Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.08.2003, Az.: 2 OA 117/03
Anwalt; Anwaltszwang; Behördenprivileg; Erstattung; Erstattungsfähigkeit; Hochschule; Hochschulzulassung; Kosten; Kostenerstattung; Rechtsanwalt; Vorverfahren; Zulassung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.08.2003
- Aktenzeichen
- 2 OA 117/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48428
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 13.03.2003 - AZ: 8 C 9081/02
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs 5 BRAGebO
- § 67 Abs 1 S 1 VwGO
- § 67 Abs 1 S 3 VwGO
- § 162 Abs 2 S 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Kosten eines die Hochschule in Hochschulzulassungssachen vertretenden Rechtsanwalts sind nach § 162 Abs . 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich erstattungsfähig.
Gründe
Die von der Antragstellerin zu 1) beantragte Prozesskostenhilfe kann schon deshalb nicht bewilligt werden, weil nach § 5 Abs. 6 GKG das Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden. Im Übrigen kann sie auch deshalb nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Auch der Hilfsantrag auf Feststellung, dass sich der - bewilligende - Prozesskostenhilfebeschluss des Senats vom 17. Februar 2003 - 2 PA 20/03 - auf das Beschwerdeverfahren erstreckt, hat aus den bereits angeführten Gründen und auch deshalb keinen Erfolg, weil es sich beim Beschwerdeverfahren um ein selbstständiges Verfahren handelt.
Mit ihren Beschwerdeverfahren wehren sich die Antragstellerinnen zu 1) und 2) sowie der Kläger zu 3) gegen die Festsetzung von Kosten in Höhe von jeweils 307,40 € für die von der Antragsgegnerin zu 1) und 2) sowie der Beklagten zu 3) zu ihrer Vertretung beauftragten Rechtsanwälte. Entsprechende Erinnerungen gegen die jeweiligen Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle haben die Verwaltungsgerichte mit den angefochtenen Beschlüssen als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richten sich die vorliegenden Beschwerden.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
Der Senat macht sich die Begründung der angefochtenen Beschlüsse der Verwaltungsgerichte zu eigen und verweist gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf sie.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung der vorliegenden Fälle.
Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören die Gerichtskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens zu den Kosten des Verfahrens. Ergänzend dazu bestimmt § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dass die Gebühren und die Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind. Das gilt auch für die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, der eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine Behörde vertritt, die über Mitarbeiter mit der Befähigung zum Richteramt verfügt; auch in diesen Fällen ist grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich gewesen ist. Eine Ausnahme wird lediglich anerkannt, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch einen Beklagten, der sich durch eigene Juristen vertreten lassen kann, gegen Treu und Glauben verstößt, weil sie offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (Nds. OVG, Beschl. v. 24.9.2001 - 8 OA 2480/01 -, NVwZ-RR 2002, 237 m. w. Nachw.). Nur in restriktiv zu behandelnden Ausnahmefällen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Dies gilt bei einem offensichtlichen Verstoß gegen den das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn eine Behörde bzw. eine Körperschaft des öffentlichen Rechts auf eine ersichtlich unzulässige oder aus sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslose Klage mit anwaltlicher Hilfe reagiert (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 13.12.2002 - OVG 3 K 71.01 -, BA S. 3 m. w. Nachw.). Diese Grundsätze sind Bestandteil der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 8.8.2001 - 1 OA 2021/01 -, NVwZ-RR 2002, 467 [VGH Baden-Württemberg 25.01.2002 - 7 S 240/02]; Beschl. v. 27.5.1999 - 9 O 1765/99 -; Beschl. v. 17.12.1997 - 5 O 5242/97 -; OVG Berlin, Beschl. v. 19.6.2001 - 3 K 52/01 -, NVwZ-RR 2002, 237 [VGH Baden-Württemberg 19.09.2001 - 9 S 1464/01]; Beschl. v. 7.2.2001 - 3 K 17/00 -, NVwZ-RR 2001, 613; Beschl. v. 4.1.2001 - 3 K 9/00 -, NVwZ-RR 2001, 614; VGH Mannheim, Beschl. v. 28.2.1991 - NC 9 S 98/90 -, NVwZ-RR 1992, 388; BayVGH, Beschl. v. 28.5.1982 - 4 C 81 A.602 -, NJW 1982, 2394; Beschl. v. 30.11.1977 - Nr. 83 I 77 -, BayVBl. 1978, 92).
Speziell für das Hochschulzulassungsrecht hat der für dieses Rechtsgebiet bisher zuständig gewesene 10. Senat des beschließenden Gerichts ausgeführt, dass es durchaus dem Verhalten eines "verständigen" Beteiligten entspreche, wenn die Hochschule bei der Vielzahl gegen sie gerichteter Zulassungsklagen für das jeweilige Bewerbungssemester die Prozessvertretung ihren Bevollmächtigten sogleich und "einheitlich" überträgt, ohne hierbei auf irgendwelche "Besonderheiten" einzelner Verfahren achten zu müssen. Ein Ausnahmefall könne jedoch dann vorliegen, wenn zum Zeitpunkt des erstmaligen Tätigwerdens des Rechtsanwalts für die Hochschule bereits objektiv eine Erledigung des Rechtsstreits auf Verpflichtung zur Zuweisung eines Studienplatzes eingetreten wäre. Dann wäre eine anwaltliche Vertretung der Hochschule vom Standpunkt einer verständigen Partei aus nicht mehr von Nutzen und "produzierte" nur noch Kosten (Nds. OVG, Beschl. v. 6.4.1993 - 10 0 504/93 u.a. -, BA S. 4 m. w. Nachw.).
Nach diesen Maßstäben, denen der beschließende Senat folgt, ist mit den angefochtenen Beschlüssen der Verwaltungsgerichte kein Grund für eine Ausnahme von der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Kosten für die von den gegnerischen Hochschulen beauftragten Rechtsanwälte nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegeben.
Insbesondere liegt in den beiden Hochschulzulassungsverfahren der Antragstellerinnen zu 1) und 2) eine wirksame Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 1. November 2002, die von dem zuständigen Abteilungsleiter der Abteilung 8 der Antragsgegnerin, Herrn Universitätsdirektor D., unterzeichnet worden ist, was dieser mit Schriftsatz vom 15. Mai 2003 an den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen bestätigt hat. Außerdem ist ausweislich des Schriftsatzes der Vizepräsidentin der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2003 in Verbindung mit der vorgelegten Generalvollmacht vom 6. Dezember 2001 für Herrn D. eine lückenlose Ableitung der Vertretungsmacht nachgewiesen, der die Antragstellerinnen nach Vorlage der diesbezüglichen Schriftstücke durch die Antragsgegnerin auch nicht widersprochen haben.
Ein treuwidriger Verstoß der Antragsgegnerin zu 1) und 2) gegen die Kostenminderungspflicht liegt nicht vor. Im Zeitpunkt der Beauftragung ihres Rechtsanwalts am 1. November 2002 war für die Antragsgegnerin nicht absehbar, wie lange sich der Rechtsstreit noch hinziehen würde. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat sich rechtzeitig vor Beschlussfassung des Verwaltungsgerichts am 5. November 2002 mit Schriftsatz vom 1. November 2002, eingegangen beim Verwaltungsgericht am selben Tage, zu den Gerichtsakten gemeldet und am 5. November 2002, ebenfalls am selben Tage eingegangen, eine Prozessvollmacht vorgelegt sowie einen Sachantrag gestellt. Außerdem hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Parallelverfahren zum Aktenzeichen 8 C 8323/02 unter dem 4. November 2002 eine umfangreiche Einlassung eingereicht, die am 5. November 2002 beim Verwaltungsgericht eingegangen ist. Angesichts dieser Umstände vermag der Senat nicht festzustellen, dass objektiv bereits eine Erledigung des Rechtsstreits auf - einstweilige - Verpflichtung zur Zuweisung eines Studienplatzes eingetreten war, als der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin in den vorliegenden Verfahren tätig wurde. Angesichts der Einlassung des Prozessbevollmächtigten zur Sache ist auch nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin zu 1) und 2) bzw. ihr Prozessbevollmächtigter mit der alsbaldigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Gunsten der Antragstellerinnen zu 1) und 2) rechnen mussten. Im Übrigen waren die Anträge der Antragstellerinnen nicht von vornherein unzulässig oder aus sonstigen Gründen aussichtslos, wie der spätere Beschluss des Verwaltungsgerichts gezeigt hat.
Eine Beschränkung der rechtsanwaltlichen Vertretung der Hochschulen auf sogenannte Leitverfahren können die Antragstellerinnen nicht verlangen. Vielmehr müssen die Studierenden schon wegen des grundsätzlich geltenden Anwaltszwangs nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Hochschulen mit der anwaltlichen Vertretung derselben rechnen, anstatt auf Inanspruchnahme des sogenannten Behördenprivilegs nach § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu hoffen, das nur im Interesse der "Behörden", nicht aber im Kosteninteresse der gegnerischen Beteiligten besteht. Im Übrigen handelt es sich bei Hochschulzulassungsverfahren in der Regel um Massenverfahren, in denen sich die Antragsteller häufig durch verschiedene Rechtsanwälte vertreten lassen und in denen auf der Antragstellerseite im Laufe des Verfahrens aus den verschiedensten Gründen in erheblichem Umfang Antragsteller auch wieder ausscheiden. Daher muss sich die Hochschule auf jede durch verschiedene Rechtsanwälte vertretene Gruppe von Antragstellern einstellen und kann sich innerhalb derselben nicht darauf verlassen, dass ein ursprünglich als solches erkorenes Leitverfahren auch ohne vorzeitige Beendigung fortgeführt wird.
Für eine Nichtigkeit des mündlich zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Anwaltvertrages nach § 138 BGB ist nichts ersichtlich. Die Antragsgegnerin kann ihren prozessualen Kostenerstattungsanspruch gegen ihren Prozessgegner erfüllungshalber an ihren Prozessbevollmächtigten abtreten.
Schließlich war die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet, die jeweiligen gegnerischen Prozessbevollmächtigten wie die der Antragstellerinnen vorab darauf hinzuweisen, dass eine Beauftragung eines Rechtsanwalts erfolgen solle. Damit mussten die Antragstellerinnen wegen § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO von vornherein rechnen, als sie ihrerseits ein verwaltungsgerichtliches Verfahren anstrengten.
Auf § 19 Abs. 5 BRAGO können sich die Antragstellerinnen schon deshalb nicht berufen, weil diese Vorschrift nicht das Kostenfestsetzungsverfahren, sondern lediglich das Festsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO betrifft. Während § 19 BRAGO lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Auftraggeber, der Antragsgegnerin zu 1) und 2), und seinem Vertragspartner, dem Anwalt, betrifft, regelt das vorliegende Kostenfestsetzungsverfahren das Außenverhältnis des Auftraggebers des Anwalts zum Prozessgegner (Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl. 2000, § 19 BRAGO RdNrn. 4 und 3). Im Übrigen ist der Mandatsvertrag zwischen der Antragsgegnerin zu 1) und 2) und ihrem Prozessbevollmächtigten nicht sittenwidrig, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt.
Im Verfahren des Klägers zu 3) ist ebenfalls kein Grund dafür ersichtlich, dass die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 3) offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan gewesen ist, dem Gegner Kosten zu verursachen. Abgesehen davon, dass die zweite Klageerhebung in derselben Sache durch die Urlaubsvertreterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers offensichtlich auf ein Organisationsverschulden zurückzuführen ist, war auf Seiten der Beklagten nicht erkennbar, dass die trotz ihres Anerkenntnisbescheides vom 14. Januar 2003 erhobene zweite - doppelte - Klage nicht ernsthaft erhoben sein sollte. Zum einen wurde diese Klage gesondert begründet, zum anderen stützte sie sich gerade auf die Anerkennung des bei der Universität E. absolvierten Pronunciationtests, während die Beklagte mit Anerkenntnisbescheid vom 14. Januar 2003 eine Bescheinigung der Universität F. über die Aussprachekompetenz des Klägers im Englischen als Äquivalent für den in G. verlangten Pronunciationtest im Rahmen des Magisterstudiums an der beklagten Hochschule aufgrund eines Kooperationsvertrages zwischen der Universität und der Beklagten anerkannte. Daraus durfte die Beklagte berechtigterweise schließen, dass es dem Kläger trotz des Anerkenntnisbescheides nach wie vor um die Anerkennung des an der Universität E. absolvierten Pronunciationtests ging. Von einer treuwidrigen Mehrkostenverursachung durch die Beklagte kann bei dieser Sachlage nicht die Rede sein. Im Übrigen teilt der Senat die Gründe des angefochtenen Beschlusses, mit denen sich der Kläger mit seiner Beschwerde nicht mehr auseinandergesetzt hat, und verweist gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO ergänzend auf sie.