Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.08.2003, Az.: 4 ME 192/03

Elternzeit; Erwerbstätigkeit; Erziehungsgeld; Erziehungsurlaub; gemeinnützige und zusätzliche Arbeit; Hilfe zum Lebensunterhalt; Nachrang; Sozialhilfe

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.08.2003
Aktenzeichen
4 ME 192/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48524
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.03.2003 - AZ: 6 B 67/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das BErzGG (i. d. F. der Bekanntmachung vom 07.12.2001, BGBl. I S. 3358) lässt eine gleichzeitige Inanspruchnahme von Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub) durch beide Elternteile zu und gestattet dabei jedem Elternteil eine Erwerbstätigkeit im Umfang von bis zu 30 Stunden wöchentlich.

2. Die Inanspruchnahme von Elternzeit beseitigt im Fall wirtschaftlicher Bedürftigkeit nicht den Nachrang der Sozialhilfe gegenüber der Selbsthilfemöglichkeit durch Arbeit.

3. Der Sozialhilfeträger darf unter Beachtung der Vorgaben des BErzGG den Sozialhilfe begehrenden Elternteil nicht auf eine Arbeit im Umfang von mehr als 30 Stunden wöchentlich oder auf eine Erwerbstätigkeit verweisen, zu der der bisherige Arbeitgeber des Elternteils die erforderliche Zustimmung aus dringenden betrieblichen Gründen verweigert.

4. Die Verweisung eines Elternteils auf die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit (ggf. mit Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers) oder seine Heranziehung zur Leistung gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit ist ausgeschlossen, solange an diesen Elternteil Erziehungsgeld gezahlt wird.

Tatbestand:

1

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche gegen Bescheide, mit denen er von dem Beklagten zur Leistung von Arbeit herangezogen worden ist.

2

Der Antragsteller und seine Familie - die Ehefrau, der Sohn E. (geb. 1989) und die Töchter Li. (geb. 1992) und Ly. (geb..2001) - erhalten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt von dem Antragsgegner. Der Antragsteller befindet sich nach vorausgegangener Arbeitslosigkeit in Elternzeit und erhält Erziehungsgeld für die jüngere Tochter. Die Ehefrau des Antragstellers war als Erzieherin tätig, nimmt aber seit Oktober 2002 ebenfalls Elternzeit in Anspruch. Aus einem amtsärztlichen Gutachten vom 25.3.2003 zur Frage ihrer Arbeitsfähigkeit ergibt sich eine nur eingeschränkte Leistungsfähigkeit im Umfang von bis zu vier Stunden täglich.

3

Mit zwei Schreiben vom 28.10.2002 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, sich um Arbeit zu bemühen, und hörte ihn gleichzeitig zur beabsichtigten Heranziehung zu gemeinnütziger Arbeit an.

4

Mit Bescheid vom 20.11.2002 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, gemeinnützige und zusätzliche Arbeit nach § 19 BSHG in Schulen der Samtgemeinde A. im Umfang von wöchentlich bis zu 40 Stunden gegen Gewährung einer Mehraufwandsentschädigung zu leisten, und ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Er führte dazu aus: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides liege im besonderen öffentlichen Interesse. Sie diene dazu, einer Arbeitsentwöhnung vorzubeugen bzw. sie zu beseitigen. Dadurch solle auch verhindert werden, dass eine spätere Vermittlungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht eingeschränkt, erschwert oder unmöglich werde.

5

Der von dem Antragsteller unter dem Datum des 16.12.2002 gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2003 zurückgewiesen.

6

Da der Antragsteller der Aufforderung zur Arbeitsleistung nicht nachgekommen war, forderte der Antragsgegner ihn mit Bescheid vom 17.12.2002 erneut zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit bei derselben Stelle und im selben Umfang wie zuvor auf und ordnete wiederum die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an. Er wies außerdem darauf hin, dass der Antragsteller bei Verweigerung der Arbeitsleistung den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt verliere und die ihm gewährte Hilfe dann in einer ersten Stufe um mindestens 25 % des maßgebenden Regelsatzes gekürzt werde. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Da der Antragsteller der Aufforderung zur Arbeitsleistung nicht nachkam, kürzte der Antragsgegner die dem Antragsteller zustehende Hilfe zum Lebensunterhalt mit Bescheid vom 7.3.2003 um 25 %.

7

Mit weiterem Bescheid vom 7.3.2003 forderte der Antragsgegner den Antragsteller erneut zur Arbeitsleistung auf und ordnete wiederum die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Der Antragsteller legte gegen diesen Bescheid am 14.3.2003 Widerspruch ein. Der Aufforderung  zur Arbeitsleistung kam er nicht nach.

8

Bei dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller am 17.3.2003 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Heranziehungsbescheide vom 20.11.2002 und 7.3.2003 beantragt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 27.3.2003 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Soweit der Antrag den Bescheid vom 20.11.2002 betreffe, sei er unzulässig. Dieser Bescheid habe sich durch Erlass des weiteren Bescheides vom 17.12.2002, den der Antragsteller nicht angegriffen habe, erledigt. Soweit der Antrag den Bescheid vom 7.3.2003 betreffe, sei er unbegründet. Dieser Bescheid sei ersichtlich rechtmäßig. Durch die Heranziehung des Antragstellers zur Arbeitsleistung werde die geordnete Erziehung des Kindes nicht gefährdet, da die Ehefrau des Antragstellers sich ebenfalls in Elternzeit befinde und für die Betreuung des Kindes sorgen könne. Anhaltspunkte dafür, dass sie hierzu nicht in der Lage sei, lägen nicht vor. Dass der Antragsteller sich in Elternzeit befinde, stehe der Heranziehung zur Arbeit nicht entgegen. Eine gemeinsame Inanspruchnahme der Elternzeit von beiden Elternteilen in vollem Umfang sei im BErzGG nicht vorgesehen. Auch den Anspruch auf das Erziehungsgeld verliere die Familie nicht. Denn wenn der Antragsteller eine Arbeit aufnehme, könnten die Eheleute ohne weiteres die Ehefrau als Bezugsberechtigte bestimmen.

9

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

10

Der Antragsgegner hat den Antragsteller mit Bescheiden vom 31.3.2003 und 22.4.2003 erneut zur Ableistung von Arbeit an derselben Stelle, im Umfang aber nur bis zu 30 Stunden wöchentlich, aufgefordert und wiederum die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet. Gegen diese Bescheide hat der Antragsteller am 22.4.2003 bzw. 2.5.2003 Widerspruch eingelegt.

11

Mit Schriftsätzen vom 28.4.2003 und 5.5.2003 hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren beantragt,

12

unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Lüneburg im Umfang des ursprünglichen Rechtsschutzantrages die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen die Bescheide des Antragsgegners wiederherzustellen,

13

hilfsweise

14

1.festzustellen, dass die bisherigen Anträge in der Hauptsache erledigt sind

15

und

16

2. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22.4.2003 wiederherzustellen,

17

weiter hilfsweise,

18

das Verfahren zur Entscheidung über den Hilfsantrag zu Nr. 2 an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist für den Zeitraum bis einschließlich 12.7.2003 begründet, darüber hinaus aber nicht begründet.

21

Über den Hauptantrag und die Hilfsanträge ist hier einheitlich zu entscheiden.

22

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Heranziehungsbescheide des Antragsgegners vom 20.11.2002, vom 7.3.2003, 31.3.2003 und 22.4.2003 wiederherzustellen. Die beiden letztgenannten Bescheide hat der Antragsteller in sachdienlicher Weise in das Verfahren einbezogen.

23

Die in älteren Bescheiden enthaltenen Anordnungen der sofortigen Vollziehung erledigen sich durch den Erlass neuer Bescheide entsprechenden Inhalts jedenfalls dann nicht, wenn die älteren Bescheide wie offenbar im vorliegenden Fall wegen wiederholten Nichtbefolgens der Arbeitsaufforderung zwischenzeitlich zur Grundlage von Bescheiden über die Kürzung der dem Antragsteller gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt geworden sind.

24

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in allen Bescheiden formell ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfolgt. Unter der - noch zu erörternden - Voraussetzung, dass die Heranziehung zur Arbeitsleistung nicht durch die Inanspruchnahme von Elternzeit gesperrt wird, geben die Begründungen der Sofortvollzugsanordnungen noch hinreichend das besondere öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Bescheide wider. Dieses ergibt sich so aus dem Zweck der Regelung der §§ 18 Abs. 1 und Abs. 2, 19 Abs. 2 BSHG.

25

Die oben genannten Heranziehungsbescheide werden aber voraussichtlich einer materiell-rechtlichen Überprüfung im Widerspruchsverfahren und evtl. gerichtlichen Hauptsacheverfahren nur teilweise standhalten.

26

Grundlage für die Heranziehung des Antragstellers zur Ableistung gemeinnütziger Arbeit gem. § 19 Abs. 2 BSHG ist die in § 18 Abs. 1 BSHG festgelegte Verpflichtung jedes Hilfesuchenden, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen. Diese Verpflichtung trifft auch den Antragsteller. Ihr steht in seinem Fall nicht entgegen, dass er - ebenso wie seine Ehefrau - Elternzeit in Anspruch nimmt.

27

Das Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.12.2001 (BGBl. I S. 3358) regelt in seinem ersten Abschnitt (§§ 1 - 14) die Leistung von Erziehungsgeld und in seinem zweiten Abschnitt (§§ 15 - 21) den Anspruch auf Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub). Nach § 15 Abs. 1 BErzGG haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter den dort aufgeführten (hier nicht entscheidungsrelevanten) Voraussetzungen Anspruch auf Elternzeit, wenn sie mit einem Kind in einem Haushalt leben und es selbst betreuen und erziehen. Die Elternzeit ist gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BErzGG auf bis zu drei Jahre für jedes Kind begrenzt und kann auch "von beiden Elternteilen gemeinsam" genommen werden. Die gleichzeitige Inanspruchnahme ist vom Gesetzgeber ermöglicht worden, um "zu gewährleisten, dass die Betreuung des Kindes durch die neue mögliche Arbeitszeit nicht gefährdet wird" (BT-Drucks. 14/3553 S. 20). Denn nach § 15 Abs. 4 BErzGG ist während der Elternzeit eine Erwerbstätigkeit für jeden Elternteil von bis zu 30 Stunden wöchentlich zulässig. Dieses Ergebnis - Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Elternzeit durch beide Elternteile gleichzeitig - wird bestätigt durch einen Vergleich der aktuellen Regelung mit der früher geltenden Regelung. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BErzGG a.F. bestand ein Anspruch auf Erziehungsurlaub (Anm.: der Begriff der Elternzeit ist erst später in das Gesetz eingeführt worden) nicht, solange der mit dem Arbeitnehmer in einem Haushalt lebende Elternteil nicht erwerbstätig war, es sei denn dieser war arbeitslos. Daraus ergab sich der Grundsatz, dass, wenn ein Elternteil freiwillig nicht erwerbstätig ist, der andere nicht Erziehungsurlaub machen darf. Dieser Grundsatz ist mit der Neufassung des § 15 BErzGG dem eindeutigen Wortlaut nach aufgegeben worden.

28

Wie sich aus der Begründung der Neufassung des Gesetzes (a.a.O.) ergibt, soll die neue aufgenommene Regelung über die Arbeitsmöglichkeit dem Wunsch vieler Eltern nachkommen, während der Elternzeit eine Beschäftigung von 20 bis 30 Wochenstunden ausüben zu können. Die den Eltern damit eingeräumte Möglichkeit, neben der Elternzeit nahezu eine Vollzeitbeschäftigung ausüben zu können, soll zu einer Verbesserung des Familieneinkommens, der Absicherung in der Sozialversicherung, der Chance zur beruflichen Qualifikation und der Einbeziehung der Väter in die Elternzeit führen. Der Gesetzgeber war dabei davon überzeugt, dass diesen Vorteilen nicht das Risiko einer Gefährdung der Betreuung des Kindes gegenüberstehe, weil die individuellen Betreuungsmöglichkeiten regelmäßig einen gewissen Spielraum zuließen (vgl. auch Lindemann/Simon, NJW 2001, 258 ff.).

29

Auf diese Möglichkeit, auch während der Elternzeit zu arbeiten, kann der Sozialhilfeträger den Elternteil, der während der Elternzeit Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch nehmen will, entsprechend § 18 Abs. 1 BSHG grundsätzlich verweisen. Die Inanspruchnahme von Elternzeit beseitigt den insoweit bestehenden Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) gegenüber der Selbsthilfemöglichkeit durch Arbeit nicht. Die Regelungen des zweiten Abschnitts des BErzGG über die Elternzeit sind nicht Sozialleistungsregelungen, die in einem Vor- oder Nachrangverhältnis zu den Regelungen des BSHG stehen. Sie regeln nämlich nicht eine Sozialleistung des Staates an den Elternteil, sondern eine Inpflichtnahme der Arbeitgebers zur Gewährung von Elternzeit in Form einer Art Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis. Sie regeln dementsprechend im Einzelnen die Rechte und Pflichten von Elternteil (Arbeitnehmer) und Arbeitgeber (vgl. BT-Drucks. 14/3553 S. 21 f.). Es ist deshalb konsequent, dass das Verhältnis zu anderen Sozialleistungen nur im ersten Abschnitt des BErzGG in § 8 für den Anspruch auf Erziehungsgeld geregelt wird.

30

Allerdings ist bei der Verweisung des Hilfesuchenden auf die Selbsthilfemöglichkeit durch Arbeit zu beachten, dass nicht durch die Anwendung einer Sozialleistungsregelung eine andere gesetzliche Regelung gegenstandslos gemacht wird, die gerade auch aus sozialen Erwägungen geschaffen worden ist (Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung).

31

Auf die Verpflichtung des Sozialhilfe begehrenden Elternteils aus § 18 BSHG, seine Arbeitskraft einzusetzen, haben die Regelungen zur Elternzeit deshalb - erstens - insofern eine Art Reflexwirkung, als der Sozialhilfeträger zur Beachtung der 30-Stunden-Grenze für eine Arbeit verpflichtet ist, damit nicht durch ein weitergehendes Arbeitsverlangen der soziale Zweck der Regelung der Elternzeit unterlaufen wird, dem Elternteil eine intensive Beschäftigung mit dem Kind zu ermöglichen. Dem hat der Antragsgegner in dem Bescheid vom 31.3.2003 durch die ausdrückliche Begrenzung der Heranziehung des Antragstellers zur Arbeit auf bis zu 30 Stunden wöchentlich Rechnung getragen. In den vorausgegangenen Bescheiden ist zwar von "bis zu 40 Stunden" die Rede. In Anbetracht des jüngeren Bescheides vom 31.3.2003 ist aber davon auszugehen, dass der Antragsgegner an diesem Umfang der Arbeitszeit nicht mehr festhält.

32

Der Sozialhilfe begehrende Elternteil darf - zweitens - nicht auf die Aufnahme einer Arbeit verwiesen werden, die er aus Rechtsgründen nach dem BErzGG nicht aufnehmen darf, z. B. weil der bisherige Arbeitgeber die erforderliche Zustimmung aus dringenden betrieblichen Gründen (§ 15 Abs. 4 BErzGG) ablehnt. Der Träger der Sozialhilfe kann den Hilfesuchenden in einem solchen Fall auch nicht darauf verweisen, die Frage der Rechtmäßigkeit der Versagung der Zustimmung erst in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu klären, denn eine von einem vorherigen Prozess abhängige Arbeitsmöglichkeit ist kein "bereites Mittel" der Selbsthilfe. Im Fall des Antragstellers kommt es allerdings auf das Zustimmungserfordernis schon deshalb nicht an, weil der Antragsteller vor Antritt der Elternzeit arbeitslos war.

33

Ein anderes Ergebnis fände sich aber auch dann nicht, wenn man die Regelungen des BErzGG als einheitliche Sozialleistungsregelung ansähe. Dann wäre nämlich § 8 BErzGG als allgemeine Regelung des Verhältnisses der Leistungen  nach dem BErzGG einerseits und sonstigen Sozialleistungen andererseits heranzuziehen. Aus § 8 Abs. 1 BErzGG  a.F. war abzuleiten, dass der Grundsatz des Nachnachrangs der Sozialhilfe nicht gelten sollte (Senat, Beschl. v. 28.7.1994 - 4 M 2487/94 -; Urt. v. 23.09.1998 - 4 L 5653/96 -, FEVS Bd. 49, 181 = info also 1999, 42 = NDV-RD 1999, 79; vgl. ferner SächsOVG, Urt. v. 18.12.1997 - 2 S 614/95 -, DVBl. 1998, 1143 <LS> = FEVS Bd. 48, 488; OVG NRW, B. v. 17.05.2001 - 12 E 692/00 -, info also 2002, 86 <LS> = ZfS 2001, 333). Demgegenüber stellt § 8 Abs. 1 Satz 3 BErzGG n.F. den Nachrang der Sozialhilfe und insbesondere auch die Geltung des § 18 BSHG ausdrücklich fest. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/3553, S. 20) wird dazu ausgeführt: "Der neue Satz 3 erster Halbsatz verdeutlicht, dass die wichtigsten Grundsätze der Sozialhilfe (ihr Nachrang, Pflicht zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit für sich und die unterhaltsberechtigten Angehörigen und auch der Darlehensgrundsatz des § 15b BSHG) fortbestehen, soweit es um eine eventuelle Sozialhilfe für den anderen Elternteil oder um Zeiten des Erziehungsurlaubs geht, in denen die Eltern kein Erziehungsgeld des Bundes oder eines Landes erhalten. Die Möglichkeit eines gemeinsamen Erziehungsurlaubs der Eltern darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Sozialhilfe führen".

34

Eine Einschränkung ergibt sich im Falle des Antragstellers jedoch dadurch, dass § 8 Abs. 1 Satz 3 BErzGG den Nachrang der Sozialhilfe für die Dauer der Elternzeit, "in der dem Berechtigten kein Erziehungsgeld gezahlt wird", festlegt. Anders gesagt gilt der Nachrang der Sozialhilfe nicht für die Zeit der Zahlung von Erziehungsgeld. Der Antragsteller erhielt hier für die Zeit bis zur Vollendung des 24. Lebensmonats der Tochter Ly. (§ 5 Abs. 1 S. 1 BErzGG), also bis zum 12.7.2003 einschließlich, Erziehungsgeld. Darauf, ob er und seine Frau, ohne wirtschaftliche Nachteile befürchten zu müssen, die Ehefrau als Bezugsberechtigte hätten bestimmen können (§ 3 Abs. 2 BErzGG), kommt es nicht an. Zum einen stellt das BErzGG es den Eltern grundsätzlich frei, den Bezugsberechtigten zu bestimmen (§ 3 Abs. 2 S. 1 BErzGG). Eine Änderung der Bestimmung ist nur möglich, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes nicht mehr sichergestellt werden kann (§ 3 Abs. 2 S. 3 BErzGG). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Zum anderen führt die Bestimmung des Antragstellers zum Bezugsberechtigten hier nicht zu einem dem gesetzgeberischen Willen, bei der Schaffung der Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Elternzeit für beide Elternteile eine weitere Belastung der Sozialhilfe auszuschließen, widersprechenden Ergebnis. Denn hier geht es dem Antragsgegner nicht um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller, sondern um die Leistung gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit gegen Leistung von Hilfe zum Lebensunterhalt zuzüglich einer Mehraufwandsentschädigung. Hierzu könnte der Antragsgegner auch die Ehefrau des Antragstellers im Rahmen ihrer Arbeitsfähigkeit (20 Stunden wöchentlich) heranziehen. Eine zusätzliche Belastung der Sozialhilfe ergibt sich damit nicht.

35

Ob es rechtsmissbräuchlich wäre, wenn in einem ähnlich gelagerten Fall die Eheleute statt des arbeitsunfähigen Partners den arbeitsfähigen zum Bezugsberechtigten für das Erziehungsgeld bestimmten, um auf diese Weise die Arbeitsverpflichtung des § 18 Abs. 1 BSHG und die Möglichkeit der Selbsthilfe sowie die mit der Neufassung des § 8 BErzGG verbundene Vorstellung des Gesetzgebers, dass die Möglichkeit einer gemeinsamen Elternzeit nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Sozialhilfe führen dürfe, gezielt zu unterlaufen, wäre zu erwägen, ist hier aber nicht zu entscheiden.

36

Der Senat geht davon aus, dass die Heranziehung des Antragstellers zur Arbeitsleistung eine auf längere Zeit angelegte Maßnahme ist, die nicht dadurch gegenstandslos wird, dass der Antragsteller einen ihm konkret genannten Termin zur Arbeitsaufnahme verstreichen lässt, sondern dass er die Arbeitsaufforderung bei unveränderter Sachlage auch zu einem späteren Zeitpunkt noch befolgen soll. Dementsprechend ergibt sich die Befristung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche auf die Zeit bis zum 12.7.2003 einschließlich daraus, dass - wie oben gesagt - mit Ablauf dieses Tages der Anspruch des Antragstellers auf Erziehungsgeld geendet hat und damit der Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 BErzGG wieder wirksam geworden ist. Mit Wirkung ab dem 13.7.2003 konnte der Antragsteller damit zur Arbeitsleistung herangezogen werden. Dass eine Heranziehung des Antragstellers zur Arbeitsleistung hier nicht zu einer Gefährdung der Betreuung des Kindes führt (§ 18 Abs. 3 S. 2 BSHG), weil seine Ehefrau, die ebenfalls Elternzeit in Anspruch nimmt, für die Betreuung des Kindes sorgen kann, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt. Dagegen hat der Antragsteller begründete Einwendungen nicht erhoben.