist nach ihrem Inhalt die auf § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG bezogenen Anträge ab und gibt lediglich hinsichtlich des Antrages bezogen auf § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG der Klage statt. Rechtsmittel hat die Klägerin nicht eingelegt. Die Berufung des Beteiligten bezieht sich lediglich auf den stattgebenden Teil des Urteils und damit auf den "äußersten Hilfsantrag" nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Die hierauf bezogene Berufung ist begründet.

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Nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben oder Freiheit besteht. Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 17.10.1995 -- 9 C 9.95 --, BVerwGE 99, 324 = DVBl. 1996, 203 = EZAR 046 Nr. 6; v. 19.11.1996 -- 1 C 6.95 --, BVerwGE 102, 249 = DVBl. 1997, 902 = EZAR 033 Nr. 10) in Ermangelung einer Anordnung nach § 54 AuslG nur möglich, wenn der Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dieser von Verfassungs wegen gebotene Schutz ist bei Bürgerkriegsgefahren dann zu gewähren, wenn dieser Krieg gewissermaßen für jeden Betroffenen mit so erheblichen Gefährdungen verbunden ist, dass dem einzelnen Ausländer eine Abschiebung in dieses Land nicht zugemutet werden kann. Dazu muss eine extreme Gefahrenlage bestehen, die praktisch für jeden, der in diesen Staat abgeschoben werden soll, Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit in erhöhtem Maße mit sich bringen. Eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage ist etwa dann anzunehmen, wenn infolge der Bürgerkriegswirren Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität drohen, dass sich bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist gegenüber dem im Asylrecht entwickelten Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im vorliegenden Zusammenhang von einem erhöhten Maßstab auszugehen. Nur dann rechtfertigt sich die Annahme eines aus den Grundrechten folgenden zwingenden Abschiebungshindernisses über die gesetzliche Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG hinaus. Zumutbar ist die Abschiebung daher dann, wenn die extreme allgemeine Gefahrenlage nicht landesweit besteht und der Ausländer bei seiner Abschiebung die vergleichsweise sicheren Landesteile erreichen und sich dort aufhalten kann. Hieran gemessen muss die Berufung Erfolg haben. Die dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel bieten keine ausreichende Grundlage für die Annahme, für die Klägerin werde im Falle ihrer Abschiebung nach Angola eine solche extreme Gefahrenlage bestehen.

19

Bei der Einschätzung, welche zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse bestehen (nur für diese ist die Beklagte zuständig; inlandsbezogene Hindernisse hat allein die Ausländerbehörde zu beurteilen), hat die Beklagte und damit auch der Senat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 21.9.1999 -- 9 C 12.99 --, BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93 = EZAR 043 Nr. 41) eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendigerweise hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Diese rechtfertigt nicht die Annahme, die Klägerin werde zusammen mit ihrer Familie, d.h. mit ihrem Ehemann und den beiden hier geborenen Kindern nach Angola zurückkehren (müssen). Der Ehemann der Klägerin genießt zwar nicht einen verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus nach §§ 3 und 4 Satz 1 AsylVfG. Deshalb ist der vorliegende Fall nicht mit der familiären Situation zu vergleichen, die der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 1999 (-- 9 C 12.99 --, a. a. O.) zugrunde lag. Der Ehemann der Klägerin verfügt aber mittlerweile über eine zweijährige Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung des Landes Niedersachsen (Erlass vom 10.12.1999 -- Voris-Nr. 26200 00 00 0043). Die damit verbundene vorläufige Sicherung des Aufenthaltsstatus lässt es als wirklichkeitsfremd erscheinen, der Ehemann der Klägerin werde auf diesen Status verzichten und mit seiner Ehefrau in das Heimatland Angola zurückkehren. Die im Jahre 1999 geborene Tochter der Klägerin betreibt gegenwärtig noch ein eigenes asylgerichtliches Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, so dass ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig gestattet ist. Die Tochter wird deshalb voraussichtlich bei ihrem Vater im Bundesgebiet verbleiben. Lediglich der 1997 geborene Sohn der Klägerin, dessen Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG mit Urteil des Senats vom heutigen Tag (1 L 761/00) ebenfalls abgewiesen wurde, wird, gemeinsam mit seiner Mutter, der Klägerin, zurückkehren müssen. Bei Zugrundelegung dieser Rückkehrsituation ergibt die Prüfung, dass der Klägerin keinen Abschiebungsschutz gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG aufgrund der allgemein in Angola herrschenden Verhältnisse beanspruchen kann.

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Mit dem OVG Münster (Urt. v. 28.6.2000 -- 1 A 1462/96.A und 1 A 5488/97.A --; Urt. v. 16.8.2000 -- 1 A 2793/98.A und 1 A 2835/98.A -- sowie Urt. v. 21.9.2000 -- 1 A 5615/96.A --); dem BayVGH, (Beschl. v. 2.9.1999 -- 25 B 99.30815 -- sowie Urt. v. 30.3.1999 -- 25 B 96.35630 --) und dem OVG Magdeburg, (Urt. v. 20.5.1998 -- 2 L 28/94 --) teilt der Senat die Einschätzung, die vorhandenen Erkenntnismittel böten keine ausreichende Grundlage für die Annahme, für die Klägerin werde im Falle ihrer Abschiebung nach Angola eine so extreme Gefahrenlage bestehen, dass sie gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod überantwortet würde.

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Richtig ist zwar, dass seit 1998 der Bürgerkrieg mit voller Wucht wieder ausgebrochen ist und das Abkommen von Lusaka aus dem Jahre 1994 offenbar keine Aussicht auf Umsetzung hat. Dieser Bürgerkrieg bringt zum einen in unmittelbarer Hinsicht Gefährdungen der Gestalt mit sich, durch Kampfhandlungen oder die zahllosen in seinem Verlauf vergrabenen Minen körperlich geschädigt zu werden. Zum anderen hat er -- u.a. wegen der Verminung landwirtschaftlich bedeutsamer Flächen und von Wegen -- zu erheblicher Nahrungsmittelknappheit geführt. Ernten werden selbst dann nicht eingebracht, wenn gesät worden war und sie reif geworden waren. Zudem stellen die Minen Hindernisse dar, Lebensmittel über Land zu transportieren. Aus den nachstehenden Gründen hat dies indes noch nicht zu Verhältnissen geführt, welche es jedenfalls dem Personenkreis, dem die Klägerin angehört, als unzumutbar erscheinen lassen könnte, in sein Heimatland zurückzukehren. Das ergibt sich aus den nachstehenden Ausführungen:

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Die Zahl der Binnen-Flüchtlinge in Angola hat sich auf etwa 3,8 (AA, Lagebericht v. 15.11.2000) bzw. etwa 4 Mio. (UNHCR v. 4.7.2000, Asylmagazin 2000, 24) erhöht bei einer Gesamtbevölkerung von 12,6 Mio. Personen. Ursache dafür sind die sich ausweitenden Bürgerkriegshandlungen. Die UNITA hatte den Waffenstillstand dazu genutzt, ihre Waffenarsenale aufzufüllen. Dementsprechend erzielte sie zu Beginn des offen ausgebrochenen "zweiten" Bürgerkrieges erhebliche Erfolge, musste dann aber auch erhebliche Rückschläge hinnehmen. Diese Kampfhandlungen haben eine erhebliche Binnenmigration zur Folge, welche sich vor allem konzentriert auf den Küstenstreifen, auf die Hauptstadt Luanda sowie einige Städte im Hochland wie insbesondere die Provinzstädte Kuito, Bengoela, Malanje, Sumbe, Uige, Huanbo, Luena und Cuito, Cuanavale (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe v. Juli 1999 sowie AA, Lagebericht v. 15.11.2000). Diese Bürgerkriegshandlungen haben die Versorgungslage namentlich in den von der UNITA kontrollierten Gebieten erheblich angespannt; die UNITA führt die soziale Verelendung der Bevölkerung zur Zeit bewusst herbei, um damit die Regierung unter Druck zu setzen. Das hat indes keine für die Klägerin "positiven" Auswirkungen. Denn nach der Auskunftslage (vgl. ai v. 25.3.1994 an den BayVGH; AA, Lagebericht v. 8.12.1999) besteht praktisch keine Möglichkeit, von UNITA kontrollierten Gebieten in die von der Regierung kontrollierten Bereiche und umgekehrt zu gelangen. Da die Klägerin nach Luanda, d.h. in das Gebiet der MPLA abgeschoben werden würde, sind bei der Betrachtung all die Schwierigkeiten nicht in den Blick zu nehmen, welche sich für die Gebiete ergeben, welche die UNITA kontrolliert.

23

Die oben bereits beschriebenen Schwierigkeiten in der Herstellung und Verteilung von Lebensmitteln hat dazu geführt, dass Angola nicht annähernd fähig und imstande ist, die für die Versorgung seiner Bevölkerung erforderlichen Lebensmittelmengen auf eigenen Flächen zu produzieren. Die Lebensmittelversorgung geschieht im Wesentlichen durch Importe internationaler Hilfsorganisationen. Beispielsweise in Luanda arbeiten bis zu 150 Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen an der Lebensmittelversorgung (vgl. Außenministerium der Niederlande v. 6.12.1999). Von den UN-Agenturen sind es u.a. die folgenden: UNDP, UNHCR, OCHA, WFP (Welternährungsprogramm), UNICEF, WHO (Weltgesundheitsorganisation), UNESCO, UNPFA, FAO, UNOA. Ferner sind dort 150 internationale und örtliche Nichtregierungsorganisationen tätig, zu denen u.a. die Deutsche Welthungerhilfe unter dem Vorsitz von Frau Schäuble gehört (vgl. FAZ v. 8.12.1999). Die Zahl der dort tätigen Organisationen darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Versorgungslage keineswegs gesichert, sondern "prekär" ist. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (vgl. z.B. Lageberichte v. 15.11.2000 und 8.12.1999 sowie ergänzenden Bericht v. 8.11.1999 und Lagebericht v. 22.12.1998) hat die Bürgerkriegssituation eine allgemeine Nahrungsmittelknappheit hervorgerufen. In den vom Bürgerkrieg nicht betroffenen Landesteilen (nur dorthin würde die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen gelangen können) ist nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes noch eine Grundversorgung der Bevölkerung auf niedrigem Niveau gewährleistet. Die Situation hat sich u.a. dadurch zum Nachteil der Hungernden verstärkt, dass die angolanischen Flüchtlingsbewegungen (s.o.) zur Überfüllung des Küstenstreifens, insbesondere der Hauptstadt Luanda geführt haben. Dementsprechend ist die Versorgungslage bedenklich und mit einem substantiellen Nahrungsmittelmangel zu rechnen (vgl. auch UNHCR vom 28. August 1996 -- Anlage --; Schweizerische Flüchtlingshilfe v. 11.11.1997). Die internationalen Hilfswerke haben zunehmende Mühe, bei der internationalen Gemeinschaft die notwendigen finanziellen Mittel zu erhalten (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom Juli 1999; siehe auch FAZ v. 8.12.1999). Es kommt hinzu, dass angolanische Behörden zum Teil erhebliche Schwierigkeiten bereiten, importierte Güter an Bedürftige verteilen zu lassen. So musste zum Teil mehrere Wochen auf eine Fluggenehmigung gewartet werden. Es ist nicht mehr möglich, die breite Masse der Bevölkerung vollständig zu versorgen. Die Hilfsorganisationen sind vielmehr gehalten, die knappen Ressourcen selektiv zu verteilen dergestalt, dass diese nur an besonders Bedürftige, Schwache, Alte und Kranke verteilt werden. Zuweilen hängt das Überleben offenbar sehr von der Durchsetzungskraft des Einzelnen sowie der Improvisationskraft der handelnden Personen ab (vgl. Institut für Afrikakunde v. 15.10.1998 an das VG München). Die Überlebenschancen steigen in dem Umfang, in dem jemand in einen Familienclan eingebunden ist. Insgesamt ergibt sich für die breite Masse der Bevölkerung ein erhebliches Defizit, das Kalorienerfordernis zu decken. Das gelingt nur zu etwa 82 % (Institut für Afrikakunde, a.a.O.). Die schwere Krise bei den Nahrungsmittelversorgungen hat gesundheitliche Anfälligkeit und damit u.a. die Ausbreitung von Malaria und sonstigen Infektionskrankheiten zur Folge (vgl. Institut für Afrikakunde v. 15.10.1998; Außenministerium der Niederlande vom 6.12.1999). Diese können deshalb eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung darstellen, weil die medizinische Versorgung nach allen Auskünften kaum noch richtig funktioniert (vgl. UNHCR Positionspapier v. September 1999; ai v. 30.7.1997 an das OVG Magdeburg; Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 15.11.2000: Medizinische Versorgung ist sehr angespannt). Häufig fehlen Medikamente, Instrumente und Energie. Das ergibt sich zum Teil daraus, dass das Personal diese Gegenstände aus eigener Not verkauft und damit die Möglichkeit der medizinischen Versorgung zusätzlich anspannt. Da nicht alle Personen gleichmäßig gut versorgt werden können, führt dies zu "einer Art darwinschem Ausleseprozess" (Institut für Afrikakunde v. 26.2.1996 an das VG Schleswig). Für eine wirksame flächendeckende Hilfe durch Hilfsorganisationen und -einrichtungen sind die Betroffenen, d.h. die Zahl der Flüchtlinge zu groß und zu zahlreich. Kriminalität und Improvisationsvermögen bestimmen den täglichen Kampf ums Überleben. Die Starken überleben, Schwache, wie namentlich Frauen, Schwangere und Kinder sowie Säuglinge kommen häufig unter die Räder (Institut für Afrikakunde, a.a.O.).

24

Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass die Lage, was die Lebensmittelversorgung sowie die medizinische Versorgung anbetrifft, in Angola als "prekär" angesehen werden muss. Damit ist indes noch nicht gesagt, dass die hohen Anforderungen, welche allein eine der Klägerin günstige Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG rechtfertigen, bereits damit erfüllt wären. Vielmehr hat die vorstehende Auflistung der Gefahren in Angola gezeigt, dass es -- wie das Auswärtige Amt in seinen letzten Lageberichten vom 15. November 2000 und 8. Dezember 1999 immer wieder ausgeführt hat -- nicht allgemein gesagt werden kann, ob jemand in Angola sicheren Auges dem Tode überantwortet wird oder Überlebenschancen hat, sondern dass hierzu eine besonders sorgfältige Prüfung des Einzelfalles angezeigt ist (vgl. auch Einzelauskunft v. 5.7.1999 an das VG Aachen; v. 16.11.1998 an das VG Sigmaringen). Diese einzelfallbezogene Betrachtung ergibt, dass im Fall der Klägerin noch nicht mit der allein ausreichenden hohen Wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, sie werde im Falle der Abschiebung sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein. Die Klägerin ist zur Zeit 31 Jahre alt. Gesundheitliche Einschränkungen, welche im Falle ihrer Rückkehr die Überlebenschancen in einer ins Gewicht fallenden Weise verminderten, hat sie nicht geltend gemacht. Die Klägerin war bereits nach ihrer Flucht aus Angola im Jahre 1986 auf sich allein gestellt, weil ihr Ehemann verhaftet worden war. In Zaire hat die Klägerin seit 1993 als Händlerin auf dem Markt gearbeitet. Die dort erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten können der Klägerin bei der Verschaffung der zur Grundversorgung notwendigen Nahrungsmittel von Nutzen sein.

25

Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin in Luanda als der zur Zeit einzig möglichen Anlaufstation voraussichtlich die familiären Bindungen fehlen werden, die generell eine Existenzsicherung dort erleichtern könnten. Die Familie der Klägerin hat zuletzt in dem Nachbarland Demokratische Republik Kongo gelebt. Die Wiedereingliederung der Klägerin in die Lebensverhältnisse in Angola wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sie nur wenige Jahre ihres Lebens in Angola, dort Marquela do Zombo verbracht hat, nämlich die Jahre 1982 bis 1986 und später einen Zeitraum in den Jahren 1992/1993. Das schließt indes nicht aus anzunehmen, sie werde in dem vom Institut für Afrikakunde (26.2.1996 an das VG Schleswig) beschriebenen "darwinschen Ausleseprozess" bestehen können. Dabei darf zwar nicht verkannt werden, dass das UNHCR in seinen Stellungnahmen (u.a. Positionspapier vom September 1999) stets dringend davon abrät, angolanische Staatsangehörige nach Angola abzuschieben. Der Maßstab, den der UNHCR anlegt, ist indes ein anderer als derjenige, welcher allein für § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausreichen kann. Denn der UNHCR lässt sich von der Erwägung leiten, Abschiebungen sollten erst dann vorgenommen werden dürfen, wenn die Rückkehr als sicher anzusehen sei. Das ist ein anderer rechtlicher Maßstab als er für § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach den oben stehenden, vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätzen gilt. Insgesamt sind damit keine ausreichenden Gesichtspunkte für die Annahme ersichtlich, der Klägerin werde es zumindest aus einer Kombination aus eigenen gelegentlichen Dienstleistungen (vgl. Auskunft d. AA v. 26.6.1998 an das VG Schleswig) und der Inanspruchnahme von Hilfen karitativer Vereinigungen nicht möglich sein, in Angola zu überleben. Rückkehrende Asylbewerber mögen zwar Schwierigkeiten haben, dort (wieder) Fuß zu fassen (vgl. Institut für Afrikakunde v. 31.8.1995 an das VG Neustadt/Weinstraße; Auskunft v. 15.10.1998 an das VG München). Dies sowie die bislang fehlenden Kenntnisse der portugiesischen Sprache sind indes noch nicht als so unüberwindbare Hürden anzusehen, dass die Klägerin im täglichen Kampf ums Überleben in Angola/Luanda mit so hoher Wahrscheinlichkeit scheitern müsste, dass sie sehenden Auges gleichsam dem sicheren Tode überantwortet würde, müsste sie mit diesen "Handicaps" dort zu leben versuchen. An dem vorgenannten Maßstab ist auch die Aussage des Auswärtigen Amtes in seinem Lagebericht vom 15. November 2000 zu messen, die Überlebensmöglichkeiten für alleinstehende Frauen und Kinder ohne familiären Rückhalt seien bedenklich. Nach dieser Einschätzung lässt sich eine Feststellung des Inhalts, die Klägerin sei bei einer Rückkehr nach Angola unmittelbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefährdung an Leib und Leben ausgesetzt, nicht treffen. Das gleiche gilt bei einer Rückkehr der Klägerin mit ihrem 1997 geborenen Sohn. Selbst wenn es ihr in der geschilderten Rückkehrsituation nicht gelingen sollte, eine Arbeitsstelle zu finden, um sich und ihren Sohn zu ernähren, stünde ihr noch die Möglichkeit offen, auf die Unterstützung der in Luanda noch tätigen internationalen Hilfsorganisationen zurückzugreifen, die nach dem Vorgesagten gezielt Bedürftige unterstützen.

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Für die Annahme einer extremen Gefährdung der Klägerin sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte ersichtlich. Das gilt auch angesichts der erheblichen Kriminalität, welche namentlich in Luanda zu verzeichnen ist. In dieser hoffnungslos überfüllten Stadt nimmt die allgemeine Kriminalität zwar zuweilen beängstigende Ausmaße an. Raubüberfälle und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung (AA v. 26.6.1998 an das VG Schleswig, Schweizerische Flüchtlingshilfe v. 11.11.1997 zur Situation in Angola Ende August 1997). Gleichwohl lässt sich nicht sagen, nachgerade jeder müsse mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in Luanda Opfer eines solchen Raubüberfalles mit Folgen zu werden, welche dem Tod oder schwersten Verletzungen gleich zu achten sind.

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Es ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch nicht möglich, aus einer "Gesamtschau mehrerer für sich nicht ausreichender Gründe" doch zur Annahme zu gelangen, § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG greife zum Vorteil der Klägerin ein. Denn hier ist -- wie oben unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 1996 (-- 1 C 6.95 --, BVerwGE 102, 249) ausgeführt -- ein gesteigerter Maßstab anzulegen. Diesen anforderungen wird man nicht gerecht, wenn man je für sich nicht ausreichende Gesichtspunkte schlicht addiert und meint, aus verschiedenen nicht tragfähigen Gesichtspunkten könne dann doch abgeleitet werden, der Ausländer werde im Heimatland sehenden Auges dem sicheren Tod ausgeliefert sein (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 27.6.1989 -- 9 C 1.89 --).

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Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG schon in seiner unmittelbaren Anwendung ist der Klägerin schließlich nicht im Hinblick auf die von ihr vorgetragenen Asylgründe zu gewähren. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes, denen er sich anschließt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

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Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.