Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.08.2003, Az.: 1 PA 62/03

Prozesskostenhilfe; selbst verschuldete Vermögenslosigkeit; Vermögen; Vermögenslosigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.08.2003
Aktenzeichen
1 PA 62/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48166
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 13.02.2003 - AZ: 4 A 700/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Prozesskostenhilfe ist zu versagen, wenn eine Partei nach Stellung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe einzusetzendes Sparvermögen für Zwecke ausgibt, für die kein unabweisbares Bedürfnis bestand (hier für 2 Urlaubsreisen und die Ausrichtung einer Feier für 100 Personen anlässlich des zehnten Hochzeitstages des Antragstellers).

Gründe

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Nachbarklage gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten, mit der dem Beigeladenen u.a. der Neubau von zwei Putenställen gestattet wird.

2

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Februar 2003 mit der Begründung abgelehnt, dem Kläger sei selbst unter Berücksichtigung des anrechenbaren Schonvermögens nach § 88 BSHG in Höhe von 3.427,-- € zumutbar, für die Rechtsverfolgung, für die Kosten von etwa 1.994,04 € (= 3.900,-- DM) entstünden, vorhandenes Sparguthaben von rd. 14.000,-- DM und eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufwert von 7.106,-- DM einzusetzen.

3

Mit der Beschwerde trägt der Kläger vor: Die Kündigung der Lebensversicherung nach 10 Jahren Laufzeit sei nicht zumutbar. Die Lebensversicherung diene der Altersvorsorge. Das Sparguthaben von 4.536,29 € (= 8.872,21 DM) auf dem Sparkonto seiner Ehefrau sei zwischenzeitlich auf 1.496,16 € geschrumpft, so dass nicht ausreichendes Vermögen zur Deckung der Kosten der Rechtsverfolgung zur Verfügung stehe.

4

Die Beschwerde ist unbegründet.

5

Der Kläger ist in der Lage, die Verfahrenskosten für das beim Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren aus seinem Vermögen selbst zu bestreiten. Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 166 VwGO iVm § 114 ZPO auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An dieser Voraussetzung fehlt es, weil der Kläger über die zur Prozessführung erforderlichen Mittel verfügt.

6

Bei einem vom Verwaltungsgericht angenommenen Streitwert von 10.000,-- € ergibt sich für das Klageverfahren nach den Berechnungen des erstinstanzlichen Gerichts ein voraussichtliches Prozesskostenrisiko von 1.994,04 € (= 3.900,-- DM). Nach § 115 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO hat ein Beteiligter sein Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Die Frage der Zumutbarkeit ist grundsätzlich in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 88 BSHG zu beurteilen, wie sich aus § 115 Abs. 2 2. Halbsatz ZPO ergibt. Dahinstehen kann, ob es dem Kläger abzuverlangen ist, seine Lebensversicherung zu kündigen, um den Rückkaufswert zu realisieren. Der Kläger hat in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 24. April 2001 angegeben, er und seine Ehefrau verfügten über Sparguthaben in Höhe von insgesamt 7.227,62 € (= 14.136,-- DM), das sich aus einem Betrag von 5.264,-- DM auf einem Sparkonto des Klägers und einem Betrag von 8.872,-- DM auf einem Sparkonto der Ehefrau des Klägers zusammensetze. Selbst bei Abzug des Schonvermögens, das das Verwaltungsgericht für den Kläger und seine zu berücksichtigenden Familienangehörigen mit 3.427,-- € ermittelt hat, verbleibt danach ausreichendes Vermögen, um die Verfahrenskosten begleichen zu können.

7

Mit seinem Beschwerdevorbringen, das Guthaben auf dem Sparkonto seiner Ehefrau sei inzwischen von 4.536,29 € auf 1.496,16 € geschrumpft, so dass das einzusetzende Vermögen nicht mehr zur Bestreitung der Verfahrenskosten ausreiche, dringt der Kläger nicht durch. Zwar steht selbst verschuldete Vermögenslosigkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht entgegen. Eine Ausnahme gilt aber dann, wenn der Antragsteller die Vermögenslosigkeit in Kenntnis dessen herbeigeführt hat, alsbald einen kostenträchtigen Rechtsstreit führen zu müssen (Wax, in: Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 115, Rdnr. 65; Philippi, in: Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 115, Rdnr. 72). Gibt der Antragsteller Vermögenswerte für nicht unbedingt notwendige Zwecke aus, besteht für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, die unbemittelten Personen den Zugang zum Gericht durch Beseitigung der Kostenbarriere erleichtern und damit die Chancengleichheit verbessern soll, kein hinreichender Grund (OLG Bamberg, Beschl. v. 28.1.1985 – 2 WF 15/85 -, NJW-RR 1986, 5). Maßstab für das Verschulden ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz (vgl. Wax, aaO, § 115, Rdnr. 65; vgl. auch Philippi, aaO, § 115, Rdnr. 74, der auf den Begriff der Mutwilligkeit abstellt). Nach diesen Maßstäben ist die Vermögenslosigkeit des Klägers selbst verschuldet.

8

Nach der von dem Kläger überreichten Aufstellung über zusätzliche Ausgaben seit April 2001 hat der Kläger seit der Stellung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Klageschriftsatz vom 2. März 2001, eingegangen bei Gericht am 6. März 2001, erhebliche Geldmittel für Zwecke eingesetzt, für die kein unabweisbares Bedürfnis bestand. Der Kläger hat am 15. April 2001 2.407,67 € für eine Urlaubsreise, im Mai 2002 650,-- € für die Anmietung eines Ferienhauses und im September 2002 2.108,18 € für die Ausrichtung einer Feier mit 100 Personen anlässlich des 10. Hochzeitstages des Klägers und seiner Ehefrau aufgewendet. Ein solches Verhalten rechtfertigt die Versagung der Prozesskostenhilfe. Nach den oben dargestellten Grundsätzen muss der Partei zugemutet werden, ihre finanziellen Dispositionen auf die Führung des Rechtsstreites, für den die Gewährung von Prozesskostenhilfe begehrt wird, auszurichten. Daran fehlt es hier.